@HPFriedrich, Bunte, Funktionszulagen

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Offene Rechnungen: Ki.Ka-Betrug und Konsequenzen”
(ndr.de, Video, 8:22 Minuten)
Marco K. veruntreute beim öffentlich-rechtlichen Kinderkanal KI.KA über 8 Millionen Euro: “Dank einer Sondergenehmigung durfte er jahrelang in Höhe bis zu 500.000 Euro zeichnen. Niemand bemerkte den Betrug.”

2. “GeiselNAME auf bild.de”
(zapp.blog.ndr.de)
Das Blog von “Zapp” verfolgt eine Geiselnahme in Thüringen auf bild.de.

3. “Eine Frage des Geldes”
(spiegel.de, Gisela Friedrichsen)
Im Prozess gegen Jörg Kachelmann geht es bei der Vernehmung einer Zeugin auch um ihre Beziehung zum Burda-Verlag. Sie hatte von der Zeitschrift “Bunte” für ihre Geschichte 50.000 Euro erhalten.

4. “Journalismus als ‘Minenfeld'”
(tagesschau.de/videoblog/orient_express, Video, 5:14 Minuten)
Um die 1000 Journalisten demonstrieren für die Pressefreiheit in der Türkei. Derzeit laufen Ermittlungen gegen rund 4000 türkische Pressevertreter.

5. “Innenminister kann nicht für die Sicherheit von Twitter garantieren”
(netzpolitik.org, Linus Neumann)
Zwei Politikerinnen und ein FAZ-Journalist glauben, dass das Twitter-Konto @HPFriedrich von Innenminister Hans Peter Friedrich geführt wird.

6. “Kein Streit um Bundestagsboni”
(stern.de/blogs, Hans-Martin Tillack)
Hans-Martin Tillack schreibt über Funktionszulagen, “die auch alle fünf Bundestagsfraktionen an insgesamt über 100 Abgeordnete auszahlen”. “Unter sich entscheiden die Fraktionen übrigens auch über deren regelmäßige Erhöhung. Von 1950 bis heute kletterten diese Zuschüsse im Bundestag nach von Arnims Berechnungen von 348 000 Mark damals auf 78,8 Millionen Euro heute. Also mehr als 400 mal so viel.”

Lucien Favre spricht

Zweck-Optimismus in Mönchengladbach:

Lucien Favre lächelt wieder, der Schock vom 0:1 gegen Lautern ist halbwegs verdaut. Vor den Endspiel-Wochen spricht der Trainer im EXPRESS.

Favre spricht im “Express” unter anderem über “Borussias Minimal-Chance im Abstiegskampf”, “den nächsten Gegner Bayern München” und “die Formkrise von Marco Reus”.

Dabei ist entscheidend, dass er im “Express” spricht und nicht etwa mit ihm: Favres Statements hat der “Express” nämlich aus einem Interview mit dem Mönchengladbacher Radio 90,1 von vergangener Woche herausdestilliert, das in schriftlicher Form auch auf einer Borussia-Fanseite erschienen war.

Der “Express” selbst hat mit dem Trainer gar nicht gesprochen, wie uns der Verein auf Anfrage bestätigte.

Diese Art der O-Ton-Beschaffung scheint bei Boulevardzeitungen gerade voll im Trend zu liegen.

Mit Dank an Christian G.

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Ups, verheiratet

Es ist angesichts der weltweiten Nachrichtenlage etwas in den Hintergrund gerückt, aber vor dem Mannheimer Landgericht wird immer noch ein Prozess gegen Jörg Kachelmann geführt, dem vorgeworfen wird, eine frühere Lebensgefährtin vergewaltigt zu haben. Die Scharmützel, die sich Kachelmanns Verteidiger mit der Gegenseite liefern, werden dabei für juristische Laien zunehmend uninteressant und niemand will zum hundertsten Mal lesen, dass Kachelmanns Anwalt den Aktenkoffer eines Sachverständigen “samt Brotdose” hatte beschlagnahmen lassen.

Doch dann ist endlich etwas passiert: Jörg Kachelmann war vergangene Woche “mit einem Ring aus Weißgold am Finger” vor Gericht erschienen. “Spiegel Online” vermeldete daher am Samstag, Kachelmann habe geheiratet, und “Bild” “erfuhr” am Montag “aus Justizkreisen”:

Kachelmann ist wieder Ehemann!

Die “Justizkreise” müssen in Plauderlaune gewesen sein, denn “Bild” fasste mal eben auch noch die mutmaßliche Lebensgeschichte der mutmaßlichen Frau Kachelmann zusammen, wie diese sie in ihrer Vernehmung angegeben haben soll — einer nicht-öffentlichen Vernehmung, offensichtlich.

Gestern war “Bild” dann noch näher an die junge Frau herangekommen:

Das ist die neue Frau Kachelmann

Da wurden “Freunde” herangezogen, die “die neue Frau Kachelmann als ruhig und verschlossen” beschreiben — und selbst vor der Familie machten die “Bild”-Reporter nicht halt:

Nicht einmal ihre Großeltern haben von ihrer Hochzeit etwas mitbekommen. Oma Heidemarie gestern traurig zu BILD: “Ich hätte ihr gerne gratuliert.”

Blöd nur, dass “Bild” beim Versuch, an Fotos der Frau heranzukommen, im Internet ein (inzwischen gelöschtes) Foto gefunden hat, das eine ganz andere Frau zeigt.

Heute entschuldigt sich “Bild” dann auch für dieses Versehen:

Berichtigung: Eines der gestern veröffentlichten Bilder auf Seite 6 -das Bühnenfoto - zeigt nicht die Ehefrau von Jörg Kachelmann, sondern eine Schauspielerin aus Berlin. Für die Fotoverwechslung bittet BILD um Entschuldigung.

Die vielen Eingriffe in die Privat- und Intimsphäre der Frau sind dagegen offenbar nichts, wofür “Bild” um Entschuldigung bitten will.

PS: Jörg Kachelmann selbst scheint unterdessen einen eigenen Weg gefunden zu haben, mit der ständigen Belagerung durch Boulevard-Reporter umzugehen, und fotografiert jetzt einfach zurück.

Mit Dank an Stephanie H.

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Gute Grüne, schlechte Grüne

Wankelmut, dein Name ist Franz Josef Wagner! Noch zwei Tage vor der Landtagswahl sprach der launige “Bild”-Kolumnist dem Baden-Württemberger Grünen-Chef Winfried Kretschmann das Vertrauen aus:

Für mich sind Sie ein Grüner der neuen Art. Eigentlich müssten Sie bei der CDU sein. Sie gehen in die Kirche, glauben an die Schöpfung.

Sie haben nichts mehr von den ­Grünen, die Pullover strickten. Sie tragen einen Lehrer-Anzug, grau.

Lieber Ethiklehrer Winfried Kretschmann, vor Ihnen habe ich keine Angst.

Doch schon in seinem gestrigen Brief an die “lieben Baden-Württemberger” fällt Wagner wieder in alte Muster zurück und malt den Untergang eines Wirtschaftsstandorts an die Wand:

58 Jahre hat Euch die CDU regiert.

Ihr habt Häusle, manche haben zwei Autos, ältere Erwachsene spielen Golf. (…)

Nach 58 Jahren CDU wählt Ihr Grün.

Schmeckt Euch Euer Steak nicht mehr, langweilt Euch Euer Daimler, seid Ihr überdrüssig Eures Glücks?

Um seine mahnenden Worte zu unterstreichen, konstruiert Wagner auch gleich noch die nötige Fallhöhe:

täusche ich mich, wenn ich denke, dass Ihr stolz auf Euer Ländle seid? Die niedrigste Arbeitslosenquote, 4,6 Prozent. Beim Pisa-Test sind Eure Kinder Europas Beste.

Mal davon ab, dass die Arbeitslosenquote im Januar 2011 bei 4,7 Prozent und im Februar bei 4,5 Prozent lag, wirklich aus der Luft gegriffen ist die Behauptung, baden-württembergische Kinder wären “Europas Beste” beim “Pisa-Test”. In der letzten Pisa-Studie aus dem Jahr 2006, in der sowohl einzelne Bundesländer als auch ganze Staaten untersucht wurden, lag Baden-Württemberg zwar über dem bundesdeutschen Schnitt, kam aber in fast allen Bereichen hinter Bayern und Sachsen sowie europaweit hinter Finnland, den Niederlanden und Belgien.

Tatsächlich hat Baden-Württemberg sogar gewisse Bildungsprobleme wie aus einer aktuelleren Studie hervorgeht:

Besonders ausgeprägt ist das soziale Bildungsgefälle in Baden-Württemberg und Bayern, wo die Chancen von Akademikerkindern gegenüber gleichintelligenten Facharbeiterkindern 6,6 beziehungsweise 6,5 mal so hoch sind.

Ein Missstand, den die von Wagner ach so gefürchteten Grünen laut eigenem Wahlprogramm sogar bekämpfen wollen.

Mit Dank an Marc, Tim G., Oliver K. und Pekka R

Berliner Zeitung, Klatschvieh, neues

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “‘Berliner Zeitung’: Ein Ereignis, ein Journalist, zwei Ergebnisse”
(flurfunk-dresden.de, owy)
Landtagswahlen in Baden-Württemberg: Die “Berliner Zeitung” stellt kurzzeitig einen Aritkel mit dem Titel “Mappus rettet Merkel” online.

2. “Kriegsreporter chancenlos gegen Twitter und Youtube”
(welt.de, Heimo Schwilk)
Heimo Schwilk denkt nach über die Veränderungen in der Kriegsberichterstattung: “Irgendwann wird WikiLeaks auch Szenen zeigen, die beweisen, dass auch ‘eingebettete Journalisten’ dabei waren, als Dörfer zusammengeschossen oder Fahrzeuge samt Insassen an Checkpoints pulverisiert wurden.”

3. “Frisches Klatschvieh”
(fr-online.de, Jochen Voss)
TV-Studios haben Schwierigkeiten, Publikum zu rekrutieren, weiß Jochen Voss: “Nach mehr als 25 Jahren Privatfernsehen und unzähligen Studioshows ist die Neugier in den TV-Hochburgen gestillt.”

4. “Man könnte es klarer sagen”
(nzz.ch, Norbert Neininger)
Norbert Neininger stört sich an der “eigenen, für andere schwer verständlichen Sprache” von Medienwissenschaftlern und liefert dazu konkrete Beispiele. “Wer den Definitionen nachgeht, stösst auf eine Art Matrjoschka, unter jeder Definition steckt eine weitere, und am Schluss bleibt ein klitzekleiner Kern übrig.”

5. “3sat schafft Computersendung neues ab”
(netzpolitik.org, markus)
Markus Beckedahl bedauert die Absetzung der 3sat-Sendung “neues”. “Statt einer kompletten Sendung über digitale Kultur soll dann 3sat nano auch manchmal über digitale Themen berichten. Allerdings liegt der Schwerpunkt von nano generell auf populärwissenschaftliche Technikthemen, man kann sich vorstellen, dass digitale Themen dort nur am Rande vorkommen würden.”

6. “Protest numbers: How are they counted?”
(bbc.co.uk, englisch)
Nigel Hawkes von Straight Statistics: “Crowds are habitually over-estimated.”

Maria Furtwängler will nicht aufhören

Vergangene Woche veröffentlichte der “Berliner Kurier” mal wieder eine Gegendarstellung:

Im “Berliner Kurier” vom 17. März 2011 schreiben Sie in einem Artikel auf Seite 22 in der Rubrik “Leute”: “Maria Furtwängler Schluss mit der Schauspielerei!” Weiter schreiben Sie: “Maria Furtwängler will… als Schauspielerin aufhören.”

Hierzu stelle ich fest: Es ist nicht Schluss mit der Schauspielerei. Ich werde weiter als Schauspielerin arbeiten.

Berlin, 18. März 2011
Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Schertz für Dr. Maria Furtwängler

Anmerkung der Redaktion: Frau Dr. Furtwängler hat Recht. Wir bedauern das Versehen.

Wie aber war der “Kurier” versehentlich auf die Idee gekommen, Frau Dr. Furtwängler wolle ihre Schauspielkarriere beenden? Er schrieb:

Ihren ersten Streifen drehte sie 1974 (“Zum Abschied Chrysanthemen”). Jetzt, 37 Jahre später, sieht es so aus, als würde Maria Furtwängler (44) bald überhaupt keine Filme mehr drehen. Die beliebte Tatort-Kommissarin (Charlotte Lindholm) denkt laut übers Aufhören nach.

Im Zeit-Magazin verblüfft sie mit der Ankündigung: “Die Vorstellung, ausschließlich Schauspielerin zu sein, wäre mir zu wenig selbstbestimmt. Ich will selbstgesteuerter, selbstgetriebener und präsenter werden.”

Ja, das hat sie dem “Zeit-Magazin” gesagt. Fast jedenfalls:

ZEITmagazin: Wir sprachen vorhin über Ihre Überlegungen, etwas Neues zu machen. Hätte es nicht auch einen eigenen Reiz, lebenslang an der Schauspielkunst zu arbeiten?

Furtwängler: Das hat es ganz sicherlich. Das ist eine große Aufgabe. Aber die Vorstellung, ausschließlich Schauspielerin zu sein, wäre mir zu wenig selbstbestimmt. Man kommt ja immer erst dazu, wenn schon vieles fertig ist. Sicher kann man manches umschreiben, aber im Grunde steht die Geschichte. Und ich möchte ja, dass in meinem Leben etwas anderes in den Vordergrund kommt. Ich will selbstgesteuerter, selbstgetriebener und präsenter werden.

Und auch sonst hatte sich der “Berliner Kurier” viel Mühe gegeben, Frau Furtwänglers Äußerungen aus dem Kontext zu reißen, als er schrieb:

Aber trotz aller Erfolge: Furtwängler sieht sich künftig in einem anderen Revier. Nicht als Verlags-Matriarchin: “Ich werde in nächster Zeit keine führende oder sonstwie geartete Rolle im Verlag meines Mannes übernehmen.” Nein, die Großnichte des Dirigenten Wilhelm Furtwängler (1886 – 1954) will sich in der Musik verwirklichen! Maria: “Ich habe eine große Sehnsucht , tiefer in das Thema einzusteigen.” Mit den Jahren wird man halt harmoniebedürftig.

Auch das hat sie im Interview gesagt — aber ausdrücklich als “einfaches Beispiel” anmoderiert.

Um dem langen Interview entnehmen zu wollen, Maria Furtwängler wolle die Schauspielerei an den Nagel hängen und sich stattdessen der Musik widmen, bedarf es schon einiger Phantasie. Das hat auch der “Berliner Kurier” verstanden erklärt bekommen und den ursprünglichen Artikel offline genommen.

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Das Leben des ACAB*

In Monty Pythons “Das Leben des Brian” gibt es eine Szene, in der Brian von einem römischen Soldaten erwischt wird, während er eine Wand beschmiert. Weil seine Parole in fehlerhaftem Latein verfasst ist, zwingt der Soldat Brian dazu, einhundert Mal die richtige Formulierung an die Wand zu schreiben.

Ganz so wird die Szene nicht abgelaufen sein, die “Bild” heute in der Stuttgarter Regionalausgabe beschreibt:

Der Polizist wurde als “Bulle” beschimpft. Dann sah er, wie ein Chaot ein Graffito schmierte: ACAP (englische Abkürzung für “Alle Polizisten sind Bastarde”).

Aber das Wort “bastard” beginnt im Englischen natürlich auch mit einem B und nicht mit einem P — es sei denn, man hat den gleichen Sprachfehler wie Pontius Pilatus in “Das Leben des Brian”.

*) Acab: türkischer Jungenvorname

Mit Dank an Moritz.

@RegSprecher, Scripted Reality, Japan

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wenn der Regierungssprecher twittert…”
(wiegold.wordpress.com, Thomas Wiegold)
Thomas Wiegold dokumentiert Fragen und Antworten zwischen Journalisten der Berliner Bundespressekonferenz und dem stellvertretenden Regierungssprecher Christoph Steegmans zum Einsatz des Twitter-Kontos @RegSprecher von Steffen Seibert.

2. “Die erfundene Wirklichkeit im Fernsehen”
(drs2.ch, Audio, 29:13 Minuten)
Die Sendung “Reflexe” recherchiert zum Thema Scripted Reality, erhält dazu aber von RTL keine Auskunft und keine Tondokumente. “Man scheint von einem Publikum auszugehen, das entweder eine verminderte Auffassungsgabe hat oder das den Fernseher nebenbei laufen lässt und nur ab und zu einen Blick hineinwirft.”

3. “Breaking News – Eine Kurzanleitung”
(training.dw-world.de, Steffen Leidel)
Steffen Leidel stellt eine “Anleitung zum Umgang mit internationalen Breaking News” zusammen.

4. “Dafürr zal ich nicht”
(fernsehkritik.tv/blog)
Der Fernsehkritiker ärgert sich über Tippfehler im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: “Dass es mal einen Schreibfehler gibt oder sich bei einer nachträglichen Veränderung des Satzbaus ein Fehler einschleichen kann ist menschlich und passiert mir ebenso. Aber dass solche Fehler stundenlang über den Sender gehen, ohne dass es irgendwem auffällt, ist schon erstaunlich.”

5. “Apokalypse jetzt!”
(welt.de, Reinhard Zöllner)
Japanologe Reinhard Zöllner empört sich über deutsche Medien und deutsche Helfer.

6. “Jubiläumsstadlzeit”
(hermsfarm.de)
30 Jahre Musikantenstadl. Herm hält fest, was in der Jubiläumsausgabe passierte.

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Diese Tschernobyls

Wie verknüpft man den persönlichen Schicksalsschlag einer Schauspielerin am Besten mit aktuell flottierenden Themen?

“Bild” macht es heute vor:

TV-Star Witta Pohl mit Blutkrebs auf der Intensiv-Station! Vor 11 Jahren war sie im Reaktor von Tschernobyl...

Die drei Punkte bedeuten laut “Bild” dies:

Es gibt Fotos, die Witta Pohl vor elf Jahren im Unglücksreaktor von Tschernobyl zeigen. Sie steht dort im Kontrollraum des Kernkraftwerkes. Für ihr Hilfsprojekt “Verein Kinderluftbrücke e.V.” war sie öfter in die Ukraine gereist.

Dass diese Aufenthalte etwas mit ihrer plötzlichen Erkrankung zu tun haben könnten, schließen die Ärzte aber “ausdrücklich” aus.

“Ihre Reisen nach Tschernobyl im Rahmen ihrer Aktivitäten für die Kinderluftbrücke stehen in keinem kausalen Zusammenhang mit ihrer Erkrankung”, heißt es aus Familienkreisen. Und: “Das Schlimme an Krankheitsbildern wie diesen ist, dass sie sich oft der Frage nach dem Warum entziehen.”

Diese Frage nach dem Warum lässt “Bild” dennoch nicht los — und so hat die Zeitung eine schon beinahe traditionelle Erklärung gefunden:

Der Fluch der Drombuschs

Mit Dank an Christian und Alex A.

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German Walniederlage

Heute erklärt uns Franz Josef Wagner mal, warum “wir” (also die Menschen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz) eigentlich die Grünen wählen. Der Brief gehört selbst in der Rubrik “Post von Wagner” zu den spezielleren Exemplaren.

Beginnen wir daher mit dem Offensichtlichen: Anders als Wagner behauptet, hatten die Menschen in den 1980er Jahren nicht Angst vor einem “Walsterben”, sondern vor dem Waldsterben.

Etwas komplexer ist da schon diese Passage:

250 000 Atomkraftgegner demonstrierten in Deutschland am Wochenende, in Tokio, der 40-Millionen-Stadt, demonstrierten zur gleichen Zeit nur kümmerliche tausend.

In unserer Luft ist nichts, unsere Luft ist rein. Vor lauter Angst gehen wir auf die Straße, vor lauter Angst wählen wir grün.

Mal davon ab, dass die Menschen in Tokio vielleicht gerade auch noch etwas anderes zu tun haben als zu demonstrieren, haben die deutschen Atomkraftgegner ja nicht demonstriert, obwohl “unsere Luft” “rein” ist, sondern damit sie es bleibt: Ihr Ziel ist die Abschaltung deutscher Atomkraftwerke.

Und dann ist da noch der Aufhänger von Wagners Text, die “German Angst”:

Liebe “German Angst”,

ich glaube, dass Du die Wahl in Baden-Württemberg mitentschieden hast. Der Begriff “German Angst” klingt zwar deutsch, kommt aber aus dem englischen Wortschatz. Es gibt nur vier deutsche Worte, die englische Umgangssprache wurden. Kindergarten, Rucksack, Weltschmerz, “German Angst”.

Oder “Schadenfreude”, “Zeitgeist”, “Blitzkrieg” “Leitmotif”, oder, oder, oder

Mit Dank an Hauke H., Timon S., Martin R., Mutlu Y. und Jens W.

Nachtrag, 29. März: In einigen Druckausgaben scheint jemand Wagner korrigiert zu haben. Zumindest steht dort “Waldsterben”.

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