Das NDR-Eurovision-Blog fasst das Verhältnis zwischen Grand-Prix-Siegerin Lena Meyer-Landrut und “Bild” recht plastisch zusammen:
Für ein Medium, das beansprucht, die Phantasien von Massen zu kennen und diese entsprechend zu bedienen, also für eine Zeitung wie die “Bild”, muss es ein GAU sein, in Sachen Lena und ihrer ESC-Performances dauerhaft draußen gestanden zu haben – vorher, währenddessen und auch jetzt.
Um den eigenen Lesern irgendwas über Lena erzählen zu können, tragen “Bild” und Bild.de also seit Wochen Informationen aus Sekundär- und Tertiärquellen zusammen, die sich mal widersprechen und mal gar nichts aussagen.
Am 3. Juni, wenige Tage nach Lenas Sieg in Oslo, erklärte “Bild” anhand der Danksagungen im Booklet ihrer fast vier Wochen zuvor erschienenen CD, wem Lena “jetzt” Danke sagt. Auch Bild.de veröffentlichte einen umständlichen und etwas hilflosen Versuch einer Entschlüsselung.
Während manche der Dankeszuordnungen ziemlich unkonkret daherkommen (“im Internet glauben viele …”), waren andere Namen wie “Stefan” (Raab) und “Jörg” (Grabosch, von der TV-Produktionsfirma Brainpool) leichter zuzuordnen.
Dummerweise ist Bild.de dabei ein kleiner Fehler unterlaufen, den nicht mal wir aufgeschrieben hätten. Aber das war für Stefan Raab offenbar kein Kriterium:
Mit Dank an Tobi.
Nachtrag, 12. Juni: Heute erschien die Gegendarstellung auch in der gedruckten “Bild”.
Es ist Sommer, wir schreiben eine gerade Jahreszahl und viele Privatfahrzeuge sind beflaggt wie sonst nur Staatskarossen. Kein Zweifel: Uns steht ein internationales Fußballgroßereignis ins Haus.
Anlässlich der Fußball-WM 2006 hatte “Bild” mit einem “WM-Knaller” überrascht: Mit einem in der Zeitung abgedruckten Gutschein konnte man beim Discounter Lidl für 99 Cent 6 Flaschen “köstliches Grafenwalder Premium-Pils”, “eine große Tüte knackige Erdnuß-Flips” und eine Deutschland-Fahne erstehen.
Nach langem Zögern sah der deutsche Presserat darin einen Verstoß gegen die Ziffern 6 und 7 des Pressekodex und sprach – unter anderem wegen eines Verstoß gegen des Trennungsgebot von Werbung und redaktionellen Inhalten – gegen “Bild” einen “Hinweis” aus (BILDblog berichtete).
Zwei Jahre später bekam der geneigte Leser zur Fußball-EM für “nur einen Euro” sechs Flaschen “Grafenwalder Premium Pils” und ein Paket Grillwürstchen (“Dulano, 350 Gramm”). “Bild” pries die “größte EM-Aktion aller Zeiten” zwei Mal auf der Titelseite an und schwärmte in den dazugehörigen Artikeln u.a. vom “Party-Hammer”. Der Gutscheincoupon selbst war immerhin – gleich zwei Mal – mit dem Wörtchen “Anzeige” versehen (BILDblog berichtete auch dazu).
Heute startet – wie die Meisten vielleicht mitbekommen haben – mal wieder eine Fußballweltmeisterschaft — und da sind “Bild” und Lidl natürlich bestens aufgestellt:
Im … äh: “redaktionellen” Artikel wurde gestern schon mal vom “WM-Knaller von BILD und Lidl” geschwärmt, der “sechs Flaschen Grafenwalder Pils und ein Paket Grillwürstchen (6 Stück) für nur 1 Euro” verspricht (“Sie sparen bis zu 70 Prozent gegenüber dem Einzelkauf!”).
Heute nun ist es laut “Bild”-Titelseite ein “Mega-Kracher zum WM-Start”.
Auf einer Viertelseite wird in der Zeitung “die größte Fan-Aktion aller Zeiten” gefeiert, “mit allem, was Sie für Ihre WM-Feier brauchen”. Als “Anzeige” gekennzeichnet ist allerdings – in alterTradition – nur der Gutschein-Coupon selbst. Das aber natürlich wieder doppelt:
“Wir wollen die Berichterstattung im Panorama-Ressort verstärken und originärer machen”, sagte 2006 der damalige “Spiegel Online”-Chefredakteur Matthias Müller von Blumencron der “taz”. Anlass des Interviews war Blumencrons Entscheidung, die “Bild”-Unterhaltungschefin Patricia Dreyer zur Leiterin des “Panorama”-Ressorts zu machen.
Blumencron ist inzwischen Co-Chef des großen “Spiegel”, Dreyer hält im “Panorama” gemeinsam mit boulevarderprobtenKollegen aber weiterhin die Zügel in der Hand.
Blumencrons Entscheidung hat “Spiegel Online” verändert. “Panorama” ist inzwischen einer der wichtigsten Bestandteile der Plattform. Nur das “Politik”-Ressort beschäftigt mehr feste Redakteure, auf der Startseite kommen die bunten Nachrichten als erstes nach den Hauptmeldungen. In der Woche vom 4. Juni bis zum 10. Juni kamen genau 101 der 630 deutschsprachigen Meldungen auf Spiegel Online aus dem “Panorama”-Ressort, knapp 16 Prozent.
Originär allerdings ist “Panorama” keineswegs: In der ganzen Woche veröffentlichten die sieben Redakteure gerade einmal 4 Online-Artikel, die grundlegend neu waren: Über eine vermisste Studentin, ein Bericht von einem Gerichtsverfahren, eine Reportage über Zwangsehe und eine Serie von Liebhabern der alten deutschen Währung. Titel: “Ich mag die Mark“.
Knapp 96 % der veröffentlichten Artikel in der vergangenen Woche hingegen waren Protokolle von Pressekonferenzen, Zweitverwertungen ausländischer Boulevard-Nachrichten, oder – zum großen Teil – umgeschriebene Agenturmeldungen. Vier Meldungen stammen aus dem Print-“Spiegel”.
Und welche Themen behandelte “Panorama” vom 4. bis 10. Juni?
Mord, Totschlag & Amoklauf: 28 Artikel,
darunter “Der Unbekannte im Müllsack“
Im Interview mit dem “Standard” sagte SpOn-Chefredakteur Rüdiger Ditz vor einigen Monaten, die Unterschiede zwischen “Spiegel Online” und Bild.de seien ähnlich groß wie zwischen Print-“Bild” und Print-“Spiegel”. Das Verhältnis beschrieb er folgendermaßen:
In wenigen Stunden startet die Fußball-WM in Südafrika und viele Fußballinteressierte hierzulande denken nur noch an Deutschland.
Nicht so die Mitarbeiter bei kicker.de: Sie haben das Spiel Dänemark gegen die Niederlande zum “Nachbarschaftsduell” erklärt.
Und das, obwohl Dänemark nur an ein einziges Land grenzt — Deutschland halt.
Mit Dank an Daniel S.
Nachtrag, 13.03 Uhr: kicker.de hat alle Verweise auf die angebliche Nachbarschaft zwischen Dänemark und den Niederlanden entfernt.
2. Nachtrag, 16.15 Uhr: Mehrere Leser weisen uns darauf hin, dass Dänemark auch noch verschiedene Seegrenzen zu anderen Staaten (die Niederlande zählen nicht dazu) hat, was natürlich auch richtig ist.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Sorry, unsere Uni-Rankings waren Quatsch” (spiegel.de, Christoph Titz und Jochen Leffers)
Phil Baty vom britischen Hochschulmagazin “Times Higher Education” kritisiert das eigene Hochschulranking, für das er seit 2009 die Verantwortung trägt und “auf das seit 2004 viele Unis auch in Deutschland jeden Oktober gespannt warten”. “Aus Deutschland – ‘ich schäme mich fast, es zuzugeben’, so Baty – kamen ‘lächerliche 182 Antworten als Rücklauf’. Deutschland hat immerhin fast 400 Hochschulen mit über 13.000 Studienangeboten.”
2. “Meine Vierte-Gewalt-Bilanz” (blogs.taz.de/hausblog, Sebastian Heiser)
Der für Berliner Landespolitik zuständige Redakteur Sebastian Heiser fragt sich, in welchem Umfang es ihm gelungen ist, “die Regierung kritisch zu begleiten, sie gut zu analysieren und auf Missstände hinzuweisen”.
3. “Jörg Tauss und der Qualitätsjournalismus” (bruchsal.org, Rolf Schmitt)
Neben Tauss selbst und “Telepolis” (Teil 1 / Teil 2, folgt später) berichtet auch Rolf Schmitt von der Rolle der Medien im zu Ende gegangenen Strafprozess gegen Jörg Tauss: “Ich war selbst an jedem der fünf Prozesstagen im Gerichtssaal und habe miterlebt, wie am ersten Tag die Pressebank bis zum Bersten gefüllt war, wie leer die Pressebank sich an den drei darauf folgenden Verhandlungstagen zeigte und wie wieder voll besetzt am letzten Tag, dem Tag der Urteilsverkündung.”
4. “The Twitter Devolution” (foreignpolicy.com, Golnaz Esfandiari, englisch)
Golnaz Esfandiari zweifelt an der Revolution durch Twitter im Iran: “Through it all, no one seemed to wonder why people trying to coordinate protests in Iran would be writing in any language other than Farsi.”
5. “Warum Fußball?” (novo-argumente.com, Stefan Chatrath)
Stefan Chatrath macht sich zum Start der Fußball-WM Gedanken zum Public Viewing: “Viele ‘echte’ Fans sprechen gar davon, dass die Stätten professionellen Fußballs heute ‘klinisch rein’ seien. Vermutlich ist das einer der wichtigsten Gründe dafür, dass mittlerweile so viele von ihnen das ‘Public Viewing’ vorziehen.”
Das Thermometer ist schon ein paar mal über 25 Grad geklettert, die Gastronomen haben ihre Tische draußen aufgestellt und manche Menschen in den Innenstädten haben fast so wenig an wie die Frauen auf Seite 1 von “Bild” — mit anderen Worten: Es ist Sommer.
Und damit die Saison der Wiederholungen:
Gottschalk, Schmidt, Kerner – die beliebtesten TV-Gesichter lassen uns jetzt wochenlang allein. Ausgezappt durch die Sommerpause auf allen Sendern. Jetzt droht: Das große Gähn-Programm – Wiederholungen, Archiv-Zusammenschnitte, Herz-Schmerz-Filme in Dauerschleife. Einschlafdosis garantiert!
Wofür zahlen wir eigentlich TV-Gebühren? 1442 Minuten Wiederholungen am Wochenende
Haben SIE sich am Wochenende auch so vorm Fernseher gelangweilt?
Gegen hohe Gebühren liefern ARD und ZDF auch diesen Sommer wieder Gähn-TV in Einschlafdosis! Satte 492 Minuten Wiederholungen leistete sich die ARD am Samstag. (…) Gähn gegen Gebühren – müssen TV-Zuschauer sich das gefallen lassen? (“Bild” vom 20.7.2009)
2007:
Gebühren-Skandal: 865 Minuten Wiederholungen am Wochenende
Wie gut, dass die Meteorologen fürs Wochenende besseres Wetter vorausgesagt haben! Denn im Fernsehen erwartet uns nur Langeweile…
Die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF präsentieren den TV-Zuschauern von heute bis Sonntag in der Hauptsendezeit geschlagene 865 Minuten Wiederholungen!
Im Klartext: Mehr als 14 Stunden Gähn-TV! (…) (“Bild” vom 3.8.2007)
2005:
Das ist der Gipfel aller TV-Unverschämtheiten!
Dieses Wochenende über 44 Stunden Wiederholungen Und dafür zahlen wir auch noch TV-Gebühren! Erst im April wurden die Gebühren fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen um 88 Cent auf monatlich 17,03 Euro erhöht. Und jetzt bekommen wir von ARD und ZDF trotzdem einen TV-Sommer voller Wiederholungen. Allein an diesem Wochenende bringen es die beiden Anstalten fertig, an drei Tagen 2669 Minuten aus dem Altfilm-Lager zu füllen. Das sind 44 Stunden und 29 Minuten! (“Bild” vom 30.7.2005)
2004:
Schlimmste Fernseh-Woche… Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung… (“Bild” vom 23.6.2004)
Weniger Gebühren für Gähn-TV im Sommer (“Bild” vom 8.7.2004)
2003:
Zum Gähnen! Der TV-Sommer der Wiederwiederwiederholungen
TV-GÄHN! Egal, wohin man zappt — fast nur noch Wiederholungen. Gähnende TV-Langeweile. Bei dem Programm droht akute Einschlafgefahr! Falls Sie sich z. B. heute auf einen tollen Fernsehabend freuen, ein gutgemeinter Tipp: Verabreden Sie sich lieber zu einer Grillparty. Denn im TV verpassen Sie nichts! (…) Wofür zahlen wir eigentlich noch TV-Gebühren! (“Bild” vom 16.7.2003)
2002:
Wiederholungsterror im Fernsehen — Politiker fordert: TV-Gebühren im Sommer halbieren!
Jeden Sommer der gleiche Ärger über Wiederholungen im TV. (“Bild am Sonntag” vom 14.7.2002)
2001:
Gähn-TV: Wofür zahlen wir im Sommer eigentlich Gebühren? (…) Politiker fordern weniger Gebühren wegen Gähn-TV (“Bild am Sonntag” vom 28.7.2001)
Gähn-TV immer schlimmer: Das Sommer-Gähn-TV. Nur Wiederholungen, fast alle Show- und Talkmaster im Urlaub. (“Bild am Sonntag” vom 3.8.2001)
2000:
Der trostlose TV-Sommer — Noch nie sendete das Fernsehen so viele Wiederholungen wie in den kommenden Wochen
Auf die Gebührenzahler kommt ein trostloser TV-Sommer zu — noch nie griff das Fernsehen so tief in die Mottenkiste, wie es in den kommenden Wochen der Fall sein wird. (…) Gähn-TV! Sogar an den Talkshows und Comedy-Sendungen, die bei Gags und Gästen ja eigentlich von der Aktualität leben, geht der Sommerschlaf nicht vorbei. (…) (“Bild am Sonntag” vom 2.7.2000)
1999:
Das Fernsehen fällt in den Sommerschlaf
Ab Juni fast nur noch Wiederholungen. (…) Das Fernsehen macht Sommerpause, fällt vom Juni an für über drei Monate in den Tiefschlaf. Der Blick ins sogenannte Programm — ein Dauerärgernis. (…) Gähn-TV in den schönsten Monaten des Jahres. (…) (“Bild am Sonntag” vom 30.5.1999)
1997:
Fernsehen fällt drei Monate in Sommerschlaf
Nur noch Wiederholungen — Frechheit! Noch 21 Tage bis zum Sommeranfang! Doch das Fernsehen geht schon jetzt in Urlaub, fällt in einen dreimonatigen Tiefschlaf. Sommerzeit, Wiederholungszeit! Der Blick ins TV-Programm wird zum Ärgernis. Wohin man auch zappt — fast alles schon gesehen. (…) (“Bild am Sonntag” vom 1.6.1997)
PS: Zugegeben: Auch dieser Eintrag ist – natürlich – eine Wiederholung.
Wir unterbrechen unser Programm für eine wichtige Warnung im Bezug auf diese komischen Fußballtröten:
Der Hörgerätehersteller Phonak fand in einer Studie heraus, dass Vuvuzelas Hörschäden verursachen können. Die Tröte bringt es auf über 120 Dezibel und ist damit lauter als eine Kettensäge oder ein Schlagzeug.
Geräusche in dieser Lautstärke können neben dem akutem Hörversagen auch irreparable Schäden wie Tinnitus-Geräusche verursachen.
Viele Fußballfans wollen trotz der Warnungen kräftig in die Vuvuzela blasen. Wenn Sie auch Spaß daran haben, dann machen Sie doch mit!
Zum Beispiel beim größten Vuvuzela-Flashmob der Welt: Fußball-Fans auf der ganzen Welt sollen vor dem Eröffnungsspiel zwischen Südafrika und Mexiko gleichzeitig in die Riesen-Tröte blasen. Am 11. Juni um 12 Uhr soll es weltweit losgehen. In Berlin ist der Treffpunkt der Pariser Platz am Brandenburger Tor. Mehr Infos unter www.thisissouthafrica.de, ein Online-Projekt der Axel Springer Akademie.
Im “Guinness World Records Buch” findet sich unter der Überschrift “Schiefster Turm” folgender Eintrag:
Laut Messung vom 17. Januar 2007 hat der Turm der protestantischen Kirche in Suurhusen (nördlich von Emden) eine Neigung von 5,1939°. Damit wurde der zuvor von dem berühmteren schiefen Turm von Pisa (I) gehaltene Rekord gebrochen – der Turm in Pisa hat nur eine Neigung von 5,08°.
Mutmaßlich ab der nächsten Ausgabe wird sich unter der Überschrift “Schiefster künstlicher Turm” (oder so ähnlich) ein Eintrag finden, wonach der Capital Gate Tower in Abu Dhabi der höchste, absichtlich mit einer seitlichen Neigung gebaute Turm der Welt ist.
Der Turm von Suurhusen und der Capital Gate Tower sind also in ihrer jeweiligen Kategorie Rekordhalter, der Schiefe Turm von Pisa hat dafür (noch?) den Trost, der bekannteste schiefe Turm der Welt zu sein.
Oder, für Journalisten: Zwei Kategorien. Zwei Paar Stiefel. Ein anderes Fass.
So viel zur Theorie. Kommen wir nun zur Realität …
“Spiegel Online” hat es hingegen geschafft, nichts Falsches zu berichten: Zwar wird die Neigung des Capital Gate Towers dort mit der des Schiefen Turms von Pisa verglichen und der Eintrag ins Guinness-Buch verkündet, aber das ist für sich genommen alles richtig und deckt sich auch mit der Meldung auf guinnessworldrecords.com.
Falsch verstehen könnte man die Überschrift aber trotzdem:
Mit Dank an die vielen Hinweisgeber und an Eric für den Scan.
Nachtrag, 11. Juni: Wie hatten wir Yahoo übersehen können?
Laut Selbstbeschreibung der Bauer Media Group ist die Zeitschrift “Bravo” das “Original unter den Jugendzeitschriften und unangefochtener Marktführer” und “wöchentlich das wichtigste Entertainment- und Informationsmagazin” für die “Kernleserschaft zwischen 12 und 17 Jahren”. Das Magazin “weiß, welche Themen die Jugendlichen wirklich bewegen”, “schafft einzigartiges Vertrauen” und “setzt seit 2006 ein Zeichen gegen Gewalt an Schulen”.
Wir sind uns nicht ganz sicher, welche dieser Kompetenzen sich in der Liste widerspiegeln, die “Bravo” letzte Woche veröffentlicht hat. Aber die Kernleserschaft zwischen 12 und 17 Jahren dürfte dankbar sein für die wertvollen Lebenshilfetipps, die ihr wichtigstes Informationsmagazin da für sie bereithält:
Wir haben den Rechtsanwalt und Lawblogger Udo Vetter um eine Einschätzung gebeten, welche Straftatbestände erfüllt sein könnten, wenn man den kreativen Vorschlägen von “Bravo” folgt.
Seine Antwort fiel auch für uns überraschend umfangreich aus:
I. (Rache am Ex)
1. Beleidigung, (§ 185 StGB, Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren), ggf. auch üble Nachrede (§ 186 StGB, Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr — sofern die Tatsache “Niete im Bett” nicht nachweislich wahr ist, wobei der Beweis kaum zu führen sein wird), oder sogar Verleumdung (§ 187 StGB, Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren — wenn er keine Niete im Bett ist und das “wider besseres Wissen” behauptet wird).
2. Beleidigung, (§ 185 StGB, Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren)
3. Betrug gegenüber dem Pizzadienst (§ 263 StGB, Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren)
4. Betrug gegenüber der Stripperin (§ 263 StGB, Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren), Beleidigung gegenüber Mutter und Vater (§ 185 StGB, Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren)
5. Beleidigung, (§ 185 StGB, Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren)
6. Beleidigung, (§ 185 StGB, Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren)
7. Beleidigung, (§ 185 StGB, Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren)
8. Körperverletzung, ggf. Versuch (§ 223 StGB, Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren)
9. Beleidigung, § 185 StGB (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren), ggf. auch üble Nachrede (§ 186 StGB, Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr — sofern die Tatsache “Socken in der Unterhose” nicht nachweislich wahr ist, wobei der Beweis kaum zu führen sein wird), oder sogar Verleumdung (§ 187 StGB, Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren – wenn die Behauptung “wider besseres Wissen” aufgestellt wird).
10. Wegen des Zugangs zum Account ggf. Ausspähung von Daten (§ 202a StGB, Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren) oder Vorbereitung des Ausspähens von Daten (§ 202c StGB, Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr). Überdies wieder Beleidigung etc.
II. Rache an der Ex
2. Beleidigung (§ 185 StGB, Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren)
3. Verleumdung (§ 187 StGB, Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren)
4. Diebstahl (242 StGB, Freiheitsstrafe bis fünf Jahren), außerdem Sachbeschädigung (§ 303 StGB, Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren)
5. Verleumdung (§ 187 StGB, Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren)
6. Körperverletzung, ggf. Versuch (§ 223 StGB, Freheitsstrafe bis zu fünf Jahren)
7. Beleidigung (§ 185 StGB, Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren)
9. Nötigung (§ 240 StGB, Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren)
10. Beleidigung (§ 185 StGB, Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren)
Nun sind die angegebenen Höchststrafen natürlich nicht gerade das Strafmaß, mit dem bisher unbescholtene Jugendliche zu rechnen hätten — aber dass sie sich gegebenenfalls strafbar machen, wenn sie die Ratschläge von “Bravo” befolgen, das hätte das Magazin, das einzigartiges Vertrauen schafft, seinen jungen Lesern dann vielleicht doch mit auf den Weg geben sollen.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Das tägliche Brot der Demokratie” (blaetter.de, Heribert Prantl)
Heribert Prantl schreibt in einem langen, historisch ausholenden Text, was Wissenschaft, Publizistik und Politik miteinander zu tun haben: “Mich erinnern die Blogger von heute an die politisierten Bürger von 1848/49 – Blogs sind mehr Demokratie. Soll da wirklich der professionelle Journalismus die Nase hochziehen, so wie es vor 160 Jahren die etablierten fürstlichen Herrschaften und die monarchischen Potentaten getan haben?”
2. “Doku-Soaps ohne Wahrheitsgehalt” (ndr.de, Tina Schober, Video, 6:21 Minuten)
Im Nachmittagsprogramm der Privatsender haben sich die mit Laienschauspieler besetzten Doku-Soaps als Quotenerfolge festgesetzt. “Die moderne Form des Bauerntheaters” sei wahnsinnig erfolgreich.
3. Interview mit Julia Stein und Steffen Eßbach (meedia.de, Christine Lübbers)
Die Macher des medienkritischen NDR-Magazins “Zapp” (siehe Link 2) in einem ausführlichen Interview: “Journalisten sind so groß im Austeilen, aber so ganz schlecht im Einstecken. Deshalb wird man als Medienjournalist häufig als Nestbeschmutzer wahrgenommen.”
4. “Promis am Pranger” (taz.de, Christian Rath)
Christian Rath fragt, ob verdächtige Prominente wie Jörg Kachelmann, über den fast täglich berichtet werde, vor den Medien geschützt werden müssen. “Selbst wenn er am Ende freigesprochen würde, droht seiner Karriere ein schwerer Dämpfer, weil in der öffentlichen Wahrnehmung meist eben doch etwas hängen bleibt.”
5. “Der Online-Reich-Ranicki” (freitag.de, Frank Fischer)
Frank Fischer stellt das französische Literaturblog “La république des livres” von Pierre Assouline vor, das mit fast jedem Beitrag hunderte von Kommentaren hervorruft. “Wenn es ein deutsches Pendant zu Pierre Assouline gäbe, es handelte sich wahrscheinlich um ein Mischwesen aus Marcel Reich-Ranicki, Martin Walser, Hans Magnus Enzensberger, Matthias Matussek und Don Alphonso.”