Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Wie ich beim Ahlener Tageblatt rausgeschmissen wurde …” (danieldrepper.de) “Die Glocke” trennt sich von Journalist Daniel Drepper, weil dieser auf die offiziellen “Vergütungsregeln für Tageszeitungen” besteht und für 86 Zeilen 35,26 Euro einfordert. “Vier Wochen lang bekam ich keine Antwort. Dann traf Anfang Dezember das Honorar der Glocke auf meinem Konto ein: 23,84 Euro.”
2. “Heuchler im Hysteriechannel” (politplatschquatsch.com, ppq)
Der “Spiegel” und die Eurokrise: “Scharfmacher, Aufrührer, Schwarzmaler, das sind von Hamburg aus gesehen ja ohnehin immer alle anderen.”
3. “Ein Tag im Leben eines Ausgeschlossenen” (klartext.ch, Thomas Knellwolf)
Der Kachelmann-Prozeß: Alice Schwarzer und die bekannten Gerichtsreporterinnen von “Zeit” oder “Spiegel” seien schon lange nicht mehr aufgekreuzt in Mannheim – was sie aber nicht davon abhalte, “pointiert kontra oder pro Kachelmann in die Tasten zu hauen”. Die Justizwelt sei bei diesem Prozeß sowieso verkehrt: “Das eigentlich geheime Vorverfahren war durch ausführliche Berichte in renommierten deutschen Medien mehr oder weniger öffentlich. Die eigentlich öffentliche Hauptverhandlung findet nun oft nur für einen exklusiven Kreis statt.”
4. “‘Tagesschau’-App deckt Verleger-Abzocke auf” (dwdl.de, Thomas Lückerath)
Hinter der Kritik der Printverlage an der “Tagesschau”-App verstecke sich nur das Unvermögen, mit der App einen Mehrwert zur Website zu liefern, findet Thomas Lückerath: “Was man im ‘großen’ Internet nicht schafft – die Bezahlschranke herunter zu lassen – versuchen die Verlage den Lesern ohne echten Mehrwert auf dem kleinen Screen als Mehrwert zu verkaufen.”
5. “Wie man Journalist beim KURIER wird” (kobuk.at, Josef Barth) Erwin Pröll, Landeshauptmann von Niederösterreich, offeriert einer um die Zukunft ihres Sohns besorgten Mutter in einer Telefonsprechstunde kurzerhand einen Job beim “Kurier”.
Wir unterbrechen unser Programm für eine wichtige Nachricht: Die ARD hat die Ausstrahlung ihres Programms über den Satelliten Hotbird/Eutelsat eingestellt. Am 8. Juni 2010.
Was sagen Sie? Das sei keine wichtige Nachricht — und vor allem keine aktuelle? Na, da kennen Sie aber “Bild” und Bild.de schlecht.
So berichtet Bild.de seit gestern über die mehr als sechs Monate zurückliegende (und noch viel länger angekündigte) Abschaltung:
Die ARD, der “Bild” sonst bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit Verschwendungssucht unterstellt, nennt finanzielle Erwägungen als Grund, doch die will Bild.de ausnahmsweise nicht gelten lassen:
Grund für das Aus der ARD: Angeblich ist die Übertragung über den Satelliten “Hot Bird” zu teuer.
Merkwürdig nur: Die Bundeswehr hat der ARD sogar angeboten, einige Programmteile – Tagesschau und Regionalprogramme aus den Heimatregionen der Soldaten – über ihre eigene Satellitenverbindung nach Afghanistan zu übermitteln.
Das lehnten die ARD-Sender mit Hinweis auf rechtliche Gründe bisher ab.
Dass Bild.de – anders als der ARD – die Rechte am Material Dritter eher egal sind, hat die Seite schonoftgenugbewiesen.
Klar, dass die Empörung nicht lange auf sich warten ließ:
Zu diesem Zeitpunkt hielt sich Bild.de nicht länger mit einseitiger Berichterstattung auf — jetzt wurde schlicht gelogen:
Keine Christvesper, keine Christmette und schon gar keine Tagesschau für die Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan!
Denn: Die ARD stellt die Ausstrahlung ihres Programms am Hindukusch ein. Und das ausgerechnet kurz vor Weihnachten!
(Hervorhebung von uns.)
Noch am Nachmittag hatte sich die ARD bemüht, über Pressemitteilungen ihre Entscheidung zu verteidigen, und erklärt:
Die Berichterstattung über den Fernsehempfang für Soldaten in Afghanistan sorgte heute für einige Irritationen und erweckt in weiten Teilen einen falschen Eindruck.
Die Ausstrahlung von Das Erste über den Satelliten Hotbird/Eutelsat wurde bereits im Juni 2010 eingestellt, da die Nutzung dieses zusätzlichen Angebots in Deutschland kaum noch nachgefragt wird. Auch wirtschaftliche Gesichtspunkte waren angesichts der Sparbemühungen für diese Entscheidung ausschlaggebend. Für eine weitere Ausstrahlung über Hotbird/Eutelsat hätte die ARD einen Betrag von knapp einer Million Euro pro Jahr zahlen müssen.
Außerdem falle eine Versorgung außerhalb Deutschlands eh nicht in den Aufgabenbereich der ARD:
Für den Auslandsrundfunk hat der Bundesgesetzgeber eigens die Deutsche Welle geschaffen. Zudem können ARD-Angebote auch über das Internet genutzt werden, etwa über www.tagesschau.de oder die Mediatheken.
Den drei “Bild”-Reportern, die da bereits an einem großen Artikel arbeiteten, war diese Stellungnahme freilich egal: Rolf Kleine, Paul Ronzheimer und Guido Brandenburg veröffentlichten heute einen großen Seite-2-Artikel, der die selbst geschürte “Riesenwut auf die ARD” aufgriff.
Politiker wie der SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier; der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP); der CDU-Verteidigungsexperte Ernst-Reinhard Beck; der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) und der FDP-Medienexperte Burkhardt Müller-Sönksen dürfen sich lautstark über die Abschaltung empören und werden damit bewusst oder unbewusst zu Kronzeugen der “Bild” Kampagne. Im Büro des Wehrbeauftragten Königshaus sagte man uns, man wisse natürlich seit Juli von der Abschaltung, freue sich aber über die Aufmerksamkeit, die bisher ausgeblieben sei.
Rolf Kleine, auch sonst nicht für ruhige Töne bekannt, erklärt in seinem Kommentar:
Kleine sieht seine Chance gekommen, eine direkte Brücke von den ARD-losen Soldaten hin zu den (laut “Bild” ja eh schon immer viel zu hohen) Gebühren zu schlagen, und betätigt sich als Milchmädchen:
Was machen die ARD-Gewaltigen eigentlich mit den Gebühren-Milliarden, die wir ihnen Jahr für Jahr in die Kassen spülen – wenn am Ende nicht mal 300000 Euro für die Übertragung nach Afghanistan übrig sind? Denn die restlichen 700000 Euro zahlen die Soldaten mit ihren GEZ-Gebühren ohnehin selbst.
Nun zahlen die Soldaten ihre “GEZ-Gebühren” natürlich primär für die Erstellung von Inhalten bei den Radio- und Fernsehprogrammen von ARD, ZDF und Deutschlandfunk und nicht ausschließlich, um damit die Übertragung des ARD-Fernsehprogramms zu finanzieren.
Kleine verkündet:
Aus Solidarität mit unseren Soldaten schmeißt BILD heute das ARD-TV-Programm raus! Wir sind sicher: Unsere Leser sind genauso empört über die ARD wie wir!
Dabei muss man sich jetzt nicht vorstellen, dass ein armer Praktikant die ARD aus den Redaktionsfernsehern bei “Bild” löschen musste — “Bild” war viel pragmatischer:
Warum die Solidarität von “Bild” ein halbes Jahr auf sich warten ließ, wissen wir nicht. Vielleicht wollte die Zeitung ihrem Liebling Karl-Theodor zu Guttenberg mal wieder Gelegenheit bieten, sich zu profilieren — oder es handelt sich um die Rache für die brandneue iPhone-App der “Tagesschau”, die viele Verleger als “Wettbewerbsverzerrung” empfinden.
Mit Dank an K.N., noir, Matthias B., Peter, Sebastian D., André H. und Alex F.
Nachtrag, 16.10 Uhr:Dafür wird sich “Bild” morgen sicher noch gebührend feiern:
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2. “Gleichschaltung durch die Fidesz-Regierung” (nzz.ch, Charles E. Ritterband)
Das ungarische Parlament beschliesst ein neues Mediengesetz: “Die Redaktionen der öffentlichrechtlichen elektronischen Medien werden weitgehend aufgelöst. Zugleich wurde eine ‘Medienverfassung’ erlassen, welche private Medien – auch Printmedien und Internetforen – an die Kandare nimmt und sie zu ‘ausgewogener’ Berichterstattung und ‘politischer Unparteilichkeit’ verpflichtet. Im Falle von Verstössen kann die Medienbehörde Geldbussen in Höhe von umgerechnet bis zu 90 000 Euro verhängen oder Zeitungen und Sendestationen schliessen lassen.”
3. “Presserat missbilligt BILD-Berichterstattung” (truckonline.de)
Eine Klage über die Berichterstattung von “Bild” beim Presserat hat eine Missbilligung zur Folge. “Der Beschwerdeausschuss 1 gelangt zu dem Ergebnis, dass die BILD – Zeitung mit Ihrer Berichterstattung unter der Überschrift ‘Brummifahrer tot im Bordell’ auf der Titelseite, sowie der fortgesetzten Berichterstattung unter der Überschrift ‘Als diese Hure sich auszog, kippte der Trucker um’ im Innenteil der Ausgabe gegen die Ziffer 8, Richtlinie 8.1 verstoßen hat.”
4. “Traditionelle Journalisten recherchieren ‘besser'” (markuskienast.com)
Markus Kienast sieht einen Text der Nachrichtenagentur APA über einen “Guardian”-Artikel zu den Vergewaltigungsvorwürfen gegen Julian Assange falsch zusammengefasst. “Es wird hier suggeriert, es hätten nach dem ersten konsensualen Sex, weitere nicht konsensuale Sexualakte mit Frau A stattgefunden.”
6. “Cyrano 2.0” (volkerstruebing.wordpress.com)
Volker Strübing mag sich nicht ärgern über wetterbedingte Zugverspätungen: “Der Mann von Welt macht es wie ich: Ich habe mich auf zwei Stunden Verspätung eingestellt und die Bahn hat es in anderthalb Stunden Verspätung geschafft. Da habe ich mich gefreut.”
Am Samstag lief ja im Zweiten die große Spendengala “Ein Herz für Kinder”. Schon seit Tagen dreht sich die Berichterstattungin“Bild” vor allem um den Stargast der Veranstaltung: Prinz Harry. Er wurde für sein Engagement für HIV-infizierte Kinder in Lesotho mit dem “Goldenen Herzen” geehrt.
Grund genug für Bild.de, die Dankesrede des Prinzen noch einmal “im Wortlaut” zu veröffentlichen. Angeblich begann Harry seine Rede so:
Vielen Dank, Frau Springer, Frau Wulff, und “Ein Herz für Kinder” für diese tolle Ehrung.
Hört man sich die Dankesrede jedoch im Original in der ZDF-Mediathek (ab 6:00) an, dann hört man Folgendes:
Vielen Dank, Frau Wulff und “Ein Herz für Kinder” für diese tolle Ehrung.
Friede Springer, die Verlegerin von “Bild”, wird von Harry mit keinem Wort erwähnt.
Mit Dank an Tobias V.
Nachtrag, 21. Dezember:Bild.de hat Frau Springer unauffällig wieder aus der Prinzenrede verschwinden lassen.
Am vergangenen Donnerstag schrieb die “taz” über einen 77-jährigen aus Sittensen, der einen jugendlichen Einbrecher mit einem Schuss in den Rücken tötete:
In dieser unübersichtlichen Situation ist es dem passionierten Jäger, der diverse Waffen besitzt, offensichtlich gelungen, eine Softair-Pistole zu ergreifen. Er schoss mehrmals und traf dabei den 16-jährigen Labinot S. aus einer Entfernung von zehn Metern in den Rücken. Das Geschoss bohrte sich ins Herz. Der 16-Jährige schleppte sich noch tödlich getroffen bis zur Terrasse, wo er zusammenbrach.
Seit Donnerstag laufen Leser in den Kommentaren auf taz.de vergeblich gegen diese Passage Sturm und beschweren sich, dass ein solcher Schuss mit einer Softair-Pistole völlig unmöglich sei. Und sie haben Recht: Verletzungen durch Softair-Waffen sind in der Regel nur oberflächlich.
Tatsächlich ist im Polizeibericht von einer ganz normalen Pistole die Rede:
Der Rentner, der als Jäger Schusswaffenbesitzer ist, konnte im weiteren Verlauf eine Pistole ergreifen, schoss und traf dabei einen der Täter tödlich.
Die “Welt” berichtet von einer “Fangschusswaffe” (meistens großkalibrige Pistole oder Revolver), wie sie bei der Jagd zum Einsatz kommt.
Eine Softair-Pistole war allerdings auch im Spiel. Doch sie war laut “Welt Online” im Besitz der Einbrecher:
Vermutlich handelt es sich bei der Softairwaffe um die Waffe, mit der die Täter den 77-Jährigen Hausbesitzer bedroht hatten. Nach Angaben des Raubopfers hatten die Maskierten eine Waffe von hinten an seinen Kopf gehalten.
Mit Dank an Seb.
Nachtrag, 21. Dezember: Mehr als einen Tag später hat taz.de es jetzt endlich geschafft, den Artikel transparent zu korrigieren.
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1. “Die Studio-Hocker” (tagesspiegel.de, Bernd Gäbler)
“Ungefähr 30 Debattenkünstler der ersten Garnitur” und “etwa 80 bis 90 weitere aus der zweiten Liga” stehen in den Talkshows stellvertretend für die gesellschaftliche Debatte. Bei der Auswahl der Diskutanten herrsche lähmende Orthodoxie, stellt Bernd Gäbler fest. “Kenntnisreiche Politiker aus der zweiten Reihe des Bundestages, populäre Bürgermeister großer Städte wie Nürnberg oder Gelsenkirchen, gar Kultur-Menschen werden dem Publikum nicht zugemutet. Vielleicht zwingt demnächst ja einfach die Vielzahl der Runden zu Originalität.”
2. “Gute Rezensionen garantiert: Bücher von Journalisten” (blog.dummy-magazin.de, Oliver Gehrs)
Viele Journalisten schreiben Bücher. Die von anderen Journalisten oft positiv rezensiert werden. “Neulich wurde z.B. das Yoga-Buch einer Autorin, die auch für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung schreibt, in eben dieser Zeitung fast halbseitig gelobt. Hemmungen gibt es in dieser Hinsicht schon lange nicht mehr.”
Der Begriff “Symbiose” bezeichnet die Vergesellschaftung von Individuen unterschiedlicher Arten, die für beide Partner vorteilhaft ist. Zu einer Symbiose kann es nicht nur im Tier- und Pflanzenreich kommen (z.B. Clownfisch und Anemone), symbiotisch scheint auch das Verhältnis zwischen der Stuttgarter “Bild”-Reporterin Alexandra zu Castell-Rüdenhausen und dem Stuttgarter Arzt Dr. Bernd Kölmel zu sein, der aktuell Schlagzeilen mit seiner launigen Einstellung gegenüber älteren Patienten macht:
Der Internist, der bereits 65 Jahre alt ist und damit selbst irgendwie zu den “Alten” gehört, die ständig in der Arztpraxis sitzen, jammert als “erster Arzt” über das Gejammer der Rentner:
Mir gehen die Alten oft auf den Keks. Morgens sitzen sie schon früh im Wartezimmer und führen sich auf, als wären sie beim Kaffeeklatsch. Viele von ihnen kommen aus Langeweile. Im Fernsehen läuft morgens noch nichts. Für den Tratsch auf der Straße ist es zu kalt.
Dieser Tonfall zieht sich durch den ganzen Artikel. Am Ende erklärt Kölmel noch:
Früher hatte ich noch den Lesezirkel abonniert. Da gab es zur Unterhaltung auch noch kostenlose Zeitschriften. Wie beim Friseur. Als ich die abbestellt hab, haben sich die Patienten tatsächlich beschwert …
Die Abrechnung mit alten Patienten, die auch noch einen Folgeartikel über die nun wegen Kölmel verärgerten Rentner und sogar einen Kommentar von Gesundheitsminister Philipp Rösler im “Deutschen Ärzteblatt” nach sich zog, ist jedoch nicht das erste Beispiel der erfolgreichen Symbiose zwischen Journalistin mit Schlagzeilendruck und Arzt mit gesteigertem Mitteilungsbedürfnis. Alexandra zu Castell-Rüdenhausen und Dr. Bernd Kölmel sind schon seit Jahren ein eingespieltes Team.
Bereits im Mai 2007 mockierte sich Kölmel gegenüber zu Castell-Rüdenhausen nicht nur über Alte, sondern über unpünktliche, zahlungsunwillige, besserwisserische, faule und stinkende Patienten im Allgemeinen:
Im März 2009 gestand Dr. Bernd Kölmel laut “Bild” als “erster Arzt”, er nehme Vorkasse, bevor er bestimmte Patienten behandele:
Im August 2009 verkündete Kölmel – selbstverständlich als “erster Arzt” – gegenüber Frau zu Castell-Rüdenhausen, Stuttgart sei der Schweinegrippe nicht gewachsen:
Kölmel selbst stellte zur Sicherheit ein Schild auf mit den Worten: “Patienten, die eine Schweinegrippe bei sich für möglich halten, haben keinen Zutritt zur Praxis…” Außerdem kritisierte er das baden-württembergische Gesundheitsministerium wie folgt:
Ich hole mir derzeit meine Infos aus der BILD. Vom zuständigen Ministerium kommt nichts. Das ist skandalös.
Das ist praktisch, denn zur Schweinegrippen–Panikberichterstattung von “Bild” trug Kölmel fleißig selbst mit bei. Im September 2009 tauchte er in einem weiteren Artikel der Stuttgarter Regionalausgabe von “Bild” – natürlich von Alexandra zu Castell-Rüdenhausen – auf:
Es kommt noch schlimmer! Internist Dr. Bernd Kölmel (62) warnt: “Eine große Erkrankungswelle steht unmittelbar bevor.” Er erklärt, warum: “Die Ferien sind zu Ende, fast alle Verreisten aus dem Urlaub zurück.” Viele davon könnten das Schweingerippe-Virus aus anderen Ländern (z.B. Spanien) mitgebracht haben. Außerdem, so der Arzt: “Das Wetter wird schlechter. Regen, kühler Wind. Damit steigt die Infektanfälligkeit.” Und dann die Feste. Kölmel: “Weindorf und Cannstatter Volksfest sind guter Nährboden für die Viren. Überall, wo Menschenansammlungen sind, besteht sehr große Ansteckungsgefahr.”
Wann Dr. Kölmel endlich genug von lästigen Patienten hat und selbst in Rente geht und mit wem Frau zu Castell-Rüdenhausen (bekannt auch für Schlagzeilen wie “Darum ging mein Mann mit
meiner Mama in den Swinger-Club”) dann eine neue Symbiose eingeht, werden wir sicher erfahren. In “Bild” natürlich, wo sonst?
Mit großem Dank an Ralf M.
Nachtrag, 20. Dezember: Zahlreiche Leser haben uns auf Diskrepanzen bei Kölmels Alter hingewiesen. Der Fehler liegt bei “Bild”: Kölmel war 2007 62 Jahre alt und ist heute 65. 2009 hatte “Bild” lediglich vergessen, Kölmels Alter anzupassen, weswegen er immer noch als 62-jähriger angeführt wurde.
Noch nie hat es in den Wahlprognosen für die Grünen so gut ausgesehen. Ihre Ansichten in puncto Atompolitik und Umweltschutz kommen inzwischen bei einer breiten Bevölkerungsschicht gut an. “Welt Online” und der “Welt” ist es nun jedoch endlich gelungen, die wahren Machenschaften der Grünen und ihrer Wähler zu enttarnen. Mit Umweltschutz ist da nicht mehr viel.
Unter Überschriften wie “Warum gerade Grünen-Wähler die Umwelt belasten” und “Grüne nicht gut für die Umwelt”, erklärt Autorin Claudia Ehrenstein unter anderem:
Den Deutschen liegt die Umwelt am Herzen – das belegt eine Studie. Unter den schlimmsten Sündern sind auch Grüne-Wähler.
Damit der Leser auch auf jeden Fall weiß, wie er sich die wahren “Mehr-Schein-als-Sein”-Umweltsünder vorzustellen haben, hat “Welt Online” seinen Artikel mit prototypischen Grün-Wählern bebildert:
Doch auf den 96 Seiten der Studie fehlt jeder Hinweis auf die Grünen oder deren Wählerschaft. Was “Welt Online” explizit als grün verstanden hat, dürfte dem “sozialökologischen Milieu” entsprechen, einem Personenfeld mit besonders ausgeprägten Einstellungen zum Umweltschutz.
“Welt Online” beruft sich weiterhin auf Jochen Flasbarth, den Präsidenten des Umweltbundesamts, und zitiert ihn mit den Worten, dass schon viel gewonnen wäre, wenn diejenigen, die ökologisch denken, auch konsequent ökologisch handeln würden. Das soll Flasbarth “vor allem auch mit Blick auf die Wählerklientel der Grünen” gesagt haben.
Und weiter:
Umweltengagierte Grüne verfügten oft über hohe Einkommen, um entsprechend viel zu konsumieren und zum Beispiel klimaschädlich Fernreisen mit dem Flugzeug zu unternehmen.
Doch um die Grünen und ihre Wähler ging es auch auf der Pressekonferenz nicht. Flasbarths Pressesprecher Martin Ittershagen war bei der Präsentation dabei und erklärte auf Nachfrage von BILDblog:
Die “Welt” hat unseren Chef bewusst oder unbewusst falsch zitiert. Er hat sich zu Grünen/Grünwählern nicht geäußert. Nur zum Häuschen im Grünen.
Was wahr sein könnte, wenn denn nicht schon seit dem 25. September 2010 in Jena ein Pizzaautomat stehen würde, wie ein am 27. September auf YouTube hochgeladenes Video zeigt:
Ob der Pizzaautomat in Jena tatsächlich der erste in Deutschland ist, der nicht nur zu Vorführzwecken aufgestellt wurde, kann uns Kevin Büttner von der Firma “quickpizz”, die den Automaten dort betreibt, auch nicht mit Sicherheit sagen. Über die Story bei Bild.de hat er sich aber auch gewundert.
Und jetzt alle im Chor: Mike Huckabee, einer der republikanischen Favoriten für die nächste US-Präsidentschaftswahl, hat nicht die Hinrichtung von Wikileaks-Gründer Julian Assange gefordert.
Seit vierzehn Tagen macht die entsprechende Falschmeldung die Runde durch die Medien (BILDblogberichtete). In dieser Woche wurde sie von niemand geringerem als der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung”, dem “Spiegel” und der “New York Times” verbreitet.
Der ehemalige Gouverneur von Arkansas und Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner im Jahr 2008, Mike Huckabee, würde Assange gerne zum Tode verurteilen.
Und die Werktagsausgabe der “FAZ” fügte am Mittwoch hinzu:
Manche forderten gleich Assanges Kopf. (…) Mike Huckabee, vormaliger Präsidentschaftskandidat und Talkmaster bei Fox News, sprach wie sein Kollege Bill O’Reilly von “Exekution” wegen Spionage.
Nein. Huckabee sprach, wie gesagt, von Hochverrat und meinte nicht Assange, sondern denjenigen im amerikanischen Staatsdienst, der Wikileaks die geheimen Dokumente zugespielt hat. (Ebenso äußerte sich O’Reilly, sagte aber bei anderer Gelegenheit, er hätte nichts dagegen, wenn Assange von einer amerikanischen Drohne getroffen würde.)
Der “Spiegel” schreibt in seiner aktuellen Ausgabe:
(…) Sarah Palin, für viele die kommende Präsidentschaftskandidatin, setzte Assange mit Osama Bin Laden gleich: Er muss ihrer Meinung nach genauso als Staatsfeind verfolgt werden wie der Massenmörder vom 11. September 2001. (…) Mike Huckabee, ebenfalls ein führender Republikaner, forderte gar offen die Todesstrafe für Enthüller.
Nein. Nicht für “Enthüller”, sondern für Verräter. Dass der “Spiegel” das falsch macht, ist besonders erstaunlich. Die Dokumentare, die jeden “Spiegel”-Artikel auf faktische Fehler überprüfen sollen, hätten nur in der vorigen Ausgabe nachschlagen müssen. Dort wurde Huckabees Position richtig paraphrasiert: “Wer immer diese Information weitergab, habe sich des Landesverrats schuldig gemacht”.
The Media Equation column on Monday (…) described incorrectly, in some copies, comments by Mike Huckabee, the former Arkansas governor, in which he called for the execution of those responsible for the WikiLeaks disclosures. Mr. Huckabee was referring to Bradley Manning, the person suspected of originally supplying the cables — not to Julian Assange, the founder of WikiLeaks, who disseminated them.
Erstaunlich, dass selbst angesehenste Medien es nicht schaffen, eine Aussage, die sogar im Original vorliegt, richtig wiederzugeben.
Nachtrag, 29. Dezember. In seiner Ausgabe vom 27. Dezember hat der “Spiegel” folgende Korrektur veröffentlicht:
Der republikanische US-Politiker Mike Huckabee hat nicht die Todesstrafe für “Enthüller” von Staatsgeheimnissen gefordert, sondern für “Verräter” von Staatsgeheimnissen.