Außergewöhnliche oder unvorstellbare Ereignisse werden oft ein bisschen begreifbarer, wenn es Bilder davon gibt. Oder, wie man im Internet sagt: “pics or it didn’t happen”.
Insofern hilft es natürlich beim Verständnis der Ereignisse auf dem Kreuzfahrtschiff “Louis Majesty”, sich mithilfe von Videos selbst ein Bild der Lage machen zu können.
Oder, wie es Associated Press ausdrückt:
Auf YouTube sind nun drei Amateur-Videos aufgetaucht. Sie sollen die zerstörerischen Wellen zeigen, die das Kreuzfahrtschiff “Louis Majesty” am Mittwoch mit voller Wucht trafen.
In den YouTube-Videos, die als AP-Zusammenschnitt unter anderem bei stern.de und “RP Online” zu sehen sind und auch von RTL in verschiedenen Nachrichtensendungen und online gezeigt wurden, geht es hoch her.
So sieht man beispielsweise Außenaufnahmen, die die Wucht der Wellen erahnen lassen:
Auch auf der Brücke knallt es gewaltig:
RTL hat für seine Nachrichtensendung “Punkt 12” sogar noch ein weiteres Video entdeckt:
Diese und ähnliche Videos werden seit Mittwoch in großer Stückzahl hochgeladen. Mache wurden wieder gelöscht, andere aus dem Fernsehen, wo sie mit Berufung auf YouTube liefen, mitgeschnitten und erneut hochgeladen. Es ist kaum möglich zu sagen, was die Originalvideos sind.
Aber diese hier könnten es sein:
(Hochgeladen am 25. August 2007, laut Uploader an Bord der “Empire State” entstanden.)
(Online seit dem 23. Oktober 2007, vor der Küste Australiens gedreht.)
(Seit dem 22. Februar 2010im Netz, immerhin sogar auf der “Louis Majesty” gefilmt.)
Bei Stern.de weist seit 24 Stunden ein Leserkommentar auf die entsprechenden YouTube-Clips hin.
Unser Leser Dirk E. hat nach eigenen Angaben zehn Minuten gebraucht, um diese drei alten Videos zu finden. So viel Zeit hatten die Medien wohl nicht.
Mit Dank an adameus23, Sebastian F. und Dirk E.
Nachtrag, 13.10 Uhr: Stern.de hat das Video durch den Hinweis “Das Video ist nicht mehr verfügbar!” ersetzt.
Nachtrag, 19.10 Uhr: Jetzt doch mit Worten: Offenbar ist der Fehler irgendwann aufgefallen und es hat sich jemand (fälschlicherweise) gedacht: “Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte.”
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. Interview mit Thierry Chervel (die-stadtredaktion.de, Atossa Kamran)
Thierry Chervel vom Perlentaucher über die Krise der Printmedien und zu festen und freien Journalisten: “Freie Journalisten hatten schon immer einen elenden Status, der sich seit der Zeitungskrise vor ein paar Jahren noch verschärft hat. Hier ist es immer am leichtesten zu sparen. Festangestellte sind schwer zu entlassen. Die Freien sind die Opfer eines soliden Arbeitsrechts – darum werden auch immer weniger Leute fest angestellt.”
2. “Regierung Berlusconi verbietet politische Talkshows während des Wahlkampfes” (dradio.de, Thomas Migge)
Macher von politischen Diskussionssendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Italien dürfen nicht mehr frei entscheiden, wen sie einladen möchten: “Die Talkmaster müssen nicht nur Listen mit jenen Politikern, die eingeladen werden sollen, einer RAI-internen Kommission vorlegen, deren Entscheidungen das Plazet der Regierung haben müssen, sondern auch dafür sorgen, dass ihre Sendungen politisch ausgewogen und rein informierend sind. Keine Diskussionen mehr, keine Polemiken.”
4. “Die Angst vor Google” (dondahlmann.de)
Don Dahlmann schreibt über die Technologie-Ängstlichkeit der etablierten Intellektuellen. “Es scheint, als ob eine Beharrungs-Philosophie Einzug gehalten hat. Bloß dem Neuen keinen Raum geben, es argwöhnisch beobachten und wo es geht, mit allen Mitteln bekämpfen. Das führt dann zu absurden Dingen, wie der Formulierung, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sei.”
Die gestrige Niederlage der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Argentinien hat gravierende Folgen. Bei Bild.de ist zum Beispiel die Zeitachse verbogen.
So wusste das Internetportal noch in der Nacht zu berichten, was eine Untersuchung am kommenden Montag ergeben wird (vielleicht auch am vergangenen Montag, also vor der Verletzung, so genau wird das nicht deutlich):
Außerdem wird sich Lukas Podolski irgendwie zu einer Situation geäußert haben werden, die später passiert sein wird:
Es könnte allerdings auch sein, dass Demichelis’ Untersuchung am Donnerstag stattgefunden und Podolski sich heute früh zu Wort gemeldet hat …
Mit Dank an Patrick.
Nachtrag, 13.49 Uhr: Inzwischen hat sich Podolski laut Bild.de nicht mehr “gestern früh”, sondern nur noch “12 Stunden später” geäußert.
Mit einer neuen Studie des Paritätischen Wohlfahtsverbandes ist die Sozialstaatsdebatte am Montag in die nächste Runde gegangen — genau der richtige Moment, etwas Licht ins mediale Dunkel zu bringen.
Beginnen wir von Anfang an: Am 6. Februar veröffentlichte die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” einen mehr als halbseitigen Bericht über Berufe im Niedriglohnbereich. Unter Berufung auf Berechnungen des Karl-Bräuer-Instituts behauptete der Autor Sven Astheimer, dass das sogenannte Lohnabstandsgebot nicht eingehalten werde. Das Gehalt, das in bestimmten Branchen gezahlt wird, liege zum Teil noch unter dem Hartz-IV-Anspruch des jeweiligen Arbeitnehmers.
Schon damals hatten wir berichtet, dass die “FAZ” bei dieser Berechnung wichtige Aspekte wie Freibeträge als Anreiz für Erwerbstätigkeit außer Acht gelassen hatte. Weiterhin distanzierte sich das Karl-Bräuer-Institut auf Anfrage von den Ergebnissen der “FAZ”. Das Institut habe keine Vergleichsstudie angefertigt, sondern lediglich die Brutto- und Nettolöhne ausgesuchter Branchen im Niedriglohnsektor berechnet. Den Vergleich mit Hartz-IV-Empfängern und insbesondere die Unterschlagung der Freibeträge hatte demnach allein die “FAZ” zu verantworten.
In den folgenden Tagen verbreiteten zahlreiche Medien die Zahlen der “FAZ”. Während diese selbst allerdings noch von “umfangreichen Berechnungen (…), die das Karl-Bräuer-Institut – das Forschungsinstitut des Bundes der Steuerzahler – für diese Zeitung durchgeführt hat” schrieb, machten “Bild”, “Welt”, der “Münchner Merkur” und das “Hamburger Abendblatt” daraus schon eine “Studie des Karl-Bräuer-Instituts”. Auf die Idee, diese “Studie” selbst zu lesen, kam jedoch niemand.
“Welt Online” schaffte es sogar, den umstrittenen Kommentar Guido Westerwelles, in dem sich der FDP-Politiker beim Beispiel eines geringverdienenden Kellners auf die falschen Zahlen der “FAZ” berief, mit Schautafeln zu bestücken, die Westerwelle widerlegten. Die Beispielfälle auf den Schautafeln waren ebenfalls vom Karl-Bräuer-Institut berechnet worden – diesmal allerdings komplett und mit deutlichem Lohnabstand (also ohne den “FAZ”-Faktor).
Die eingangs genannte Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes hat jetzt bestätigt, dass der Lohnabstand zwischen Geringverdienern und Hartz-IV-Empfängern stets gewahrt bleibt. Allerdings macht Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, das Karl-Bräuer-Institut als einen der Hauptverursacher der fehlgeleiteten Debatte aus.
In offensichtlicher Unkenntnis des Sozialrechts wird dabei auf äußerst dubiose Berechnungen zurückgegriffen. Sehr starke Beachtung fanden etwa die Tabellen des Karl-Bräuer-Instituts, des Instituts des Bundes der Steuerzahler.
Und während “Welt Online” und “Spiegel Online” die “neuen” Erkenntnisse aus der Studie des “Paritätischen Wohlfahrtsverbandes” inklusive Schuldzuweisungen an das Karl-Bräuer-Institut wenigstens routiniert nachkrähen, hält man es bei “Bild”, beim “Münchner Merkur” und beim “Hamburger Abendblatt” überhaupt nicht für nötig, davon zu berichten — obwohl es die falschen Zahlen der “FAZ” vor einem Monat noch allemal wert waren.
Einzig bei der “FAZ” selbst scheint man zu wissen, was für eine Lawine man losgetreten hat. Verantwortung will man allerdings nicht übernehmen.
Schneider kritisierte Berechnungen, in denen diese Sozialtransfers nicht berücksichtigt würden. Das Karl-Bräuer-Institut hatte lediglich für diese Zeitung durchschnittliche Nettolöhne von Geringverdienern berechnet, die in einigen Branchen unter oder nur knapp über dem Hartz-IV-Anspruch liegen.
“Lediglich”, genau. Schlagzeilen wie “Diese Jobs bringen weniger als Hartz IV” haben sich dann nämlich die Journalisten ausgedacht.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. Interview mit Robert Rosenthal (focus.de, Leif Kramp und Stephan Weichert)
Ein langes Gespräch mit Robert Rosenthal, Chef des Center for Investigative Reporting (CIR) in Berkeley, Kalifornien, einer Nonprofit-Organisation für Recherchejournalismus. “Immer mehr Stiftungen, die mit Medien und Journalismus bisher nichts am Hut hatten, erkennen, dass es immer weniger Journalisten gibt und der Bedeutungswandel der Presse sich in unserer Demokratie zu einem Thema entwickelt hat, das uns alle etwas angeht.”
2. “Leistungsschutzrecht für Mathematiker?” (presseschauer.de, Daniel Schultz)
Daniel Schultz schreibt an Mathias Döpfner zum Thema Leistungsschutzrecht. Ihm scheint, man wolle “unter Bemühung der Pressefreiheit ein Existenzrecht für Verlage” herbeileiten – “als würden Hersteller von Sicherheitsschlössern aus der Unverletzlichkeit der Wohnung eine Existenzberechtigung ableiten”.
3. “Auf Google mit Gebrüll!” (ftd.de, Annette Berger)
Eine Auflistung der “Kritiker und Neider”, die sich Google mit seinen Produkten eingehandelt hat.
4. “Es geht um mehr als nur um Google” (fischmarkt.de, Martin Recke)
“Die speziell in Deutschland geführte Attacke der Verlagshäuser auf Google ist mehr als nur das übliche Beißverhalten konkurrierender Konzerne. Es ist auch eine Schlacht um Meinungsmacht und Meinungsfreiheit, um das Oligopol der Verleger und meinungsführenden Redaktionen, das durch das Internet in seinen Grundfesten erschüttert ist.”
5. “Die Zukunft von Journalismus heißt – Journalismus” (blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz hat den Eindruck, dass Redaktionen “leider viel zu sehr zu Kostenstellen, zu reinen Produktionsstätten verkommen; besetzt mit ziemlich vielen Menschen, die austauschbar sind”. “Richtige Autoren, Autoren die etwas können, Autoren, die nicht nur unter dem Label einer Marke schreiben, sondern womöglich selber sogar Marken sind, vermisst man inzwischen fast überall.”
6. “The Uninformant” (thedailyshow.com, Video, 3:45 Minuten, englisch)
Jon Stewart über die Tsunami-Live-Berichterstattung auf CNN, wo die Galápagos-Inseln für Hawaii gehalten werden und es Probleme mit dem metrischen System gibt.
Schlechte Nachrichten, die die Deutsche Presse-Agentur da heute Morgen um 5.30 Uhr unter der Überschrift “Jeder zweite Schulabgänger ‘nicht ausbildungsreif'” verkündet hat:
Fast jeder zweite Schulabgänger gilt als “nicht ausbildungsreif” und muss vor Vermittlung in eine Lehrstelle zusätzliche Fördermaßnahmen absolvieren. Dies geht aus dem Entwurf des “Berufsbildungsberichts 2010” der Bundesregierung hervor, der der Deutschen Presse-Agentur dpa vorliegt.
Doch es reich nicht immer aus, wenn einem so ein Entwurf vorliegt — man muss ihn auch verstehen. Und das ist gar nicht so einfach, wie ein Sprecher des Bundesministeriums für Bildung und Forschung uns gegenüber zugab.
Der Journalist von dpa habe einfach die Zahl aller Schulabgänger aus dem Jahr 2008 mit der Zahl der Eintritte in sogenannte berufsgrundbildende Maßnahmen verglichen und war so auf einen Wert von 47,3% gekommen. Übersehen hatte er dabei aber, dass diese Maßnahmen auch von Abgängern anderer Jahrgänge in Anspruch genommen werden können, dass sie mehrfach besucht (und dann auch mehrfach gezählt) werden können und dass sie teilweise von “ausbildungsreifen” Jugendlichen zur Qualifikationsverbesserung genutzt werden.
All das hat das Ministerium in einer ersten Reaktion auf den dpa-Bericht auch mit einer etwas umständlichen Pressemitteilung ausdrücken wollen, doch da waren die Jugendlichen schon in den Brunnen gefallen: Weil sie die mutmaßlichen Ergebnisse des Berichts, der Mitte April dem Kabinett vorgelegt werden soll, direkt verkünden wollten, hatten Onlinemedien wie “Spiegel Online”, “Welt Online” und RTL.de (dort übrigens unter der beeindruckenden Überschrift “Viele Schulabgänger zu dumm zum Arbeiten”) die Fehlinterpretation von dpa bereits in die Welt getragen.
Doch nicht nur das. Auch die Zahlen von 2005, mit denen dpa (und damit auch “Spiegel Online” und “Welt Online”) die von 2008 vergleicht, sind falsch, weil auf die gleiche Weise zustande gekommen:
Zwar sei die Zahl der von der Bundesagentur für Arbeit als “nicht ausbildungsreif” eingeschätzten Jugendlichen zwischen 2005 und 2008 wieder leicht zurückgegangen – und zwar von 55 Prozent auf 47,3 Prozent. Doch gebe es für diese Gruppe der Schulabgänger immer noch erhebliche Probleme bei der Ausbildungsplatzvermittlung.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Begriff “nicht ausbildungsreif” oft sehr unterschiedlich definiert wird. Wenn man ihn mit “gar keinen Schulabschluss schaffen” gleichsetze, liege der Wert seit Jahren bei rund 8%, so der Ministeriumssprecher weiter.
Ohne ihre erste Version über die “Ausbildungsreife” zurückzuziehen, hat dpa um 15.11 Uhr einen ausführlicheren Text über den Entwurf zum Berufsbildungsbericht verschickt, in dem es jetzt heißt:
Der Anteil der Jugendlichen, die zwischen Schule und Eintritt in die Berufsausbildung zunächst einen ergänzenden Grundbildungskurs besuchen, wird in dem Bericht für das Jahr 2008 mit 47,3 Prozent beziffert. 2005 lag dieser Anteil laut Bericht sogar bei 55 Prozent.
Die Möglichkeit, dass manche Absolventen dieser Kurse mehrfach gezählt werden, ist da immer noch nicht berücksichtigt. Oder wie es das Bundesministerium für Bildung und Forschung formulierte: Die neue Version ist “schon richtiger, aber immer noch nicht ganz richtig”.
Mit Dank an Hendrik W.
Nachtrag, 4. März, 0.30 Uhr: Um 20.03 Uhr verschickte dpa eine Berichtigung des ersten Textes:
Berichtigung: In der Überschrift und im ersten Absatz wurden die Zahlenangaben entfernt. Das Bundesbildungsministerium hat darauf hingewiesen, dass bei der im Entwurf des Berufsbildungsberichtes 2010 “genannten Referenzgröße von 47,3 Prozent” bei den Teilnehmerzahlen für zusätzliche Bildungsmaßnahmen auch Schulabgänger früherer Jahrgänge mitgezählt worden seien. In der Zusammenfassung um 15.11 Uhr (dpa 4299) ist dieser Umstand bereits berücksichtigt worden.
Davon ab verzichtet dpa in dieser Version auf jedwede Prozentzahlen.
“Spiegel Online” hat seinen kompletten Artikel entfernt und durch diesen Hinweis ersetzt:
In eigener Sache
An dieser Stelle stand ein Artikel (“‘Mangelhaft’ für deutsche Schulabgänger”), in dem auf Basis der Nachrichtenagentur dpa falsch gewichtete Zahlen über die Ausbildungsfähigkeit von Jugendlichen berichtet wurden. Inzwischen hat die Agentur ihre Darstellung korrigiert und die Bundesregierung die ursprünglichen Zahlen dementiert. SPIEGEL ONLINE berichtet darüber in einem eigenen Artikel…
“Welt Online” hat seinen Artikel komplett überarbeitet, aber auf einen Hinweis darauf verzichtet.
Nur bei RTL.de heißt es weiterhin:
Die Bilanz ist erschreckend: fast jeder zweite Schulabgänger ist laut dem ‘Berufsbildungsbericht 2010’ der Bundesregierung zu unqualifiziert für eine Ausbildungsstelle.
2. Nachtrag, 10.45 Uhr: Wer ist natürlich gestern noch voll drauf reingefallen?
Und wer verbreitet den Quatsch heute immer noch?
Ernst Elitz, früherer Intendant des Deutschlandradios, in einem Kommentar für “Bild”:
Handwerker suchen händeringend Lehrlinge. Sie wollen Arbeit schaffen. Aber fast jeder Zweite, der in eine Lehre soll, ist “nicht ausbildungsreif”.
Das “Mystery”-Ressort, das sich Bild.de seit einiger Zeit gönnt, wirkt wie Bild.de auf Drogen: noch ein bisschen lauter, bunter und übergeigter als der Rest des Angebots.
Das ist wohl auch als indirekte Antwort auf einen Artikel aus dem letzten August zu verstehen, als Bild.de schon mal in der Überschrift fragte, ob (endlich, vermutlich) der Beweis für außerirdisches Leben erbracht sei.
Aber auch diesmal sieht es schlecht aus mit einer positiven Antwort auf die Frage.
Bild.de beruft sich – wie andereQuellenauch – auf die “Rajasthan Times”. Dort ist der betreffende Artikel inzwischen offline genommen worden und nur noch im Google Cache verfügbar.
Möglicherweise hat das etwas damit zu tun, dass der etwas unscharfe Bildausschnitt, den Bild.de und die anderen Medien gerade als möglichen Beweis für eine prähistorische Alien-Sichtung in Indien präsentieren, schon einmal in einer bizarren Ufo-Dokumentation aus dem Jahr 2007 zu sehen war — und damals aus einer australischen Höhle stammen sollte:
Der Regisseur des Films erklärt übrigens selbst, dass es sich bei dem Bild um eine Zusammenstellung von verschiedenen Motiven handele, die auf diese Weise besser zu überblicken seien. (Wobei auch das ein bisschen zweifelhaft ist, wenn man die Zeichnungen, aus denen die Zusammenstellung bestehen soll, mal zum Vergleich heranzieht.)
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. Interview mit Stefan Enderle (spreegurke.twoday.net, Ursula Pidun)
Stefan Enderle gibt Auskunft über seinen medienkritischen Film “Kann nicht sein, was nicht sein darf!?” (youtube.com, Video, 98 Minuten), “der im Rahmen der Diplomarbeit zum Abschluss des Studiums ‘Audiovisuelle Medien’ an der Hochschule der Medien in Stuttgart Vaihingen entstand.” Für den Film befragte er unter anderem Journalistikprofessoren und Journalisten.
2. “Berufskrankheit Zynismus” (konitzer.wordpress.com, Michael Konitzer)
Michael Konitzer hält die Überwachung des Privatlebens von Politikern für eine fast schon pubertäre “Erotik-Phantasie verklemmter Medienmacher”: “Wer sich mal ein paar Tage im Kreis verdienter Journalismus-Kollegen bewegt, bekommt massenhaft Tatsachen und Fakten erzählt, die bei Licht besehen nur Tratsch und Gerüchte sind. Der treibt es mit der, diese mit jenem. Der ist schwul und diese Lesbe. Diese Ehe ist im Eimer, jener ist jener hörig. Und alles ist so belanglos, und wenn es denn stimmen würde, dann nur reinste Privatsache der Beteiligten.”
3. “Tangerinegate” (bbc.co.uk/blogs/comedy, Lucy McDermott, englisch)
Wie ein Scherz über Gordon Brown, der angeblich mit dem Wurf einer Mandarine eine Maschine zerstörte, zur Nachricht wird. “So apparently a pretend worker at a pretend factory phoned The Sun to tell them about a pretend incident with a pretend tangerine breaking a pretend lamination machine.”
5. “Die Meinungskracher” (medienspiegel.ch, Fred David)
Fred David, ehemaliger Chefredakteur der Wirtschaftszeitung “Cash”, gibt zu, “selber auch schon Leserbriefe in meinem Sinn gefälscht” zu haben. “Ist allerdings lange her und durchaus branchenüblich. Ich schäme mich noch heute.”
6. Interview mit Michael Ringier (kleinreport.ch, Bruno Affentranger)
Verleger Michael Ringier (“Blick”) hat seinem hauseigenen Mitarbeitermagazin “Domo” ein Interview indreiTeilen gewährt, das der Kleinreport nun ins Internet gestellt hat. Ringier über das Internet: “Das Web bietet uns ein heilloses Chaos. Das Internet ist eine gigantische Ansammlung von absolutem Quatsch. Das ist unsere grosse Chance.”