Leichenschau

Beim Giro d’Italia, einem der wichtigsten Radsport-Etappenrennen der Welt, kam es am Montag zu einem schweren Unfall, bei dem einer der Teilnehmer tödlich verunglückte. Und weil bei großen Events jede Menge Kameras laufen und deshalb auch das passende Bildmaterial vorhanden ist, treten mit Bild.de und dem Online-Auftritt der “Hamburger Morgenpost” zwei der üblichen Verdächtigen den Pressekodex mit Füßen.

Unter Ziffer 11 — Sensationsberichterstattung, Jugendschutz heißt es:

Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid. Die Presse beachtet den Jugendschutz.

Aus dem Pressekodex

Richtlinie 11.1:
Unangemessen sensationell ist eine Darstellung, wenn in der Berichterstattung der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, herabgewürdigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn über einen sterbenden oder körperlich oder seelisch leidenden Menschen in einer über das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse der Leser hinausgehenden Art und Weise berichtet wird.

Bei der Platzierung bildlicher Darstellungen von Gewalttaten und Unglücksfällen auf Titelseiten beachtet die Presse die möglichen Wirkungen auf Kinder und Jugendliche.

Unter der Überschrift “Tod beim Giro” zeigt Bild.de eine Bildergalerie mit insgesamt drei Fotos, auf denen Rettungskräfte letztlich vergeblich versuchen, den sterbenden Radprofi wiederzubeleben.

Dazu schreiben die beiden Autoren:

Weylandt (…) soll auf der Abfahrt vom Passo del Bocco (957 m) etwa 25 km vor dem Ziel mit der rechten Pedale an der Felswand hängengeblieben und danach 20 m durch die Luft geflogen sein.

Weylandt knallte brutal auf das Pflaster, blutete stark aus Mund und Nase. “Wouter Weylandt war schon bewusstlos, als wir eintrafen. Wir haben 40 Minuten versucht, ihn zu reanimieren. Aber es war nichts mehr zu machen”, teilte Giro-Arzt Dr. Giovani Tredici mit.

Und von wegen Jugendschutz — heute schaffte es eines der Fotos des sterbenden oder bereits gestorbenen Radprofi sogar auf die Startseite von Bild.de:

Schwangere Freundin trauert um toten Rad-Star
(Unkenntlichmachung von uns)

Auch mopo.de hat keine Skrupel, ein Foto des Verunglückten zu zeigen — inklusive Lupensymbol, damit man sich den Sterbenden per Klick noch ein wenig genauer ansehen kann.

In einem zweiten Artikel auf mopo.de — ebenfalls mit Foto — heißt es ironischerweise sogar:

Aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen und die Teamkollegen hatte das italienische Fernsehen RAI keine Bilder vom direkten Unfallhergang gezeigt.

Soviel Feingefühl kann man leider nicht von jedem erwarten.

Mit Dank an die Hinweisgeber.

Katja Kessler, Neven DuMont, Gegenwart

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “betr. Interview mit Katja Kessler”
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Fast die Hälfte der Antworten eines Interviews mit Katja Kessler, Autorin und Ehefrau von “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann, werden bei der Autorisierung wieder gestrichen. “Zu ihrer journalistischen Laufbahn befragt, sagte Frau Kessler: ‘Bild war mein großes Glück’. Dieses Zitat hat sie freigegeben. Dass sie mehrere Antworten zu diesem Medium, sowie Antworten zu den Fotos in ihrem Buch und zu Paparazzi-Fotos ersatzlos gestrichen hat, bedauern wir.”

2. “Wissenschaftsjournalismus für Dummies”
(wahrheitueberwahrheit.blogspot.com, Thomas)
Sechs Regeln zum Wissenschaftsjournalismus mit konkreten Beispielen: “Wichtiges kommt aus den USA! Machen sie es nicht kompliziert! Assoziieren sie! Meiden Sie Wikipedia! Recherchieren sie NIE!”

3. “Der tägliche Medienpranger im Fall Stefanie P.”
(kobuk.at, Marc Christian Halper)
Kobuk listet auf, was österreichische Medien im anlaufenden Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder einer Studentin vermissen lassen.

4. “Gegenwartsversessenheit”
(nzz.ch, Dieter Thomä)
Dieter Thomä konstatiert die Zeitkrankheit Gegenwartsversessenheit. Genauer analysiert werden der “Bann des Besitzstands, die Wut des Vergleichens und die Sucht des Synchronen.”

5. “Hasidic Paper Removes Hillary Clinton From Osama Picture”
(failedmessiah.typepad.com, englisch)
“Der Tzitung” schneidet Frauen aus einem vom Weißen Haus veröffentlichten Bild.

6. “Ich oder du, Alfred”
(magda.de, Philipp Maußhardt)
Philipp Maußhardt beschreibt, wie er seinen Job als Lokalchef des Kölner Stadt-Anzeigers verlor, weil er ein Foto des Verlegers Alfred Neven DuMont abdruckte: “Auf diesem Bild hatte der als äußerst eitel bekannte Neven DuMont nach etlichen ‘Glas Kölsch’ die Kontrolle über seine Gesichtszüge verloren, in der rechten Hand hielt er eine Zigarre, in der linken ein Kölschglas, dessen Inhalt auszukippen drohte. Die ansonsten wie Beton gegossene Frisur war verrutscht, die Haare hingen ihm in die Stirn. Alfred Neven DuMont lächelte selig und entrückt.”

‘Türlich ‘türlich (sicher, Digger)

Bild.de gibt mal wieder alles beim Versuch, eine Nachricht so dramatisch wie möglich klingen zu lassen:

Horrorflug in den USA Irrer Passagier will Tür des Fliegers öffnen

Demnach hat ein Mann 20 Minuten nach dem Start einer Boeing 737 auf dem Flug von Houston nach Chicago versucht, die Tür des Flugzeugs zu öffnen, weswegen die Maschine in St. Louis zwischenlanden musste.

So bedrohlich diese Situation wohl auf die Passagiere wirken musste, so ungefährlich war sie aber auch. Das hat etwa die WDR-Sendung “Kopfball” schon vor drei Jahren festgestellt:

Türen und Notausgänge bei modernen Verkehrsflugzeugen gehen zwar nach außen auf, müssen aber zuerst nach innen gezogen werden. Erst dann schwenken sie nach außen. Doch da der Kabinendruck in Reiseflughöhe etwa viermal so hoch ist wie der Außendruck, lastet in zehn Kilometer Höhe auf jedem Quadratmeter eine Kraft, die etwa sechs Tonnen entspricht. Selbst der stärkste Mensch der Welt müsste passen, sollte er versuchen, eine Flugzeugtür zu öffnen.

Bei Bild.de sucht man diese durchaus relevante Information vergeblich.

Mit Dank an tharcel und Paul Z.

Nachtrag, 10. Mai: Ein aufmerksamer Leser hat uns darauf hingewiesen, dass die Tür nicht bei allen modernen Verkehrsflugzeugen zunächst nach innen gezogen wird. Bei der Boeing 737, um die es in diesem Beitrag geht, funktioniert der Mechanismus so wie von “Kopfball” gezeigt.

Eurozone, Nina Kunzendorf, Jörg Kachelmann

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Spiegel-Online-Style: Die Informationen sind zwar falsch, aber exklusiv!”
(print-wuergt.de, Michalis Pantelouris)
Michalis Pantelouris schreibt zur Exklusiv-Meldung von “Spiegel Online”, Griechenland plane, aus der Eurozone auszutreten. Artikel-Autor Christian Reiermann sei entweder auf eine rein theoretische Floskel hereingefallen (“dann müssten wir/dann müssten die aus dem Euro austreten”) – “oder er hat die durchgesteckte Fehlinformation von jemandem weiterverbreitet, der ein Interesse an der Destabilisierung der griechischen Regierung oder des Euro hat, aus politischen Gründen oder zugunsten gelenkter Spekulation (der Euro Kurssturz war ja vorhersehbar, wenn man diese Informationen hatte).”

2. “Vor Scham fast vom Stuhl gefallen”
(taz.de, Sven Sakowitz)
“Tatort”-Schauspielerin Nina Kunzendorf erzählt, wie sie ein Nacktfoto von sich in “Bild” fand. “Die haben ja gar nicht mit mir gesprochen. Der Aufhänger des Artikels war ein elf Jahre altes Theaterfoto von mir, auf dem ich nicht besonders viel anhatte. (…) Als ich mir das dann online angeschaut habe, bin ich vor Scham fast vom Stuhl gefallen, weil das wirklich ein aus dem Zusammenhang gerissenes und grauenhaftes Foto war, und dazu gab es einen ganz schmierigen Text, bei dem man hätte denken können, dass ich aus der Porno-Ecke komme.”

3. “Neue Policy gegenüber Publikationen der Axel Springer AG”
(excitingcommerce.de, Jochen Krisch)
Exciting Commerce zieht Konsequenzen aus einer Schadensersatzforderung der Rechteverfolgung der Axel Springer AG: “Natürlich respektieren wir die Rechtsauffassung der Axel Springer AG. Um jedoch weiteren Konflikten mit der Axel Springer AG vorzubeugen, werden wir bei Exciting Commerce die Publikationen der Axel Springer AG künftig nicht mehr als Quelle nutzen und uns weder direkt noch indirekt auf online gestellte Inhalte der Axel Springer AG beziehen.”

4. “Royaler Dauerorgasmus”
(fernsehkritik.tv, Video, 9:47 Minuten)
Die Hochzeit des britischen Thronfolgerfolgers im deutschen Fernsehen.

5. “Digitaler Werkzeugkasten für Journalisten”
(digitalerwandel.de, Julius Tröger)
Julius Tröger stellt Werkzeuge zur Multimedia-Produktion im Web vor.

6. “Die Liebe in Zeiten der Kamera”
(berlinonline.de, Malte Welding)
“Noch nie wurde das Intimleben eines Menschen so umfassend durchleuchtet, wurden die Details eines Lebens von einem ganzen Volk zerredet, bequatscht, verhöhnt, bis das ganze Leben selbst der Lächerlichkeit preisgegeben war”, schreibt Malte Welding in einem langen Text über den Prozess gegen Jörg Kachelmann: “Jedes Gerücht kann gestreut, jede Mutmaßung rumgemeint werden. Jedes Käseblatt bietet psychologische Ferndiagnosen, jeder Mensch, der Kachelmann einmal eine Gurke verkauft hat, kann in der Zeitung ein psychologisches Gutachten über ihn verfassen. Aber Tatsachen? Ja, die gibt es, aber die sind langweilig und damit irgendwie doof.”

Bild  

Falscher DSDS-Sieger gewählt

Gestern endete die achte Staffel der RTL-Castingsoap “Deutschland sucht den Superstar” mit einem Sieg von Pietro Lombardi. Was insofern überraschend ist, als “Bild” vor zwei Wochen behauptet hatte:

Ardian wird Superstar

Dass die prognostischen Qualitäten der “Bild”-Autoren Daniel Cremer und Dora Varro beschränkt sind, war schon eine Woche später klar, als es Ardian Bujupi nicht einmal ins Finale schaffte. Doch auch die Behauptung, “‘Bild’ kennt die geheimen Anruferzahlen” war falsch. Irgendjemand hatte die “Bild”-Leute nur halb richtig informiert — oder sie hatten etwas halb falsch verstanden. Jedenfalls schrieben sie damals:

30 Prozent stimmten bei der letzten Sendung für Pietro Lombardi, knapp dahinter liegt derzeit Ardian Bujupi mit 28 Prozent. Sarah Engels holte 22 Prozent.

Nach den offiziellen Zahlen, die RTL heute veröffentlichte, war es allerdings Sarah Engels, die mit 28,9 Prozent knapp hinter Lombardi lag. Ardian Bjujpi bekam nur 23 Prozent.

Tragisch: Schlecht recherchiert und im Größenwahn verspekuliert.

Auf großem Fuße

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat sich eine Villa gekauft, und die ist laut Bild.de groß genug, dass — um es in der Lieblingsmaßeinheit von Journalisten auszudrücken — auf der Grundfläche ein Bundesligaspiel stattfinden dürfte:

Facebookchef Mark Zuckerberg kauft diese Villa

Im Text heißt es:

Nach einem Bericht der lokalen Zeitung “San Jose Mercury News” plant der 26-Jährige den Umzug in eine echte Nobel-Villa: 4645 Quadratmeter groß, fünf Schlafzimmer, ein Musikzimmer und ein Salzwasserpool!

Wirft man einen Blick in ebendiese “San Jose Mercury News”, dann liest man da aber, dass Zuckerbergs Haus 5000 Quadratfuß groß ist. Umgerechnet ergibt dies gerade einmal 464,5 Quadratmeter, was auch viel eher zu dem auf Bild.de abgebildeten Gebäude passt.

Während auf Bild.de das entscheidende Komma fehlt, hat die Autorin im Onlineauftritt der “B.Z.” eine andere aktuell kursierende Quadratfußzahl einfach ohne Umrechnung übernommen. So kommt Zuckerbergs Villa sogar auf noch unglaublichere 5617 Quadratmeter.

Mit Dank an B.W. und tuennes.

Nachtrag, 8. Mai: Bild.de hat die Villa unauffällig auf “mehr als 400 Quadratmeter” schrumpfen lassen.

Nachtrag, 9. Mai: Inzwischen ist Zuckerbergs Villa bei Bild.de wieder gewachsen. Jetzt ist sie “rund 520 Quadratmeter groß”.

N24  

Deep Space Six

Der Tod von Osama bin Laden ist natürlich ein Segen für diejenigen Fernsehsender, die — wenn es nicht gerade eine superspannende Doku über das Ufoprojekt der Nazis gibt — den lieben langen Tag Nachrichten senden müssen.

Beim Versuch, den Zuschauer über jedes noch so kleine Detail zu informieren, kam der Nachrichtensender N24 gestern Mittag auch bei der United States Naval Special Warfare Development Group an, die am Einsatz gegen Osama bin Laden beteiligt war. Besser bekannt ist diese Spezialeinheit der US Navy unter ihrem alten Namen SEAL Team Six.

Nachdem Moderator Mick Locher ausführlich über die Ausbildung, Ausrüstung und Fähigkeiten der Navy SEALs gesprochen hat (“Also die waren bis an die Zähne bewaffnet.”), blendet die Regie folgendes Emblem ein:

fail

Unbeirrt fährt Locher fort:

Und sie haben auch dieses Team Six, das diesen Einsatz durchführte. Da hat man auch nicht umsonst den Totenkopf -schädel im Emblem.

Und schon geht es weiter mit einer animierten Simulation des Einsatzes.

Aber sehen wir uns doch dieses Emblem ein wenig genauer an: Ein Adler mit einem Phaser, ein Dreizack, ein von drei Bat’leths umrahmter Klingonenschädel, der Schriftzug “MAQUIS SPECIAL OPERATIONS”

Man könnte meinen, die Navy SEALs wären echte Star-Trek-Fans. Sind sie aber nicht, denn das echte Emblem von SEAL Team Six sieht — übrigens mit Adler und Dreizack, aber ohne Totenschädel — so aus:

Team Six

Das Logo, das N24 gezeigt hat, und das womöglich eine Google-Bildersuche zum Thema “SEAL Team Six” zu Tage förderte, stammt vom Star-Trek-Fan-Wiki Maquis Forces International. Das Logo (hier in groß) wurde von einem Fan für ein fiktives Maquis SEALS Team Six in Anlehnung an das echte SEAL Team Six entworfen. Unter dem Logo steht:

A possible Team 6 Logo.

Wer sich das ganze live ansehen will, findet den Beitrag im Mediacenter von N24 in der Rubrik “Politik”. Der Beitrag heißt: Mick Locher zum Angriffshergang (Timecode: 1:05)

Mit Dank an Michael R.

Nachtrag, 7. Mai: N24 hat offenbar den gesamten Beitrag aus dem Mediacenter entfernt.

Lügenfernsehen, Robert Enke, Leserartikel

6 vor 9

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1. “Das Lügenfernsehen”
(ndr.de, Video, 30 Minuten)
Anja Reschke geht der konstruierten Realität im Fernsehen nach. So besucht sie ein Paar, das glaubte, in der RTL-Sendung “Unterm Hammer” ihr Haus verkauft zu haben. Später stellte sich heraus, dass die Käufer und alle anderen Beteiligten nur Schauspieler waren.

2. “Sun changes caption for manipulated Libya photo”
(pressgazette.co.uk, Andrew Pugh, englisch)
Ein Leser wendet sich an die Press Complaints Commission, weil er ein Photo von “The Sun” verdächtigt, manipuliert zu sein: “The newspaper explained that the complainant was correct and the image was, in fact, two separate photographs.”

3. “Sensation gegen Moral – Die Berichterstattung über Robert Enkes Tod”
(konjunktivist.de, Jonathan)
Eine Bachelorarbeit untersucht Artikel nach dem Tod von Robert Enke: “Analysiert wurden alle Artikel über Robert Enke im Zeitraum vom ersten Tag nach dem Suizid bis zwei Tage nach der offiziellen Trauerfeier.”

4. “Gated Community”
(freitag.de, Katrin Schuster)
“Zeit Online” ändert seinen Umgang mit Leserartikeln und stellt das bisherige Leserartikel-Blog ein. “Wie sehr die Medien um ihre Autorität und ihre Marke fürchten, sobald ihre Leser daran mitschreiben, ist kaum zu übersehen. Schon werden die Zügel vielerorts wieder angezogen, selbst wenn man damit ausgerechnet die engagiertesten User vor den Kopf stößt und verliert; Zeit Online gibt wahrlich nicht das einzige Beispiel für diesen Rollback ab.”

5. “300 bis 500 Euro pro Zitat aus der Welt oder der Bild-Zeitung”
(heise.de/tp/blogs, Peter Mühlbauer)
“Gestern erhielt der Münchener Journalist Claus Vester, der unter anderem die Kinderbuchwebsite Erlebnis Lesen betreibt, ein Schreiben des Axel-Springer-Verlages, in dem er aufgefordert wird, wegen der Verwendung eines 397 Zeichen langen Zitats aus einer Rezension des Kinderbuchs Skogland 500 Euro zu zahlen. Vester hatte das Zitat allerdings nicht direkt der Springer-Publikation entnommen, sondern der Website des Oetinger-Verlages, der damit das Buch bewirbt.”

6. Duslog.tv
(duslog.tv)
Lukas Heinser und Stefan Niggemeier berichten täglich aus Düsseldorf von den Vorbereitungen zum Eurovision Song Contest. Im “Journalist” und im eigenen Blog beschreiben sie ihre ersten Erfahrungen.

Böhse Journalistenz

Seit Kevin Russell, der ehemalige Sänger der Band “Böhse Onkelz”, am Silvesterabend 2009 einen Verkehrsunfall mit zwei Schwerverletzten verursachte und anschließend Fahrerflucht beging, konnten es “Bild” und Bild.de kaum noch erwarten, ihn hinter Gittern zu sehen.

BILDblog dokumentiert auszugsweise die wachsende Empörung und Ungeduld von “Bild” und Bild.de.

5. Januar 2010:

Warum ist dieser Typ immer noch frei?

14. Januar 2010:

Er raste 2 Menschen ins Koma, beging Fahrerflucht und hat keinen festen Wohnsitz Warum ist dieser Böhse Onkel immer noch frei?

8. Oktober 2010:

"Böhse Onkelz"-Sänger Kevin Russell Noch immer nicht im Knast Staatsanwaltschaft geht in Revision

16. Oktober 2010:

Fall Kevin Russell öhse-Onkelz-Sänger noch bis Februar frei?

8. März 2011:

Urteil gegen Kevin Russell rechtskräftig! "Böhse Onkelz"-Sänger muss jetzt endlich in den Knast

Konsequenterweise und vermutlich einfach nur, weil sie es können, nutzt “Bild” heute die vielleicht letzte Chance, um noch einmal nachzutreten. Überregional sieht das so aus:

"Böhse Onkelz"-Sänger endlich hinter Gittern

Das Foto, auf dem Russell die Zunge heraustreckt, entstand allerdings nicht, wie von “Bild” behauptet, “nach dem Urteil”, sondern bereits am zweiten Verhandlungstag. Die ausgestreckte Zunge galt wohl vor allem den Fotografen, von denen Russell ständig umgeben war. “Bild” schrieb damals übrigens:

DER BÖHSE ONKEL VERHÖHNT DIE OPFER!

Bei der Urteilsverkündung meinte Bild.de hingegen:

Kevin Russell nahm das Urteil (zwei Jahre und drei Monate Haft) nahezu regungslos zur Kenntnis

Der Gipfel ist aber dann doch, wie Max Schneider in der Frankfurter Regionalausgabe von “Bild” mit der völlig überflüssigen Information, in welchem Gefängnis Russell seine Strafe absitzen muss, umgeht:

Knast

(Unkenntlichmachung von uns)

Der Name der JVA steht außerdem in der Bundesausgabe und auf Bild.de. Offenbar will “Bild” Russell das Leben ganz bewusst so schwer wie möglich machen:
JVA

(Unkenntlichmachung von uns)
Mit Dank an Benjamin T.

Widersprüche, Jeans, Frauenzeitschriften

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Ach nee, doch nicht”
(blogs.sueddeutsche.de/schaltzentrale, Johannes Boie)
Johannes Boie notiert einige der Widersprüche, die bisher über den Tod von Osama bin Laden veröffentlicht wurden. “Niemand arbeitet permanent fehlerfrei. Und in manchen Redaktionen ist es längst schwierig geworden, noch Kollegen zu finden, die überhaupt Zeit haben, Aussagen von Dritten zu prüfen. Denn von den Festangestellten unter uns gibt es immer weniger.”

2. “5 Big bin Laden Media Mistakes, Explained”
(wnyc.org, Sarah Kate Kramer, englisch)
“The fallout from President Obama’s announcement that Osama bin Laden had been killed by U.S. forces late Sunday night is a perfect example of how misinformation from a unique source, news aggregation and insta-feedback from Twitterlandia can get mixed up to ill effect.”

3. “Im Netz der Besserwisser”
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Sascha Lobo schreibt über “Experten” im Web: “Was auch immer das Weltgeschehen an Neuigkeiten bereithält – im Netz finden sich sogleich Experten sonder Zahl für exakt diesen Topos. (…) Gefühltes Expertentum zeichnet sich durch immense Hinterher-Klugheit aus, hätte, hätte, Fahrradkette.”

4. “Ex-Freunde: Schweinsteiger und Sport Bild”
(ndr.de, Video, 5:32 Minuten)
Fußball: Die Beziehung zwischen dem FC Bayern München und “Sport Bild” und die Beziehung von Bastian Schweinsteiger und “Sport Bild”. Schweinsteigers Reaktion auf den “Chefchen”-Artikel fand erst nach zwei Wochen und vor einer halböffentlichen Journalistenrunde ohne Kameras statt.

5. “‘Österreich’ informiert über aktuelle Jeans-Preise”
(kobuk.at, Hannes Bleiziffer)
“Österreich” informiert seine Leser über billige Jeans. Und zwar nahezu deckungsgleich im redaktionellen und im werblichen Teil.

6. “Titelerfinder für Frauenzeitschriften – ein Beruf mit Zukunft”
(zeit.de, Harald Martenstein)
“Ich glaube, dass es einer in langen Jahren gewachsenen Kennerschaft und extrem verfeinerter Sinnesorgane bedarf, um zwischen der aktuellen Ausgabe von Echo der Frau und Frau im Spiegel zu unterscheiden, das ist ähnlich wie bei den Weinkennern, die einen 1998er Kleinfischbacher Blocksberg sofort vom 1999er Jahrgang zu scheiden wissen.”

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