Hamburger Verklärung, Murdoch, Russ

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Hamburger Verklärung”
(print-würgt.de, Michalis Pantelouris)
Michalis Pantelouris findet es absurd, wenn Verlage an den Einnahmen von Google beteiligt werden wollen. Dieser Logik nach müsste auch Adidas als Hersteller von Fußbällen an den Einnahmen von Fußballclubs wie dem HSV beteiligt werden. “Man kann es ganz kurz halten: Google verdient Geld mit einem guten, beliebten Produkt – der Suche – und die Verleger verdienen im Moment nicht so viel Geld, weil sie kein auch nur annähernd so beliebtes oder gutes Produkt im Internet anbieten.”

2. Porträt von Rupert Murdoch
(vanityfair.com, Michael Wolff, englisch)
Verleger Rupert Murdoch kann eine komplexe Druckmaschine auseinandernehmen, doch sein Interesse an Digitaltechnologie tendiert gegen Null. “Murdoch’s abiding love of newspapers has turned into a personal antipathy to the Internet: for him it’s a place for porn, thievery, and hackers.”

3. Interview mit Eugen A. Russ
(persoenlich.com, Matthias Ackeret)
Eugen A. Russ musste mit dem gescheiterten Gratiszeitungsprojekt “.ch” einen Verlust “im siebenstelligen Bereich” hinnehmen. Was die Digitalisierung von Prozessen angeht, sei die Medienbranche “im Gegensatz zu anderen Wirtschaftszweigen” rückständig. “Obwohl vieles heute technisch möglich ist, ist unsere Branche in weiten Bereichen zurückgeblieben.”

4. “Die Angst des Torwarts vor ‘Bild'”
(blogmedien.de, Horst Müller)
Horst Müller ärgert sich über die “Bild”-Schlagzeile “Herthas Torwart Trottel”. “Das hat mit Journalismus überhaupt nichts zu tun – das ist die Verbreitung von Stammtischparolen auf unterstem Niveau zu Lasten eines 19jährigen, der sich selbst kaum wehren kann und dem möglicherweise auch niemand aus dem Verein beistehen wird.”

5. “Schlechtester Text seit immer”
(11freunde.de, Dirk Gieselmann)
Fußball: Dirk Gieselmann nervt die Zuspitzung mit dem Wort “seit”: “Reporter schleppen Leitz-Ordner voller ‘Seit’-Statistiken in ihre Kabinen und feuern sie in Salven ab: Das war der kürzeste Einwurf seit zweieinhalb Tagen! Schon seit einer Minute kein Tor mehr! Ding seit Bums! Bla seit Bla!”

6. “Wochenzeitung für Deutsche in der Schweiz”
(kleinreport.ch)
In der Schweiz startet am 6. November die “Deutsche Wochenzeitung Schweiz”. Verlagsleiter und Chefredakteur Ole Glausen: “Wir möchten integrativ tätig sein, die Deutschen näher an die Menschen in ihrer neuen Wahlheimat heranführen.”

Gottschalk, Zeitungen, Gillmor

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1. “Verstrickt: Thomas Gottschalk im ZDF-Bild.de-Mix”
(carta.info, Robin Meyer-Lucht)
“Thomas Gottschalk mit ZDF-Mikrofon in der Hand in einem Bild.de-Video und mittendrin und vorne dran Werbung: Ein Sittengemälde der Verstrickung von öffentlich-rechtlichem Fernsehen mit dem boulevardmedial-kommerziellen Komplex.”

2. “Vom Glück, viele Leben zu leben”
(nzzfolio.ch)
Das “NZZ Folio” im Oktober beschäftigt sich mit der Zeitung. Neben Kurt W. Zimmermann, der erklärt, wie die Zeitungsbranche in nur 15 Jahren ihr 400 Jahre altes Geschäftsmodell zerstörte, äussern sich verschiedene Journalisten, warum sie diesen Beruf ergriffen haben. Constantin Seibt meint, man könne von keinem guten Journalisten sagen, ob er “Realist oder Träumer” sei: “Gute Journalisten sind überall dabei und nirgends. Sie gehören zu keiner klar definierten Klasse: Sie reden mit Konzernbossen und mit Bauarbeitern, aber gehören nicht dazu.”

3. “‘Brigitte’ wird Mager-Model-freie-Zone”
(meedia.de)
Die Zeitschrift “Brigitte” setzt bei ihren Modeproduktionen neu auf “lebensechte Models”, die “unter Laien” gecastet werden sollen. “Am 2. Januar soll die erste Mager-Model-freie Ausgabe erscheinen.”

4. Interview mit Stefan Aust
(derstandard.at, Harald Fidler)
Für Stefan Aust ist der “Spiegel” immer noch “das Maß aller Dinge im Printjournalismus”. Er sagt, wie man mit Druck von Politikern umgeht: “Ich habe auch schon erlebt, dass mir der Vorstandsvorsitzende eines Großverlags, der am Spiegel beteiligt war, Vorhaltungen wegen einer Geschichte gemacht hat. Dem habe ich gesagt: Schreiben Sie doch einen Leserbrief.”

5. “The new rules of news”
(olereissmann.de)
Ole Reißmann hat die Ideen für einen neuen Journalismus von Dan Gillmor (“22 ideas for changing the way news is produced”) übersetzt. These 1: “Wir verzichten bis auf wenige Ausnahmen auf Jahrestags- und Jubiläumsgeschichten. Sie sind Rückzugsort für faule, unkreative Journalisten.”

6. “Schadensersatz für schlafenden Journalisten”
(spiegel.de)
Das Landgericht Frankfurt entscheidet, dass der Verlag der “FAZ” einem Kulturjournalisten 5000 Euro Schadenersatz zahlen muss. Dieser wurde an der Frankfurter Buchmesse “bei einem Nickerchen an einer Hotelbar” fotografiert und danach mehrfach abgebildet.

Born (Somewhere) In The U.S.A.

Preisfrage: Wo wurde US-Präsident Barack Obama geboren?
A) Kenia; B) Chicago; C) Hawaii; D) Chicago

Wenn Sie sich für Antwort A entschieden haben, gehören Sie möglicherweise zur Gruppe der sogenannten “Birthers”, die glauben, dass Obama außerhalb der USA geboren wurde und deshalb gar nicht Präsident sein dürfte. Diese Menschen gelten als Opfer von Verschwörungstheorien und allgemein als seltsam.

Wenn Sie Antwort B oder D, also “Chicago”, gewählt haben, gehören sie wahrscheinlich zu jenen Redakteuren bei Bild.de, die in den letzten Tagen mehrfach die Mär verbreiteten, Obama habe beim IOC-Gipfel in Kopenhagen für seine “Geburtsstadt” die Werbetrommel gerührt:

Schock für US-Präsidenten Barack Obama! Olympia-Bewerberstadt Chicago (Obamas Geburtsstadt) musste bei der Vergabe für die Spiele 2016 schon in der ersten Runde die Segel streichen.

Gestern vergab das IOC in Kopenhagen die Olympischen Spiele 2016. Den Zuschlag bekam Rio de Janeiro – und nicht die vom US-Präsidenten beworbene Stadt Chicago. Seine Geburtsstadt musst schon in der ersten Runde die Segel streichen.

Stutzig hätten die Redakteure von Bild.de eigentlich werden können, wenn sie ihre eigenen Artikel gelesen hätten. In beiden steht nämlich das Zitat des 48-jährigen Obama:

“Ich hab mich vor 25 Jahren nicht nur wegen Michelle in Chicago verliebt.”

Aber zurück zur Preisfrage: Sollten Sie sich trotz widriger Umstände für Antwort C (“Hawaii”) entschieden haben, dann liegen Sie nach allem, was man weiß, richtig — es sei denn, Sie sind ein seltsamer Verschwörungstheoretiker oder Redakteur bei Bild.de …

Mit Dank an Steffen.

Nachtrag, 17:20 Uhr: Bild.de hat die “Geburtsstadt” kommentarlos aus beiden Artikeln entfernt.

@muentefering, Schiedsrichter, Regiowikis

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1. “Wir waren Franz Müntefering”
(metronaut.de, Lou Canova)
Die Schreiber des Twitter-Kontos @muentefering schauen zurück auf ein Experiment. Obwohl längst bekannt ist, dass das Konto nicht von Franz Müntefering geführt wird, verwendeten es Medien immer wieder als Quelle: “Es wäre seit dem 13. September 2008 ein einfaches Googeln nötig gewesen um sich sicher zu sein, dass Müntefering nicht twittert. Dafür musste man nicht einmal in der SPD-Zentrale anrufen.”

2. “Mund aufmachen verboten”
(zeit.de, Matthias Bossaller)
Der Weltfußballverband FIFA vertritt die Meinung, “dass die Schiedsrichter sich nicht öffentlich zu bestimmten Vorfällen oder einzelnen Entscheidungen in einem Spiel äußern sollen.”

3. “Bürgerjournalismus durch die Hintertür”
(spiegel.de, Mathias Hamann)
“Regiowikis machen Lokalinfos für jeden verfügbar – und werden zur Konkurrenz für Lokalzeitungen.”

4. “Verleger prüfen Klage gegen Google”
(horizont.net, Roland Pimpl)
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) lassen sich “von einer Großkanzlei die Chancen einer Kartellbeschwerde gegen Google untersuchen”.

5. “Der Balanceakt”
(freitag.de, Anna Gielas)
“Wie viele Artikel soll es im Netz umsonst geben? Alle? Keinen?”

6. “Zukunft des Journalismus: wer soll das bezahlen?”
(elektrischer-reporter.de, Video, 12:03 Minuten)
Ein aufwändig erstelltes und informatives Update zu den verschiedenen Finanzierungsstrategien von Journalismus.

Bild  

Kalle, gib mal Urteil!

Wie schockierend und verletzend müssen Bilder sein, dass selbst die “Bild” die Menschwürde gefährdet sieht? Die Antwort sieht so aus:

Die “taz”  hatte 2005 den Kino-Werbespot geschaltet, in dem ein Mann, der optisch ziemlich eindeutig eher als “Bild”- denn als “taz”-Leser zuzuordnen ist, an einem Kiosk seine “Bild” haben will und stattdessen eine “taz” bekommt (die ihm erwartungsgemäß nicht so sehr zusagt). Der Claim des Spots lautet: “taz ist nicht für jeden”.

So weit, so unspektakulär. “Bild” allerdings klagte gegen die Verwendung des Spots: Er sei nicht nur eine “unlautere vergleichende Werbung”, sondern greife überdies die Menschenwürde der Bild-Leser an. In erster wie auch zweiter Instanz erhielt das Blatt mit dieser Argumentation sogar Recht. Die Hamburger Richter sprachen dem Spot zwar einen nicht unerheblichen Wahrheitsgehalt zu, bewerteten ihn letztendlich aber doch als “unangemessen” und untersagten die weitere Verwendung. Die “taz” ging aber bis in die letzte Instanz. Der Bundesgerichtshof sprach ein eindeutiges Urteil und wertete den Spot der “taz” als eine zulässige Form des Humors. In der Pressemitteilung heißt es:

Der durchschnittliche Zuschauer erkenne, dass es sich bei der Darstellung um eine humorvolle Überspitzung handele, mit der die Aufmerksamkeit der Werbeadressaten geweckt und nicht die BILD-Zeitung oder deren Leserschaft pauschal abgewertet werden solle.

Seit der einstweiligen Verfügung des Springer-Verlags 2005 durfte der Spot nicht mehr gezeigt werden, jetzt ist er wieder zu sehen. Zudem muss der Verlag die Verfahrenskosten tragen.

Nachtrag, 2.10.2009: Auch Bild.de berichtet über die BGH-Entscheidung.

Opfer des Layouts

Wer sich die heutigen Tageszeitungen anschaut, stellt fest, dass das schwere Erdbeben bei den Samoainseln viele Titelseiten dominiert.

Auch die “Stuttgarter Zeitung” hat sich für einen “Katastrophen auf Samoa”-Aufmacher entschieden und sogar ein gutes Foto dafür gefunden. Im hauseigenen Online-Auftritt ist es bereits seit gestern in einer Bildergalerie zu sehen:

Stuttgarter Zeitung 430

Doch vorn auf der gedruckten “Stuttgarter” (hier im Großformat) sieht dasselbe Foto heute so aus:

Stuttgarter Zeitung Titelblatt 430

Wie sowas geht? Der hauseigene Grafiker hatte die rechte Hälfte des Bildes gespiegelt und (nicht ohne Aufwand) alles, was den Schwindel schon auf den ersten Blick auffliegen lassen könnte, retuschiert: Der Mann, der in den Trümmern steht, wurde digital ausradiert; dort, wo eigentlich das Auto steht, ließ man ein wenig Gras drüber wachsen und pflanzte einen Text.

Der Grund für diese merkwürdige Irreführung des Lesers ist ebenso peinlich wie banal: Im Juni dieses Jahres wurde die “Stuttgarter Zeitung” dank eines Redesigns zur “besten StZ aller Zeiten”. Und das neue Layout verlangt nun mal jeden Tag ein vierspaltiges Foto im Verhältnis 1:2,8 (Annäherungswert). Doch um es mit Michael Maurer, dem stellvertretenden StZ-Chef, zu sagen:

Das Foto auf der Seite 1 ist kein Selbstzweck. Es soll zwar die Optik der Titelseite attraktiver und moderner machen, aber es soll vor allem die journalistische Qualität und journalistische Eigenleistungen der StZ hervorheben. (…) Dem Leser wird damit klar signalisiert, welche Glanzstücke aus redaktioneller Sicht ihn im Innenteil erwarten.

Das wollen wir nicht hoffen.

Mit Dank an Stefan und rod66.

Nachtrag, 20.00 Uhr:
Uns erreichte folgender Kommentar von Michael Maurer, stv. Chefredakteur der “Stuttgarter Zeitung”:

Das Aufmacher-Bild auf der ersten Seite der Stuttgarter Zeitung vom Donnerstag, 1. Oktober, ist technisch in einer Art und Weise bearbeitet worden, die nicht unseren journalistischen Standards entspricht. Mit der Doppelung eines Ausschnittes ist die Aussage des Bildes verfälscht worden. Die Redaktion übernimmt die Verantwortung für diesen Fehler und wir entschuldigen uns bei unseren Leserinnen und Lesern.

“Killer-Tsunami” schwemmt “erste Bilder” an

Bild.de veröffentlichte heute — unmittelbar unter der Überschrift eines Artikels über den “Killer-Tsunami” auf den Samoa-Inseln — “dramatische Amateuraufnahmen” eines Tsunami-Augenzeugen.

Aus dem Off kommentiert Bild.de das 35-sekündige Amateur-Video mit diesen Worten:

Noch wirken diese Wellen harmlos. Doch sie bringen den Tod. Das Südseeparadies Samoa wenige Sekunden vor der Verwüstung. Amateuraufnahmen zeigen die ersten Bilder des tödlichen Südpazifik-Tsunamis. (…)

Die Aufnahmen zeigen Samoa? Wie bloß kommt es dann, dass ein Video mit den genau gleichen Aufnahmen den Titel “2004 Tsunami Video” trägt, seit dem 4. Oktober 2006 auf YouTube zu sehen ist und bereits über 1.7 Millionen mal angesehen wurde?

Mit Dank an Felix F.

Nachtrag, 16.20 Uhr: Bild.de hat die “dramatischen Amateuraufnahmen” von 2004 aus dem Artikel entfernt und offenbar gelöscht.

2. Nachtrag, 18.15 Uhr: Auf Bild.de erfolgt eine “Korrektur”, in der die Leser um Entschuldigung gebeten werden. Offenbar wurde das Video ungeprüft vom “Video-Portal LiveLeak” übernommen (wo Nutzerkommentare allerdings bereits seit gestern unermüdlich darauf hinweisen, dass die Bilder alt sind und nicht Samoa zeigen).

3. Nachtrag, 20.40 Uhr: Bei “Spiegel Online” beginnt der Videobericht “Immer mehr Todesopfer: Tsunamis und Erdbeben in Asien” ebenfalls mit besagtem Video.

Ansbach, Neuer, Parasiten

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1. “Die Medienopfer von Ansbach”
(ndr.de, Video, 6:08 Minuten)
Nach dem Amoklauf von Ansbach streifen Journalisten durch die Innenstadt, sprechen potenzielle Schüler an, bieten Geld für das Vorzeigen von Brandwunden, bieten bis zu 800 Euro für eine Handynummer. Sie wollen auch dafür zahlen, wenn jemand einen vorgefertigten Text in eine Kamera spricht. In Ansbach ist man heilfroh, dass die Medienschar wieder weitergezogen ist.

2. “Ein Rezensent”
(woz.ch, Andreas Simmen)
Andreas Simmen, Programmleiter beim Rotpunktverlag in Zürich, macht auf Unstimmigkeiten bei Literaturrezensionen aufmerksam. Auf einen Rezensenten, der “seine Kritiken im linken ‘Neuen Deutschland’ (ND) als Benjamin Jakob und dann dasselbe als Uwe Stolzmann in der ‘Neuen Zürcher Zeitung’ (NZZ)”, publiziere, geht er besonders ein: “Dieser Rezensent unterhält eine Art Rezensionenmanufaktur; er hat einen gewaltigen Ausstoss, weshalb man von ihm nicht erwarten kann, dass er die Bücher auch noch liest.”

3. Die Medien und der Derby-“Skandal”
(weltfussball.de, Maike Falkenberg)
Nach einem Fußballspiel zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 wird der Torhüter Manuel Neuer beschuldigt, einem gegnerischen Spieler “den Ellenbogen ins Gesicht gerammt” zu haben. Doch: “‘Dem Kontrollausschuss liegen keine Hinweise auf ein grob sportwidriges Verhalten vor.’ Kein Ellenbogenschlag, kein Kopfstoß, keine weiteren Ermittlungen, keine Strafe – keine Story mehr? Weit gefehlt.”

4. “Die Unabhängigkeit der Medien in Frankreich”
(deuxzero.de/blog)
Einige Thesen zur Unabhängigkeit von französischen Medien. These 1a: “Der Politiker bestimmt die Agenda des Journalisten. Beide durchlaufen dieselben (Hoch-)Schulen und entstammen demselben Pariser Intellektuellen-Milieu. Der Journalist wird zum Sprecher des Politikers und erhält als Gegenleistung Informationen aus erster Hand. Die persönlichen Beziehungen zwischen Politiker und Journalist bestimmen die mediale Agenda. Investigativer Polit-Journalismus verkommt zu persönlichkeitsgesteuerter Polit-PR.”

5. “parasiten”
(wirres.net, Felix Schwenzel)
Zum Vorwurf, “Web-Medien” seien parasitär: “ist es nicht genauso parasitär, wenn ein papier-medium über eine veranstaltung berichtet? da setzt sich ein journalist in eine veranstaltung, hört sich an was gesagt wird und verbreitet danach diese fremde gedanken, quasi anderer leute ‘geistiges eigentum’, in irgendeinem medium.”

6. “BBC: Raus aus dem Elfenbeinturm”
(gutjahr.biz/blog, Richard Gutjahr)
Ein Besuch im BBC Television Centre, alternativ auch als Video (youtube.com, 3 Minuten)

Kleber, Calmy-Rey, Becker

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1. Interview mit Claus Kleber
(zeit.de, Manuel J. Hartung)
ZDF-Moderator Claus Kleber im Gespräch mit “Zeit Campus”: “Ich bin skeptisch gegenüber Hochglanzlebensläufen, gerade im Journalismus. Man sollte lieber ein, zwei Semester draufgeben, um sich das journalistische Handwerk anzueignen, anstatt in Minimalzeit zu studieren.”

2. “Zwei Jahre Haft auf Bewährung für ehemaligen MDR-Sportchef”
(focus.de)
Wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verurteilt das Landgericht Leipzig den Ex-MDR-Sportchef Wilfried Mohren zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und zu einer Geldstrafe von 9000 Euro: “Mohren hatte vor dem Urteil eine mehrseitige Erklärung verlesen. Darin hieß es, er habe sich oft unrichtig verhalten und wolle sich dafür entschuldigen.”

3. “Schweigen ist Gold”
(nzz.ch)
Die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey möchte in der Libyen-Affäre von den Medien ungestört arbeiten. Sie bittet darum: “Geben Sie uns Zeit, damit wir arbeiten können.”

4. Interview mit Harald Schmitt
(bildwerk3.de)
Der “Stern”-Fotograf Harald Schmitt zu seinen Veröffentlichungsrechten: “Die liegen bei mir. Der Verlag hat natürlich die Nutzungsrechte. Schließlich wurde mein Gehalt, die Reisekosten, die Filme und die Vergrößerungen vom ‘stern’ bezahlt. Von solchen Verträgen können heute die Kollegen nur noch träumen.”

5. “Google Wave Overview”
(youtube.com, Video, 7:52 Minuten)
Heute erhalten über 100’000 Beta-Tester eine Einladung zum Kommunikations- und Kollaborationswerkzeug Google Wave. Zwei Produktmanager zeigen, was man damit machen kann.

6. “Junger, alter Mann”
(wissen.spiegel.de, Jochen-Martin Gutsch)
Ein nachgetragenes “Spiegel”-Porträt von Boris Becker, in dem er Zürich mit Navigationsgerät knapp verfehlt. Auch die Journalisten werden erwähnt: “Reporter waren ihm bis auf diesen mallorquinischen Golfplatz hinterhergereist. Sie hatten gewartet. Einen Tag, zwei Tage. Nur für ein paar Sekunden mit ihm. Für ein paar mehr oder weniger belanglose Sätze über Vaterschaft und Schwangerschaft, so wie sie ihm früher hinterhergereist waren, für ein paar Sätze über seinen Rückhand-Slice.”

Ceci n’est pas un muentefering

Es sollte sich (selbst unter Journalisten) allmählich mal herumgesprochen haben: Was im Microbloggingdienst Twitter so alles veröffentlicht wird, ist nicht unbedingt das, was es zu sein scheint — und im Zweifelsfall ungefähr so glaubwürdig wie, sagen wir, die “Bild”-Zeitung.

Insbesondere der gefälschte Twitter-Account eines gewissen “Franz Müntefering” sorgte in der Vergangenheit schon wiederholt für Verwirrung, worauf die SPD-Zentrale gewohnheitsmäßig mit einem unmissverständlichen Dementi reagiert. Das letzte Mal – aber keinesfalls das letzte Mal – vor zwei Monaten, wie die Nachrichtenagentur AFP verbreitete:

Zwar habe es schon mehrfach Anfragen zu vermeintlichen Twitter-Botschaften des SPD-Chefs gegeben, hieß es aus dem Willy-Brandt-Haus. Doch “der Parteivorsitzende twittert nicht.”

Genutzt hat es nichts. Kaum meldete sich der falsche @muentefering heute aus gegebenem Anlass via Twitter-Botschaft zu Wort (siehe Screenshot), berichtete der, äh, Dingsbumssender n-tv (Eigenwerbung: “schnell und kompetent”) in seinem Online-Angebot:

Nach Informationen von n-tv soll der bisherige Umweltminister Sigmar Gabriel Parteichef Franz Müntefering nachfolgen. Der SPD-Chef bestätigte seinen Rückzug vom Parteivorsitz.

Mit Dank an netzpolitik.org.

Nachtrag, 30.9.2009: Heute hat dann auch die “Berliner Morgenpost” den vermeintlichen Twitterer Müntefering im Blatt, genauer gesagt, auf der Titelseite (siehe Ausriss und online natürlich). Dabei wusste doch die Konkurrenz von der “Berliner Zeitung” schon zu berichten, dass sich hinter @muentefering ein “Mitarbeiter einer Berliner PR-Agentur” und “Experte für virales Marketing” verberge.

Nachtrag, 1.10.2009: Bei n-tv.de wurde der Artikel inzwischen komplett umgeschrieben. Und auch die “Mopo” hat inzwischen gemerkt, dass es sich bei @muentefering “um einen gefälschten Account” handelt.

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