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Fakten schaffen mit Don Quijote

Nirgendwo auf der Welt weiß man mit größerer Gewissheit zu verkünden, dass der Iran an einer Atombombe arbeitet, als im Axel-Springer-Haus zu Berlin. Insbesondere Julian Reichelt, Chefreporter der “Bild”-Zeitung, scheint über ganz besondere Quellen zu verfügen — anders sind die steilen Thesen in seinem “Bild”-Kommentar vergangene Woche nicht zu erklären. In diesem Beitrag fordert Reichelt nämlich:

Frieden schaffen mit Atomwaffen!

Zunächst schreibt Reichelt da:

Sogar die Internationale Atomenergiebehörde geht jetzt davon aus, dass der Iran an einem Sprengkopf baut.

Was selbst dem aufmerksamen “Bild”-Leser nicht sofort unbedingt auffällt: Das wichtigste Wort in diesem Satz ist das kleine “sogar”. In den letzten Wochen sind in Sachen Iran nämlich exakt zwei Neuigkeiten zu vermelden gewesen: Der Iran hat den Anteil des Isotopes U235 seines Urans [Nachtrag d. Verf.] auf 20 Prozent angereichert (wobei es 80 prozentigem Urans für eine Atomwaffe bedarf). Und es wurde bekannt, dass bereits vor 2003 mit Hilfe eines russischen Ingenieurs Träger für Raketen  gebaut worden waren, auf denen möglicherweise auch Atomsprengköpfe angebracht werden können.

Und so ist man bei der IAEA ob der Vorgänge im Iran zwar auch äußerst besorgt, aber doch deutlich weniger panisch als Julian Reichelt. Die IAEA schreibt in einem aktuellen Dokument zum Iran unter Punkt 41 auf den Seiten 8 und 9 nämlich lediglich, dass die aktuelle Informationslage Fragen zu einer möglichen Entwicklung von Atomsprengköpfen im Iran aufwerfe.

Es wird im IAEA-Report sogar ausführlich erwähnt, dass diese Entwicklung von Atomsprengköpfen nicht unbedingt aktuell sein müsse, sondern auch in der Vergangenheit habe stattfinden können — im Übrigen ein Umstand, der in sämtlichen Medien und auch in der “Bild”-Zeitung selbst vor einigen Tagen bereits vermeldet worden war (Bildblog berichtete).

Während Reichelt suggeriert, der IAEA-Bericht enthalte neue, schockierende Erkenntnisse, verhält es sich eher so, dass die Pressemeldungen der vergangenen Wochen nun auch von offizieller Seite bestätigt werden.

Von dieser konstruierten Neuigkeit kommt Julian Reichelt alsbald zu einer ähnlich fadenscheinigen Schlussfolgerung:

Lieber 8000 amerikanische Bomben als eine einzige iranische.

Der hier suggerierte Gegensatz beruht, nun ja, im besten Falle auf Unwissen. Tatsächlich steht die Welt nämlich in keiner Weise vor der Wahl zwischen US-amerikanischen und iranischen Atomwaffen. Einer gerade vom US-amerikanischen Think Tank “Carnegie Endowment” veröffentlichten Weltkarte der Atomsprengköpfe hätte der Bild-Reporter zum Beispiel entnehmen können, dass insgesamt acht Staaten weltweit über Atomwaffen verfügen.

Neben Russland (14.000 Atomsprengköpfe) und China (mehr als 125 Atomsprengköpfe) verfügen beispielsweise auch Israel (80 Sprengköpfe), das beunruhigend instabile Pakistan (60 Sprengköpfe) und Indien (50 Sprengköpfe) über Atomwaffen — allesamt Staaten in der Nachbarschaft des Irans.

Überhaupt: Über die für den Iran besonders wichtige Regionalpolitik zwischen den notorischen instabilen Ländern Irak,  Afghanistan und Pakistan verliert Reichelt in der “Bild” eben kein Wort. Ebenso wenig Erwähnung findet auch die Tatsache, dass die in Israel und den USA, aber auch in “Bild” lauter werdende Forderung, den Iran anzugreifen, die Kriegsgefahr tendenziell eher steigert denn senkt.

Aber nicht allein Reichelts Faktenwissen ist ungenügend. Auch sein Wutausbruch gegen die von ihm “Abrüstungs-Groupies” genannten Gegner atomarer Aufrüstung ist allein schon deshalb irritierend, weil Reichelt wie ein neorealistischer Don Quijote Positionen bekämpft, die überhaupt niemand vertritt. Gleich zu Beginn seines Kommentars entwirft er ein reichlich abwegiges Schreckensbild:

Es gibt nur ein Szenario, das furchterregender ist als eine Welt, in der es 25 000 Atomsprengköpfe gibt. Eine Welt, in der es nur noch eine Bombe gibt. Eine Bombe, auf der steht: “Mit Grüßen aus Teheran.”

Dass niemand ernsthaft fordert, allein die USA oder gar alle acht Atommächte mit einsamer Ausnahme des Iran mögen ihre Atomwaffen abschaffen (was im Falle Nordkoreas eine besonders abstruse Vorstellung ist), stört Reichelt wenig. Er keilt weiter gegen seine selbst ausgedachten Kontrahenten:

Gern jammern Abrüstungs-Groupies, man könne die Welt mehrere Hundert Male mit den vorhandenen Atomwaffen zerstören. Absurde Mathematik: Denn nach dem ersten Mal wäre es eh egal.

Und als wäre das des Unsinns nicht genug, löst Reichelt auch einen zentralen Widerspruch seines Kommentar nicht auf: Wenn Atomwaffen, wie Reichelt unterstellt, denn nun Frieden schaffen – was ist dann eigentlich das Problem mit dem vermuteten Atomwaffenprogramm des Irans?

Motorsport, Schmähkritik, Burma VJ

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Motorsportjournalismus – Wo ist der hin?”
(racingblog.de, Don Dahlmann)
Don Dahlmann sieht bei den Printprodukten zum Thema Motorsport eine enge Verzahnung zwischen Industrie, Agenturen und Redaktionen. “Es ist kein Zufall, wenn nach einer doppelseitigen Anzeige für ein Pflegeprodukt man genau diese vier Seiten weiter ‘redaktionell’ empfohlen bekommt. Es ist auch kein Zufall, wenn Promi XY interviewt wird und dessen Film dann ein paar Seiten später als ‘Tipp der Woche’ auftaucht.”

2. “Acht Regeln für Amok-Berichte”
(mediummagazin.de, Annette Milz)
Psychologen haben zur Berichterstattung über Amokläufe “acht konkrete Regeln für das Verhalten der Medien formuliert”. Der kommende 11. März ist der Jahrestag des Amoklaufs von Winnenden.

3. “Das Elend der Debatte um ARD und ZDF”
(stefan-niggemeier.de)
Stefan Niggemeier weiss, wie “die Verlage vielleicht, möglicherweise, wenn das Wetter stimmt, in der Lage sein” werden, “auch in Zukunft Qualitätsjournalismus anzubieten, und womöglich sogar im Netz”. Nämlich so: “Die Verlage müssen von der (ohnehin schon reduzierten) Mehrwertsteuer befreit werden, Google muss verboten oder zur Zahlung von Lizenzgebühren verpflichtet werden, ARD und ZDF müssen das Internet verlassen, das Zitatrecht muss drastisch eingeschränkt, das kostenlose Anbieten von Informationen untersagt und die Gratis-Kultur im Internet insgesamt vernichtet werden.”

4. “300 Folgen Schmähkritik”
(blogs.taz.de/popblog, Christian Ihle)
“300 Folgen lang haben jetzt schon Zeitschriften, Magazine und Stars über Platten, Filme, Politiker und Bands böse geredet. Zeit also, ein komplettes Inhaltsverzeichnis der 300 Folgen Schmähkritik zum Stöbern aufzubereiten…”

5. “Achtung, Kamera!”
(falter.at, Florian Klenk und Barbara Toth)
Der tschechische Journalist Janek Kroupa recherchiert, verdeckt unter dem Namen Radvít Pokorny, in einem österreichisch-tschechischen Rüstungsgeschäft und deckt so “einen der größten politischen Skandale der letzten Jahre” auf.

6. “Burma VJ”
(plus7.arte.tv, Video, 84 Minuten)
Für sieben Tage online: Der Film “Burma VJ” von Anders Østergaard (Trailer).

Ein Ö für ein Ü vormachen

Andi Möller zum PSV Eindhoven? Fred Rutten überlegt Andreas Möller als technischen Direktor zum PSV Eindhoven zu holen, wie die niederländische Seite www.voetbalprimeur.nl berichtet. Der ehemalige Schalke-Coach trainiert seit dem 01. Juli 2009 das holländische Team von PSV Eindhoven. Rutten und Möller hatten sich während der gemeinsamen Zeit bei Schalke 04 kennen gelernt. Andreas Möller ist seit dem 1. Juli 2008 Manager bei dem Drittligisten Kickers Offenbach.

Zäumen wir diese kleine Sport-Meldung von Bild.de doch mal von hinten auf und schreiben erst mal, was daran richtig ist:

  • Andreas Möller ist seit dem 1. Juli 2008 Manager bei dem Drittligisten Kickers Offenbach.
  • Fred Rutten trainiert seit dem 01. Juli 2009 das holländische Team von PSV Eindhoven.
  • voetbalprimeur.nl berichtet, dass Fred Rutten überlege, Andreas Möller als technischen Direktor zum PSV Eindhoven zu holen.

Und hier kommt das Problem: voetbalprimeur.nl hat sich – im Gegensatz zu vielen anderen niederländischen Seiten – vertan, als es darum ging, eine Meldung aus der Originalquelle “Telegraaf” abzuschreiben.

Es geht nämlich nicht um Andreas Möller, sondern um Andreas Müller, der Manager beim FC Schalke 04 war, als Rutten dort als Trainer arbeitete. Der frühere Nationalspieler Möller war zu diesem Zeitpunkt übrigens schon lange wieder aus Schalke weg.

Zugegeben: Selbst wenn Bild.de direkt beim “Telegraaf” nachgelesen hätte, hätte noch die Chance bestanden, über den falschen Mann zu schreiben. Einmal bezeichnet der “Telegraaf” selbst nämlich Müller als “Möller”.

Mit Dank an Marcus B. und Nabil T.

B.Z., Brender, Wissenschaftsjournalisten

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Online-Gebühren: Über den Wert von Qualitätsjournalismus”
(jensweinreich.de)
Sportjournalist Jens Weinreich setzt ab sofort Bezahlbuttons in seine Blogartikel. “Wer nichts zahlen möchte, weil ihm die Dienstleistung nicht gefällt, weil sie ihm nicht gut genug ist oder gar, obwohl sie ihm nützlich erscheint, trotzdem nichts zahlen möchte, weil er sich sagt: das Zeug gibt es doch sowieso umsonst; der hat Argumente, die ich schwerlich entkräften kann.”

2. “Blogs [metadiskussion]”
(2-blog.net, Luca Hammer)
Ein langer Text über die immer mal wieder aktuelle Debatte “Blogs sind tot”: “Ich sehe die Entwicklungen rund um Blogs sehr positiv. Die Technologie kommt weiter, die Inhalte werden besser, mehr Leute wissen was Blogs sind und wenn die anderen Medien endlich ihre Paywalls hochziehen, steht den Blogs eine tolle Zeit bevor.”

3. “LSVD entsetzt über B.Z.”
(queer.de, dk)
“Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) ist entrüstet über einen Kommentar in der Boulevardzeitung B.Z., in dem die Überfälle auf Homosexuelle in Berlin bagatellisiert werden.”

4. “Lauscher auf dem Lerchenberg”
(faz.net, Michael Hanfeld)
Michael Hanfeld über Hugo Diederich, der Nikolaus Brenders Äusserungen über das ZDF als “verbale Entgleisung” geisselte: “Das ZDF sei keine kleine DDR. Der Mann muss es wissen; er sitzt in jenem Fernsehrat des Senders, dessen Mitglieder die Ministerpräsidenten, die im Verwaltungsrat sitzen, als Vertreter vermeintlich unabhängiger gesellschaftlicher Gruppen auswählen und aus deren Mitte wiederum acht Gesandte für den Verwaltungsrat bestimmt werden.”

5. “Mit dem Zweiten spitzelt man besser?”
(spreegurke.twoday.net, Ursula Pidun)
Auch Ursula Pidun kommentiert die Auseinandersetzung: “So taff sich Brenders Worte also in diesen Tagen auch anhören mögen und so traurig die inhaltliche Brisanz für unsere Demokratie auch ist: Ein authentisch arbeitender Journalist hätte diese Zustände – so sie denn tatsächlich in dieser völlig inakzeptablen und verfassungswidrigen Form existent sind – bei Bekanntwerden sofort und auf der Stelle anzeigen und die Öffentlichkeit über die wahren Ausmaße in Kenntnis setzen müssen.”

6. “Splitter aus San Diego (IV): Die Journaille”
(scienceblogs.de/alles-was-fliegt, Alexander Stirn)
Ein Bericht von einem Jahrestreffen der Wissenschaftsjournalisten, das mit viel weniger deutschen Journalisten und ohne Party auskommen muss.

Here Comes “The Sun”

Es geschah John Lennon ganz Recht, dass er 1980 vom geistig verwirrten Mark David Chapman erschossen wurde. Das scheint zumindest “Bild am Sonntag” zu denken:

Das böse Omen der Beatles. Dieses bisher unveröffentlichte Foto zeigt John Lennon, der so tut, als würde er sterben. Zwölf Jahre später wurde er erschossen. Moral: Let it be!

Aber selbst wenn man den Versuch ignoriert, einen Zusammenhang zwischen Foto und Attentat zu konstruieren, und außer Acht lässt, dass “Let It Be” im gleichnamigen Beatles-Song sehr wahrscheinlich eher im Sinne von “lass es geschehen” denn als “lass es sein” gemeint sein dürfte, ist an diesen drei Sätzen noch etwas merkwürdig. Im Sinne von “falsch”.

Das laut “Bild am Sonntag” “bisher unveröffentlichte Foto” ist nämlich alles andere als bisher unveröffentlicht: Es ist Teil einer 23-teiligen Fotoserie, die seit 1998 in Galerien und Museen zu sehen ist — so auch im Jahr 2003 in Liverpool, der Heimatstadt der Beatles. Die BBC berichtete damals darüber und zeigt das Foto seitdem auf ihrer Website.

Vielleicht war “Bild am Sonntag” verwirrt, dass die Galerie, in der die Fotos zur Zeit zu sehen sind, schreibt, dass die Bilder für drei Jahrzehnte “unbesehen, weggepackt in der Dunkelheit, beinahe vergessen waren” — die drei Jahrzehnte zwischen ihrer Entstehung 1968 und der ersten Ausstellung eben.

Aber vielleicht hat “Bild am Sonntag” auch nur auf die Recherche-Qualität der britischen “Sun” vertraut, die am Samstag auf ihrer Internetseite von “unveröffentlichten Beatles-Fotos” schwadronierte, die “für Jahrzehnte in Umschlägen gelagert” gewesen seien.

Von der “Sun” scheint “Bild am Sonntag” zumindest auch die Information zu haben, dass die Fotos (von jedem gibt es 195 nummerierte und signierte Abzüge) “pro Stück 114.000 Euro” kosten sollen — was etwas unwahrscheinlich ist, wenn die Original-Dias laut Ausstellungankündigung vom Auktionshaus Christie’s mit 100.000 US-Dollar (ca. 74.000 Euro) und damit deutlich niedriger bewertet werden.

Trotz all dieser Ungereimtheiten gibt “Bild am Sonntag” an, mit dem Fotografen gesprochen zu haben.

PS:

Am 8. Dezember 1989 transportiert ein Leichenwagen den toten John Lennon vor dem Dakota-Building in New York ab

Keine Ahnung, was das für eine Leichenwagen ist, aber der tote John Lennon wurde damit ganz sicher nicht vor dem Dakota-Building abtransportiert. Lennon war nämlich schwerverletzt mit einem Polizeiauto zum Roosevelt Hospital Center gefahren worden, wo er schließlich für tot erklärt wurde.

Aber das mit John Lennons Tod scheint für deutsche Journalisten sowieso etwas schwierig zu sein.

Mit Dank an RisingEd.

Nachtrag, 24. Februar: Unser Leser Samuel J. wusste, was das für ein Leichenwagen ist: Tatsächlich (laut Getty-Images) der, in dem John Lennons Leiche transportiert wurde — nur eben nicht vor dem Dakota Building und kurz nach den Schüssen:

Der Leichenwagen mit der Leiche des ermordeten britischen Musikers John Lennon, geparkt vor dem Bestattungsinstitut Frank E. Campbell, New York City, Dezember 1980

(“Frank E. Campbell” steht übrigens gleich zwei Mal auf dem Eingang des Gebäudes — aber den hat “Bild am Sonntag” abgeschnitten.)

Dr. Hope, Restauranttester, Tatort

6 vor 9

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1. “‘Dr. Hope’: Wortvogel unter Beschuss”
(wortvogel.de, Torsten Dewi)
Torsten Dewi wendet sich in einem langen Artikel gegen die im “Münchner Merkur” und der “Süddeutschen Zeitung” gegen ihn und Katrin Tempel gerichteten Plagiatsvorwürfe. “Historische Fakten sind nicht schützbar, ein Sachbuch ist kein Roman, und ‘Dr. Hope’ ist weder die Adaption noch die Verfilmung eines Sachbuches (oder einer anderen Quelle).”

2. “Wo gekocht wird, fallen Krümel”
(faz.net, Peer Schader)
Peer Schader hat sich bei verschiedenen Gastronomen erkundigt, wie die Auswirkungen von Sendungen wie “Rach, der Restauranttester” oder “Rosins Restaurants” sind.

3. “Falscher Prof muss vor Gericht”
(meedia.de)
Henner Ertel, Gründer des von vielen, auch seriösen Medien immer wieder zitierten Instituts für Rationelle Psychologie, muss sich “vor dem Amtsgericht München gegen den Vorwurf verteidigen, den Professorentitel zu Unrecht zu führen”.

4. “Falscher Enkel landet einen Kobuk – Schuld? Twitter!”
(kobuk.at, Helge Fahrnberger)
Der kanadische Folksänger Gordon Lightfoot wird von mehreren kanadischen Zeitungen und TV-Sendern für tot erklärt. Darauf ruft dieser selbst bei einem Radiosender an und erklärt die Meldung zum Hoax.

5. “Vorabend. Eine Reise durchs TV-Programm”
(youtube.com, Video, 3:44 Minuten)
Lukas Domnick singt sich durchs TV-Vorabendprogramm. Dwdl.de hat ihm dazu einige Fragen gestellt.

6. “Tatort”
(ichwerdeeinberliner.com, Wash Echte, englisch)
Wash Echte, “Auslander” in Berlin, widmet sich dem Sonntagskrimi Tatort: “Mirroring the German society, in Tatort, everybody is a victim. Even the detectives.”

Voll Fett, Napf!

Eine Online-Umfrage hat ergeben, dass etwa 5.000 Briten Amerikaner für die bestaussehenden Menschen auf der Welt halten.

Vorwand Grund genug für Bild.de, eine 40-teilige Klickstrecke zu bauen, ein eigenes “Voting” zu starten — und falsche Zahlen zu verbreiten:

Es wird noch schlimmer: Die Umfrage ergab, dass die schönsten Menschen in Amerika leben. Die Briten wählen ausgerechnet die Nation auf Platz eins, in der laut WHO (Weltgesundheitsorganisation) 93,5 Prozent der Bevölkerung übergewichtig sind.

Da hat wohl jemand beim Gang ins eigene Archiv nur auf den Wortanfang geguckt: Das Land, in dem 93,5 Prozent der Bevölkerung übergewichtig sind, heißt jedenfalls nicht Amerika (oder USA), sondern Amerikanisch Samoa — in den USA sind es zwei Drittel.

Mit Dank an Samuel D. und Chris J.

Nachtrag, 21. Februar: Bild.de ist auf Nummer Sicher gegangen und hat den ganzen Absatz mit Prozenten und Übergewicht entfernt und durch diesen Satz ersetzt:

Die schönsten Menschen leben, glaubt man den Briten, in Amerika.

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Verwirbelte Verantwortung

Eine Woche vor dem Traditions-Derby des FC Schalke 04 gegen Borussia Dortmund bemüht sich “Bild” weiterhin redlich, die Stimmung auf ein ungesundes Niveau anzuheizen. Nachdem “Sportbild” dem Dortmunder Profi (und erklärtem BVB-Fan) Kevin Großkreutz in einem Fragebogen einen Seitenhieb auf den Gelsenkirchener Konkurrenten untergejubelt hatte und sich daraus eine Schlagzeile zurechtbog (BILDblog berichtete), kann “Bild” heute in der Ruhrgebietsausgabe folgendes berichten:

KLOPP SCHÜTZT GROSSKREUTZ: "Ich habe schallend darüber gelacht"

Wirbel um den Kinderheim-Spruch von Kevin Großkreutz. Gestern schaltete sich sogar BVB-Trainer Jürgen Klopp (42) ein…

Das ist natürlich auch eine Art von Journalismus: Erst Windmaschinen aufstellen und dann den “Wirbel” beschreiben — fast so wie Feuerwehrmänner, die selber Brände legen.

“Eingeschaltet” hat sich Klopp übrigens gestern, als er auf einer Pressekonferenz auf den “Fall Großkreutz” angesprochen wurde. Und sich alsbald die Pressevertreter selbst vornahm:

… und die Freunde hier schaffen es tatsächlich, heute so’n Ding draus zu machen, um anschließend uns alle dazu aufzufordern, Ruhe zu bewahren, damit die Zuschauer sich nicht gegenseitig rund um so’n Spiel auf den Kopf hauen. (…)

Dann schafft Ihr’s jetzt tatsächlich, da so’n Thema draus zu machen — find ich beeindruckend, weil wir müssen anschließend dafür sorgen: “Ja, so war’s doch gar nicht gemeint …” (…) Bin ich gespannt, wie wir das hinkriegen.

“Bild” tut unterdessen so, als falle der Veröffentlichungstermin eines “Sportbild”-Fragebogens in den Zuständigkeitsbereich des Spielers:

Jetzt der dritte Großkreutz-Akt – nur eine Woche vorm nächsten Revier-Derby.

So richtig erfolgreich scheint “Bild” beim Anheizen aber nicht zu sein: Den Satz

Was für Klopp ein Scherz ist, empfinden viele Schalke-Fans als erneute Provokation von Großkreutz

untermauert “Bild” mit keinem einzigen Beispiel — dabei hätte sich in Schalker Fan-Foren sicherlich der ein oder andere böse Kommentar über Großkreutz gefunden.

Allerdings auch Einschränkungen wie diese:

Wobei man hier mal wieder sehr schön die perfide Stimmungsmache der BLÖD sehen kann: Sie titeln “Peinlicher Spruch von Großkreutz… der BxB-Profi heizt die Stimmung an, hat er denn nix gelernt?” , obwohl es sich um eine VORFORMULIERTE ANTWORTMÖGLICHKEIT in einem Sportblöd-Fragebogen handelt! Erst locken sie erwiesene geistige Tiefflieger auf derlei Aussagen und dann zündeln sie, um dann hinterher “unschuldig” auf Großk*** zu verweisen… Wahrscheinlich hoffen sie insgeheim auf “richtig schöne” Derbyausschreitungen, die sie dann genüßlich ausschlachten können.

Bei derlei Methoden kann ich gar nicht so viel essen, wie ich k**zen möchte! Und weder Schalker noch Dortmunder Fans sollten darauf reinfallen.

Offenbar wollte man nicht mal beim FC Schalke selbst auf den Zug aufspringen, den “Bild” so schön ins Rollen zu bringen versucht:

Die Königsblauen schütteln ob des neuen Vorfalls nur mit dem Kopf. Neuer: “Dazu sage ich nichts mehr…”

Das stand jedenfalls so ähnlich auch schon gestern in der Zeitung:

Nun der provozierende Heim-Spruch. Und Neuer? Der gibt sich cool: “Dazu sage ich nichts mehr.”

Drei Mal bezeichnet “Bild” im Artikel die von Kevin Großkreutz angekreuzte Antwortmöglichkeit im “Sportbild”-Fragebogen als “Kinderheim-Spruch”. So auch im letzten Satz des Artikels:

Großkreutz und der Kinderheim-Spruch – gestern hat Klopp ihm ein striktes Interview-Verbot erteilt. Bis zum Derby…

Und was das für ein Interview-Verbot war, erklärt Klopp vielleicht am Besten selbst im Wortlaut auf der Pressekonferenz:

Ich werde [Kevin] raten, einfach mit niemandem mehr über dieses Spiel zu sprechen. Sollten irgendwelche Interviews abgemacht sein, sind die in diesem Moment abgesagt, zum Thema Schalke. Weil er anscheinend machen kann, was er will, es wird anschließend ‘ne Riesengeschichte draus gemacht, weil er nun mal ‘n Dortmunder ist. Und deswegen wird’s keine Geschichte geben. Und ich bin am Überlegen, ob wir meine Termine, die in diesem Bereich abgeschlossen wurden, ob wir die nicht auch absagen. Es ist einfach zu gefährlich: Man kann nicht oft genug drüberlesen, um nicht anschließend ‘ne Geschichte zu machen, die man vier Tage wieder glattbügeln muss.

Und ich finde es so wichtig, dass es in diesem Spiel nur um Fußball geht und um nichts anderes; dass jeder dafür in der Verantwortung steht. Und ich werde meine Spieler darauf hinweisen, dass sie dieser Verantwortung gerecht werden. Ich werde ihr gerecht werden — und dann gibt’s Menschen, die wir nicht beeinflussen können, die müssen ihr aber auch gerecht werden. Und das ist anscheinend nicht so leicht.

Offensichtlich steht dem verantwortungsbewussten Verhalten von “Bild” vor allem eines im Wege: das Fehlen von Verantwortungsbewusstsein.

Krokodilstränen, Enke, Karnevalsberichte

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Jüngstes Trauma der Kritik”
(freitag.de, Dorothea Dieckmann)
Dorothea Dieckmann über Krokodilstränen, fernsehkompatible Trivialliteratur und “Des Kaisers neue Kleider” im Fall “Axolotl Roadkill”. “(Auch) ich habe den Hype bedient wie viele abhängige Rezensenten, die für eine dreistellige Summe über Hegemann schrieben, die derweil eine mindestens achtstellige Summe anschafft.”

2. “Der Enke-Effekt”
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Christoph Cadenbach)
Drei Monate nach Stefan Niggemeier schreibt auch das Magazin der “Süddeutschen Zeitung” über durch die Berichterstattung über Selbstmorde angeregte Selbsttötungen. Statistische Zahlen dazu erscheinen erst in zwei Jahren: “Nachdem sich Enke im vergangenen November das Leben nahm, habe es eine ‘drastische’ Steigerung der Suizide in Deutschland gegeben, sagt der Leipziger Psychiatrieprofessor Ulrich Hegerl. Von viermal so vielen Toten allein Mitte November ist die Rede.”

3. “Kampf mit dem Verleger”
(taz.de, Steffen Grimberg)
Bei den Redaktionsmitgliedern von Zeitungen wie “Frankfurter Rundschau” und “Berliner Zeitung” kehrt Ernüchterung ein nach einer anfänglichen Begeisterung für den neuen Verleger M. DuMont-Schauberg: “In den Musterverträgen für die neue Redaktionsgemeinschaft aller vier Blätter, die am 1. April ihre Arbeit aufnehmen soll, finden sich gut drei Seiten Kleingedrucktes zum Urheberrecht und an wen der Verlag die Artikel alles weiterverkaufen darf. ”

4. “Widerstand zwecklos”
(sueddeutsche.de, Alexander Kissler)
Alexander Kissler mit einer Kritik zur RTL-Sendung “Teenager außer Kontrolle”: “Wann immer die Hauptpersonen lachen, fallen die Posen von ihnen ab. Dann sind sie tatsächlich, was ein Vater lakonisch ausspricht, ‘die Kinder’ und nicht ‘Teenager außer Kontrolle’. Lange darf solche Besinnung nicht währen. RTL, Deutschlands erfolgreichster Kontrolleur, hat die nächste Eskalationsstufe längst im Köcher.”

5. “Kreativservice für Lokaljournalisten”
(thomastrappe.wordpress.com)
“Nach Studie mehrerer bundesweiter Karnevalsberichte der vergangenen Tage stelle ich den folgenden von mir großzügig erstellten Text kostenlos zum Kopieren zur Verfügung.”

6. “Deutschland degeneriert in ein Entwicklungsland”
(netzwertig.com, Marcel Weiss)
Dritter und letzter Teil einer Serie über Deutschland und das Internet. “Das Internet ist kein Medium neben anderen. Es läuft nicht parallel. Es ist das Medium. Es wird langfristig alle anderen Übertragungsformen von Medien und Kommunikation ersetzen.”

Bild  

Kurz korrigiert (499 & 500)

Kein Schwein will Spiele von Hertha BSC sehen, erklärt “Bild” heute in der Berliner Ausgabe:

Das letzte Liga-Heimspiel gegen Mainz (1:1) wollten nur noch 3715 Fans sehen. Saison-Minusrekord.

Nun weiß man nicht, wie viele Zuschauer beim Spiel gegen Mainz auch Fans waren, aber selbst davon dürften es mehr als 3.715 gewesen sein. Im Stadion waren jedenfalls 36.715 Menschen, wie mehrere Quellen übereinstimmend berichten.

* * *

Jetzt wurden Liebesbriefe von John F. Kennedy († 38) an eine schwedische Geliebte veröffentlicht.

Anders als “Bild” heute behauptet, ist John F. Kennedy nicht im Alter von 38 Jahren gestorben, sondern mit 46. Da muss wohl jemand den US-Präsidenten beim Googeln mit seinem Sohn John F. Kennedy, Jr. verwechselt haben, der 1999 mit 38 tödlich verunglückt ist.

Mit Dank an Horst, Basti, Martin K., und H.

Nachtrag, 19. Februar: Bild.de hat beide Fehler korrigiert.

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