Papier, WWF, Frauenfußball

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Ich habe sie so lange bearbeitet, bis sie ‘Ja’ sagten”
(einestages.spiegel.de, Hanno Krusken)
Hanno Krusken erinnert sich an seine Zeit als Fotograf für die Illustrierte “Quick”. “Der Brotjob bestand im Aufspüren menschlicher Schicksale. Und wenn es keine dramatischen Ereignisse gab, musste sich die Redaktion etwas einfallen lassen – etwa mit einer Anzeige in der Lokalzeitung, in der sie ‘Kindermütter’; ‘Eltern, die ihr Kind verloren haben’ oder sonst wie anders Betroffene suchte, deren Erlebnisse sie zu Sammelgeschichten zusammenfasste und dann einen ‘Trend’ deklarierte.”

2. “Betonierung des status quo”
(perlentaucher.de, Thierry Chervel)
Thierry Chervel kommentiert die Klage deutscher Printverlage gegen die “Tagesschau”-App: “Sie versuchen im Moment des Verschwimmens der Gattungsgrenzen zwischen den Medien ihren vormaligen Status zu zementieren. (…) Das eigentlich Absurde an den öffentlich-rechtlichen Anstalten sind jedenfalls nicht die Tagesschau-Apps. Die politischen Aufgaben sind viel tiefgreifender. Das Problem ist das Festhalten an Strukturen, die vor dreißig jahren noch Sinn gehabt haben mögen.”

3. “Das Hoffen auf die ewige Kraft des Papiers”
(netzwertig.com, Martin Weigert)
Zeitungs- und Zeitschriftenmacher neigen dazu, die technische Entwicklung zu ignorieren und Print zu romantisieren. “Irgendwann werden bis auf einige wenige Sammler alle Konsumenten über die Pro-Print-Argumente aus der Zeit des digitalen Wandels schmunzeln.”

4. “Die verflixten 7”
(journalist.de, Ernst-Marcus Thomas)
Sieben Tipps für eine lebendige Radiomoderation, die ohne abgestandene Formulierungen und unpassende Adjektive auskommt.

5. “Der Pakt mit dem Panda: Was uns der WWF verschweigt”
(mediathek.daserste.de, Video, 43 Minuten)
Eine WDR-Reportage beleuchtet die Zusammenarbeit des WWF mit der Bank HSBC und Palmölherstellern: “Warum kooperiert der WWF mit Unternehmen, die die Natur zerstören?” Eine Entgegnung findet sich auf wwf.de, ein Interview mit dem Autor des Films, Wilfried Huismann, auf radiobremen.de (Audio, 7 Minuten).

6. “sportstudio-Classics: Die Anfänge des Frauenfußballs”
(youtube.com, Video, 3:27 Minuten)
Das Thema Frauenfußball im Sportstudio von 1970 mit dem Moderator Wim Thoelke.

Sarg die Wahrheit! (2)

Am 6. April berichtete Bild.de über die Schauspielerin Hanna Köhler (bekannt aus der ARD-Serie “Marienhof”), die am 17. März verstorben war, und schrieb:

Jetzt steht ihr Sarg verlassen in einer Bestattungshalle, kein Angehöriger hat sich bisher gemeldet. (…)

Was keiner wusste: Der Sarg mit der Leiche steht seit ihrem Tod einsam in einer Bestattungshalle des Zentralfriedhofs Ulm.

Das stimmte nicht, denn Köhler war bereits am 28. März eingeäschert worden, mehr als eine Woche vor Erscheinen des Artikels (BILDblog berichtete).

Wir haben uns beim Presserat über diese offensichtlich falsche Berichterstattung beschwert, weil wir darin Verstöße gegen die Ziffern 1 (“Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde”) und 2 (“Sorgfalt”) des Pressekodex sahen. Bild.de sah das erwartungsgemäß anders: In der Stellungnahme gegenüber dem Presserat erklärte die Rechtsabteilung, die Redaktion habe “wahrheitsgemäß” über den Tod von Hanna Köhler berichtet.

Nach Durchsicht des Textes müsse die Rechtsabteilung jedoch einräumen, dass der Artikel missverständlich aufgefasst werden könne. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung (06.04.2011) habe der Leichnam nicht mehr in der Leichenhalle gestanden. Hanna Köhler sei bereits am 28.03.2011 eingeäschert worden. Der fertige Artikel sei aufgrund einer redaktionellen Planungsänderung jedoch erst zwei Wochen später veröffentlicht und nicht mehr aktualisiert worden. In der Gesamtbetrachtung sei dieser Fehler jedoch nicht als gravierend einzustufen. Denn tatsächlich habe der Sarg mit dem Leichnam über eine Woche einsam in der Bestattungshalle gestanden. Insgesamt sei die Redaktion ihrer Chronistenpflicht in verantwortlicher Weise nachgekommen.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Der Presserat wollte sich der Springer-internen Einschätzung, der Fehler sei nicht gravierend, nicht anschließen. Nach einstimmiger Ansicht der Mitglieder habe die Redaktion den Vorgang “nicht wahrheitsgemäß” dargestellt. Nach Ansicht des Gremiums hätte es die journalistische Sorgfaltspflicht erfordert, “dass die Redaktion den Beitrag vor Veröffentlichung noch einmal prüft und aktualisiert”. Wegen des Verstoßes gegen die Ziffern 1 und 2 des Pressekodex sprach der Beschwerdeausschuss Bild.de einen “Hinweis” aus.

Paul Ronzheimer, Soft-News, Bienenbüttel

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1. “Jugend hetzt”
(coffeeandtv.de, Lukas Heinser)
Lukas Heinser fragt sich, was den 25-jährigen, mit dem Herbert Quandt Medien-Preis für die Artikel-Serie “Geheimakte Griechenland” ausgezeichneten Paul Ronzheimer dazu bringt, “in Europas größter Boulevardzeitung Halbwahrheiten und plumpe Hetze zu verbreiten”. Siehe dazu auch Stefan Niggemeier: “Und die Eulen wollen wir auch zurück!”.

2. “Qualitätsjournalismus unter Druck”
(nzz.ch, Martina Leonarz, Werner A. Meier und Gabriele Siegert)
Autoren des Instituts für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich fassen mehrere wissenschaftliche Analysen zusammen. Im Abschnitt Boulevardisierung heisst es: “Unterhaltung und Soft-News werden wichtiger. Aus einer wirtschaftlichen Warte wird Boulevardisierung mit der Sicherung der Leserschaft verbunden.”

3. “Katz-und-Maus-Spiel in Chinas Medien”
(diepresse.com, Jutta Lietsch)
Ein Interview mit der Journalistin Nailene Chou Wiest über Medienzensur in China: “Wer die Anweisungen der Propaganda-Abteilungen nicht befolgt, darf seine Nachrichtenseite 24 Stunden lang nicht aktualisieren. Das ist tödlich fürs Geschäft.”

4. “Wie Bienenbüttler über Journalisten denken”
(ndr.de, Video, 3:22 Minuten)
EHEC: Einwohner von Bienenbüttel erzählen mit Belustigung und Verwunderung von der kurzzeitigen Belagerung durch internationale TV-Teams.

5. “Merkels Verkäuferin”
(tagesspiegel.de, Thomas Gehringer)
Ein Kurzporträt von Eva Christiansen, Medienberaterin der Bundeskanzlerin. Zum Verhältnis zwischen Medien und Politik sagt sie: “Wir sind auf beiden Seiten Getriebene und treiben uns gegenseitig. Ich empfinde mein Tagesgeschäft als ein Hinterherlaufen der Nachricht der Nachricht der Nachricht.”

6. “Preisträger des Grimme Online Award 2011”
(grimme-institut.de)

AFP  

Doktor-Spüle

Geschirrspülmaschinen können tödlich sein, so der Tenor einer neuen Studie, die sich Schimmelpilzen in den beliebten Haushaltsgeräten widmet.

Knallerstory, befand auch der deutsche Ableger der AFP und haute eine Meldung raus, die zahlreiche Medien gerne übernahmen.

Darin heißt es:

Die Pilze, die in mehr als der Hälfte der Gummiabdichtungen der Spülmaschinentüren gefunden wurden, können in der Lunge eine Stoffwechselkrankheit verursachen, die zystische Fibrose.

Nun ist die zystische Fibrose (auch bzw. eher bekannt als Mukoviszidose) eine angeborene Erbkrankheit. Wie soll die von einem Schimmelpilz ausgelöst werden?

Der Verlag, in dem die Studie erschienen ist, hatte in seiner Pressemitteilung geschrieben:

Exophiala dermatitidis is rarely isolated from nature, but is frequently encountered as an agent of human disease, both in compromised and healthy people. It is also known to be involved in pulmonary colonization of patients with cystic fibrosis, and also occasionally causes fatal infections in healthy humans. The invasion of black yeasts into our homes represents a potential health risk.

Das ist zugegebenermaßen ein Absatz mit vielen Fremdwörtern. Aber mit ein bisschen Mühe kommt raus, dass der Schimmelpilz Exophiala dermatitidis (eine sog. schwarze Hefe) häufig als Krankheitserreger bei geschwächten und gesunden Menschen auftritt. Er trägt zur Lungenbesiedlung von Patienten mit Mukoviszidose bei und sorgt gelegentlich auch für tödliche Infektionen bei gesunden Menschen.

Mit anderen Worten: Der Pilz ist für Menschen mit Mukoviszidose besonders gefährlich, aber er verursacht sie nicht.

Mit Dank an Daniela B.

Presserat missbilligt Nutella-Geschmiere

(Diese Geschichte lag ein bisschen bei uns rum, ist aber immer noch gut.)

Anfang März erschien in der “Bild”-Zeitung ein erstaunlicher Hinweis “In eigener Sache”:

Am 08.01.2011 hatten wir im Rahmen eines Interviews mit Mats Hummels dessen Tätigkeit als Werbepartner und das von ihm beworbene Produkt in unangemessener Weise betont. Wir bedauern dies.

Das ist eine erstaunlich treffende Beschreibung für das “Nutella-Frühstück”, zu dem sich “Bild” Anfang Januar mit dem Dortmunder Bundesliga-Spieler Mats Hummels getroffen hatte. Der Brotaufstrich war in Wort und Bild groß in Szene gesetzt:

Die Bild.de-Version des Artikels ist Anfang März ebenfalls durch Hinweis “In eigener Sache” ersetzt worden.

Was war passiert? Nun, es könnte etwas damit zu tun haben, dass BILDblog sich beim Presserat über die Werbegeschichte beschwert hatte. Im Lauf des Verfahrens bekommt dann immer das Medium Gelegenheit zu Stellungnahme, und in diesem Fall fiel sie für “Bild”-Verhältnisse ungewöhnlich aus:

Die Rechtsabteilung der Axel Springer AG räumte ein, einen Fehler gemacht zu haben. Der Presserat fasst ihre Erklärung so zusammen:

Zwar sei der Begriff der sogenannten “Nutella-Boys” (…) in Sportkreisen und auch anderen Medien inzwischen allgemein verbreitet. (…) Dennoch hätte die penetrante Nennung des Produktnamens in BILD-(Ruhr) keineswegs erfolgen dürfen. Die Chefredaktion habe den Artikel umgehend moniert und mit den Kollegen besprochen. Leider sei zu diesem Zeitpunkt der Artikel bereits von BILD-Online übernommen worden.

Der Presserat sah in dem “Nutella-Interview” klar Schleichwerbung, wertete die Erklärung “in eigener Sache” aber zugunsten der Zeitung und sprach deshalb keine “Rüge”, sondern nur eine “Missbilligung” aus.

AOL, Tagesschau-App, Konflikte

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1. “AOL Hell: An AOL Content Slave Speaks Out”
(thefastertimes.com, Oliver Miller, englisch)
Ein eindrücklicher Bericht aus der AOL-Klickfabrik, in der es ganz egal geworden ist, was in einem Artikel steht, solange alles andere stimmt: “When it comes to an article, what AOL cares about is the title, and the ‘keywords’ that will make the article more likely to show up among the top results on Google. You type phrases into ‘Google Trends,’ and it suggests the most popular combination of words associated with that topic. You then stick those words into your title and first paragraphs. Rinse, wash, and repeat.” Siehe dazu auch diesen Artikel auf t3n.de. Hintergründe zum “eighth degree, black belt idiot” auf techcrunch.com.

2. “The Schlong Goodbye”
(thedailyshow.com, Video, englisch, 4 Minuten)
Wie US-TV-Sender reagieren, als Nancy Pelosi bei einer Pressekonferenz gleich zu Beginn klarstellt, dass sie nicht über den aufgrund einer Sexaffäre zurückgetretenen Abgeordneten Anthony Weiner, sondern über Jobs, Medicare und die Mittelklasse reden wird.

3. “Die Tagesschau-App und das Märchen von der Wettbewerbsverzerrung”
(claushesseling.de)
Claus Hesseling hält die Klage verschiedener deutscher Zeitungsverlage gegen die App von tagesschau.de für einen schlechten Witz. “Vielleicht dämmert es auch bald den Verlagsmanagern: Aktuelle Nachrichten wird es immer immer immer frei und kostenlos im Netz geben. Egal ob auf tagesschau.de, Twitter oder anderen Quellen.”

4. “Ha-haaaaaaaaa”
(katjakullmann.de)
“Soeben ereilt mich ein überaus dringender Anruf. Ein berühmtes People-Magazin aus München war dran: Man habe gehört, dass ich komplett pleite sei und kaum noch zu essen habe – ob man bitte schnell eine Homestory machen könne (‘mit Fotos’) – und ob und wann denn mein neues Buch eigentlich erscheine.”

5. “BILD gefällt mir nicht!”
(duesteregrenze.wordpress.com, Stefan Grenz)
Stefan Grenz schreibt über “Bild”: “Solange Journalisten anderer Medien BILD zitieren, solange machen sie sich mitschuldig am Erfolg von BILD.”

6. “Wie deutsche Medien Konflikte klassifizieren”
(graphitti-blog.de, katja)

Bild  

Wer stoppt diesen Irrsinn?

Die Geschichte kennt mittlerweile jeder Opa: Als sie via Facebook zu ihrer Geburtstagsfeier einladen wollte, legte die damals 15-jährige Thessa aus Hamburg versehentlich eine “öffentliche Veranstaltung” an — und mehr als 14.000 Leute sagten zu. Obwohl ich Facebook recht intensiv nutze, hätte ich von der Einladung womöglich nie etwas mitbekommen, bis die Medien anfingen, darüber zu berichten. Und diese Berichte wiederum Verbreitung bei Facebook fanden.

Letztlich kamen rund 1.600 Besucher nach Hamburg-Bramfeld, wo ein privater Sicherheitsdienst, rund 100 Polizisten inklusive Reiterstaffel und etliche Kamerateams auf sie warteten. Es kam zu Sachbeschädigungen, elf Personen mussten in Polizeigewahrsam. Der Pressesprecher der Hamburger Polizei sagte dem NDR-Medienmagazin “Zapp”, die Polizei gehe davon aus, dass die intensive Medienberichterstattung “das Ganze etwas angeheizt” habe.

Seit diesem Vorfall zirkulieren angeblich vermehrt (absichtliche) Einladungen zu unangemeldeten Großveranstaltungen in sozialen Netzwerken — und die Medien, die nichts aus ihrer Handlangerschaft gelernt haben, trommeln fröhlich weiter dafür.

Das hässliche Gesicht von Facebook. Wer stoppt diesen Irrsinn?

So berichtete “Bild” in NRW gestern über den “Irrsinn”, der sich in Wuppertal ereignet hatte, als am vergangenen Freitag rund 800 Menschen zu einer per Facebook angekündigten Flashmobparty im Stadtteil Ronsdorf aufliefen. Direkt nach der Bilanz der Polizei (“41 Festnahmen, 16 Verletzte”), schreibt “Bild” bedeutungsschwer:

Und die nächste Party ist im Internet schon ausgerufen.

Und nicht nur im Internet, denn “Bild” nennt das genaue Datum, die genaue Uhrzeit und den genauen Ort für die geplante Party, sowie sicherheitshalber auch noch den Titel, unter dem man die Veranstaltung bei Facebook finden kann. Statt der 900 User, von denen “Bild” gestern schrieb, haben derzeit schon mehr als 1.600 ihr Kommen angekündigt.

Eine Sprecherin der Stadt Wuppertal bezeichnete die mediale Berichterstattung im Vorfeld als “kontraproduktiv”. Die Medien, zu denen nicht nur “Bild”, sondern auch Radio- und Fernsehstationen gehörten, würden “indirekt extreme Werbung” für die Veranstaltung machen, eine “zurückhaltendere Berichterstattung wäre wünschenswert”.

Doch auch heute berichtet “Bild” in der NRW-Ausgabe über die “Facebook-Party-Randale” in Wuppertal und zeigt dabei einen Screenshot von der Veranstaltungsseite auf Facebook, damit auch der dümmste User sichergehen kann, dass er nicht bei der falschen geplanten (inzwischen von der Stadt untersagten) Party zusagt.

Und wer nicht den weiten Weg nach Wuppertal auf sich nehmen will, für den hat “Bild” noch andere … äh: Veranstaltungstipps. Für zwei weitere geplante Flashmobs (von denen einer tendenziell eher harmlos ist) in Gelsenkirchen und Marl nennt die Zeitung die Termine und die genauen Veranstaltungsorte.

Spiegel Online, Blödmaschinen, Griechen

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1. “Spiel, Spaß, Spannung, ‘Spiegel Online'”
(stefan-niggemeier.de)
“Spiegel Online” wünscht sich von den Ereignissen, dass sie spannend sind. “Vielleicht hätten sie beim ZDF, sobald sie ahnten, dass die Intendanten-Wahl so glatt über die Bühne gehen würde, wenigstens das Fernsehballett einladen können oder gefährliche Tiere oder Lady Gaga, und zwar am besten ohne Anlass, damit ‘Spiegel Online’ aufgeregt ‘Überraschung bei der Intendantenwahl’ titeln könnte.”

2. “Ihr könnt nach Hause fahr’n”
(11freunde.de, Dominik Drutschmann)
Auf Antrag werden die anwesenden Journalisten von der Jahreshauptversammlung des Fußballvereins Schalke 04 ausgeschlossen. Bleiben darf nur, wer Mitglied des Vereins ist.

3. “Print Bam Bino für die Kunden von morgen”
(welt.de, Marc Reichwein)
Mit Titeln wie “Dein Spiegel”, “Geolino” oder “mare Ahoi” betreiben Printverlage eine Aktivinvestition in die Lese-Sozialisiation von Kindern. “Wer eine ganze Kindheit & Jugend weitgehend printmedienabstinent war, wird sich den regelmäßigen Konsum von Zeitungen und Zeitschriften wohl auch als Erwachsener kaum noch angewöhnen.”

4. “Der letzte Dreck”
(dradio.de, Ariadne von Schirach)
Ariadne von Schirach entdeckt in den 780 Seiten von “Blödmaschinen. Die Fabrikation der Stupidität” von Markus Metz und Georg Seeßlen “brillante Analyse, polemische Anklage und undifferenziertes Geraune”. “Die obszöne Totalität einer blödmaschinenenvermittelten Wirklichkeit führt bei Metz und Seeßlen zu einem ebenfalls obszönen Exzess an Kritik.”

5. “Jon Stewart Eviscerates Fox News On Fox News”
(gothamist.com, Video, 24:11 Minuten, englisch)
Jon Stewart zu Besuch bei Chris Wallace von “Fox News Sunday”. Sie sprechen über das Fox-News-Motto “Fair & Balanced”, über die Agenda von Medien, über die Aufmerksamkeit im Fall Anthony Weiner.

6. “Das griechische Volk ist unschuldig”
(zeit.de, Zacharias Zacharakis)
Griechenland: Zacharias Zacharakis stellt fest, dass nicht die einfachen Leute, sondern die Elite für die Schuldenkrise verantwortlich ist. “Die Griechen fühlen sich betrogen von den Eliten des Landes, die am stärksten von dem weitverbreiteten System der Korruption profitiert haben. Ganz am Ende dieser Nahrungskette standen immer die einfachen Leute, die für Arztbesuche, für Behördengänge, dafür, dass ihre Angelegenheiten überhaupt erledigt wurden, in das korrupte System einzahlen mussten, auch wenn es sich oft um geringe Beträge handelte. Profitiert haben davon Beamte, Ärzte, Notare, Anwälte, die dieses Geld nahmen und davon Ferienhäuser und Autos kauften.”

Der Abrechnung zweiter Teil

Vorletzten Donnerstag erschien in der “Zeit” ein Interview mit Jörg Kachelmann. “Bild” veröffentlichte am darauf folgenden Tag die knackigsten Zitate und warb dafür auf Bild.de mit dem irreführenden Satz:

Die ganze Abrechnung lesen Sie heute in BILD – die bekommen Sie entweder gedruckt am Kiosk oder bei iKIOSK zum Download.

Die “Zeit” ging juristisch dagegen vor, Bild.de gab eine Unterlassungserklärung ab (BILDblog berichtete).

Vergangenen Donnerstag erschien im Klatschmagazin “Bunte” ein Interview mit der Ex-Geliebten Jörg Kachelmanns, die ihn vor Gericht der Vergewaltigung bezichtigt hatte. Bild.de veröffentlichte schon am Vortag die knackigsten Zitate und zeigte dabei auch diesen Teaser:

Kachelmann rechnet brutal ab! — Die ganze Abrechnung in BILD

Das war – vorsichtig gesagt – blöd, denn damit verstieß Bild.de gegen die Unterlassungersklärung, die “Bild Digital” gegenüber der “Zeit” abgegeben hatte. Die “Zeit” fordert deshalb jetzt eine Vertragsstrafe von “Bild Digital” ein, zu deren Höhe sie sich auf unsere Anfrage hin nicht äußern wollte.

Ein Sprecher der Axel Springer AG erklärte gegenüber dem “Spiegel”, die erneute Veröffentlichung des Teasers sei “eine Verkettung unglücklicher Umstände und ein individueller Fehler in der Redaktion” gewesen. Inzwischen ist der Teaser auf Bild.de verschwunden.

Mit Dank auch an Tom Z.

Der letzte Flug ging später

Am 25. Juli 2000 endete die Ära der Concorde mit dem schrecklichen Absturz am Pariser Flughafen Charles de Gaulle. Der Überschalljet fing kurz nach dem Start Feuer und stürzte ab. 113 Menschen fanden den Tod, 109 in der Maschine und vier am Boden. Seit diesem Unfall starteten keine Concorde-Flüge mehr.

Mit diesen stimmungsvollen Sätzen beginnt ein Artikel über die neue Überschallflugzeug-Studie des EADS-Konzerns auf der Website des “Hamburger Abendblatts”.

Doch sie sind falsch: Nach dem Absturz vom 25. Juli 2000 wurden zunächst für 15 Monate alle Concorde-Flüge ausgesetzt. Nach technischen Nachbesserungen nahmen British Airways und Air France den Linienbetrieb im Herbst 2001 wieder auf. Wegen gestiegener Wartungskosten und gesunkenem Passagierinteresse (auch in Folge der Anschläge vom 11. September 2001) entschieden beide Airlines im Jahr 2003, ihre Concordes außer Dienst zu stellen. Der letzte Passagierflug einer Concorde fand am 24. Oktober 2003 von New York nach London statt.

Mit Dank an Jens D.

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