Recherche ist ein zeitraubendes und oft gar nicht besonders interessantes Ding. Man wird in den seltensten Fällen für sie bezahlt, und 99,97% aller Leser des fertigen Artikels nehmen Dahinbehauptetes entweder für bare Münze oder sind zu träge, sich zu beschweren […]
schrieb Kathrin Passig in ihrem Grußwort zum Start von “BILDblog für alle”.
Apropos Dahinbehauptetes: Am Montag erschien bei FAZ.net ein Artikel über das Betahaus in Berlin, der schon ein paar Wochen vorher in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” gestanden hatte. Dort heißt es unter anderem:
Frau Passig schreibt uns dazu:
Ich war 3x im Oberholz und kann Tag und Anlass noch genau benennen, keinmal davon mit Holm.
Und falls Sie geglaubt haben, das mit “Tag und Anlass benennen” sei nur so ein Spruch: Pah!
Ich war zum ersten Mal im St. Oberholz am 21. Januar 2009 so um 17:00 herum, wie man hier nachlesen kann: http://twitter.com/kathrinpassig/statuses/1136565300
Ich habe mit niemandem geredet und ein Buch gelesen. Holm Friebe war nicht dabei.
Zum zweiten Mal war ich am 20. März 2009 kurz vor drei dort, um Sebastian Sooth zu einem Treffen im Gorki Park abzuholen. Ohne Holm Friebe.
Zum dritten Mal war ich anlässlich der pl0gbar am Abend des 31. März 2009 im St. Oberholz. Es waren viele Menschen anwesend, Holm Friebe aber nicht.
Holm Friebe lässt sich zu den Vorwürfen dem Geschehen wie folgt zitieren:
Ich war in den letzten zwei Monaten unter Garantie nicht da.
Von ihrem erfundenen Auftauchen im Trendlokal mal ab, so Frau Passig weiter, sei der ganze Rest “auch Unfug” und das Betahaus (oder “Betahaus Kreuzberg”, wie es auf betahaus.de heißt) stehe in Kreuzberg — anders als die “FAZ” schreibt:
Als die Staatsanwaltschaft vor dreieinhalb Jahren am Ende des Vergewaltigungs-Prozesses gegen den ehemaligen Fernsehmoderator Freispruch beantragte, kommentierte “Bild”, dass dieser Fall nie vor Gericht hätte landen dürfen. Der Moderator sei Opfer einer Justiz geworden, “die diesen Prozeß zuließ und vier Wochen lang ein schmutziges Gerichtsspektakel inszenierte”.
Dass Türck auch Opfer der Medien wurde und insbesondere einer großen deutschen Boulevardzeitung, kam “Bild” nicht in den Sinn. Über Wochen hatte die Zeitung genüsslich intimste Details ausgebreitet, ihn verurteilt und u.a. getitelt: “So hat Türck mich vergewaltigt”. In der “Bild am Sonntag” hatte ein Redakteur namens Stefan Hauck das Leben Türcks ein “erbärmliches Leben” genannt und erklärt, man müsse “kein Mitleid” mit ihm haben. Die Überschrift: “Hier steht Andreas Türck ein letztes Mal im Licht”.
Noch nachdem Türck freigesprochen wurde, behauptete “Bild”, es handele sich nicht um einen “Freispruch erster Klasse”, weil die Tat bloß nicht mit Sicherheit hätte bewiesen werden können, zählte auf, wie viel “Schmutz” an ihm hängen bleibe und fragte süffisant: “Der schöne Andreas ist 1,93 Meter groß, sportlich, schlank, lächelt gern — aber für was soll er jetzt sein Gesicht ins Fernsehen halten?” Später landete Türck wegen seines Prozesses in einer “Bild”-Kolumne mit der Überschrift “Peinliche Promis”.
Der Ruf eines unschuldigen Mannes war ruiniert. Daran, dass Andreas Türck in diesem Sinne zum Opfer wurde, hatte sicher die Justiz ihren Anteil. Aber am wirkungsvollsten war die “Bild”-Zeitung mit ihren riesigen, vernichtenden Schlagzeilen.
Die Zeitung hat, nicht nur in diesem Fall, jede Verantwortung für die Folgen ihrer Berichterstattung abgelehnt. Schon deshalb hat sie aus dem Fall Türck nichts gelernt. Es gab da für “Bild” nichts zu lernen.
Wie das Verfahren gegen die Sängerin ausgehen wird, die zur Zeit in Untersuchungshaft sitzt, weil ihr vorgeworfen wird, im Wissen um ihre HIV-Infektion ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, ist offen. Natürlich kann es sein, dass es — anders als der Prozess gegen Andreas Türck — mit einem Schuldspruch endet und die Frau für viele Jahre ins Gefängnis muss. Aber bislang ist gegen sie noch nicht einmal Anklage erhoben worden, und ihr Ruf ist schon vollends ruiniert.
Spätestens im Nachhinein wird man fragen müssen, in welchem Maß die Sängerin selbst oder die Justiz dafür verantwortlich ist. In welchem Maß “Bild” dafür verantwortlich ist, wird man “Bild” nicht fragen müssen. Schlimmstenfalls kann sich das Blatt ja darüber empören, dass die Justiz so ein “schmutziges Gerichtsspektakel” zuließ und eine Frau zum Opfer machte.
Luca Toni, Mittelstürmer beim FC Bayern, hat in seiner italienischen Heimat ein Interview gegeben. Natürlich ging es dabei auch um die Situation beim FC Bayern und die Diskussion um dessen Trainer Jürgen Klinsmann. Also fragte der Interviewer den Fußballer, wie es denn weitergehe in München, dass es Gerüchte über potentielle Nachfolger gebe und dabei auch der Name eines italienischen Trainers gefallen sei — ob er denn dazu etwas sagen wolle.
So richtig wollte Toni anscheinend nicht, denn sein erster Satz in der Antwort lautet:
“Nein, ich weiß nicht, was passieren wird. Jetzt werden wir sehen, ob sie [die Bayern] mit Klinsmann weiter machen wollen.”
Danach sagt er etwas, was vermutlich sogar jeder Fußball-Laie unterschreiben würde:
“Ich denke, es wird viel vom Ende der Saison abhängen. Dann wird der Verein sehen.”
Und schließlich sagt er noch, so diplomatisch wie es eben geht, über den durchaus renommierten Trainer und Landsmann Mancini folgendes:
“Es ist klar, wenn ein italienischer Trainer kommen würde — so gut wie Mancini — ich denke, es kann dem Ganzen nur gut tun und auch den Bayern!”
Man würde also dem Interview nicht unrecht tun, wenn man es so zusammenfassste: Luca Toni weiß nicht, wie es in der Trainerfrage in München weitergeht. Und er hält Italiener im Allgemeinen und Mancini generell für gute Trainer (was keine sonderlich exotische Meinung ist).
Das liest sich indessen aktuell in vielen deutschen Medien ganz anders. “Bild”, dem Bayern-Trainer in herzlicher gegenseitiger Abneigung verbunden, titelt:
Konsequenterweise lässt Bild.de die User aktuell schon mal über den bevorzugten neuen Bayern-Trainer abstimmen. Die Möglichkeit, für Klinsmann zu votieren, ist dabei erst gar nicht vorgesehen.
Die ‘Bild”-Überinterpretation wird eifrig übernommen:: Bei T-Online behauptet man, Toni habe sich “bereits Gedanken über einen Nachfolger gemacht” und “empfiehlt einen italienischen Landsmann”. Bei sport1.de geht man sogar soweit zu behaupten, Toni habe Mancini als “Ideallösung genannt” (das behauptet nicht mal “Bild”). Und schließlich geriet Toni sogar “ins Schwärmen”, als er auf Mancini angesprochen wurde, zumindest dann, wenn man sport.de (rtl.de) glaubt.
Ziemlich untergegangen ist in der Toni-schwärmt-von-Mancini-Euphorie, dass sich auch noch ein anderer Spieler des FC Bayern zu Wort gemeldet hat. In der “Süddeutschen Zeitung” steht heute:
“Klinsmann macht derzeit eine schwere Phase durch. Die ganzen Attacken treffen ihn persönlich, aber auch uns Spieler und den gesamten Verein (…) In den letzten sieben Partien werden wir uns für ihn zusammenreißen. Um deutscher Meister zu werden, müssen wir alle zusammenhalten.”
Es hat etwas von Trotz, wenn die “Bild”-Zeitung heute den Fall der Sängerin, der vorgeworfen wird, vor mehreren Jahren einen Mann mit HIV infiziert zu haben, noch einmal auf die Titelseite nimmt. Denn nichts von dem, was dort steht, ist neu.
Aber die Sängerin hat beim Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung erwirkt, die es “Bild” verbietet, weiter über den Fall zu berichten, und “Bild” hat sich entschlossen, diese einstweilige Verfügung demonstrativ zu ignorieren.
Die Zeitung hat kein Recht dazu — trotz des Widerspruchs, den sie gegen die Entscheidung eingelegt hat. Wenn das Verbot der Berichterstattung auf Dauer aufrechterhalten bleibt, muss “Bild” für diesen hartnäckigen Rechtsverstoß erhebliche Summen zahlen. Er kann auch dazu führen, dass der Sängerin ein höheres Schmerzensgeld von “Bild” zusteht.
Sollte eine spätere Instanz allerdings entscheiden, dass “Bild” über den Fall so berichten durfte, obwohl er die Intimsphäre der Sängerin betrifft, bliebe dieser Verstoß gegen die einstweilige Verfügung folgenlos. “Bild” erhöht also das mit seiner Berichterstattung verbundene eigene Risiko.
Die Entscheidung des Landgerichts nennt “Bild” heute einen “Irrsinn” und einen “Justiz-Skandal”. Die erfolgreiche Sängerin sei “Vorbild für Millionen deutsche Jugendliche”: “Wenn ausgerechnet solch ein Star straffällig wird, muss man darüber berichten dürfen — und das wird BILD auch weiter tun!” (Ob die Sängerin tatsächlich straffällig geworden ist, ist allerdings noch offen. “Bild” schafft es aber naturgemäß nicht, auf eine Vorverurteilung zu verzichten.)
“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann vergleicht den Fall mit dem Skiunfall des thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus und den “Steuerlügen” des ehemaligen Post-Chefs Klaus Zumwinkel und kommentiert:
Wenn schwere Straftaten Privatsphäre sind, kann die Presse über nichts mehr berichten. Dann kann man die Pressefreiheit auch gleich abschaffen.
Auch die meisten anderen Medien berichten weiterhin über den Fall. Die Nachrichtenagentur dpa verbreitete in mehreren Meldungen, sie teile “nicht die Auffassung des Anwalts der Sängerin, wonach diese keine absolute Person der Zeitgeschichte sei und es sich auch nicht um eine spektakuläre Straftat handele.” Der Anwalt hatte in einer Pressemitteilung die Meinung vertreten, die Berichterstattung sei rechtswidrig, so lange keine Anklage erhoben wurde: “Das gilt umso mehr, als die Sachverhalte, die jetzt zum Gegenstand des Vorwurfes gemacht wurden, mehrere Jahre zurück liegen und die Intimsphäre der Mandantin betreffen.”
Der “Kölner Stadtanzeiger” und der “Express” haben gestern [Nachtrag: fast] alle Berichte über den Fall aus ihren Online-Angeboten entfernt.
Das gleiche tat die “Welt”. Während sie nur noch berichtet, dass sie nicht mehr berichten darf, finden sich auf den Internet-Seiten ihres Schwesterblatts “Berliner Morgenpost” nach wie vor alte und neue Berichte über die Vorwürfe gegen die Sängerin. Das unterschiedliche Vorgehen hat einen ebenso einfachen wie bizarren Hintergrund: Die einstweilige Verfügung der Sängerin richtet sich gegen “Bild” und die Axel Springer AG. “Welt” und “Berliner Morgenpost” werden zwar von einer gemeinsamen Redaktion produziert. Aber die “Welt” wird von der Axel Springer AG verlegt; die “Morgenpost” dagegen erscheint in der Ullstein GmbH, einer Tochter des Unternehmens — die somit nach Ansicht der Verlagsjuristen von der Verfügung nicht unmittelbar betroffen ist.
1. Das große Unverständnis(Carta, Matthias Schwenk)
Warum die alten Medien skeptisch sind: “Die Netz-Evangelisten prahlen mit Reichweite und Netzwerkmacht, während die Skeptiker zurecht die Frage nach den Umsätzen stellen”, schließlich sei derzeit auch für gute Blogs die Luft in Sachen Monetarisierung reichlich dünn.
2. Gute Überschriften gegen die Krise(JakBlog, Christian Jakubetz)
Ein Bild-Haudegen trainiert die Redaktion der Passauer Neuen Presse – und Jakubetz ätzt: “Ein über 60-jähriger Ruheständler soll jetzt also als probates Krisenmittel altgedienten Zetungsredakteuren zeigen, wie man Überschriften und Bildtexte macht. Sprechen wir uns doch mal, sagen wir, im Sommer 2010 wieder.”
3. Medien-Blogger unter der Armutsgrenze(Ruhrbarone, David Schraven)
Bernd Ziesemer, Chefredakteur des Handelsblatt auf Wirtschaftsjournalismus-Tagung in Köln: “Eine ‘besondere Kategorie von Dummschwätzern’ finde sich unter den Medien-Bloggern (…) die versuchten ‘ein paar lousy Pennys zu verdienen, dabei aber nicht mal auf Hartz-IV-Regelsatz kommen’. Diese würden dennoch den Journalisten täglich empfehlen, ihre Printprodukte einzustampfen und nur noch auf Online zu setzen – obwohl dort offenbar nicht so viel Geld zu verdienen sei.”
» weiterlesen: Bilderklau, Volltextfeed und ein tolles Video
Eine bekannte Pop-Sängerin ist am Wochenende verhaftet worden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, Sexualpartner beim ungeschützten Geschlechtsverkehr mit HIV infiziert zu haben.
Man muss, um die Gefahr zu erkennen, die mit der Verhaftung und der Berichterstattung über den Fall verbunden ist, nur das Interview lesen, das “Bild” mit dem ehemaligen Verfassungsrichter Winfried Hassemer geführt hat:
Welche Strafe droht, wenn ein HIV-Infizierter einen anderen Menschen ansteckt?
Sechs Monate bis zehn Jahre Haft (…).
(…) Was, wenn der Kranke selbst noch nichts von seiner Infektion wusste?
Dann ist es weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit — und wird nicht bestraft.
Es scheint sich also zu lohnen, keinen Test machen zu lassen.
Die Schweizer Organisation der Menschen mit HIV und Aids, LHIVE, warnt allgemein:
Die Strafbarkeit der HIV-Übertragung und damit die Kriminalisierung von Menschen mit HIV und AIDS ist sowohl unwirksam wie auch gefährlich.
Denn wie [das UNO-Programm] UNAIDS festhält, existieren keine Daten, die beweisen, dass das Strafgesetz die HIV-Übertragung verhindert. Die Kriminalisierung der HIV-Übertragung kann zudem dazu führen, dass Menschen es vorziehen, aus Angst vor Repressionen ihren HIV-Status zu ignorieren.
Tatsächlich warnt UNAIDS ausdrücklich davor, im Zusammenhang mit der Übertragung von HIV übermäßig auf das Strafrecht zu setzen.
Viele der Schlagzeilen von heute sind gleich doppelt perfide. Zum einen erwecken sie den Eindruck, Safer Sex sei nur etwas für HIV-Positive und nicht für alle. “Bild” lässt ausführlich einen Mann zu Wort kommen, der angeblich Sex mit der Sängerin hatte und erklärte, warum beide auf Kondome verzichtet hätten:
“Ich dachte mir nichts dabei, hatte selbst gerade einen Aids-Test gemacht, der negativ war. Ich fühlte mich sicher. Später fragte ich […]: ‘Ist mit dir gesundheitlich alles in Ordnung?’ Sie antwortete: ‘Ja, klar.’ Ich habe es ihr geglaubt.”
Es ist kaum zu glauben, dass man so eine Banalität nach Jahrzehnten der HIV-Aufklärung immer noch hinschreiben muss: Zum einvernehmlichen ungeschützten Geschlechtsverkehr gehören immer zwei. Der Kölner “Express” überschreibt einen Artikel über Fälle, in denen HIV-infizierte Menschen verurteilt wurden, weil sie andere ansteckten:
Wenn Ahnungslose infiziert werden
Mit “ahnungslos” meint das Blatt Menschen, die nicht wussten, dass ihr Sexualpartner HIV-positiv ist. Stellt sich nur die Frage, ob sie auch “ahnungslos” waren, was HIV angeht und die Möglichkeit, eine Infektion zu vermeiden.
Wie verantwortungslos sich die Sängerin auch immer verhalten haben mag (oder nicht): Ihre Partner hatten die Möglichkeit, sich relativ zuverlässig vor einer Infektion zu schützen. Es ist beim Geschlechtsverkehr nicht wie im Straßenverkehr, wo man noch so vorsichtig fahren und trotzdem nicht verhindern kann, einem Raser zum Opfer zu fallen.
Und das ist die zweite Perfidie an vielen Schlagzeilen von heute: Dass sie den Eindruck erwecken, die Männer, die sich mit HIV infizierten, seien wehrlose Opfer einer skrupellosen Frau. “Bild” fragt sensationslüstern, als handele es sich um eine Serienkillerin:
Und schlagzeilt auf der Titelseite:
Die Logik ist, vorgegeben durch das erstaunliche Vorgehen der Staatsanwaltschaft und begierig verbreitet durch Medien wie “Bild”, eindeutig: Man muss sie wegsperren, damit sie nicht noch mehr Opfer fordert.
Damit ist diese Geschichte längst keine Geschichte mehr über eine prominente Sängerin, sondern eine über den Umgang mit HIV-Positiven in unserer Gesellschaft. Und es ist ein erstaunlich kleiner Schritt dazu, wenn man sie schon nicht alle wegsperren kann, sie vielleicht doch tätowieren zu lassen, damit man weiß, mit wem man beim Sex lästigerweise ein Kondom benutzen muss.
Nachtrag, 17:15 Uhr. Die Sängerin hat nach Angaben ihres Anwaltes eine einstweilige Verfügung gegen die “Bild”-Zeitung erwirkt. Das Landgericht Berlin habe dem Blatt untersagt, weiter über den Fall zu berichten, weil der Schutz der Privatsphäre der Frau das öffentliche Informationsinteresse überwiege.
Wir haben ihren Namen nachträglich unkenntlich gemacht.
Nachtrag, 18:30 Uhr. Die “Bild”-Zeitung will gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch einlegen. Chefredakteur Kai Diekmann erklärte, angesichts der Vorbildfunktion der Sängerin und der Schwere der strafrechtlichen Vorwürfe gegen sie sei “das öffentliche Interesse an der Berichterstattung nicht im Ansatz zu bestreiten”: “Ein Verbot, über die Verhaftung einer derart öffentlichen Person zu informieren, ist deshalb ein schwerer Angriff auf die Pressefreiheit”, sagte Diekmann.
“Das Geschäftsmodell Tageszeitung wie ihre kulturelle Gestalt erreichen eine Altersgrenze. Wahr ist in den USA aber auch, dass die kranken, angeblich aussterbenden Papiertiger noch immer jagen, will heißen: Geld verdienen.”
“Natürlich knallten die Sektkorken am Nachmittag des 16. April 1979 in der Fabriketage im Berliner Wedding; selbstverständlich rollte Tom, der Layouter, einen ordentlichen Joint. Immerhin hatten wir gerade die erste tägliche Ausgabe der ‘tageszeitung’ produziert. Zwölf Seiten hatten wir hergestellt – zu unserer eigenen Überraschung.”
“Musikjournalismus ist von PR verschmutzt, und die Popkultur hat ausgedient, schreibt die Presse. Zu allem Überfluss fordert PETA einen neuen Namen für die Pet Shop Boys.”
Ein interessanter Artikel über Crowdsourcing, in dem Robert Niles, Chefredakteur der Online Journalism Review, wie folgt zitiert wird: “Crowdsourcing könnte den Journalismus stärker verändern, als alle anderen Entwicklungen, die auf das Internet zurückgehen.”
Florian Rötzer, seit 1996 Chefredakteur von Telepolis, will nicht bloggen, hat keinen Anrufbeantworter und hält seine Handynummer geheim. Sein Online-Magazin sieht er als “politisch aktuelles Medium mit einem kulturellem Hintergrundflimmern”.
“There is a crisis in serious journalism and it’s been created by journalists. We’ve been trivialising news for at least a couple of decades. The desire for new information, which we could use in a very healthy way, has been replaced by supplying trivia. I mean really, who gives a shit about what’s in the handbag of LeAnn Rimes? Who gives a shit about that?”
Der 18jährige Sohn der Familie und ein 19jähriger Bekannter – sie gelten bei der Polizei momentan als “der Tat verdächtig” beim Vierfachmord in Eislingen. Dennoch sind etliche Fragen völlig offen: beispielsweise die nach einem Motiv. Auch von der Tatwaffe fehlt bisher, so die Polizei, jede Spur. Zudem streiten die beiden Verdächtigen jede Beteiligung an der Tat ab.
Das hindert die Redaktion von sueddeutsche.de aber nicht daran, schon einmal festzustellen:
Die Polizei befragt zudem das Umfeld von Tätern und Opfern.
Das ist, mit Verlaub, ziemlich gewagt. Von Tätern kann ganz sicher keine Rede sein, allenfalls von “mutmaßlichen Tätern”. Selbst die Polizei spricht lediglich von einem Tatverdacht, den es jetzt zu erhärten gelte.
Mit Dank an Carl E.
Nachtrag 11.45 Uhr:Die Redaktion hat den Text inzwischen korrigiert, dort heißt es jetzt: “Die Polizei befragt zudem das Umfeld der Tatverdächtigen.”
“Die US-Medienkrise hat längst Redaktionen erreicht, die bislang als unangreifbar galten. Zuletzt drohte die Geschäftsleitung der New York Times den gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitern ihrer Tochter Boston Globe, das Blatt ganz einfach von heute auf morgen einzustellen, sollten sie nicht zu Zugeständnissen bei Sparmaßnahmen bereit sein.”
Der wohl bekannteste Literaturkritiker im deutschsprachigen Raum erzählt Springer-Chef Mathias Döpfner, dass er googlen lässt und dass ihm Günter Grass immer einzureden versuchte, der Computer verderbe den Stil. Zum Schreiben sagt er: “Ohne Eitelkeit gibt es kein Schreiben. Egal ob Autor oder Kritiker – Eitelkeit muss dabei sein. Sonst entsteht nichts. Thomas Mann war wahnsinnig eitel, Richard Wagner auch und Goethe und natürlich Schiller.”
Anja Seeliger nimmt den FAZ-Artikel “Schutzlos ausgeliefert im Internet” von Honorarprofessor Jan Hegemann Punkt für Punkt auseinander und ergänzt eigene Erfahrungen: “Wie oft haben wir in deutschen Feuilletons Artikel von ausländischen Autoren gelesen und festgestellt, dass es sich um eine Übernahme beispielsweise aus dem Guardian oder der NYRB handelt, ohne dass die Zeitung einen Hinweis darauf geliefert hätte? (…) Das Nichtnennen von Quellen ist eine Spezialität der deutschen Feuilletons, nicht des Internets.”
“Facebook schadet dem Schulerfolg” meldet tagesanzeiger.ch. Andreas Von Gunten hat sich auf die Suche nach der Quelle gemacht und dort keine Bestätigung der reisserischen Schlagzeile gelesen: “Karpinski betont, dass die Resultate nicht notwendigerweise bedeuten, dass die Nutzung von Facebook zu tieferen Noten führe.”
(profil.at, Josef Barth, Gernot Bauer und Herbert Lackner)
Die österreichische Boulevardzeitung Kronen Zeitung wird 50, doch wer wird der Nachfolger des 88jährigen Hans Dichand? “Logischer Kandidat wäre Dichands zweitgeborener Sohn Christoph, 44, seit sechs Jahren Chefredakteur, ein gebildeter und sympathischer Mann. Zweifler verweisen allerdings auf den bedenkenswerten Umstand, dass sich selbst penible Beobachter nicht daran erinnern können, je eine Zeile aus der Feder des formellen Redaktionschefs der ‘Krone’ gelesen zu haben.”
Bei bild.de ist, wie berichtet, das Foto des 18jährigen Sohns der Familie, die am Karfreitag in Eislingen getötet wurde, inzwischen verschwunden.
Das könnte damit zusammenhängen, dass sich auf der Homepage der örtlichen DLRG, von deren Seite das Foto kopiert wurde, mittlerweile folgender Hinweis findet:
Copyright: Sämtliche Inhalte dieser Homepage sind Eigentum der DLRG Bezirk/Fils e. V. Dies gilt insbesondere für Bilder und Scripte, die auf dieser Homepage enthalten sind. Eine Verwendung ohne ausdrückliche Zustimmung der DLRG Bezirk/Fils e. V. ist ausdrücklich untersagt.
Der Text, so teilt uns die DLRG mit, wurde “nach der ‘Bild’-Aktion auf der Vereinshomepage für alle Dummies dieser Medienwelt deutlich sichtbar geschaltet — damit es keinerlei weiteren Missverständnisse gibt.” Neben bild.de hatte auch RTL das Foto von der Vereinshomepage veröffentlicht.