Vermummte Propaganda

Im August wurde der Vorsitzende der Partei “Alternative für Deutschland” (AfD) bei einer Wahlkampfveranstaltung angegriffen. In den Medien las sich der Vorfall anschließend so:

Bild.de:

Drei Festnahmen, 16 Verletzte - Messer-Angriff auf AfD-Chef Lucke!

Focus.de:

Mit Reizgas und Messer bewaffnet - Acht Vermummte attackieren AfD-Parteichef Bernd Lucke

abendblatt.de:

Vermummte mit Messer und Reizgas greifen AfD-Chef an

“Spiegel Online”:

Wahlkampfrede von Bernd Lucke: Vermummte greifen AfD-Veranstaltung an

“B.Z.” online:

Vermummte in Bremen - Pfefferspray-Angriff auf AfD-Chef Bernd Lucke

Süddeutsche.de:

afd13

“Bild”:

16 Verletzte! Linke Chaoten attackieren Chef der AfD

In fast allen Artikeln ist von mindestens 20 teilweise vermummten Personen die Rede, von denen acht auf die Bühne gelangt seien. Die “vermutlich dem linksextremen Lager zuzuordnende[n] Angreifer” hätten Pfefferspray benutzt, außerdem sei ein AfD-Helfer mit einem Messer angegriffen und verletzt worden. Insgesamt habe es 15 Verletzte gegeben, drei Personen seien festgenommen worden.

All diese Informationen stammten aus einer Pressemitteilung der Polizei Bremen, die sich so ziemlich mit dem deckte, was auch die AfD selbst mitgeteilt hatte.

Auf einem Video, das noch am selben Tag bei Youtube auftauchte, spielt sich der Vorfall allerdings ein bisschen anders ab. Darin ist zu sehen, wie lediglich zwei Männer auf die Bühne rennen und Bernd Lucke einfach nur umstoßen. Dann schmeißt einer der Männer etwas von der Bühne, danach liegt offenbar Pfefferspray in der Luft.

Viele Medien verlinkten dieses Video, sie schienen sich aber nicht weiter daran zu stören, dass darauf etwas anderes zu sehen ist als das, was Polizei und AfD geschildert hatten. Nur wenige Journalisten meldeten nach Betrachten des Videos Zweifel an. Das Handelsblatt etwa schrieb mit Blick auf die Aufnahmen, von einem “brutalen Angriff” könne “nicht die Rede sein”.

Der AfD jedenfalls kam die bundesweite Aufregung nur allzu gelegen. Plötzlich hatte die Partei die volle Aufmerksamkeit der Medien. Mitten im Wahlkampf. Und das wusste sie zu nutzen:

“Zeit Online”:

Attacke bei Walkampfrede - AfD-Chef verlangt schärferes Vorgehen gegen Linksextreme

Focus.de:

AfD-Chef nach Angriff - Bernd Lucke: "Geduld mit Linksextremen aufgeben"

Hinsichtlich des Angriffs gibt es inzwischen aber Neuigkeiten. Wie die “taz” und “NWZonline” heute berichten, ist die Polizei von ihrer ursprünglichen Darstellung abgerückt. Polizeipräsident Lutz Müller habe gestern zugegeben, dass die Erstmeldung “auf den Angaben der Veranstalter” fußte. Er habe außerdem klargestellt, dass keineswegs ein Messer im Spiel gewesen sei.

Auch die Anzahl der Vermummten muss Müller zu Folge deutlich korrigiert werden. Gesichert sei lediglich, dass zwei Störer maskiert waren. Das zeige ein Video. Allerdings seien noch nicht alle Aufnahmen ausgewertet worden. Müller schätzt: “Vielleicht waren acht bis zehn Personen vermummt.” Auf die Bühne wiederum seien nur drei bis vier Protestierer gelangt, die Lucke hinunter schubsten. Im Übrigen, so Müller, habe bislang lediglich einer der Festgenommenen ins linke Spektrum eingeordnet werden können.

Anderen Medien ist diese Entwicklung nicht mal eine Meldung wert.

Mit Dank an Kris R.

Cordt Schnibben, AFP, Greg Packer

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “‘Wir sind unentbehrlich'”
(kontextwochenzeitung.de, Anna Hunger)
“Online wählen die Leser aus, was Sie wissen wollen”, sagt Ulrich Becker, Chefredakteur der “Südwest Presse”. “Darauf muss man eingehen. Vielleicht saßen wir zu lange auf dem hohen Ross. Wir müssen sehen, dass wir die Bedürfnisse der Leser erfüllen. Online ist eine große Chance, mehr über unsere Leser zu erfahren. Das war bisher schwer möglich.”

2. “Die Zeitungsdebatte”
(journalist.de, Cordt Schnibben)
Cordt Schnibben, seit 1989 beim “Spiegel”, zieht ein Fazit zur Zeitungsdebatte 2020: “Für mich waren diese Wochen eine seltsame Erfahrung, weil ich von zwei Seiten unter Beschuss genommen wurde. Von Printkollegen, die sich mit dem Thema am liebsten nicht beschäftigen möchten und mich als Schwarzmaler und Nestbeschmutzer abtaten, und anfangs auch von Bloggern, für die Zeitungen längst erledigt sind.”

3. “ARD/ZDF Onlinestudie 2013: Mobiles Internet immer populärer”
(netzpolitik.org, Jan-Peter Kleinhans)
Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2013 ist verfügbar.

4. “B.Z.-Chef Peter Huth über die ‘Hertha-Lolita'”
(meedia.de, cm)
Peter Huth, Chefredakteur der “B.Z.”, beklagt einen “Anti-Boulevardreflex” zur gerichtlich untersagten Berichterstattung über den angeblichen “Lolita-Skandal” (BILDblog berichtete): “Die eigentliche Geschichte, wie Fußballer eines Vereins sich ein Mädchen quasi geteilt haben, hat kein Medium aufgegriffen.” Siehe dazu auch die Kommentare.

5. “When a ‘kill’ increases life expectancy”
(blogs.afp.com, Philippe Massonnet, englisch)
Der AFP wird Zensur vorgeworfen, nachdem sie ein Foto von François Hollande zurückzieht: “We never publish something purely for its shock value or to mock someone. Our photographers often catch public figures – at international conferences or waiting to give a speech, for instance – in unflattering but entirely human poses, such as with a finger in a nostril.”

6. “The Most Quoted Man in News”
(newyorker.com, Video, 5:21 Minuten, englisch)
Greg Packer steht bereit, wenn Journalisten jemanden brauchen, der ihnen ein Zitat liefert: “Greg’s campaign to be the most quoted man in news has been so successful that the Associated Press sent its staff a memo that essentially banned interviews with him.”

Debatten, Joiz, Margaret Sullivan

6 vor 9

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1. “Angst vor Abmahnungen”
(epd.de, Nils Glück)
Wie Internetdienste wie Rivva, Commentarist und 10000Flies auf das Leistungsschutzrecht für Presseverleger reagieren.

2. “In Friedrichshain-Kreuzberg wurden und werden keine Feste wegen ihres religiösen Charakters untersagt oder benachteiligt”
(berlin.de)
Das Berliner Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg teilt mit, es habe “entgegen verschiedener anders lautender Berichterstattungen nicht entschieden, Veranstaltungen mit religiösem Hintergrund auf öffentlichen Flächen zu versagen”.

3. “In eigener Sache: Wo endet Toleranz, wo beginnt Zensur?”
(carta.info, Vera Bunse und Wolfgang Michal)
Ein Beitrag auf dem Debattenportal “Carta” löst Irritationen aus, die Redaktion findet, das sei in Ordnung so: “Carta-Beiträge müssen nicht per se sachlich sein, es sind viele Stilformen möglich, darunter polemische Einwürfe (die sich ihrerseits auf Polemiken beziehen können) – so lange persönliche Beleidigungen unterbleiben. Sowohl die Piraten als auch die AfD, sowohl die FDP als auch manche Buch-Autoren, Journalisten und Politiker wurden hier in Beiträgen und Kommentaren scharf (und manchmal übers Ziel hinausschießend) kritisiert. Wir halten die meisten unserer Leser für so erfahren, dass sie sehr wohl differenzieren können und nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.”

4. “‘Es gibt zu wenig junge Medienmarken'”
(meedia.de, Peer Schader)
Ein Interview mit Joiz-Gründer Alexander Mazzara: “Große amerikanische Unternehmen wie Facebook funktionieren ja darüber, dass sie Daten über ihre Nutzer sammeln und sie auswerten. Genau das wird auch fürs Fernsehen relevant. Apple und Yahoo interessieren sich für den Second-Screen-Markt. Google ist schon länger am Thema dran. Wir werden künftig, wenn unsere Zuschauer sich über Apps und soziale Medien am Programm beteiligen, auf die Sekunde genau messen können, wer eingeschaltet hat.”

5. “A Year in the Life of a Watchdog”
(nytimes.com, Margaret Sullivan, englisch)
Margaret Sullivan, Public editor der “New York Times”: “When I started as The Times’s fifth public editor almost exactly a year ago, I couldn’t have anticipated the intensity and breadth of the job. It is equal parts fun and horror — every day, all day.”

6. “Tip for Tatort”
(3quarksdaily.com, Brooks Riley, englisch)
Die deutsche und die englische Sprache.

TV-Duell, Harald Martenstein, Sean Connery

6 vor 9

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1. “Wut ist wunderbar”
(planet-interview.de, Annette Christine Hoch)
Harald Martenstein im Interview: “Ich war so stolz darauf, dass ich mir eine Kolumnistenfigur ausgedacht hatte – und jetzt bin ich das doch selber.”

2. “Exklusiv falsch geklaut”
(topfvollgold.de, Moritz Tschermak)
Auch die Regenbogenpresse berichtet über eine angebliche Demenzerkrankung von Sean Connery (BILDblog berichtete).

3. “Aufgeblasener Glaubenskampf”
(taz.de, Plutonia Plarre)
Die “B.Z.”-Titelschlagzeile “Kreuzberg verbietet Weihnachten”.

4. “Raab, Retter des Qualitätsfernsehens”
(zeit.de, Eric T. Hansen)
Das TV-Duell zur Bundestagswahl: “Es ist höchste Zeit, dass der Exklusiv-Anspruch der Öffentlich-Rechtlichen, seriöses Fernsehen zu machen, öfter infrage gestellt wird. Nicht nur, weil sie es faktisch nicht tun, sondern auch, weil es Zeit ist, dass die Privaten diese Aufgabe von den Öffentlich-Rechtlichen übernehmen – wie sie es in anderen Ländern längst getan haben. Auch Seriosität ist nur Show.”

5. “Wir sind die 0,01 Prozent: Die Second-Screen-Twitter-Blase”
(olereissmann.de)
Ole Reißmann setzt die 173.000 zum Hashtag #tvduell abgesetzten Tweets den Wahlberechtigten gegenüber.

6. “Fangfrage”
(katzundgoldt.de)
Siehe dazu auch “Kanzlerduell verpasst: Fernsehzuschauer fand übertragenden Sender nicht” (eine-zeitung.net) und “Zäh, wirr, keine Action: ARD-Zuschauer enttäuscht von schlechtestem Tatort aller Zeiten” (der-postillon.com).

TV-Duell, Gaffer, Günter Stampf

6 vor 9

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1. “Der Eindruck täuscht”
(3sat.de, Video, 4:10 Minuten)
Boulevardmedien vermitteln eine Zunahme von Kriminalität und Gewalt und beeinflussen damit die Konsumenten und die Politik – dabei ist das Gegenteil der Fall.

2. “Ärgernis Smartphone-Gaffer”
(nzz.ch, Katharina Bracher)
Polizeieinsätze werden zunehmend von zufälligen Passanten gefilmt oder fotografiert: “Die Tatsache, dass viele Online-Medien ihre Leser dazu auffordern, Bilder von ungewöhnlichen Ereignissen einzusenden, habe diese Entwicklung zusätzlich befeuert.”

3. “Schlusspunkt”
(zeit.de, Stephan Lebert und Daniel Müller)
Stephan Lebert und Daniel Müller blicken zurück auf das Leben von Boulevardreporter Günter Stampf: “Mit 23 Ressortleiter Lifestyle bei der Bunten, ein Jahr später Chefreporter bei Bild, später zurück zur Bunten als stellvertretender Chefredakteur, 450.000 Mark Jahresgehalt, the sky is the limit.”

4. “Werden auch Sie ein deutscher Nahost-Experte!”
(jungle-world.com, Jörn Schulz)
Im “Kurzlehrgang” zum Nahost-Experten: “1. Warnen Sie vor dem Flächenbrand! 2. Äußern Sie Empathie! 3. Mahnen Sie zur Besonnenheit! 4. Enthüllen Sie die wahren Interessen! 5. Weisen Sie auf das Durcheinander hin! 6. Spielen Sie den Joker aus: Islamisten! 7. Mahnen Sie noch einmal zur Besonnenheit!”

5. “Vier Moderatoren sind vier zuviel: Das TV-Duell — ein Vorschlag zur Güte”
(stefan-niggemeier.de)
Stefan Niggemeier hätte das gestern gesendete TV-Duell (zdf.de, Video, 93:18 Minuten) lieber ohne Journalisten gesehen. So wie 1975, als sich in Österreich Bruno Kreisky und Josef Taus in einer “Konfrontation” gegenüberstanden (tvthek.orf.at, Video, 79:07 Minuten).

6. “Das MONITOR-Interview im Original und ungeschnitten”
(wdr.de, Video, 3:26 Minuten)
Reporter Stephan Stuchlik versucht, CSU-Politikerin Barbara Stamm zu befragen.

Zwei-Klassen-Verpixelung

Die “Bild”-Zeitung hat noch nie viel davon gehalten, Menschen, die vor Gericht stehen, irgendwelche Rechte einzuräumen. Fotos von Angeklagten oder Verdächtigen werden daher auch nur in Ausnahmefällen anonymisiert. Das hier ist keiner davon:Sie misshandelte und beschimpfte eine alte Dame - Nur Geldstrafe für Horror-Pflegerin

Die Pflegerin stand diese Woche in Bremen vor Gericht, weil sie eine Heimbewohnerin missshandelt hatte. Eine versteckte Kamera hatte sie dabei gefilmt.

“Bild” zeigte das Gesicht der Frau am Donnerstag ohne jede Anonymisierung groß in der Bundesausgabe – obwohl das Gericht zuvor ausdrücklich darauf hingewiesen hatte …

[…], dass Bildaufnahmen der Angeklagten nur im deutlich anonymisierten (etwa gut “verpixelten”) Zustand veröffentlicht werden dürfen.

(Hervorhebung im Original.)

Daran hat sich zumindest Bild.de gehalten. In der Online-Version des Artikel wurde allerdings nicht das Gesicht der Angeklagten verpixelt — sondern das ihrer Anwältin:Misshandlungs-Urteil - Horror-Pflegerin darf weiter arbeiten! - Die Horror-Pflegerin Silke T. (r.). Sie hat eine Seniorin im Heim misshandelt

Auf eine Anonymisierung der Angeklagten hat Bild.de verzichtet.

Mit Dank an den Hinweisgeber.

Man lebt nur zweimal

Endlich mal eine gute Nachricht:Die Agentin des Schauspielers dementiert die Gerüchte - Sean Connery nicht an Alzheimer erkrankt

Schauspieler Sean Connery (83) ist nicht an Alzheimer erkrankt! Seine Agentin Nancy Seltzer widerspricht den Gerüchten um eine Demenzkrankheit vehement: “Das ist wirklich verrückt und totaler Unsinn.”

Das Gerücht war Anfang dieser Woche um die Welt gegangen. Es beruhte auf angeblichen Aussagen des Schauspielers Michael Caine, der gut mit Sean Connery befreundet ist.

Im Artikel räumt Bild.de ein, dass auch die “Bild am Sonntag” darauf reingefallen sei:

BILD am SONNTAG zitierte den britischen Schauspieler [Michael Caine] ebenfalls mit den Worten: “Er ist nicht mehr Herr seiner Sinne.”

Das klingt zwar schuldbewusst und transparent, ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn die “Bild am Sonntag” hat dieses Gerücht nicht “ebenfalls” verbreitet, sie hat es überhaupt erst in die Welt gesetzt. Alle anderen haben nur von ihr abgeschrieben.

ALZHEIMER-SORGEN - Sean Connery vergisst sein Leben

In dem Artikel heißt es, der Schauspieler lebe “zurückgezogen in Spanien oder in seiner New Yorker Wahlheimat”. Und er verliere “zunehmend sein Erinnerungsvermögen”.

Nur noch Vertraute wie Kollege Michael Caine, 80, haben Zugang zu ihm. “Er ist nicht mehr Herr seiner Sinne”, sagte Caine zu BILD am SONNTAG. Der einst so smarte Schotte […] sei nur noch ein Schatten seiner selbst. Caine: “Man muss sich ernste Sorgen machen.”

Das taten die Medien dann auch. Überall auf der Welt. Und zwar immer nur unter Berufung auf die “Bild am Sonntag”.

Die Geschichte schlug derart hohe Wellen, dass sich Connerys Agentin gezwungen sah, die Sache offiziell klarzustellen: Der Artikel sei “lächerlich” und “totaler Unsinn”, teilte sie am Dienstag mit. Es stimme ja nicht einmal die Behauptung, dass Connery in Spanien lebe.

Am selben Tag sagte Michael Caine, auf dessen angeblichen Zitaten die Geschichte hauptsächlich beruhte, der “Bild am Sonntag”-Artikel sei “völlig absurder Bullshit”. Er wisse nicht, wo die Zeitung ihre Informationen herhabe. Man habe seine Aussagen entweder verdreht oder falsch verstanden. In Wirklichkeit gehe es Sean Connery prächtig, er habe erst diese Woche noch mit ihm gesprochen.

Mit Dank an Kim B., Rüdiger S., JJ und Daniel.

Maischberger, Mollath, MedienVielfaltsMonitor

6 vor 9

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1. “Fünf Mediengruppen teilen sich rund 60 Prozent der Meinungsmacht”
(blm.de)
Der “MedienVielfaltsMonitor 2013” (PDF-Datei) der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien. “ARD, Bertelsmann, Axel Springer, ProSiebenSat.1 sowie das ZDF verfügen über rund 60 Prozent der Meinungsmacht in Deutschland und prägen die Meinungsbildung durch Medien.”

2. “Augstein: Keine Frage des Stils, sondern der Haltung”
(dradio.de, Jürgen Liminski)
Franziska Augstein spricht zur Verpflichtung von Nikolaus Blome durch den “Spiegel”: “Was hat so jemand beim ‘Spiegel’ verloren, der die Haltung wechselt je nach Arbeitgeber?”

3. “Wollen wir diese Bilder sehen?”
(handelsblatt.com, Claus Eurich)
Der Umgang mit Bildern aus Syrien: “Bilder, deren Herkunft nicht genauso zweifelsfrei geklärt ist wie die Kontexte hinsichtlich des Dargestellten, taugen nicht zur schnellen Veröffentlichung – auch wenn es die einzigen zugänglichen Bilder sind. Dann müssen eben Worte sich bemühen, das unfassbare Grauen und Leiden angemessen wiederzugeben.”

4. “3 Fragen, die sich Journalisten stellen sollten, wenn sie eine wissenschaftliche Studie lesen”
(ricogrimm.de)
“1. Können diese zwei Dinge wirklich miteinander in Verbindung stehen? 2. Hat der Autor der Studie wirklich alle Ereignisse berücksichtigt? 3. Hat er wirklich ALLE berücksichtigt?”

5. “‘Lob kann manchmal mehr verunsichern als Tadel'”
(journalist.de, Hans Hoff)
Hans Hoff plaudert mit Sandra Maischberger über Talkshows.

6. “‘Mollath muss sich einfach wehren'”
(dradio.de, Dieter Kassel)
Dieter Kassel fragt bei Anwalt Gerhard Strate nach, warum er “Gutachten zusammen mit ärztlichen Stellungnahmen und zahlreichen Gerichtsdokumenten” zum Fall Gustl Mollath auf strate.net verfügbar gemacht hat: “Mollath muss sich einfach wehren! Und er muss deutlich machen, auf welcher trivialen Ebene zum Teil diese Gutachten einfach ihre Fakten selektiert haben, des Weiteren ihre rhetorischen Figuren aufbauen über angebliche Verrücktheiten des Herrn Mollath.”

B.Z., Bild  

Gericht untersagt “Lolita”-Berichterstattung

Das Sabbern hat ein Ende: Die Springer-Blätter “B.Z.” und “Bild” dürfen nicht mehr über den angeblichen “Lolita-Skandal” berichten. Per einstweiliger Verfügung wurde ihnen gestern untersagt, wesentliche Teile ihrer Berichterstattung weiter zu verbreiten.

Vergangenen Donnerstag hatte die “B.Z.” eine Titelgeschichte veröffentlicht, in der die Boulevardzeitung behauptete, mehrere Spieler von Hertha BSC hätten sich eine 16-jährige Geliebte geteilt. Kronzeugin der Geschichte war das Mädchen selbst. Das Blatt nannte sie “die Hertha-Lolita” und fotografierte sie, passend zum Thema, in Hotpants.

Von dort zog die Geschichte ihre Kreise, allen voran die “Bild”-Zeitung interessierte sich für die intimen Details aus dem Kinderzimmer. Am Freitag, einen Tag nach dem “B.Z.”-Artikel war der “Lolita-Skandal” also auch bei “Bild” Titelthema, Hotpants inklusive.

Doch schon am Donnerstagabend hatte die “Berliner Morgenpost” in ihrer Online-Ausgabe berichtet, dass das Mädchen gelogen habe:

[In einer eidesstattlichen Erklärung des Mädchens] heißt es, sie hätte deren Eltern von dem Interviewtermin mit der Zeitung erzählt. Die Eltern hätten ihr die Teilnahme verboten. Darauf habe sie den Reportern eine gefälschte Unterschrift ihrer Eltern vorgelegt. […]

Außerdem versicherte die Schülerin auch schriftlich, sie hätte die “BZ”-Reporter belogen. Sie habe nie Geschlechtsverkehr mit einem Hertha-Profi gehabt […].

Dennoch legte die “B.Z.” am Freitag nach: Neue Titelgeschichte, neue Hotpants. “Wie ich zum Spielball der Hertha-Profis wurde”.

Am Samstag noch eine Titelgeschichte. Am Sonntag noch eine.

Doch seit gestern Nacht sind sämtlich Artikel zum “Lolita-Skandal” aus den Online-Portalen von “B.Z.” und “Bild” verschwunden. Auf Anfrage teilte uns der Anwalt der Eltern des Mädchens mit, dass er eine einstweilige Verfügung gegen die Berichterstattung erwirkt habe. Insbesondere die vermeintlichen Schilderungen, Auszüge aus Protokollen und die Fotos des Mädchens dürfen nicht mehr verbreitet werden. Das Landgericht Berlin folgte der Argumentation des Anwalts, dass keine Genehmigung der Eltern vorlag. Das allein sei schon ein grober Verstoß gegen das Presserecht.

Übrigens hatte das Mädchen laut “Spiegel” 5000 Euro von der “B.Z.” bekommen. Inzwischen habe sie das Geld an Springer zurückgezahlt.

Günter Wallraff, Christian Wulff, Oberweiten

6 vor 9

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1. “Der Vernichtungsjournalismus ist in Deutschland sehr ausgeprägt”
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Ein ausführliches Interview mit Günter Wallraff. “Es gibt in einzelnen Redaktionen ganze Teams, die wie eine Meute hinterherhecheln und dann Sachen aufbauschen, an denen wenig oder gar nichts dran ist. Und es gibt in Deutschland einige Medien, die Vernichtungsjournalismus betreiben, die nicht nur Kritik üben, sondern versuchen, jemanden zur Unperson zu erklären, um ihn zur Strecke zu bringen.”

2. “‘Wir alle haben uns etwas vorzuwerfen'”
(dradio.de, Dirk-Oliver Heckmann)
Hans Leyendecker beleuchtet die Rolle der Medien im Fall Christian Wulff: “Medien versuchen heute zu erklären, ja, es ging ja nie um strafrechtliche Dinge, sondern um moralische Dinge. Aber wenn man mal schaut, womit die Staatsanwaltschaft begonnen hat, und das waren 21 Punkte und Unterpunkte, von denen ist in Wirklichkeit einer übrig geblieben. Da haben Medien erheblich dazu beigetragen, ein Klima zu schaffen, dass man meint, hier sei ein Oberganove, dem man nachstellen müsse. Und da haben wir alle zu irgendeinem Zeitpunkt die Balance verloren.”

3. “Milchmädchen-Fakten”
(out-takes.de, Peter Hartig)
Der “Focus” schreibt über die Einkommen deutscher Schauspieler: “Wahrscheinlich hatte das Nachrichtenmagazin ein Sommerloch zu füllen, sonst ist kaum zu erklären, warum man da mit Zahlen jonglierte, die die ‘Bild’ selbst schon im vorigen November veröffentlicht hatte, also vor einem dreiviertel Jahr.”

4. “Showdown beim ‘Spiegel'”
(dradio.de, Brigitte Baetz)
“Eine Abgrenzung gegen die Methoden und die Ausrichtung der ‘Bild’-Zeitung ist für den ‘Spiegel’ fast existenziell”, schreibt Brigitte Baetz: “Es geht um seine Glaubwürdigkeit – und die seiner Mitarbeiter. Und die scheinen nun in letzter Minute davor zurück geschreckt zu sein, den Konflikt auf die Spitze zu treiben und Blome zu verhindern. Schade.”

5. “SRF Virus am Gurtenfestival: Messen des Brustumfangs von Konzert-Besucherinnen beanstandet”
(srgd.ch, Achille Casanova)
SRG-Ombudsmann Achille Casanova nimmt Stellung zur Übertragung eines Musikfestivals, an dem SRF-Moderatoren Oberweiten von Frauen ausgemessen hatten. “Auch wenn ich diese Sequenz alles andere als lustig, ja sogar als geschmackslos und fragwürdig erachte, glaube ich nicht, dass dabei die geltenden rechtlichen Bestimmungen – vorliegend die Menschenwürde – verletzt worden sind.” Siehe dazu auch “Aus der Praxis der Sittenwacht” (nzz.ch, Rainer Stadler).

6. “direktkandidaten casting”
(wirres.net, Felix Schwenzel)
Bundestagswahl: Felix Schwenzel besucht eine Veranstaltung, an der sich die Direktkandidaten seines Wahlkreises Berlin Mitte vorstellen.

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