Bild  etc.

Der Kampf um Schumachers Privatsphäre

Wenigstens mit diesen unsäglichen Kliniktür-Klickstrecken haben sie aufgehört. Aber in Ruhe lassen die Medien Michael Schumacher immer noch nicht. Statt Fotos von seinen Angehörigen verbreiten sie jetzt Spekulationen über seinen Gesundheitszustand. Und Schumachers Managerin Sabine Kehm muss immer wieder “eindringlich” aber erfolglos darum bitten,

das Arztgeheimnis zu respektieren und sich ausschließlich an die Informationen des zuständigen Ärzte-Teams oder Managements zu halten, die die einzigen gültigen Informationen sind.

Vergangene Woche widersetzte sich “Bild” dieser Bitte ein weiteres Mal und titelte:Neue Sorge um Schumi - Lungen-Entzündung im Koma!

JETZT MÜSSEN SICH DIE FANS NEUE SORGEN MACHEN: Bei Schumi wurde nach BILD-Informationen in der vergangenen Woche eine Lungenentzündung diagnostiziert! Die Folgen sind noch nicht absehbar.

Die “BILD-Informationen” wurden von anderen Medien rasch verbreitet, auch wenn Schumachers Managerin die Spekulationen nicht hatte kommentieren wollen.

Zwei Tage spätere berichtete “Bild” dann erneut über Michael Schumacher — und im vorletzten Absatz hieß es plötzlich:

BILD hatte berichtet, dass in der vergangenen Woche eine Lungenentzündung diagnostiziert worden war. Die Erkrankung liegt aber schon weiter zurück und stellte in dieser Woche nach neuesten Erkenntnissen keine akute Gefahr mehr da.

Da hatte die Nachricht von der “Schockdiagnose” aber schon längst die Runde gemacht — und unter anderem zu solchen Artikeln geführt:

Michael Schumacher - Jetzt liegt alles in Gottes Hand! - Die schwere Lungen-Entzündung - Die letzten Stunden im Krankenhaus

Der Feind in seinem Körper – er macht alles kaputt. Die schreckliche Schock-Nachricht aus Grenoble: Schwere Lungenentzündung. Ausgerechnet jetzt! Das Leben von Michael Schumacher, 45, steht auf Messers Schneide. Sein Schicksal liegt nun allein in Gottes Hand. Dabei hatte es doch schon so gut ausgesehen …

Schumachers Managerin hat kurz nach dem “Bild”-Bericht doch noch eine Stellungnahme abgegeben. Darin bittet die Familie abermals um Verständnis, “wenn sie medizinische Einzelheiten weiterhin nicht diskutieren möchte, um Michaels Privatsphäre zu schützen” und stellt abermals klar: “Wie bereits von Anfang an versichert, werden wir entscheidende Neuigkeiten im Gesundheitszustand Michaels weiterhin bekanntgeben. Wir sind uns dabei bewusst, dass die Aufwachphase lange dauern kann.”

Auch die “Bild”-Zeitung zitiert diese Passagen. Und es klingt wie Hohn, wenn sie hinterherschiebt:

Um die Privatsphäre von Schumi und seiner Familie kämpft die Managerin seit dem Unfall vehement.

Kriegsberichterstatter kämpft auf beiden Seiten

In Bayern herrscht gerade Stress zwischen dem BR und einigen privaten Radiosendern. Wobei — Stress? Nein. Krieg!

Radiokrieg in Bayern

Für die “FAZ” an der Front: Jörg Michael Seewald. Der erklärte kürzlich, worum es bei dieser Auseinandersetzung überhaupt geht.

Der Bayerische Rundfunk plant nämlich, sein Klassik-Programm künftig vermehrt digital zu verbreiten, statt über UKW — und die freiwerdenden UKW-Frequenzen für das neue BR-Jugendradio PULS zu nutzen. Das finden die privaten Radiosender nicht gut, weil sie einen Rückgang ihrer eigenen Hörerzahlen befürchten.

Vor allem der Privatsender egoFM kritisiert die Pläne. Dessen Chef kommt im Artikel — neben dem designierten BR-Hörfunkdirektor und dem Direktor der Bayerischen Landeszentrale für Medien — ausführlich zu Wort, darf die “deutlich höhere Akzeptanz” seines Senders loben und auf die “Frequenzübermacht” des BR schimpfen.

Was die Leser nicht erfahren: “FAZ”-Autor Seewald, der hier den neutralen Beobachter gibt, hat seit Jahren eine eigene Radiosendung — bei egoFM. Wie man uns dort mitteilte, arbeite er außerdem für den BR.

Flexibel, der Mann. Mal ist er auf dieser Seite zu finden, mal auf der anderen, mal scheinbar unabhängig dazwischen.

Und manchmal wirft er sich unsichtbar mitten ins Getümmel. Als sich Seewald im vergangenen Jahr in der “FAZ” mit einer Radio-Show von Thomas Gottschalk beschäftigte, brachte er einen Werbehinweis zur privaten Konkurrenz unter:

Jedenfalls funktioniert das Konzept, Songs durch eigene Geschichten mit Bedeutung aufzuladen, wie es der bayerische Konkurrenzsender egoFM mit seiner ‘Vermessung der Musik’ schon seit vier Jahren erfolgreich vormacht.

Der vollständige Titel der Sendung “Vermessung der Musik”, das erwähnt Seewald nicht, lautet: “Seewald — Vermessung der Musik”. Es ist seine eigene Sendung.

Gema eben vor Gericht

Bild.de hat mal wieder einen “bizarren” Anlass gefunden, um auf der Gema rumzuhacken:

Bizarrer Streit um die Musikrechte bei den Maidan-Protesten in Kiew

Seit Tagen sperrt die “Gesellschaft für Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte” (Gema) die Übertragung der Web-Cams aus Kiew mit der App “EuroMaidan”.

Begründung: Es könnte Musik übertragen werden, für die Tantiemen fällig sind.

Das Portal hat sogar einen CDU-Politiker aufgetrieben, der sich nun über das Vorgehen empört und es “skandalös” findet, dass “unsere im Westen viel gepriesene Informationsfreiheit von einer Einrichtung wie der Gema massiv eingeschränkt wird.”

Die Gema weist die Vorwürfe allerdings zurück:

Eine Sprecherin zu BILD: “Uns ist es ein Anliegen, dass Sie und andere Bürger über aktuelle Ereignisse zu den politischen Protesten in der Ukraine informiert sind. Zum ‘Entsperren’ des Nachrichtenkanals wenden Sie sich bitte an den Plattformbetreiber YouTube.”

Der Autor ergänzt:

Youtube sitzt im kalifornischen San Bruno. Bis sich dort jemand der App annimmt, fällt auf “EuroMaidan” die Youtube-Klappe.

Und siehe da: Schuld ist doch nicht die Gema — sondern Youtube.

Trotzdem lautet die Überschrift:Bizarrer Musikrechte-Streit bei Ukraine-Demos - Gema schaltet auf dem Maidan die Kameras ab

Die Gema hat dazu jetzt eine Stellungnahme veröffentlicht:

Die Online-Ausgabe der Bild Zeitung bild.de berichtete heute, dass die GEMA Webcams auf dem Maidan Platz in Kiew, mit denen über die dortigen Demonstrationen berichtet wird, gesperrt habe. […] Diese Nachricht ist falsch.

Die  GEMA hat in keiner Weise veranlasst oder gefordert, dass die entsprechenden Live-Streams aus dem Netz genommen werden. Die Verwertungsgesellschaft hält es für abwegig und ausgeschlossen, dass bei der Übertragung von Demonstrationen in Kiew Rechte von ihren Mitgliedern verletzt werden können. Die Sperrung erfolgte durch YouTube selbst. Dabei wurde durch die Verwendung der bekannten “GEMA-Sperrtafel”, gegen die die GEMA bereits gerichtlich vor dem Landgericht München vorgeht, der unrichtige Eindruck vermittelt, die GEMA habe die Sperrung gefordert oder veranlasst. Auch bei “gewöhnlichen” Musikvideos, die bereits Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen sind, erfolgt die Sperrung durch YouTube selbst und nicht auf Veranlassung der GEMA.

Obwohl die GEMA bild.de vor der Berichterstattung schriftlich und mündlich auf diesen Sachverhalt hingewiesen hat, berichtete Bild falsch und unter Verletzung journalistischer Sorgfalts- und Berufspflichten. Die GEMA hat aus diesem Grund bereits rechtliche Schritte gegen die Berichterstattung eingeleitet.

Mit Dank an Nick M.

Nachtrag, 20. Februar: Bild.de hat den Artikel jetzt gelöscht. Derweil hat die Gema-Sprecherin in einem Interview mit taz.de noch mal ausführlich zu dem Fall Stellung genommen und bekräftigt, Bild.de auf Unterlassung und Richtigstellung zu verklagen.

Nachtrag, 28. Februar: In einer kürzlich veröffentlichten Gegendarstellung schreibt die Gema:

“Wir haben zu keinem Zeitpunkt die Sperrung von Web-Cam-Übertragungen aus Kiew veranlasst.”

Und Bild.de muss zugeben:

Die GEMA hat recht.

Einschaltquote, Publikumsrat, Bushido

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “So gehen Radiosender mit Blogger-Anfragen um”
(radiowatcher.de, Ekki Kern)
Ekki Kern fragt bei Mediensprechern nach, wie sie Anfragen von Bloggern behandeln.

2. “Die große Quoten-Lüge”
(faz.net, Claudius Seidl)
Claudius Seidl prüft, was die vielfach als Handlungsgrundlage genommenen TV-Einschaltquoten eigentlich aussagen: “Es ist also mehr als bloß ein Verdacht, dass die Einschaltquote nicht etwa misst, wie viele Menschen welche Sendungen sehen. Sie misst vielmehr, wann, was und wie lange jene Leute sehen, die Zeit und Nerven genug haben, an der Quotenmessung teilzunehmen.”

3. “Bloß kein Kopfzerbrechen – Von Publikumsräten und Programmplätzen”
(untergeschoss.wordpress.com, Harald Keller)
Zum angeblich offiziell existierenden ZDF-Publikumsrat (BILDblog berichtete) holt Harald Keller bisherige ähnliche Initiativen in Erinnerung. “Typisch zum Beispiel die Klage, dass Kultursendungen im Ersten und im ZDF erst am späten Abend zu sehen sind. Unbeachtet bleibt dabei, dass 3sat montags bis freitags zur besten Sendezeit um 19.20 Uhr das Magazin ‘Kulturzeit’ ausstrahlt. Ist es so schwer, eine Fernbedienung zu betätigen?”

4. “Wie russische Medien Sotschi präsentieren”
(sueddeutsche.de, Julian Hans)
Sotschi 2014 im russischen Fernsehen: “Einen interessanten Nebeneffekt hat Olympia auf die Nachrichten: Sie beginnen nicht mehr zwangsläufig mit ‘Putin hat besucht, angeordnet, eröffnet’, sondern auch mal mit den russischen Medaillengewinnern.” Siehe dazu auch “Dreams about Russia” (economist.com, englisch).

5. “Woran lässt sich Erfolg im Journalismus messen?”
(netzpiloten.de, Katharina Brunner)
Wie soll Aufmerksamkeit im Netz gemessen werden? Katharina Brunner stellt einige neue Modelle und Ideen vor.

6. “Warum wir den Bushido haben, den wir verdienen”
(welt.de, Michael Pilz)
Michael Pilz zeichnet die Aufmerksamkeit der Medien für den Rapper Bushido nach: “Wie der Boulevard sich seine Prominenten heute selbst erfinden muss, haben wir jetzt den Großrapper, den wir verdient haben, den Großrapper, der mit uns spielt.”

Verleger, Thilo Sarrazin, Matthias Matussek

6 vor 9

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1. “Die Mär vom Milliardenmarkt”
(blog.alvar-freude.de)
Gibt es einen “weltweiten Umsatz mit Kinderpornos” in der Höhe von 18 Milliarden US-Dollar, wie Spiegel.de vermutet? Und gibt es rund 100’000 kommerzielle Kinderporno-Websites? Alvar Freude findet dafür keine Anhaltspunkte.

2. “Ach ja, die Pressefreiheit”
(berliner-zeitung.de, Christian Bommarius)
Die Welt gewöhne sich an vieles, schreibt Christian Bommarius. “Und sie scheint sich nun auch daran zu gewöhnen, dass die Pressefreiheit an den Sonntagen der Demokratie in Parlamenten zwar pathetisch beschworen und mit rhetorischen Girlanden umrankt, von Montag bis Sonnabend aber von den Regierungen und deren Sicherheitsbehörden als Sicherheitsrisiko diffamiert und verfolgt wird.”

3. “Von DuMont zu Döpfner: Gedanken über das Verlegertum”
(meedia.de, Christian Meier)
Christian Meier zählt die vielfältigen Ansprüche auf, die deutsche Journalisten an ihre Verleger haben: “Verleger und solche, die es werden wollen, werden in Deutschland mit zweierlei Maß gemessen, manchmal auch mit mehr als zwei.”

4. “Neues Buch über Medienmacht: Die Mär vom armen Opfer Sarrazin”
(spiegel.de, Jan Fleischhauer)
Jan Fleischhauer wundert sich, dass Thilo Sarrazin, der Bücher in Millionenauflage verkauft, behauptet, man dürfe seine Meinung nicht frei äußern. “Im Fall Sarrazin liegt eine Verwechslung vor. Nur weil einem eine bestimmte Elite die kalte Schulter zeigt, heißt das noch lange nicht, dass die Meinungsfreiheit in Deutschland gefährdet sei.”

5. “Being Matussek”
(pantelouris.de)
Michalis Pantelouris bespricht den Text “Ich bin wohl homophob. Und das ist auch gut so” (welt.de, Matthias Matussek). “Wer Homophobie so rechtfertigt wie ‘Matussek’, den hat Matussek nach allen Regeln der Kunst geoutet. Er hat einfach Angst vor der Welt, die er nicht mehr versteht. Und das ist irgendwie okay.”

6. “Olympic poem (V): Deutschland einig Rodelland #Sochi2014”
(jensweinreich.de)

Hollande, Alliterationen, Wikipedia

6 vor 9

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1. “5 Tipps, um Sensationsjournalismus vorzubeugen”
(journalist.de, Beth Winegarner)
Beth Winegarner liefert fünf Tipps, “die dabei helfen können, Sensationsjournalismus vorzubeugen – und gleichzeitig Geschichten zu erzählen, denen das Publikum nicht widerstehen kann”: “1. Halten Sie sich an die Fakten! 2. Vorsicht bei der Beschreibung und Identifizierung von Verdächtigen! 3. Bleiben Sie skeptisch – auch gegenüber ‘Experten’! 4. Sammeln Sie so viele Details wie möglich! 5. Erzählen Sie eine gute Geschichte!”

2. “Fakten-Check beim ‘Spiegel’: ‘Wissen, wo der Hase im Pfeffer liegt'”
(derstandard.at, Oliver Mark)
Oliver Mark erinnert daran, dass beim “Spiegel” 70 Dokumentationsjournalisten daran arbeiten, die Fakten korrekt zu halten: “Über eine journalistische Ausbildung verfügen die wenigsten, die meisten sind Fachleute wie Mediziner, Sinologen, Techniker, Physiker, Juristen oder Historiker.”

3. “Wikipedia, die Pariser Kommune und ich”
(antjeschrupp.com)
“Wie soll man belegen, dass es etwas NICHT gegeben hat?”, fragt sich Antje Schrupp beim Editieren von Wikipedia.

4. “Content economics, part 5: news”
(blogs.reuters.com, Felix Salmon, englisch)
Felix Salmon fasst den jüngsten Medienwandel im Bereich News zusammen. “This might come as depressing news to high-minded editors who extol the wonders of investigative journalism and who disdain cat videos as being beneath them. But most news bundles have always included their fair share of fluff, and in a disaggregated world, there’s no need for the investigative journalists to work for the same employer as the people curating cat videos. (Although, they can.)”

5. “Homme Alone”
(thedailyshow.com, Video, 4:40 Minuten, englisch)
Wie US-Medien über einen Besuch von François Hollande bei US-Präsident Barack Obama berichten.

6. “Nie wieder ‘humorvolle Hüftgoldtrager’: Für ein Alliterationsverbot im deutschen Fernsehen!”
(blogs.stern.de/programmstoerer, Peer Schader)

Sotschi, Berlinale, Nachrichten

6 vor 9

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1. “Möwen folgen Fischkutter”
(sueddeutsche.de, Ruth Schneeberger)
Ruth Schneeberger beobachtet Journalisten-“Trickser” am Filmfestival Berlinale: “Mal gibt ein älterer Franzose Herzprobleme vor, weshalb er unbedingt noch zur Pressekonferenz mit George Clooney müsse, doch die Ordner bleiben hart. Komischerweise ist er auf den folgenden Terminen auch immer wieder da und wirkt putzmunter. Ein anderer versucht sich durch möglichst seriöses Aussehen dort reinzuschummeln, wo so viele andere bereits abgewiesen wurden – er trägt eine hoch angesehene Zeitung unterm Arm, Schal überm Hemd, und er blickt durchdringend intellektuell durch eine Hornbrille.”

2. “40/365: asap”
(einsneunsiebenzwei.de, Daniela Warndorf)
Eine “hektische Redakteurin einer großen Frauenzeitschrift” drängt Daniela Warndorf dazu, “asap ein paar Fotos” von ihrem Balkon zu schicken.

3. “Noch ein olympisches Milliardengrab”
(blogmedien.de, Horst Müller)
Horst Müller zweifelt daran, dass die Eröffnungsfeier der Winterspiele in Sotschi von “rund drei Milliarden” Fernsehzuschauern verfolgt wurde, wie Spiegel.de oder Welt.de behaupten.

4. “Wenn Diekmann sich korrigiert”
(pantelouris.de)
“Bild” habe “ein eingespieltes Verfahren, ihre Lügengeschichten nachträglich gefühlt zu rechtfertigen”, schreibt Michalis Pantelouris. “Sie konfrontiert einen Angegriffenen damit und wertet die Tatsache, dass er mit der Bild überhaupt noch redet, als Beweis dafür, dass es so falsch nicht gewesen sein kann.”

5. “Ohne die Nachrichten gäbe es die Welt nicht”
(welt.de, Andreas Rosenfelder)
Andreas Rosenfelder definiert, der Job der Feuilletonisten bestehe darin, “die tägliche Nachrichtenlage als Steinbruch zu benutzen und große Erzählungen zu finden, die das oft ziemlich sinnlose Einzelereignis an den Kosmos der Ideen anschließen”.

6. “Sportler als unpolitische Wesen? #Menschenrechte als politische Propaganda? #Sochi2014 #Putin #IOC”
(jensweinreich.de)
Jens Weinreich widmet sich ausführlich der Frage, ob Sportler unpolitische Wesen sind: “Ich sage sogar ziemlich überzeugt, dass Sportlern, die sich in Sotschi mit Gesten und Worten äußern, keine Gefahr droht. Nicht einmal vom IOC.”

Sicherheitsbehörden, Die Harke, Migration

6 vor 9

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1. “Reporter ohne Grenzen veröffentlicht aktuelle Rangliste der Pressefreiheit”
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die Dominanz der Sicherheitsbehörden erschwere die Arbeit von Journalisten in vielen Ländern, schreiben die “Reporter ohne Grenzen” in ihrer jährlich erscheinenden Rangliste der Pressefreiheit: “Besonders besorgniserregend ist, dass diese Entwicklung sogar traditionelle Demokratien erfasst hat.” Österreich, Deutschland und die Schweiz finden sich auf den Plätzen 12, 14 und 15. Die USA rutscht um 13 Plätze ab auf Rang 46 (zwischen Rumänien und Haiti).

2. “Das umstrittene Bild von Edathys Wohnung”
(handelsblatt.com, Patrick Schwarz)
Die Lokalzeitung “Die Harke” veröffentlicht ein Foto, das die Wohnung von SPD-Politiker Sebastian Edathy zeigt. “Nach eigenen Angaben hat der Autor und Fotograf zwar die Wohnung des SPD-Politikers nicht betreten, ist aber auf eine Balustrade vor der Wohnung im ersten Stock gestiegen, um das Foto zu schießen.” Stefan Reckleben von der “Harke” nimmt auf NDR dazu Stellung (ndr.de, Video, 6:03 Minuten).

3. “Von Bärchen und Blümchen”
(topfvollgold.de, Dennis Klammer)
Reporter der Regenbogenpresse, die Blumen und Teddybären verschenken.

4. “Meinungswandel bei der Migration”
(medienblog.blog.nzz.ch, Rainer Stadler)
“Die migrationspolitischen Debatten der vergangenen Jahre haben einen Mentalitätswandel bewirkt, nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Ausland”, glaubt Rainer Stadler. “Die Redaktionen können zudem im Online-Zeitalter jene Stimmen, die gegenüber einem freien Personenverkehr kritisch eingestellt sind, kaum noch ignorieren. Diese Positionen sind nun dauernd und zahlreich präsent, für jedermann einsehbar in den Besucherkommentaren der Informationsplattformen.”

5. “What Uniques And Pageviews Leave Out (And Why We’re Measuring Attention Minutes Instead)”
(blog.upworthy.com, englisch, 6. Februar)
Statt in Seitenaufrufen will Upworthy Bewegungen der Nutzer in Aufmerksamkeitsminuten messen.

6. “‘Vollkommen ratlos und zerknirscht'”
(sueddeutsche.de, Sonja Salzburger)
Ein Interview mit Dieter Bandhauer. Reaktionen auf eine Pressemitteilung seines Kleinverlags fluteten vergangenes Wochenende die E-Mail-Konten vieler deutschsprachiger Kulturjournalisten.

Sag ja zur Recherche

Am Anfang des Videos geht eine junge Frau durch den Flur ihrer Schule. Traurige Klavierklänge untermalen die Szene. “Sie sagten, Heroin sei das beste High, das ich je hatte”, erzählt sie aus dem Off. Dann sieht man, wie sie zu Hause schreiend einen Fernseher an die Wand schmeißt, Regale umwirft, dann in der Stadt neue Drogen kauft, sich vor der Polizei versteckt und schließlich in den Armen ihrer Mutter zusammenbricht. “Erfahren Sie die Wahrheit über Heroin”, sagt sie am Ende in die Kamera, und eine Internetadresse wird eingeblendet.

Das Video ist ein Werbefilm für die Kampagne “Sag NEIN zu Drogen — Sag JA zum Leben”. Es ist vergangene Woche bei Bild.de erschienen, in einem Artikel über den steigenden Heroin-Konsum in den USA.

Auf den ersten Blick ist daran nichts auszusetzen, immerhin unterstützt Bild.de damit eine gemeinnützige Kampagne, die sich der Drogenaufklärung verschrieben hat.

So scheint es zumindest.

In Wahrheit steckt hinter der so gutmütig wirkenden Anti-Drogen-Organisation aber ein bisschen mehr. Sie gehört nämlich zu Scientology.

Schon vor einem Jahr warnte der Verfassungsschutz Baden-Württemberg davor, dass Scientology zunehmend versuche, über das Internet neue Mitglieder zu gewinnen. Rainhard Hoffmann vom Stuttgarter Landesamt für Verfassungsschutz sagte der dpa, in Deutschland könne man über 100 Webseiten Scientology oder nahestehenden Organisationen zurechnen. Über Nebenorganisationen wie “Jugend für Menschenrechte” oder “Sag NEIN zu Drogen — Sag JA zum Leben” versuche die Scientology-Organisation, junge Leute zu ködern.

Und Bild.de hat sie dabei unterstützt.

Ohne Absicht, vermutlich, denn normalerweise steht das Portal der Organisation eher kritisch gegenüber, bezeichnete sie unlängst als eine der “gefährlichsten Sekten der Welt”. Nichtsdestotrotz hätten die Bild.de-Leute wissen können, für wen sie da gerade Werbung machen. Denn erstens wird auf der Seite der Anti-Drogen-Kampagne (wenn auch etwas versteckt) auf die Verbindung zu Scientology hingewiesen. Zweitens steht es in der Wikipedia. Und drittens hat Bild.de vor einem Jahr selbst darüber berichtet:

“Soziale Netzwerke spielen [für Scientology] eine immer wichtigere Rolle, um Mitglieder zu gewinnen”, sagte [Rainhard Hoffmann vom Verfassungsschutz]. Über Nebenorganisationen wie “Jugend für Menschenrechte” oder “Sag nein zu Drogen, sag ja zum Leben” sollten junge Leute gebunden werden. “Das sind auf den ersten Blick harmlose Themen mit denen die jungen Menschen geködert werden. Da erwartet man auf den ersten Blick nichts schlimmes dahinter.” Die Werbung sei bewusst auf die junge Generation zugeschnitten, ohne dass einem zunächst bewusst werde, wer dahinter stecke.

Das alles hatten die Leute von Bild.de blöderweise schon wieder vergessen, als sie vergangene Woche das Video in den Artikel einbauten.

Und noch blödererweise haben sie auch bei den fünfzehn anderen Videos nicht mehr daran gedacht:

Screenshots: Bild.de

All diese Videos sind auf Bild.de erschienen, Rubrik “TOP-VIDEOS”. Am Ende jedes Clips erscheint die Internetadresse der Scientology-Organisation.

Wir haben beim Pressesprecher der Axel Springer AG nachgefragt, warum die Videos veröffentlicht wurden, obwohl sie bei Bild.de hätten wissen müssen, dass Scientology dahintersteckt. Wir haben auch gefragt, ob Bild.de Geld für die Videos gezahlt hat und wenn ja, an wen.

Antworten auf diese Fragen haben wir leider nicht bekommen. Aber immerhin hat sich der Sprecher im Namen der Redaktion “herzlich” bei uns für den Hinweis bedankt. Wie es zu der Einbindung kommen konnte, werde jetzt “redaktionsintern geprüft”. Kurz nach unserer Anfrage hat Bild.de sämtliche Videos gelöscht.

Mit Dank an Franzi, Lars und den anonymen Hinweisgeber.

Der selbstgemachte ZDF-“Publikumsrat”

Die “Süddeutsche Zeitung” hat heute scheinbar schlechte Nachrichten für den ZDF-Moderator Markus Lanz:

Mehr Ärger für Lanz

Der ZDF-Publikumsrat hat eine Programmbeschwerde wegen des umstrittenen Interviews in der Talksendung Markus Lanz eingereicht. Lanz’ Befragung der Politikerin Sahra Wagenknecht im Januar habe gegen Programmgrundsätze und das journalistische Ethos verstoßen, heißt es in dem Schreiben an den ZDF-Fernsehrat. Der Sender müsse sich mit der Kritik, die unter anderem in einer mehr als 200000 Mal unterzeichneten Petition gegen den Moderator öffentlich wurde, auseinandersetzen, sagte Sprecherin Sabine Schiffer. Man hoffe auf eine Rüge.

Aha, der ZDF-Publikumsrat, soso.

Es gibt keinen ZDF-Publikumsrat. Es gibt eine Initiative von Leuten, die finden, dass es einen “Publikumsrat” für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geben sollte und schon mal eine entsprechende Internetseite aufgesetzt haben. Sie haben eine Programmbeschwerde an den ZDF-Fernsehrat formuliert, was jeder Zuschauer tun kann, und diese veröffentlicht. Wohl nicht zuletzt, um Aufmerksamkeit für ihr Anliegen zu bekommen: einen “Publikumsrat” zu installieren. Den es, wie gesagt, nicht gibt.

Die “Süddeutsche Zeitung” hat den Wunsch dieser Privatinitiative nun in ganz besonderer Weise dadurch erfüllt, dass sie sie wie eine etabliertes, offizielles Gremium behandelt: “den ZDF-Publikumsrat”. Und dass sie so tut, als sei eine Programmbeschwerde von zwei Frauen, die dem real-existierenden ZDF-Fernsehrat abschließend mitteilen, dass sie “für weitere Gespräche gerne zur Verfügung stehen”, etwas anderes als irgendeine Programmbeschwerde von zwei Zuschauerinnen oder Zuschauern, und als bedeute das nun besonderen “Ärger” für Markus Lanz.

Der Unsinn wird nun von anderen Medien weitergetragen. Die Boulevard-Agentur “Spot.On” spricht ahnungslos von einer “offiziellen Beschwerde”, was entsprechend zu folgender Meldung auf “Focus Online” führt:

Offizielle Beschwerde: Wird es jetzt ernst für Markus Lanz?

Auch der Branchendienst turi2 weiß es nicht besser:

Markus Lanz bekommt noch mehr Ärger wegen des umstrittenen Interviews mit der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht: Der ZDF-Publikumsrat hat beim ZDF-Fernsehrat eine Programmbeschwerde eingereicht. Lanz habe gegen Programmgrundsätze und das journalistische Ethos verstoßen, schreibt Sprecherin Sabine Schiffer. Sie verlangt eine Rüge.

Der “neue Ärger” für Markus Lanz besteht insofern im Wesentlichen darin, dass man sich nur “Publikumsrat” nennen muss, um von Journalisten dafür gehalten zu werden.

Nachtrag, 15:10 Uhr. Die “SZ” hat ihren Artikel online überarbeitet und um die Sätze ergänzt:

In einer früheren Version dieser Meldung konnte der Eindruck entstehen, mit dem „Publikumsrat“ wende sich ein offizielles ZDF-Gremium gegen Moderator Markus Lanz. Tatsächlich muss sich der Fernsehrat mit der Beschwerde einer privaten Initiative befassen.

Auch “Focus Online” und turi2 haben ihre Meldungen korrigiert. Dafür verbreitet nun die “Bunte” online die Mär vom “ZDF-Publikumsrat”.

Nachtrag, 20:35 Uhr. Der Bunte.de-Artikel ist wieder verschwunden.

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