Suchergebnisse für ‘heute anonym’

Gates noch, Ken?, RKI beendet Pressekonferenzen, Overblocking

1. Das ist dran an Ken Jebsens großer Gates-Verschwörung
(t-online.de, Jonas Mueller-Töwe)
Ken Jebsen hat auf seinem Youtube-Kanal “KenFM” einen halbstündigen Monolog veröffentlicht, der innerhalb von wenigen Tagen rund drei Millionen Mal angeklickt wurde. Das Opus heißt “Gates kapert Deutschland” und gibt damit bereits die Marschrichtung vor. Jonas Mueller-Töwe hat sich die Mühe gemacht, das Video einem Faktencheck zu unterziehen. Sein Fazit, nachdem er viele der im Video erhobenen Behauptungen als falsch entlarvt hat: “Jebsen ist — anders als er behauptet — kein Journalist. Er ist ein politischer Aktivist mit einer radikalen Agenda, die Links- und Rechtsradikale vereinen soll.”

2. Gegen das Virus der Falschinformation
(tagesschau.de, Marcel Kolvenbach)
Internationale Ärzte, Virologen und Wissenschaftlerinnen wehren sich mit einem Offenen Brief gegen “das Virus der Falschinformation”. Das Thema sei auch in Deutschland evident: Dem SWR liege eine “NewsGuard”-Studie vor, die sich mit den “Superspreadern” in Deutschland beschäftige. Dort habe man elf Facebook-Seiten identifiziert, die Falschinformationen zur Corona-Pandemie an eine besonders große Gefolgschaft verbreiten würden. Konkret erwähnt: RT Deutsch, “Der Wächter”, “Frieden Rockt”, Dr. Ruediger Dahlke, “Compact”, “Anonymous Deutschland”, “Augen Auf”, “Freidenkerkollektiv”, “Medizin Heute”, “Anonymous Offiziell” und “Russische Nachrichten”.

3. Brief des ARD-Freienrats wegen der Corona-Krise
(ard-freie.de, Christoph Reinhard)
Der sogenannte ARD-Freienrat versteht sich als Interessenvertretung für freie Journalistinnen und Journalisten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Er mache sich derzeit große Sorgen um die nach seinen Angaben rund 18.000 Freien, denen aufgrund der Corona-Krise die Einnahmen wegbrächen. Nun hat sich die Organisation mit einem Offenen Brief an die Verantwortlichen gewandt: “Wenn sich die Situation nicht bald ändert, gehören auch wir als Journalist*innen zu den Verlierern in der Corona-Krise. Das Programm in Hörfunk und Fernsehen sowie online und auf Social Media-Kanälen wird weitgehend von Freien gestemmt. Indirekt laufen die Sender damit also auch Gefahr, ihrem Informations- und Bildungsauftrag nicht mehr gerecht werden zu können.”

4. Overblocking: YouTube muss entsperren
(kanzleikompa.de, Markus Kompa)
Medienanwalt Markus Kompa berichtet von Löschvorgängen bei Youtube im Zusammenhang mit der Corona-Krise. Davon betroffen sei auch ein Video eines seiner Mandanten gewesen, das eine Aufforderung zum Widerstand enthalten habe. Dagegen habe sich dieser erfolgreich juristisch zur Wehr gesetzt: “Zwar hat ein privater Konzern grundsätzlich Hausrecht und kann sich aussuchen, wen er reinlässt. Nun ist YouTube/Google aber marktbeherrschend. Daher strahlen die Grundrechte auch auf einen Konzern aus, sogenannte mittelbare Drittwirkung. Ein Eingriff in die Meinungsfreiheit ist daher nur gerechtfertigt, wenn dieser nicht willkürlich geschieht. Sofern die Hausregeln und die Gesetze beachtet wurden, muss YouTube daher den Nutzer gewähren lassen.”

Bildblog unterstuetzen

5. Links zugespitzt
(sueddeutsche.de, Tobias Obermeier)
In den USA sei das Magazin “Jacobin” eines der einflussreichsten Meinungsmedien der demokratischen Sozialisten. Nun erscheint es auch in deutscher Sprache. Tobias Obermeier über die erste Ausgabe: “Die Texte scheuen sich nicht vor Zuspitzungen. Besonders schön sind Illustrationen und grafische Aufarbeitungen wie zu den ‘sozialdemokratischen Verbrechen’ oder eine Übersicht deutscher Milliardäre, die zusammen locker ein Klimaschutzprogramm der Vereinten Nationen finanzieren könnten und immer noch Milliardäre wären.”

6. Ein völlig verkehrtes Signal
(taz.de, Malte Kreutzfeldt)
Als “völlig verkehrtes Signal” bezeichnet Malte Kreutzfeldt die Entscheidung des Robert-Koch-Instituts, seine regelmäßigen Pressekonferenzen bis auf Weiteres einzustellen: “Das Robert-Koch-Institut sollte seine Entscheidung (…) schnell revidieren. Gerade jetzt, wo die Beschränkungen weiter gelockert werden und der Bund die Verantwortung weitgehend an die Länder überträgt, ist eine qualifizierte Bewertung des aktuellen Geschehens besonders wichtig.”

Medien in der Corona-Krise, Hass und Angriffe, Attila Hildmanns Medienspiel

1. ZAPP spezial: Medien in der Corona-Krise
(ndr.de, Annette Leiterer & Gudrun Kirfel & Daniel Bouhs & Tim Kukral & Caroline Schmidt & Sebastian Asmus & Andrea Brack Peña)
Das NDR-Medienmagazin “Zapp” widmet sich in einer halbstündigen Sendung den verschiedenen Auswirkungen der Corona-Krise auf die Medienbranche. Es geht unter anderem um Rekordreichweiten durch Corona, um Rettungspakete für Medien, um Kurzarbeit und um TV-Millionen für das Fußballgeschäft.

2. “Träumen Sie süß”
(sueddeutsche.de, Nadia Pantel & Nicolas Richter)
Die WDR-Journalistin Ann-Kathrin Stracke wirft dem früheren französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing vor, sie Ende 2018 nach einem Interview-Termin sexuell belästigt zu haben. Eine vom Sender beauftragte Kanzlei sei in ihrem Abschlussbericht zu dem Ergebnis gekommen, Strackes Schilderungen (und die ihres Kameramanns) seien “insgesamt glaubhaft und legen den Schluss nahe, dass der Sachverhalt sich genau so zugetragen hat wie beschrieben”.

3. Attila Hildmanns Krisenmanagement
(belltower.news, Thilo Manemann)
Der Koch und Verschwörungsideologe Attila Hildmann spielt bereits seit Jahren mit den Medien und weiß, mit welchen Provokationen und großspurigen Auftritten er Aufmerksamkeit generieren kann. Derzeit inszeniere er sich als martialischer Widerstandskämpfer, als “Hüter der Wahrheit in einer Welt der Lüge und Manipulation”. Thilo Manemann hat sich angeschaut, wie Hildmann seine “Desinformationen und Maulheldenpostings” unters Volk bringt und versucht, dabei Werbung für seine Produkte zu machen. Was mal mehr und mal weniger gelingt, denn ein großes Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen habe Hildmanns Produkte bereits ausgelistet.

Bildblog unterstuetzen

4. Hass und Angriffe auf Medienschaffende
(mediendienst-integration.de, Jennifer Pross)
Eine neue Studie des Bielefelder Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung zu Hass und Angriffen auf Medienschaffende (PDF) berichtet von besorgniserregenden Zahlen. 62 Prozent der anonym befragten Journalisten und Journalistinnen sähen die Freiheit und Unabhängigkeit journalistischer Arbeit in Deutschland in Gefahr. Mehr als die Hälfte habe Verständnis dafür, wenn Kolleginnen und Kollegen aus Sorge vor Angriffen nicht über bestimmte Themen berichten würden.
Weiterer Lesehinweis: ARD-Kamerateam auf Demonstration angegriffen (spiegel.de). Siehe auch das etwa zweiminütige Video, das einen Angriff bei einer Anti-Corona-Demo von Verschwörungstheoretikern rund um Attila Hildmann dokumentiert (twitter.com/democ_de).

5. Sich schön inkorrekt durchamüsieren
(zeit.de, Johannes Schneider)
Johannes Schneider hat einen lesenswerten Beitrag über das Kabarett im Allgemeinen und die Kabarettistin Lisa Eckhart im Besonderen, der er “unmoralische Boshaftigkeit” vorwirft, verfasst: “Diese Grenzverletzungen fördern keinerlei Erkenntnis, demaskieren weder Macht noch kulturelle Vorurteile, reproduzieren sie vielmehr. Komisch finden kann das nur ein verklemmtes Publikum, das denkt: Hihi, darüber macht man doch keine Witze. Dieses verklemmte Publikum gibt es natürlich, und wer gelernt hat, seinen Erfolg in Applaus und Aufmerksamkeit zu messen, findet hier gewiss dankbare Goutanten von Gratismut. Satire darf ja schließlich alles, und also muss sie auch auf den Gräbern der Ermordeten und den Nerven der Lebenden rumtrampeln dürfen.”
Weiterer Lesetipp: Antisemitismus-Vorwürfe: WDR verteidigt Kabarettistin Lisa Eckhart (rnd.de).

6. Zeugen des Krieges – Kriegsfotografie im Wandel
(3sat.de, Christiane Schwarz, Video: 58:34 Minuten)
Die Art und Weise, wie Kriege geführt werden, hat sich über die Jahrzehnte verändert und parallel dazu auch die professionelle Kriegsfotografie. In einer 3sat-Doku berichten vier Kriegsfotografinnen und -fotografen über ihre Einsätze in Krisenherden und Kriegsgebieten rund um den Globus. Dabei geht es auch um die Fotografien von Augenzeugen in den Sozialen Medien: “Der Kampf um die Hoheit des Bildes ist entbrannt wie noch nie zuvor. Gehen damit der künstlerische Anspruch und die journalistische Neutralität verloren? Ersetzt das primäre Augenzeugen-Foto heute gewissermaßen den Blick der Fotojournalist*innen?”

Schoßhund-Fragen sind bei “Bild” Chefsache

Wenn der Außenminister der USA bei “Bild live” ein Interview gibt, dann ist das selbstverständlich Chefsache.

Screenshot Bild live - zu sehen sind Bild-Chefredakteur Julian Reichelt und US-Außenminister Mike Pompeo

Julian Reichelt durfte Mike Pompeo ein paar Fragen stellen. Und das hat der “Bild”-Chefredakteur genutzt — größtenteils um seine eigene Agenda abzuspulen: gegen Angela Merkel, gegen Heiko Maas, gegen die Berliner Landesregierung, gegen China.

Das schon mal vorweg: Keine der Fragen, die Reichelt in dem Interview unterbringen konnte, zielte auf mögliche Fehler oder Versäumnisse der US-Regierung in der Corona-Krise und die damit verbundene schlimme Lage in den USA. Keine Frage zu Donald Trumps Herunterspielen der Situation. Keine zu der späten Reaktion des US-Präsidenten auf das Coronavirus. Nicht mal ein vorsichtiges: “Hätte Ihre Regierung irgendetwas besser machen können, Herr Pompeo?”

Stattdessen: reichlich Suggestivfragen im Stile von “Derundder hat dasunddas gegen die USA gemacht. Ist das nicht schlimm?” Und, na klar: die Pflichten von Angela Merkel. Reichelt beginnt das Interview mit dieser Frage:

Amerika hat weltweit die meisten Toten in der Corona-Krise zu beklagen. Gibt es etwas, was das amerikanische Volk in dieser dramatischen Krise von Deutschland erwartet? Was ist Ihre Botschaft an Kanzlerin Angela Merkel?

Was für eine Verknüpfung: “die meisten Toten in der Corona-Krise” in den USA — was soll Angela Merkel jetzt liefern? Mike Pompeo steigt darauf nicht ein. Er lobt Deutschland und die Bundeskanzlerin als “großartige Partner”.

Weiter geht es mit mit Reichelts Frage zum deutschen Außenminister Heiko Maas, denn der hat es doch tatsächlich gewagt, die USA zu kritisieren:

Der deutsche Außenminister Heiko Maas hat die USA und China in einem Atemzug kritisiert. Er hat gesagt: China hätte zu autoritär auf die Corona-Krise reagiert, die USA hingegen hätten das Problem verharmlost. Macht es Sie ärgerlich, wenn die Diktatur China und die Demokratie USA in einem Atemzug so kritisiert werden?

Was soll Mike Pompeo darauf schon antworten? “Nee, finde ich super”? Stattdessen erzählt er, US-Präsident Trump habe “sehr starke Maßnahmen ergriffen, um unser Volk zu schützen.” Die chinesische Regierung hingegen hätte nicht schnell genug Informationen geliefert. Das sei “natürlich sehr bedauerlich”.

Wenn Reichelt ein wirkliches Interesse an dem Thema hätte, könnte er da natürlich mal nachhaken und anmerken, dass Donald Trump das Coronavirus noch verharmloste, als längst sehr hohe offizielle Infektionszahlen aus China bekannt waren. Macht er in seiner Schoßhundhaftigkeit aber nicht.

Dafür die nächste Suggestivfrage:

Die Berliner Regierung hat den USA sogar Piraterie vorgeworfen, fälschlich vorgeworfen, weil angeblich die USA Masken konfisziert haben sollten auf dem Weg nach Berlin, mussten sich später dafür entschuldigen. Sind Sie besorgt über diese Form von Anti-Amerikanismus in der deutschen Hauptstadt?

Es scheint, als gehe der “Bild”-Chef noch einmal die “Bild”-Aufregerthemen der vergangenen Tage durch, mit dem Ziel, die “Bild”-Positionen durch den US-Außenminister bestätigen zu lassen.

Nachdem Reichelt gefragt hat, ob es nicht eine Möglichkeit wäre, die “Zölle auf amerikanische Produkte in Deutschland oder in der EU zu senken, um die US-Wirtschaft weiter anzukurbeln”, geht es weiter mit der Bestätigung von Feindbildern:

Sie haben es selber gesagt: Diese Krise hat begonnen in Wuhan, China. Braucht es eine globale Debatte darüber, ob der chinesischen Regierung für die massiven Schäden, die weltweit angerichtet worden sind, eine Rechnung präsentiert werden muss?

Mike Pompeo lässt sich darauf nicht ein. Er antwortet (laut “Bild”-Simultanübersetzung), dass es mehr als eine solche “globale Debatte” brauche:

Wir müssen herausfinden: Wie konnte das passieren, um sicherzustellen, dass so etwas nie wieder passiert, oder wir zumindest das Risiko minimieren, dass so etwas je wieder passiert. Das ist wirklich essenziell: Dass wir verstehen, wo dieses Virus herkam, um das Risiko zu minimieren. (…) Es wird wirklich hohe Kosten geben. Und deswegen müssen wir sicherstellen, dass kein Land auf der Welt wieder der Ursprung einer solchen Krise sein kann.

Pompeo sagt nichts zu der “Rechnung” für die chinesische Regierung, nach der Reichelt gefragt hat. Also fragt der “Bild”-Chef noch mal:

Noch einmal: Soll China für diese Schäden, die dort entstanden sind, finanziell aufkommen?

Pompeo antwortet:

There will be a time when the people responsible will be held accountable. I am very confident that this will happen. At the moment, it’s absolutely necessary to focus on the current task in order to systematically restart the American, and then also the global, economy. There will be a time for assigning blame.

Also:

Es wird eine Zeit geben, in der die verantwortlichen Personen zur Rechenschaft gezogen werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass dies geschehen wird. Im Moment ist es absolut notwendig, sich auf die aktuelle Aufgabe zu konzentrieren, um die amerikanische und dann auch die globale Wirtschaft systematisch wieder in Gang zu bringen. Es wird eine Zeit für Schuldzuweisungen geben.

Daraus macht die “Bild”-Zeitung heute:

Ausriss Bild-Zeitung - US-Außenminister Pompeo im Bild-Intervier - Corona-Verantwortliche werden zur Rechenschaft gezogen

Bei Bild.de, wo die Redaktion eine englische Version des Artikels, der auch in der gedruckten “Bild” erschienen ist, veröffentlicht hat, klingt das etwas weniger vage:

Screenshot Bild.de - Bild interview with US Secretaroy of State Pompeo - China will be liable for the damage done by coronavirus

Die Aussage “China will be liable” hat hat sich die “Bild”-Redaktion ausgedacht.

Mit Dank an Gregor G. und anonym für die Hinweise!

Naidoos Aus bei “DSDS”, Politiker raus, Woody Allens Autobiographie

1. Xavier Naidoo: Endgültiges Aus bei DSDS
(rtl.de)
Das Tischtuch zwischen Xavier Naidoo und dem Sender RTL scheint nun endgültig zerschnitten. Hieß es in der vorangegangenen Stellungnahme noch, Naidoo werde bei der nächsten Sendung von “Deutschland sucht den Superstar” als Juror ausgeschlossen, bezieht sich der Ausschluss nun auf die gesamte Staffel: “Xavier Naidoo ist auf unser Angebot, seine missverständlichen und widersprüchlichen Aussagen plausibel zu erklären, bis heute nicht eingegangen. Wir sehen an den vielen Reaktionen, dass das Thema bewegt, deshalb hätten wir eine unmittelbare, öffentliche Diskussion mit ihm gut gefunden. Das ist für uns Meinungsfreiheit. Dazu ist es aber nicht gekommen. Deshalb wird es für ihn keine Rückkehr zu DSDS geben.”

2. Politiker raus aus den Talkshows
(fr.de, Katja Thorwarth)
Katja Thorwarth, Kolumnistin der “Frankfurter Rundschau”, hat die Nase voll von den derzeitigen Talkshow-Zusammensetzungen: “Praktiziert wird das Gegenteil von intellektuellem Austausch, vielmehr wirkt die gesellschaftliche Polarisierung auf der Wohnzimmercouch weiter. Daher mein Vorschlag: Alle (!) Politiker raus aus den Talkshows. Stattdessen besprechen Menschen, die weder vom parteipolitischen noch vom Profilierungsdruck gesteuert sind, die relevanten Themen.”

3. Klage gegen “Zeit-Magazin” abgewiesen
(faz.net, Emeli Glaser)
Die Schauspielerin Jany Tempel berichtete der “Zeit” zunächst anonym, der Regisseur Dieter Wedel habe sie angeblich sexuell missbraucht. Nach der Veröffentlichung wurde sie jedoch in gewisser Weise zum Gesicht der Auseinandersetzung und geriet in einen Konflikt, den sie ursprünglich habe vermeiden wollen. Ein Irrtum bei der Beurteilung der Verjährungsfristen spielt dabei eine zentrale Rolle: “Die Münchner Staatsanwaltschaft nahm nach Erscheinen des Artikels ein Ermittlungsverfahren gegen Wedel auf und machte Tempel zur wichtigsten Belastungszeugin. Tempels Anwalt warf daraufhin der ‘Zeit’ vor, sie bezüglich der Verjährung schlecht beraten und anschließend, anders als angeblich zugesichert, nicht unterstützt zu haben. Er verklagte die Zeitung auf Schadensersatz in Höhe von 30.000 Euro, das entspricht der Höhe seines Anwaltshonorars. Nun hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass die ‘Zeit’ nicht zahlen muss.”

4. “An erster Stelle steht für mich die Unterhaltung”
(fachjournalist.de, Ulrike Bremm)
Im Interview mit dem “Fachjournalist” erzählt der Biologe Dr. Mario Ludwig von seiner Arbeit als “Experte für alles Tierische”. Seine Medien-Karriere habe mit einem Buch über Sex im Tierreich begonnen: “Mit dem Thema Sex wurde ich auch für das Fernsehen interessant. Zunächst hat mich Frank Elstner 2006 in seine Talkshow eingeladen, es folgten ‘3 nach 9’, ‘TV total’ und andere. Danach kamen dann Anfragen wie: ‘Wollen Sie nicht mal eine kleine Radiosendung machen, Herr Ludwig?’ Oder Angebote wie: ‘Es wäre schön, wenn Sie eine kleine Kolumne für uns schreiben könnten, Herr Ludwig …'”

5. Der “Perlentaucher” ist uns lieber denn je
(freitag.de, Michael Angele)
Das Online-Kulturmagazin “Perlentaucher” feiert seinen zwanzigsten Geburtstag — Anlass für den “Freitag”-Chefredakteur Michael Angele auf die vergangenen beiden Jahrzehnte des “grundsympathischen” Projekts zurückzuschauen.

6. Rowohlt bringt Woody Allens Autobiographie
(buchreport.de)
Es bleibt dabei: Woody Allens Autobiographie wird wie geplant im Rowohlt-Verlag erscheinen. Daran hat auch der offene Brief einiger Rowohlt-Autorinnen und -Autoren nichts ändern können. Rowohlt-Verleger Florian Illies äußert sich in einem “In eigener Sache” zur Entscheidung des Verlags: “Wir stehen zu der Entscheidung, die Autobiographie von Woody Allen, dessen Erzählungen seit 1980 im Rowohlt Taschenbuch Verlag erscheinen, im April in einer deutschen Übersetzung zu veröffentlichen.” In einem direkten Gespräch mit einigen Autorinnen und Autoren des Offenen Briefs seien die kontroversen Positionen ausgetauscht worden, so die Rowohlt-Presseerklärung: “Dabei wurde deutlich, dass der Brief nicht als Angriff auf die Meinungsfreiheit zu verstehen ist. Wir sehen den Offenen Brief als Zeichen der Verbundenheit der Autorinnen und Autoren mit dem Verlag.”

Alternative Realität, Kneipenwirt, Journalismus mit Behauptung

1. Gezielte Falschmeldungen über Amokfahrt
(tagesschau.de, Patrick Gensing)
Nach der Amokfahrt von Volkmarsen gab es im Internet wilde Spekulationen über die Hintergründe. Ein gerne verwandtes, zusammenfantasiertes Narrativ: Der Täter habe einen Migrationshintergrund, es habe sich um einen islamistischen Anschlag gehandelt. Selbst mit den größten Bemühungen um Aufklärung und Information dringe man manchmal nicht in die alternative Realität mancher Nutzerinnen und Nutzer vor, so Patrick Gensing: “Einige Nutzer vertrauen einer anonymen Webseite aus dem Ausland mehr als sämtlichen Polizisten und Reportern, die vor Ort arbeiten. In Kommentaren werfen sie Polizei, Regierung und Medien vor, sie würden gemeinsam agieren und Informationen zurückhalten, um die Menschen zu belügen. So wachsen Verschwörungstheorien — und geglaubt wird nur noch das, was ins eigene Weltbild passt.”

2. Zensur und Einschränkung von Journalisten
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen wendet sich gegen die chinesische Zensur im Rahmen der Berichterstattung über das Coronavirus. Anfang Februar seien sogar mehrere Journalisten und politische Kommentatoren festgenommen worden. ROG-Geschäftsführer Christian Mihr: “Vollständige Transparenz und eine informierte Öffentlichkeit können verhindern, dass sich Gerüchte verbreiten und die Krise damit verschärfen. Dafür müssen Medienschaffende ungehindert recherchieren können.”

3. Wie Zuckerberg von Hass und Lügen profitiert
(faz.net, Christopher Lauer)
In seinem Gastbeitrag für die “FAZ” stellt Christopher Lauer einen interessanten Vergleich an: “Wir müssen uns Mark Zuckerberg also als einen Wirt vorstellen, in dessen Restaurant sich Nazis, Rechtsextreme und Verschwörungsideologen treffen, andere Gäste bedrohen und beleidigen, sich im Restaurant zu Straftaten verabreden, der aber, statt sich seines Hausrechts zu bedienen und die Idioten einfach rauszuschmeißen, mehr Regulierung fordert. Ach so, wenn die Polizei in seiner Wirtschaft vorbeikommt und fragt, wer sich da denn letzte Woche bei ihm getroffen habe, gibt es dann auch immer nur die Antwort ‘Bitte schicken Sie uns ein internationales Rechtshilfeersuchen’. Auch die Gäste, die bei ihm beleidigt und bedroht worden sind, bekommen nichts anderes zu hören.”

4. Bitte lauter!
(sueddeutsche.de, Kathrin Hollmer)
Viele TV-Zuschauerinnen und -Zuschauer würden sich regelmäßig über Probleme mit der Akustik beschweren — die Dialoge seien unverständlich, die Sprache werde von Geräuschen überlagert. Kathrin Hollmer ist dem Problem nachgegangen, das viel mit Technik zu tun hat. Bei der Verbesserung des Bildes habe es in den vergangenen Jahren große Verbesserungen gegeben, nur beim Ton scheue man anscheinend Mühe und Investitionen.

5. ARD will an verlängerten “Tagesthemen” festhalten
(deutschlandfunk.de, Bettina Köster, Audio: 5:52 Minuten)
Bei ARD und ZDF gibt es Zoff: Die ARD will die “Tagesthemen”-Ausgabe am Freitag um eine Viertelstunde verlängern, was zu einer Kollision mit dem parallel im ZDF stattfindenden “Heute Journal” führt. Bettina Köster hat mit ARD-Chefredakteur Rainald Becker über den öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkonflikt gesprochen.

6. Behauptungsjournalismus
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer beschäftigt sich mit dem “Behauptungsjournalismus”, der nach folgendem Prinzip funktioniere: “Ich spreche einer Person oder einem Ding eine Funktion oder Eigenschaft [zu], die sie nicht besitzt — und hoffe, dass die Leser doof genug sind, dies nicht zu bemerken.” Damit es nicht bei einer bloßen Behauptung bleibt, bringt Knüwer drei Beispiele mit: einen Beitrag aus dem “Business Insider”, ein Fundstück aus dem Düsseldorfer “Express” und einen Textauszug aus Gabor Steingarts “Morning Briefing”.

Anderer Blick auf den Fall Assange, Binsen-Profilerin, Offener DW-Brief

1. “Vor unseren Augen kreiert sich ein mörderisches System”
(republik.ch, Daniel Ryser & Yves Bachmann)
Wer heute nur einen Text lesen will oder kann: Hier ist er! Der UNO-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, erzählt von den Erkenntnissen seiner Untersuchung im Fall des “Wikileaks”-Gründers Julian Assange. Und die sind brisant, aufrüttelnd und verstörend. Seiner Meinung nach habe die schwedische Polizei die Vergewaltigungsvorwürfe herbei konstruiert: Beweise seien manipuliert, Aussagen umgeschrieben worden. Julian Assange werde bei einer Auslieferung in die USA kein rechtsstaatliches Verfahren bekommen. Assange werde auch jetzt nicht rechtsstaatlich fair behandelt, sondern auf verschiedene Weise psychologisch gefoltert. Melzer fragt: “Was ist die Rechts­grundlage dafür, jemandem das fundamentale Recht seiner eigenen Verteidigung zu verweigern? Warum wird ein ungefährlicher, nicht gewalt­tätiger Mann monatelang in Isolations­haft gehalten, wo doch die Uno-Standards jede Isolations­haft von mehr als 15 Tagen grundsätzlich verbieten? Keiner dieser Uno-Mitglieds­staaten hat eine Untersuchung eingeleitet, meine Fragen beantwortet oder auch nur den Dialog gesucht.”

2. Wohltäter, Streber, Freigeister
(faz.net, Tobias Rüther & Peter Körte & Andreas Lesti & Timon Karl Kaleyta & Harald Staun)
Einige Sportlerinnen und Sportler zieht es nach ihrer Sportkarriere in die Medien, zum Beispiel als Expertinnen und Experten hinter dem Mikro. Doch sind sie tatsächlich die besseren Fachleute? Die “FAZ” hat sich ein paar von ihnen näher angeschaut, darunter die ehemalige Biathletin Laura Dahlmeier (ZDF), den Ex-Skirennfahrer Felix Neureuther (ARD), die Ex-Fußballer Oliver Kahn (ZDF), Steffen Freund (RTL Nitro), Thomas Broich (ARD) und Dietmar Hamann (Sky), die Ex-Tennisspielerin Andrea Petkovic (ZDF) und den ehemaligen Zehnkämpfer Frank Busemann (ARD).

3. Grieger-Langer und die gefakte Kundenliste
(haufe.de, Ruth Lemmer)
“Suzanne Grieger-Langer nennt sich ‘Profilerin’ und zieht mit einer martialischen Show durch Deutschland, in der Binsenweisheiten über Persönlichkeit und Führung verbreitet werden. Sie findet zahlreiche Zuhörer, obwohl ihr Umgang mit der eigenen Vita und mit ihrer Kundenliste Zweifel an ihrer Kompetenz und Wahrheitsliebe aufkommen lassen.” Ruth Lemmer berichtet über eine, nennen wir es euphemistisch “schillernde”, Person, die berechtigte Kritik gerne mit Abmahnungen beantworten lässt.
Weitere Lesehinweise zum Hintergrund: Grieger-Langer: Profilerin mit Hang zur Lüge (mba-journal.de, Bärbel Schwertfeger). Und: Eine zweifelhafte Expertin fürs “Charakter-Profiling” (uebermedien.de, Bärbel Schwerdtfeger).

4. Sag zum Abschied leise Kamener Kreuz
(zeit.de, Nils Markwardt)
Nach über 50 Jahren hat der Deutschlandfunk (DLF) seine Stau- und Verkehrsmeldungen eingestellt. Nils Markwardt winkt dem Format zum Abschied zärtlich hinterher: “Die DLF-Verkehrsmeldungen waren (…) der Soundtrack des Franz-Josef-Wagner-Deutschlands: ein melancholisch-kitschiges Hörspiel über jene mystische ‘Mitte’, die in Talkshows und Leitartikeln unentwegt beschworen wird. Meldete die sonore Stimme Störungen bei Dettingen an der Iller und Erlangen-Frauenaurach oder Sperrungen auf A1 und B12, konnte sich der einfühlsame Hörer die Schicksale hinter dem zähfließenden Verkehr vorstellen: den genervten Pendler, der eigentlich zum Anstoß zu Hause sein wollte; die müde Truckerin, der im Laderaum langsam 200 Kilo Mett weggammeln; oder den hungrigen Schichtarbeiter, der auf eine Senfpeitsche an der Tanke hinfiebert.”
Hörtipp: Der Deutschlandfunk verabschiedet sich auf besondere Weise von den Staumeldungen: Auf Twitter verliest DLF-Chefsprecher Gerd Daaßen die schönsten Orte und Autobahnkreuze. (Video: 1:06 Minuten).
Weiterer Lesetipp: Torsten Kleinz beleuchtet einen anderen Aspekt: “Aus meiner Sicht ist diese Episode ein plastischer Beleg dafür warum DAB+ keine Chance hatte. Wenn man schon den Rundfunk digitalisiert, dann hätten die Verkehrsnachrichten an erste Stelle gehört. Statt alle Verkehrsnachrichten für alle auszustrahlen, könnte man ein Opt-In realisieren. Technisch ist das ohne weiteres möglich — man hat es halt nicht getan.”

5. Mehr als 250 Mitarbeitende kritisieren die Deutsche Welle für ihren Umgang mit Vorwürfen von Belästigung, Mobbing und Einschüchterung
(buzzfeed.com, Pascale Müller & Juliane Loeffler)
Von mehr als 250 Mitarbeitenden der Deutschen Welle (DW) ist die Rede, die sich in einem Offenen Brief an den DW-Intendanten Peter Limbourg gewandt haben. Es sind schwere Vorwürfe, die dort erhoben werden: “Wir glauben, dass Machtmissbrauch bei der Deutschen Welle allgegenwärtig ist”. Die “Buzzfeed”-Reporterinnen Pascale Müller und Juliane Loeffler erklären den Hintergrund des Beschwerdebriefs. Dem Artikel ist außerdem der Offene Brief im Original (in englischer und deutscher Sprache) beigefügt.
Weiterer Lesehinweis: Die “taz” konnte die Antwort der Geschäftsleitung einsehen: “Wenn sich offenbar mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter veranlasst sehen, sich anonym an den Intendanten zu wenden, scheint tatsächlich einiges nicht zu funktionieren” (taz.de, Peter Weissenburger).

6. Deutsches Fernsehballett vor dem Aus
(spiegel.de)
Das 1962 zu DDR-Zeiten gegründete Deutsche Fernsehballett steht vor dem Aus. Geschäftsführer Peter Wolf habe dem “Spiegel” gegenüber bestätigt, dass das Ensemble Ende 2021 aufgelöst werde. TV-Aufträge kämen nur noch vom MDR. Allein mit diesen Auftritten lasse sich die Gruppe mit 18 Tänzerinnen und Tänzern nicht finanzieren. 
Tipp des Kurators für einen nostalgischen Rückblick: Auf der Seite des Deutschen Fernsehballetts gibt es eine Zeitreise durch die vergangenen Jahrzehnte und eine Zusammenstellung von Videomitschnitten.

Kim Jong-uns Tante und Wikipedia-Absätze tauchen wieder auf

Es ist nicht nur so, dass Kim Kyŏng-hŭi, die Tante des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un, wieder aufgetaucht sein soll:

Screenshot Bild.de - Sie wurde für tot gehalten - Tante von Diktator Kim taucht nach sechs Jahren wieder auf

Auch Passagen aus dem Wikipedia-Artikel über Kim Kyŏng-hŭi sind wieder aufgetaucht — bei Bild.de. Dort schreibt ein anonymer Autor heute über das Leben der Politikerin, die nun wieder lebendig bei einer Veranstaltung gesessen haben soll, obwohl verschiedene Medien, darunter Bild.de, schon vor Jahren meldeten: “DIKTATOREN-TANTE TOT”. Für ihren aktuellen Text hat sich die Bild.de-Redaktion ganz offensichtlich, aber ohne Quellennennung, bei Wikipedia bedient:

Bild.de Wikipedia
Kims Tante begann ihre politische Karriere 1971 im Demokratischen Frauenverband Nordkoreas. Sie ist Abgeordnete der Obersten Volksversammlung und seit 1987 Leiterin der Abteilung für Leichtindustrie beim Zentralkomitee der Partei der Arbeit Koreas (PdAK). Mitglied des ZK ist sie seit 1988. 1972 heiratete sie Jang Song-thaek, der – wie sie – General war und vom 7. Juni 2010 bis zum Dezember 2013 als stellvertretender Vorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission fungierte.

Ihre einzige Tochter Jang Kum-song (1977–2006) studierte in Paris, wo sie sich das Leben nahm.
Kim Kyŏng-hŭi begann ihre politische Karriere 1971 im Demokratischen Frauenverband Nordkoreas. 1976 wurde sie stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für internationale Kontakte beim ZK der PdAK. Sie ist Abgeordnete der Obersten Volksversammlung und seit 1987 Leiterin der Abteilung für Leichtindustrie beim Zentralkomitee der Partei der Arbeit Koreas (PdAK). Mitglied des ZK ist sie seit 1988.

1972 heiratete sie Jang Song-thaek, der wie sie General war und vom 7. Juni 2010 bis zum Dezember 2013 als stellvertretender Vorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission fungierte.
Daneben war er Leiter der Verwaltungsabteilung der PdAK. Ihre einzige Tochter Jang Kum-song (1977–2006) studierte in Paris, wo sie sich das Leben nahm.

(Hervorhebungen durch uns.)

Was würde “Bild”-Chef Julian Reichelt dazu noch mal sagen, wenn man so frech klaut?

Screenshot eines Tweets von Julian Reichelt - So sieht es aus, wenn Focuso nline und der digitale Hühnerdieb Daniel Steil

Dazu auch:

Twitters Taktik, Frontstadt Cottbus, Kriegsreporter

1. Sechs Monate Twittersperre
(tomhillenbrand.de)
Es muss sich sehr frustrierend anfühlen: Der Autor Tom Hillenbrand wird von Twitter zu Unrecht gesperrt, bekommt vor einem deutschen Gericht Recht, erfährt aber trotzdem keine Gerechtigkeit. Das sich hinter seiner Dubliner Firmenadresse verschanzende Sozialen Netzwerk nehme die Einstweilige Verfügung aus Deutschland einfach nicht zur Kenntnis. Twittersperren-Opfer Hillenbrand kommentiert: “Meiner Ansicht nach ist der Gesetzgeber gefordert. Wenn eine Social-Media-Plattform hierzulande Kunden und Geschäft hat, müsste sie eine in Deutschland ansässige Dependance haben, die Korrespondenz entgegennimmt. Bei Fällen, die das NetzDG betreffen, ist das offenbar vorgeschrieben, bei Accountsperren wie meiner hingegen nicht.”

2. Der rbb und Cottbus
(ardaudiothek.de, Sebastian Schöbel, Audio: 25 Minuten)
In bestimmten Cottbusser Kreisen zählen die Reporterinnen und Reporter des rbb zum erklärten Feindbild. Dies äußert sich zum Beispiel bei flüchtlingsfeindlichen Demos, beim Ärger mit rechtsextremen Fußballfans oder beim Berichten über den Rückzug aus der Braunkohle. In der aktuellen Folge des Podcasts “Die erzählte Recherche” geht es um die schwierige Situation der regionalen Berichterstattung und die Frage: “Was passiert, wenn sich eine Stadt gegen einen Rundfunksender wendet?”

3. “Ich würde mich über AfD-Anhänger freuen”
(tagesspiegel.de, Thomas Gehringer)
Thomas Gehringer hat sich für den “Tagesspiegel” mit WDR-Talker Jürgen Domian unterhalten, der heute sein TV-Comeback feiert (WDR, 23:30 Uhr). Domian hat in den vergangenen beiden Jahrzehnten mehr als 20.000 Telefongespräche geführt und dabei unter anderem gelernt, dass Menschen “erschreckend abgründig sein können. Das habe ich vorher nicht so gesehen. Auf der anderen Seite habe ich gelernt, wie großartig Menschen sein können. Mutig, tapfer, Vorbilder für andere.”

4. Nein, “Zeit-Online”-Autor Christian Bangel forderte keinen “gezielten Völkermord durch Migration”
(correctiv.org, Till Eckert)
Hat “Zeit Online”-Autor Christian Bangel tatsächlich in einem Artikel den “Genozid am deutschen Volk” gefordert, wie die Website “Anonymous News” und ein ehemaliger Katzenkrimi-Autor, der schon mal wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, behaupten? Natürlich nicht! “Correctiv”-Faktenchecker Till Eckert hat die Sache trotzdem noch mal aufgedröselt, zitiert die entsprechenden Passagen, erklärt die von beiden Seiten verwendeten Begriffe und zeigt, warum die Behauptung einfach nur falsch ist.

5. Kriegsreporter – Mythos und Wirklichkeit eines Berufsbildes
(de.ejo-online.eu, Martin Gerner)
Um den Beruf des Kriegsreporters beziehungsweise der Kriegsreporterin ranken sich vielerlei Mythen, doch die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Martin Gerner erzählt, wie sich Kriegsberichterstattung tatsächlich abspielt. Dazu gehören auch die lokalen Reporter und Reporterinnen, die oftmals die schwere und gefährliche Vorarbeit übernehmen, deren Einsatz jedoch nicht angemessen gewürdigt werde: “Meinem Freund und Kollegen, dem afghanischen Fotojournalisten Massoud Hossaini, habe ich jahrelang nahegelegt, bei seiner renommierten Nachrichtenagentur auf gleichen Versicherungsschutz zu pochen. Er zögerte. Immer wieder. Erst als er den Pulitzer-Preis in den Händen hielt, traute er sich: “Jetzt werden sie mich wohl nicht vor die Tür setzen, wenn ich danach frage.””

6. Sind Memes nun illegal oder nicht?
(twitter.com/docupy, Video: 1:43 Minuten)
Ist das Anfertigen und Posten einer Mem-Bildtafel mit urheberrechtlich geschütztem Material legal oder illegal? Diese Frage hat der Youtuber Rezo Mitgliedern des Bundestages quer durch das Parteienspektrum gestellt. Es gab zwar Antworten, aber echte Sachkompetenz kann man wohl nur einer der Befragten attestieren …

“Bild live”: Das ist jetzt alles natürlich noch Spekulation

“Bild” will bald Fernsehen machen. Heute gab es einen Vorgeschmack darauf, was uns da erwarten könnte: Zum Terroranschlag in Halle (Saale) auf eine Synagoge sowie auf einen Dönerladen gab es bei Bild.de eine “Bild live”-Sendung. Wir haben uns das mal angeschaut.

***

Im “Bild live”-Studio stehen Moderator Moritz Wedel und Redakteur Björn Stritzel, und der eine fragt den anderen: “Björn, was kannst Du uns zu den Tätern sagen?” Stritzel antwortet, er kenne noch keine Details, und das sei alles natürlich noch Spekulation — was eine hervorragende Zusammenfassung für die kommenden eineinhalb Stunden ist.

***

Die Redaktion schaltet zu Michel Milewski. Der ist eigentlich Redakteur bei “Sport Bild” und dort zuständig für den Bereich eSports, aber jetzt ist er in Halle. Wedel leitet über mit: “Michel, Du warst Augenzeuge”.

Nee, war Milewski nicht, wie er selbst sagt, sondern in einem Café “100 Meter” vom Tatort entfernt. Er habe auch gar nichts mitbekommen und erst von dem Anschlag erfahren, als der Gastronom sagte, man solle in einen Raum ohne Fenster gehen.

Jetzt ist er aber wirklich vor Ort. Und hat auch was zu berichten: Das Sondereinsatzkommando sei nämlich gerade eingetroffen. Milewski gibt das alles durch und erzählt auch detailliert, wohin das SEK so geht und was es gerade macht. Dass das möglicherweise ziemlich hilfreiche Informationen für einen flüchtigen Täter sein könnten, hält ihn nicht davon ab weiterzuerzählen. Aber gerade hat er sowieso ganz andere Sorgen: “Jetzt muss ich leider ein bisschen Platz machen”.

***

Weiter zur nächsten Schalte. Dieses Mal mit “Bild”-Chefreporter Frank Schneider, der davon erzählt, dass seine neuesten Informationen sagen, dass es einen Toten in der Synagoge gegeben habe und einen Toten auf der Straße. Dass nur ein paar Minuten später ein Polizeisprecher in einem Video, das Bild.de einspielt, sagt, dass es einen Toten in einem Dönerimbiss und einen Toten auf der Straße gegeben haben soll, und dass das alles nicht zusammenpasst, kümmert bei “Bild” offenbar niemanden. Hauptsache erstmal alles raus, was man so an Informationen hat.

***

Moderator Weidel verkündet, es gebe jetzt Fotos und Videos, die Augenzeugen in den Sozialen Netzwerken verbreiten würden. Verifizieren könne man das alles nicht, aber zeigen — ja, warum eigentlich nicht?

***

Als neueste Entwicklung blendet die “Bild”-Redaktion ein: “REPORTER DARF LOKAL NICHT VERLASSEN”.

***

Jetzt kommt das bereits erwähnte Video mit dem Polizeisprecher. Ein Reporter konfrontiert ihn mit allen möglichen Gerüchten, die zu diesem Zeitpunkt so die Runde machen. Etwa: “Kann man schon etwas sagen: Handelt es sich da möglicherweise um, wie sacht man, ein Beziehungsdrama? Oder wir das als Terroranschlag eingestuft?” Oder: “Im Polizeifunk war eben zu hören, dass man ihn [den Täter] direkt vor sich hätte.”

Auf die Frage, ob der Anschlag dem jüdischen Friedhof galt, betont der Polizeisprecher noch mal, dass das alles Mutmaßungen seien: “Das ist Spekulation. Wir wissen noch nicht, warum weshalb diese Tat hier geschehen ist.”

Das alles wirkt eher wie ein Recherchegespräch, das zufällig mit dem Smartphone mitgefilmt wurde. Der Reporter notiert sich zwischendurch auch immer wieder die Aussagen des Polizisten. “Bild”-Reporter filmen sich selbst bei der Arbeit.

***

Jetzt ist Björn Stritzel wieder im Studio und erzählt noch einmal genau dasselbe wie vorhin schon (man wisse natürlich noch nichts rein faktisch über die Täter). Nur scheint er dieses Mal etwas besser zum jüdischen Feiertag Jom Kippur informiert zu sein. Beim vorangegangenen Auftritt kam er dabei etwas ins Schwimmen (man möge ihn korrigieren).

***

Nun ist wieder Michel Milewski von vor Ort dran. Das SEK habe jetzt eine Straße abgesperrt, ein Panzerwagen sei auch eingetroffen. Man vermute hier wohl einen weiteren Täter. Er sei auch schon recht weit weggeschickt worden. Aber keine Sorge, er versuche, wieder ein bisschen näher ranzukommen. Man könne es hoffentlich sehen, dass auf der Straße ein vollvermummter Polizist stehe und “an der Ecke” zwei weitere Spezialeinsatzkräfte.

***

Bei Moderator Weidel sind es jetzt schon drei Tote, was aber auch nur ein Versprecher sein könnte. Währenddessen ist die Einblendung zu sehen: “AUFRUF DER POLIZEI — BITTE BEWAHREN SIE RUHE”.

***

Die “Bild”-Redaktion hat vier, fünf verschiedene Videos, die sie immer und immer wieder abspielt — das ist der Fluch des Fernsehens in Breaking-News-Situationen: Es gibt eigentlich kaum etwas zu berichten, aber die Sendezeit muss irgendwie gefüllt werden. Zwischendurch gibt es die Schalten und Gespräche im Studio. Jetzt ist Polizeigewerkschafter Rainer Wendt am Telefon. Frage von Moderator Weidel: “Haben Sie Hintergrundinformationen vielleicht zu den möglichen Tätern oder zur Motivlage?”

Wendt antwortet, dass er die nicht habe. Da könnte man auch “nur spekulieren”, und dafür sei jetzt nicht der richtige Moment. Spätestens wenn Rainer Wendt neben einem wie ein besonnener Medienethiker wirkt, solltest man mal überlegen, ob das alles richtig läuft.

***

Nächste Schalte zu Reporter Milewski, bei dem nun eine Anwohnerin steht, die aber nicht gezeigt werden und anonym bleiben möchte, “ja, aus Angst”, wie Milewski sagt.

Die Zeugin sagt, dass sie mit sowas wie dem Anschlag gerechnet habe. Warum, wird aber nicht so richtig klar. Auf die Frage des Reporters, ob das jetzt ein Grund für sie sei wegzuziehen, sagt sie: “Nein.” Dann ist die Anwohnerin, die aus Angst anonym bleiben möchte, auch schon wieder weg, und Michel Milewski erzählt noch schnell, wo und in welcher Straße die Frau arbeitet.

Wirklich Neues weiß der “Bild”-Reporter auch nicht zu berichten. Außer Schreie, die er während der Schalte hört. Aber warum es die gab, wisse er nun auch nicht.

***

Im Studio steht jetzt Karl von Guttenberg, der bei “Bild” der Waffenkenner sei. Auf die Frage, was das denn für eine Waffe sei, mit der der Attentäter in einem Video zu sehen ist, sagt der Kenner: “Im Moment noch etwas schwer zu sagen.” Und zum Täter: Das könnte vielleicht ein Sammler sein, der die Waffe zu Hause hatte; vielleicht hat er sie auch selbst gebaut. Das sei jetzt noch völlig unklar.

***

“Bild”-Chefreporter Frank Schneider spekuliert auch weiter: Es könnte sein, dass einer der Täter sich noch im Nahbereich aufhalte, sich vielleicht in einem Haus verschanzt habe. Vielleicht habe er sogar Geiseln genommen in einer der Wohnungen. Ja, vielleicht.

***

Michel Milewski ist zwar wieder mit einer Schalte dran, aber richtige Neuigkeiten hat er immer noch nicht: Viel könne er leider gar nicht sagen. Es habe sich nicht viel geändert. Die größte Neuigkeit sei, dass ein zweiter Polizeihubschrauber im Einsatz ist.

Aber er nennt mal wieder einen Namen einer Straße, in der das SEK angeblich gerade alle Häuser durchsucht. Das passt auch gut zu einer Meldung im Liveticker bei Bild.de:

Screenshot Bild.de - SEK kurz vor Sturm einer Wohnung
(Unkenntlichmachung durch uns.)

Währenddessen bittet die Polizei Sachsen bei Twitter darum, “bitte keine Fotos und Videos von Einsatzkräften, deren Ausrüstung oder Standorten” zu verbreiten.

Plötzlich sagt ein Beamter zu Milewski: “Das ist hier ein Gefahrenbereich. Wenn Sie das geil macht hier …” Aber der “Bild”-Reporter sagt, dass er von der Presse sei, und muss während der Schalte seinen Presseausweis vorzeigen.

***

Waffenexperte von Guttenberg ist weiterhin im Studio und sagt, er möchte jetzt nicht weiter spekulieren, aber es deute — und dann spekuliert er ein bisschen zur Munition und zur “Selbstladerszene”. Und er hat auch eine Theorie: Es könnte sich doch um einen “aus einem Hobby heraus entstandenen Anschlag” handeln.

***

Die beste Nachricht verkündete Moderator Moritz Wedel um 15:26 Uhr. “Das soll’s gewesen sein mit unserer BILD-live-Sondersendung”.

***

Nachtrag, 10. Oktober: Drüben bei “Übermedien” habe sie sich das gestrige Spekulationsfernsehen von n-tv angeguckt.

“Bild” und die Kinderporno-Ermittlungen (2)

Das Landgericht (LG) Köln hat die “konkrete identifizierende Verdachtsberichterstattung” der “Bild”-Medien über einen ehemaligen Profifußballer verboten. “Bild” und Bild.de hatten Anfang September exklusiv und riesengroß über einen “Kinderpornografie-Verdacht” berichtet. In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es:

In Ihrem Beschluss hebt die Kammer (…) maßgeblich auf die durch die konkrete Gestaltung der Berichterstattung gegebene Vorverurteilung und den Umstand ab, dass es für eine derartige Verdachtsberichterstattung an einem Mindestbestand an Beweistatsachen fehle, die für die Richtigkeit des vermittelten Verdachts sprechen könnten.

Auch “Bild” berichtet heute online und in der gedruckten Ausgabe über die Gerichtsentscheidung:

Ausriss Bild-Zeitung - Verdacht der Verbreitung kinderpornographischer Schriften - Gericht verbietet Bild Berichte über M.
(Unkenntlichmachung durch uns.)

Die Redaktion schreibt dazu:

Das Landgericht Köln hat BILD mit einer einstweiligen Verfügung verboten, über die Ermittlungen gegen Ex-Fußball-Nationalspieler [M.] identifizierend zu berichten.

Bei Androhung einer Geldstrafe von bis zu 250 000 Euro — “oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten” — wird es BILD verboten, “über den Antragsteller im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hamburg wegen des Verdachts der Verbreitung kinderpornographischer Schriften in einer diesen durch Nennung seines Namens und Veröffentlichung seines Bildnisses identifizierenden Weise zu berichten”.

Aber verstößt “Bild” mit diesem Bericht über die einstweilige Verfügung nicht schon gegen die einstweilige Verfügung? Wir haben bei Medienrechtlern nachgefragt.

Zunächst stelle sich die Frage, ob die einstweilige Verfügung bereits ordnungsgemäß zugestellt wurde, erklärt Lucas Brost von der Kanzlei Höcker, denn erst dann sei sie für “Bild” bindend. Es sei beispielsweise denkbar, dass der Anwalt des früheren Fußballprofis die “Bild”-Redaktion vorab, etwa per E-Mail, über die Verfügung informiert hat, und “Bild” daher die Kenntnis habe. Allerdings, so Brost:

Für eine bereits erfolgte Zustellung könnte sprechen, dass die alten BILD-Beiträge offensichtlich bereits gelöscht wurden und die einstweilige Verfügung ausweislich der Pressemitteilung des LG Köln bereits am 19.09.2019 erlassen wurde.

Tatsächlich sind bei Bild.de alle alten Artikel zum Fall verschwunden.

Der Medienrechtler Dominik Höch sagt zum “Bild”-Bericht von heute:

BILD wird sich darauf berufen, dass es sich um einen Fall der sogenannten referierenden Berichterstattung handelt. Gerichte haben mehrfach entschieden, dass Medien über ein Verbot gegen sie selbst berichten dürfen, ohne gegen die einstweilige Verfügung zu verstoßen. Voraussetzung ist allerdings, dass für den Leser erkennbar ist, dass nur sachlich referiert wird, was nun untersagt wurde. Und: Es darf sich nicht um einen Vorwand handeln, um das Verbot zu umgehen und die Behauptung erneut aufzustellen.

Wäre er der Anwalt des Ex-Fußballers, so Höch, würde er ihm raten, “ein Ordnungsgeld wegen Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung, so diese denn schon formal zugestellt ist, zu beantragen”:

Zwei Gründe: Alleine im Text der BILD wird fünfmal der konkrete Vorwurf (“Verbreitung kinderpornographischer Schriften”) erneut aufgestellt. Dazu kommt die eingeblendete Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft. Das geht weit über eine sachliche Mitteilung hinaus, was der BILD verboten wurde. Man hat den Eindruck, man wollte dem Antragsteller hier noch mal “einen mitgeben”. Zum Zweiten liefe der Anonymitätsschutz im Ermittlungsverfahren komplett leer, wenn auf diese Weise solche existenzvernichtenden Vorwürfe, deren Mitteilung gerade ein Gericht verboten hat, doch weiter ventiliert werden.

Auch Lucas Brost sieht in dem aktuellen “Bild”-Bericht einen Verstoß gegen die einstweilige Verfügung, “wenn wir die Zustellung annehmen”:

Denn das LG Köln hat in seiner Pressemitteilung festgestellt, dass es für eine identifizierende Berichterstattung an einem Mindestbestand an Beweistatsachen fehlt, das heißt auf Grund der derzeitigen Sach- und Rechtslage darf Herr [M.] unter Nennung seines Namens und der Ablichtung eines Bildnisses nicht mehr mit den Vorwürfen in Verbindung gebracht werden.

Die “Bild”-Redaktion kündigt in ihrem Bericht von heute an, dass sie gegen die einstweilige Verfügung juristisch vorgehen wolle. Dabei beruft sie sich auch auf eine Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Hamburg, die darin ebenfalls den kompletten Namen des Verdächtigen genannt hatte. “Bild” schreibt:

Dennoch besonders bizarr: BILD wurde nun vom Kölner Landgericht verboten, über den Fall zu berichten, obwohl die Hamburger Staatsanwaltschaft selbst die Öffentlichkeit darüber informiert hatte!

Erstens hat der Bundesgerichtshof längst festgestellt, dass die Mitteilung einer Staatsanwaltschaft nicht einem Persilschein für Redaktionen gleichkommt:

Zwar ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf. Dies beruht auf der Erwägung, dass Behörden in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind und Amtsträger, wenn sie vor der Frage stehen, ob die Presse über amtliche Vorgänge informiert werden soll, die erforderliche Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorzunehmen haben. (…) Daher ist regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass eine unmittelbar an die Grundrechte gebundene, auf Objektivität verpflichtete Behörde wie die Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit erst dann unter Namensnennung über ein Ermittlungsverfahren unterrichten wird, wenn sich der zugrunde liegende Tatverdacht bereits einigermaßen erhärtet hat. Auch das entlastet die Medien allerdings nicht von der Aufgabe der Abwägung und Prüfung, ob im Übrigen nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung eine Namensnennung des Betroffenen gerechtfertigt ist.

Und zweitens ist der zeitliche Ablauf in dem Fall interessant: Die Hamburger Staatsanwaltschaft veröffentlichte ihre Pressemitteilung samt Namen des Verdächtigen im Laufe des 4. September. Da lag die “Bild”-Ausgabe mit Foto und Namen des Verdächtigen auf der Titelseite längst an allen Kiosken Deutschlands. Der erste identifizierende Bericht von Bild.de erschien bereits am Vorabend.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Blättern:  1 ... 5 6 7 ... 19