1. Drei weitere türkische Reporter vor Gericht (dw.com)
Im Februar bezeichnete die türkische Tageszeitung “Birgün” Präsident Recep Tayyip Erdoğan als “Dieb” und “Mörder”. Gestern begann der Prozess “gegen drei leitende Redakteure des Blattes.” Seit Erdoğans Amtsantritt im vergangenen Jahr habe es gegen kritische Journalisten “mehr als hundert Verfahren dieser Art gegeben”, schreibt faz.net. Auch die beiden “Cumhuriyet”-Journalisten Can Dündar und Erdem Gül befinden sich weiter in Haft (siehe Link Nummer 1). “Frontal21” hatte erst vor Kurzem mit Dündar gesprochen. Die “Reporter ohne Grenzen” haben eine Petition gestartet, in der sie Erdoğan auffordern, Dündar und Gül freizulassen.
2. “Traurige Gefasstheit” beim “Spiegel” (ndr.de, Daniel Bouhs und Annette Leiterer)
Die “Agenda 2018” solle dem “Spiegel” dabei helfen, mindestens 15 Millionen Euro einzusparen. Dafür würden 149 Stellen abgebaut, darunter 35 in der Redaktion. Der verantwortliche Geschäftsführer Thomas Hass spricht von “trauriger Gefasstheit” als Reaktion auf die Sparmaßnahmen. Die “Welt” dokumentiert seine Rede auf der Mitarbeiterversammlung und analysiert das Programm in einem weiteren Text. Demnach gebe es verlagsintern Widerstand: “Die Frage, welcher Gesellschafter nicht für die ‘Agenda 2018’ gestimmt hat, lässt sich eindeutig beantworten. Da von ihrer Zustimmung oder Ablehnung nichts abhängt, war es die Erbengemeinschaft der Augsteins.”
3. Gestatten, ARD — Rundfunk für “besorgte Bürger” (starke-meinungen.de, Christoph Giesa)
Einige TV-Sendungen “entwickeln sich (…) zu Steigbügelhaltern von AfD, Pegida und Reichsbürgern.” Das meint jedenfalls Christoph Giesa und fragt: “Schielt man bei Plasberg, Jauch und Co eher auf die Quote als auf den eigentlichen Auftrag?” Unsere Gesellschaft werde “gerade nicht nur von Islamisten, sondern auch von der rechten Szene unter Beschuss genommen”, und man werde dieses Phänomen nicht in den Griff bekommen, “indem man auf die Quoten schielend deren Ikonen Raum gibt.”
4. Wozu noch Medienkritik? (evangelisch.de, Tilo Jung und Stefan Schulz)
Claus Kleber sieht große Teile der Gesellschaft “unversorgt von einer, wie wir sagen würden, anständigen Nachrichtenversorgung”. Peter Frey, ZDF-Chef und damit Klebers Vorgesetzter, spricht dagegen von einer “Renaissance der Akzeptanz der öffentlich-rechtlichen Nachrichten”. Und der Intendant Thomas Bellut erkennt “keinen Hinweis für eine grundlegende Glaubwürdigkeitskrise”. Der ZDF-interne Konflikt steht stellvertretend für den Kampf um die Deutungshoheit innerhalb der gesamten Branche. Stefan Schulz meint deshalb: “Es tobt ein sehr schädlicher Medienkrieg.”
5. Zensur in Thailand: “New York Times” erscheint mit weissem Fleck auf dem Titel (watson.ch)
Auf der gestrigen Titelseite der “International New York Times” gab es einen kritischen Artikel über die Situation in Thailand. Überschrift: “Thailands Stimmung und Wirtschaft im Sinkflug”. Nur nicht in Thailand. Da war auf einer großen weißen Fläche zu lesen: “Der Artikel, der hier stand, wurde von unserer Druckerei in Thailand entfernt. Die ‘International New York Times’ und ihre Belegschaft spielten keine Rolle bei dieser Entfernung.”
6. “Wer unmodisch bleibt, eilt voraus” (taz.de, Johannes Gernert und Peter Unfried)
Gestern Abend sendete das ZDF die letzte Folge von “Pelzig hält sich”. Johannes Gernert und Peter Unfried haben mit Frank-Markus Barwasser über seinen freiwilligen Abgang gesprochen.
„Georgie“ ist die Kinder-Rubrik der Reitsport-Zeitschrift „St. Georg“ — normalerweise nicht ganz unser Beritt, aber wenn mit einer Redaktion dermaßen die Pferde durchg… okay, zur Sache.
Doch in Wahrheit waren es nicht “Georgie” und die Redaktion von „St. Georg“, die das “herausgefunden” haben, sondern: HKM Sports Equipment.
Denn die Outfits, die Bibi und ihre Freundin Tina im Film tragen, wurden von HKM Sports Equipment gestellt und inzwischen könnt auch ihr euch in Bibi und Tina und eure Pferde in Amadeus und Sabrina verwandeln. Aber wie entsteht eigentlich so eine Kollektion? HKM Sports Equipment erklärt es euch.
Vor allem erklärt HKM Sports Equipment aber, wie umwerfend HKM Sports Equipment doch ist — vier Seiten lang:
Im Laufe des letzten Jahres konnte das HKM-Team immer wieder Einblicke in die Filmwelt erhaschen. Die Darstellerinnen von Bibi & Tina, Lina Larissa Strahl und Lisa-Marie Koroll, haben sogar mal ganz liebe Grüße direkt vom Filmset geschickt. Echt aufregend.
Au ja. Aber der Höhepunkt kommt erst noch.
Im Dezember war es dann so weit: Weltpremiere in Berlin und das Team HKM war mit zwölf Mädels live dabei. Das war mal etwas ganz Besonderes, denn bei der Premiere ebenfalls anwesend waren Schauspieler wie Heino Ferch oder Max von der Groeben. Und die HKMs mitten drin. Während des Films haben sie natürlich immer wieder geschaut, wo Produkte von ihnen verwendet wurden und klar, da waren sie schon ziemlich stolz, als sie die vielen Produkte entdeckt haben.
Auch Teil der Premiere: Die Präsentation der HKM by Bibi & Tina Reitsportkollektion. Das war natürlich ganz besonders aufregend für die HKM-Mannschaft und eigentlich beinahe der wichtigste Teil – ähnlich wie die entscheidende Germany‘s Next Topmodel-Frage, ob Heidi ein Foto für die Kandidatin hat. Hier stellte sich die Frage: Wie kommt die Kollektion bei den kleinen Reiterinnen an? Hat sich die monatelange Arbeit und das Herzblut gelohnt, das hineingesteckt wurde? Gefallen Sternchenjeans in blau und Oversizeblouson in knallrot den Bibi & Tina Fans?
Antwort: Ja, HKM, wir haben ein Foto für Dich! Da waren Freude und Erleichterung bei allen Beteiligten natürlich groß.
Und was noch toller ist: Auch in jenen Ländern, in denen Bibi & Tina gar nicht jeder kennt (stellt euch vor, das gibt‘s!), HKM aber viele Kunden hat, kommt die Kollektion toll an. Und wer freut sich nicht über zufriedene Kunden?!
Übrigens apropos Inspiration – die Begeisterung für das „voll verhexte“ Bibi & Tina Outfit hat Desginchef Stefan und sein Team zur Entwicklung von „Little Sister“ inspiriert, einer neuen Kollektion für die kleine Reiterin, die ab Herbst 2015 erhältlich sein wird.
Übrigens apropos Begeisterung. Der Deutsche Presserat zeigte sich weniger angetan von dieser Schleichwerbung und sprach eine Rüge gegen „St. Georg“ aus.
Es war bei Weitem nicht der einzige Schleichwerbetext, der vom Presserat gerügt wurde. Wir sind zwar etwas spät dran (die Sitzung fand im September statt), wollen uns die Geschichten aber trotzdem noch etwas genauer anschauen.
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Da wäre zunächst dieser Artikel, erschienen in der “Rheinischen Post”:
Eine Bank, die Kredite vergibt? Hammer!
Das Kleveblog (das uns freundlicherweise auch das Foto zur Verfügung gestellt hat) schreibt dazu:
Im Text, Bestandteil des redaktionellen Angebots und nicht als Anzeige gekennzeichnet, heißt es: „DieVolksbank Kleverland stellt ihren Kunden Kunden [sic!] für private Anschaffungen schnell und unkompliziert Darlehen zur Verfügung. Der Wunschbetrag kann dabei bis 75000 Euro betragen.“ Kundenberater Benjamin Brüschke sagt: „Wofür der Kunde den Kredit braucht, spielt dabei gar keine Rolle“. Hey, it’s so easy, nehmt die Kohle! Der junge Mann posiert auch für das Foto, vor einem üppigen Mercedes und mit einem Easy-Credit-Plakat in der Hand, das ein Pärchen zeigt, welches fröhlich verkündet: „Unser Kredit, so individuell wie wir“.
Diese „ausschließlich positive und völlig unkritische“ Berichterstattung der „Rheinischen Post“ sei „nicht von öffentlichem Interesse“ gewesen und habe „deutlich die Grenze zur Schleichwerbung“ überschritten, urteilte auch der Presserat und sprach eine Rüge aus.
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Gerügt wurden auch die „Westfälischen Nachrichten“. Die Zeitung hatte im Rahmen einer „Medienpartnerschaft“ drei redaktionelle Beiträge über Unternehmen und ihr Angebot veröffentlicht. Beigestellt waren den Artikeln Anzeigen der Unternehmen. Auch hier erkannte der Presserat Schleichwerbung.
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Die „Leipziger Volkszeitung“ wurde gerügt, weil sie auf der Titelseite auf eine werbliche Veröffentlichung im Innenteil hingewiesen hatte (es ging um Navigationsgeräte). „Ein solcher Querverweis ist mit der erforderlichen klaren Trennung von Redaktion und Werbung nicht vereinbar“, befand der Presserat.
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Ebenfalls wegen Schleichwerbung gerügt wurde „Sonntag Aktuell“. Das Blatt hatte, so der Presserat, „25 ausgewählte Urlaubshotels vorgestellt und dabei auch werbliche Formulierungen verwendet. Im Umfeld der Artikel wurden zudem zwei redaktionell gestaltete Anzeigen veröffentlicht, die mit ‘Sonderveröffentlichung’ gekennzeichnet waren. Dieser Begriff ist jedoch nicht geeignet, die Werbung für den Leser klar als solche erkennbar zu machen”.
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Eine Rüge ging auch an „L.A. Multimedia“. Die „Zeitschrift für den Einsatz von Multimedia, EDV, IT und Kommunikationstechnologien in Schulen“ (Eigenbeschreibung) hatte „unter anderem in werblicher Sprache über IT-Produkte berichtet und dabei jeweils einen bestimmten Hersteller bzw. Anbieter hervorgehoben“, wie der Presserat schreibt. „Zudem enthielten die Artikel Hinweise auf die Web-Seiten der Unternehmen. Einer der Artikel war sogar von einem leitenden Mitarbeiter eines Herstellerunternehmens verfasst worden.“ Der Presserat beurteilte auch diese Artikel als Schleichwerbung.
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Auch Bild.de bekam eine Rüge. Nicht wegen Schleichwerbung, sondern “wegen einer unangemessen sensationellen Darstellung eines grausamen Unfalls”. Der Presserat schreibt:
Die Redaktion hatte ein Video veröffentlicht, das zeigt, wie Sportler der European Games von einem Bus angefahren werden. Sie erlitten zum Teil schwere Verletzungen.
Im Video wird mehrfach der Moment des Aufpralls gezeigt. Diese Wiederholung des Unfallmoments geht über ein öffentliches Interesse hinaus, die Grenze zur Sensationsberichterstattung nach Ziffer 11 des Pressekodex wird überschritten, bewertete der Presserat.
Inzwischen hat Bild.de das Video geändert; jetzt ist der Aufprall nur noch einmal zu sehen. Natürlich mit vorgeschalteter Werbung.
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Negativer Spitzenreiter war diesmal allerdings „Focus Online“, das gleich drei Rügen kassierte. Einen für diesen Artikel:
„Man fühlt sich nicht wie beim Einkaufen, sondern wie bei Freunden.“ So oder so ähnlich beschreiben viele Frauen die angenehme Einkaufsatmosphäre, für die schon einmal extra Meilen zurückgelegt werden. Statt vollgestopften Regalschluchten in irrgartenartigen Minifilialen sind alle dm-Läden stets aufgeräumt sowie hell und freundlich gestaltet.
In den breiten Gängen kann man mühelos mit dem Einkaufs- oder Kinderwagen manövrieren. Gerade junge Mütter wissen diese Breite des Raumes zu schätzen, auch weil der Nachwuchs mit seinem eigenen Kindereinkaufswagen nicht alle drei Sekunden irgendwo anstößt.
Ein weiterer Pluspunkt: die schräg stehenden, niedrigen Regale ermöglichen selbst kleinen Frauen einen guten (Über-) Blick auf die Produkte.
Toll. Und das war erst Punkt 1 („Die Atmosphäre“). Es folgen acht weitere Lobeshymnen — „Das Lebensgefühl“, „Das Personal“, „Die Beratung“, „Das Angebot“, „Die Eigenmarken“, „Die Transparenz“, „Die Nachhaltigkeit“, „Die Ideologie“ — und nicht ein einziges kritisches Tönchen.
„Focus Online“ argumentierte zwar, „es handle sich zwar um einem wohlwollenden, aber keinen werblichen Beitrag, da keinerlei Vergünstigung für die Redaktion daraus entstand“, dem folgte der Presserat allerdings nicht.
Die zweite Rüge bekam „Focus Online“ für einen Artikel mit der Überschrift:
Eine ganz normale Straßensperre in Russland: Ein Auto wird aufgehalten, weil es nur einen funktionierenden Scheinwerfer hat. Während der Polizist noch mit dem Fahrer redet, taucht plötzlich ein Rudel Wölfe aus dem nichts auf. Gerade noch kann sich der Polizist retten.
Die “Maßnahmen” des Presserates:
Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:
einen Hinweis
eine Missbilligung
eine Rüge.
Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.
Darin sah der Presserat „einen schwerwiegenden Verstoß gegen das in Ziffer 1 des Pressekodex festgeschriebene Gebot zur wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit.“
Eine dritte Rüge bekam „Focus Online“, weil das Portal über den Suizid eines Mädchens berichtet und dabei den vollen Namen genannt und ein Foto des Mädchens gezeigt hatte. Die Rüge bezieht sich dabei explizit nur auf den Facebook-Auftritt von „Focus Online“ (vermutlich, weil nur dazu – und nicht zum Artikel selbst – eine Beschwerde eingegangen war). Der Presserat schreibt: „Die in Richtlinie 8.7 geforderte Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Selbsttötung wurde hier grob missachtet.“
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Neben den zehn Rügen sprach der Presserat auch 19 Missbilligungen aus. Sechs davon gingen an Bild.de.
In diesem Fall hatte “Bild”, wie so häufig, wenn es von grausamen Unfällen keine grausamen Fotos gibt, eine grausame Zeichnung anfertigen lassen — und verstieß damit gegen Ziffer 11 des Pressekodex (“Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid”).
So auch in diesem Fall:
Für beide Zeichnungen erhielt Bild.de Missbilligungen; die mit der Straßenbahn wurde inzwischen gelöscht, die mit der Statue ist weiterhin online.
Eine weitere Missbilligung gab es für diesen Artikel:
(Unkenntlichmachung der Frau von uns.)
Bild.de hatte das Gesicht der Frau nicht verpixelt — ein Verstoß gegen Ziffer 8 (Schutz der Persönlichkeit). Das Foto ist übrigens immer noch unverändert online.
Ebenfalls missbilligt wurde dieser Artikel:
Darin zeigt Bild.de mehrere (Agentur-)Fotos der Opfer ohne jede Unkenntlichmachung. Auch hier erkannte der Presserat einen Verstoß gegen Ziffer 8. Und auch diese Fotos sind immer noch online.
Auch dafür gab es eine Missbilligung. Das Foto verstoße gegen die Ziffern 1 (Achtung der Menschenwürde) und 11 (Sensationsberichterstattung).
Missbilligt wurde schließlich auch dieser Artikel:
Darin zeigt Bild.de ein Video (auch das ist nach wie vor online), auf dem ein hilfloser Mann immer wieder getreten und geschlagen wird. Damit verstößt das Portal nach Auffassung des Presserats gegen Ziffer 11, weil der Leser die Möglichkeit habe, unmittelbar bei der Gewalttat dabei zu sein. Außerdem erhöhe dies das Risiko von Nachahmungen.
Darüber hinaus sprach der Presserat auch zwei “Hinweise” gegen “Bild” bzw. Bild.de aus. Einen wegen des (inzwischen entfernten) Emotions-Tools, mit dem die Online-Leser auch bei den unpassendsten Gelegenheiten “Lachen” konnten:
Der Presserat erklärte, es schade dem Ansehen der Presse, “wenn ein Medium bei einem Beitrag, der sich mit einer Gewalttat gegen einen Menschen beschäftigt, den Usern die Möglichkeit eröffnet, den Artikel mit einer Emotion wie ‘Lachen’ zu bewerten” (siehe dazu auch hier und hier).
Der zweite Hinweis ging an die gedruckte “Bild”-Zeitung, weil sie ein Mädchen, das zunächst vermisst worden aber dann wieder aufgetaucht war, auch nach dem Auftauchen unverpixelt gezeigt hatte:
Eine Rüge, sechs Missbilligungen, zwei Hinweise — da können die Leute von “Bild” ja wieder richtig stolz auf sich sein.
1. Die etwas andere “Bild”-Montage (tagesspiegel.de, Robert Klages)
Das “Erzgebirgsbad” in Thalheim wurde zu einer Unterkunft für Geflüchtete umgebaut. Um zu verdeutlichen, wie es dort aussieht, zeigt die “Bild”-Zeitung betende Muslime in der ehemaligen Sauna und überschreibt ihren Artikel mit “Gebetsraum in der 90-Grad-Sauna”. Das Foto ist allerdings eine Montage — und werde von rechtsradikalen Medien dankend aufgegriffen, schreibt Robert Klages.
2. Das plumpe Hurra-Kostüm zieht nicht (taz.de, Jürn Kruse)
Wenn “die ARD ihre Berichterstattung nach einer Bundestagswahl aus dem Konrad-Adenauer-Haus übertragen” würde, dürfte das Erstaunen groß sein. Wenn der NDR seine Sondersendung zum Volksentscheid live aus der Hamburger “Barclaycard-Arena” sendet, wo die Befürworter der Olympiabewerbung feiern wollten, dann stört das nur wenige. Einer davon ist “taz”-Redakteur Jürn Kruse, der den Medien zum Olympia-Referendum eine plumpe Pro-Hamburg-Kampagne attestiert.
3. Wer uns totschiesst, den schweigen wir tot (nzz.ch, Stephan Klapproth)
Nach den Attentaten in Paris beobachtete Stephan Klapproth, dass die vielen Live-Berichte und dramatischen Überschriften eine “falsche Gesamtgeschichte” erzählten und die Terroristen größer machten als sie tatsächlich waren. In einem Gastkommentar denkt er daher über eine “Pressefreiheit 2.0” nach: “Die Medien geben sich die Freiheit, ihr aufklärerisches Recht zu nutzen nach einer Verantwortungsethik, die nach dem Resultat fragt, und nicht nach einer Gesinnungsethik, die auf einem abstrakten Prinzip beharrt.”
4. “The Hunger For Good Journalism Is Not Dead” — What’s Getting Shared Online? (newswhip.com, Liam Corcoran)
Der Forscher Satu Vasantola hat für das “Reuters Institute” untersucht, welche Inhalte online geteilt werden: “One of the most striking features was the absence of news. News is not that widely shared, unless in breaking news situations.” Ebenfalls interessant: “The vast majority of the most shared BBC headlines were traditional fact-based news headlines. They told what happened to whom, where and when.”
5. Entdecke Neues und rede darüber (de.ejo-online.eu, Stephan Russ-Mohl)
Universitäten bauen ihre Kommunikationsabteilungen aus, Stiftungen finanzieren die Wissenschaftsberichterstattung von Gratisblättern — Stephan Russ-Mohl über die Situation der Wissenschaftskommunikation an Unis und des Wissenschaftsjournalismus in Medien in der Schweiz.
In Deggendorf steht seit heute eine 47-jährige Frau vor Gericht, weil sie ihren Mann wenige Monate nach der Hochzeit erstochen haben soll. Viele Medien berichten über den Prozess. Bebildert sind die Artikel in den meisten Fällen so:
Bei N24 finden sie diese “Aufnahmen aus dem Weltall”, die die Nasa veröffentlicht haben soll, wohl so “spektakulär”, dass sie auf der Startseite aktuell gleich zweimal auf ihren Artikel verlinken:
Also, draufgeklickt — und schon erzählt einem der Sprecher:
Diese spektaklären Weltraumaufnahmen der Nasa zeigen ein äußerst seltenes Phänomen. Zu sehen ist zunächst ein sogenanntes Schwarzes Loch. Wie ein Phantom schwebt es durchs All. Plötzlich taucht ein sonnenähnlicher Stern auf. Er wird vom Schwarzen Loch angezogen. Bei diesem Schauspiel herschen enorme …
… und so weiter.
Erstmal: Das 1:02-Minuten-Video hat das “Goddard Space Flight Center” der Nasa (GSFC) bereits vor über einem Monat bei Youtube hochgeladen. Vor allem aber trifft es der Sprecher schon ganz gut mit dem “Schauspiel”, von dem er spricht. Denn bei diesem Schwarzes-Loch-Stern-Krimi handelt es sich keineswegs um “Aufnahmen aus dem Weltall”, sondern um Aufnahmen aus einem Computer. Es ist eine Animation.
Oder wie das GSFC selbst schreibt:
This artist’s rendering illustrates new findings about a star shredded by a black hole.
Das ist offenbar auch einigen Lesern aufgefallen. Allerdings:
Da scheint ein Schwarzes Loch durch den N24-Kommentarbereich gezogen zu sein.
Mit Dank an Markus K.!
Nachtrag, 1. Dezember: Inzwischen schreibt N24 nur noch, dass es sich um “Aufnahmen” handele (statt “Aufnahmen aus dem Weltall”). Und auch der Sprecher des Videos redet nun von einer “Animation der Nasa”.
Der “Kicker” hat heute ein großes Interview mit BVB-Fußballer Mats Hummels veröffentlicht. Darin findet sich auch folgende Passage:
Kicker: Sie sollen aus Ärger über interne Meinungsverschiedenheiten gesagt haben: „Ich bin mit der Borussia nicht verheiratet.“
Hummels: Das ist eine Geschichte, die mir wirklich am Herzen liegt! Diesen Satz habe ich im Leben noch NIE benutzt! Und ich habe ganz ehrlich ein Problem damit, dass so etwas einfach erfunden wird und jeder vom anderen abschreibt. Es ist traurig, dass das heute so funktioniert und zur gefühlten Wahrheit wird.
Und wer hat’s erfunden? Genau:
[Hummels’] Verhältnis zu Trainer Thomas Tuchel (42) ist nicht (immer) das Beste. Nach dem Last-Minute-Ausgleich gegen Darmstadt (2:2/7. Spieltag) hatte Hummels gewütet: „Das ist keine Verteidigung.“
Danach musste er sich wegen seiner Kollegen-Schelte deutliche Worte von Tuchel anhören.
Hummels soll sich angeblich nicht gerade einsichtig gezeigt haben und gekontert haben: „Ich bin nicht mit dem BVB verheiratet!“
Erschienen vor fünf Tagen auf Bild.de und in der Ruhrgebiets-Ausgabe der „Bild“-Zeitung – und von dort herumgereicht in der Fußballmedienwelt:
Hummels soll sich aber angeblich nicht gerade einsichtig gezeigt und laut Bild gekontert haben: “Ich bin nicht mit dem BVB verheiratet!”
Die BILD berichtet, dass eine Trennung möglich sei. Interpretieren tut sie das aus dem angeblichen Satz: “Ich bin nicht mit dem BVB verheiratet”, den Hummels seinem Coach Tuchel gegenüber gesagt haben soll.
Die “Bild”-Zeitung berichtet auf ihrer Online-Seite heute auch über das „Kicker“-Interview. Die Stelle mit dem erfundenen Satz erwähnt sie dabei natürlich nicht.
1. Morddrohung gegen Störungsmelder-Autor (blog.zeit.de, Johannes Radke)
“Es dauert nicht mehr lange, dann haben deine Denunzierungen ein Ende!” Diese fiktive Todesanzeige wurde dem “Störungsmelder”-Autor Jonas Miller und weiteren Engagierten zugeschickt. Sie wollen sich von der Morddrohung nicht einschüchtern lassen und werden “auch weiterhin die rechtsextreme Szene kontinuierlich kritisch (…) beleuchten”.
2. “Von der Polizei wünsche ich mir ein höheres Maß an Sensibilität” (daniel-bouhs.de, Audio, 17:47 Minuten)
Das Foto vom “Pegida”-Galgen für Sigmar Gabriel und Angela Merkel machte im Oktober die große Medienrunde. Nadine Lindner hat’s veröffentlicht, als sie einmal mehr als Korrespondentin fürs “Deutschlandradio” den Aufmarsch in Dresden besucht hatte. Mit Daniel Bouhs spricht sie über “tätliche Übergriffe auf Journalisten”, den Schutz durch die Polizei und die Auswirkungen ihres Galgen-Fotos. Zum Thema: Matthias Meisner mit “Es gibt No-go-Areas für Journalisten”.
3. Verschlusssache Transparenz (derpodcast.de, Martin Kissel)
Am kommenden Samstag steigt im ZDF wieder die große “Ein Herz für Kinder”-Spendengala. Normalerweise verlange der Sender “bei Spendenaufrufen von all seinen Partnern ein Spendensiegel”, schreibt Martin Kissel, nicht so bei der “Bild”-Hilfsorganisation. “Dabei gäbe es Fragen genug.” Dazu aus unserem Archiv: Ein Herz für Schmutzkampagnen.
4. Imitation ist kein Erfolgsrezept: Warum WDR #3sechzig gescheitert ist (netz-lloyd.de, Julius Endert)
Das Youtube-Projekt “#3sechzig” wird vom WDR eingestellt. “Netz-Lloyd” fragt sich, warum — und stellt fest: Nachmachen ist keine Erfolgsgarantie. “Die Zielgruppe will keine Moderatoren, die so tun als seinen sie YouTuber.” Trotzdem sei es für traditionelle Medien wichtig, sich auf der Videoplattform weiter auszuprobieren. Damit bestätigt er im Wesentlichen die Kritik, die Stefan Niggemeier gleich zu Beginn von “#3sechszig” bloggte. “Broadmark” sieht und zeigt die Absetzungsgründe in Zahlen zu ausbleibender Reichweite und fehlender Resonanz.
5. Wer klickt Zschäpes Brüste? (katapult-magazin.de, Benjamin Fredrich)
Das “Katapult”-Magazin habe es sich “zum Ziel gesetzt, Sozialwissenschaft populär aufzubereiten”. Schon die Überschrift macht klar: Die Popularität kam bei diesem Clickbaiting-Experiment nicht zu kurz. Die Frage: “Inwieweit unterscheiden sich die mäßigen Ergebnisse der Wissenschaftsartikel von jener Veröffentlichung, die auf niedere Instinkte abzielte?” Die Antwort: “Fünf. Der Zschäpe-Artikel wurde pro Einblendung auf Facebook etwa fünfmal häufiger geklickt als ein herkömmlicher Beitrag.”
6. Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Mit den Opfern (titanic-magazin.de, Stefan Gärtner)
Stefan Gärtner liest den “Stern”, der “mehr als 50 Seiten” zu den Attentaten in Paris verspricht. Nur so viel: Das, was “die Illustriertenpresse” da veranstaltet, gefällt ihm nicht besonders gut.
1. Türkei nimmt Top-Journalisten in Haft (zeit.de)
Auch wenn er die Wahl in der Türkei inzwischen erfolgreich gemeistert hat, fährt Präsident Recep Tayyip Erdoğan weiter seinen repressiven Kurs gegen kritische Medien. Nun hat es die “Cumhuriyet” getroffen: Wegen angeblicher “Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Spionage” sei gegen Chefredakteur Can Dündar und Hauptstadtkorrespondent Erdem Gül Haftbefehl erlassen worden, schreibt “Zeit Online”. Die Anzeige soll von Erdoğan höchstpersönlich gekommen sein.
2. Intendant: “Einsatz hat sich gelohnt” (dw.com, Berthold Stevens)
Am Donnerstag wurde die “Deutsche Welle”-Mitarbeiterin Gao Yu in China überraschend aus der Haft entlassen. Nur wenige Stunden zuvor war ihre Haftstrafe in einem Berufungsverfahren von sieben auf fünf Jahre reduziert worden, was DW-Intendant Peter Limbourg angesichts Yus Alter und ihres Gesundheitszustands als “geradezu zynisch” bezeichnet. Bei den “Reportern ohne Grenzen” gibt es mehr Informationen zum Urteil und zur Umwandlung der Strafe in Hausarrest.
3. “Österreich” bleibt auf Flüchtlingskosten sitzen (kobuk.at, Verena Richter)
Um sich die Kosten auszurechnen, die auf Österreich (das Land) durch die Aufnahme und Integration der Geflüchteten zukommen, reichen “Österreich” (der Zeitung) ein bisschen Logik und ein Taschenrechner: “Wenn 1,1 Millionen Asylwerber in Deutschland 21,1 Milliarden Euro Kosten verursachen, dann kosten die 95.000 Asylwerber, die heuer in Österreich erwartet werden, eben 1,82 Milliarden”, fasst Verena Richter bei “Kobuk” zusammen. Immerhin: Mathematisch ist die Rechnung korrekt — logisch ist sie leider trotzdem nicht.
4. Ribéry: Viel Wirbel um einen oiden Huat (sueddeutsche.de, Jonas Beckenkamp)
Der FC Chelsea will 64 Millionen Euro für einen 32-jährigen, dauerverletzten Fußballer des FC Bayern München hinblättern? Diese Meldung geisterte gestern jedenfalls durch die Sportwelt. Jonas Beckenkamp schreibt, es handele sich um ein “Kapitel aus dem Schmarrn-Einmaleins”: “Es geht um Bayerns Franck Ribéry, es geht um eine obszön hohe Summe und es geht um die Mechanismen moderner Medien.”
5. The First Draft Toolbox for newsgathering and verification (firstdraftnews.com, Alastair Reid, englisch)
Informationen aus den sozialen Medien sind immer häufiger Ausgangpunkte für eine Story. Nur: Stimmen die Infos? Ist das Foto echt? Und wer ist überhaupt die Quelle? “First Draft” bietet eine Liste mit Tools, die dabei helfen können, Infos in sozialen Netzwerken zu finden und sie zu verifizieren. Ein Bookmark könnte sich lohnen, denn die Liste soll regelmäßig aktualisiert werden.
Die Sensationsspürnasen der Kölner “Bild”-Redaktion haben auf der Premiere des Musicals “Bodyguard” eine verblüffende Entdeckung gemacht.
Schnurrrrr! Daniela Katzenberger (29) zeigte bei der Bodyguard-Premiere beeindruckende Kurven.
Keine Spur mehr von der Schwangerschaft – und das, obwohl sie nach der Geburt von Tochter Sophia 85 Kilo auf die Waage brachte. Jetzt, 3 Monate später, hat sie schon 20 Kilo runter.
Die neuen Kurven der Katze sind so gefährlich, dass sie sich nach der Bodyguard-Show in Köln von einem Bodyguard zum Auto bringen ließ – weil sie sonst überall angesprochen und aufgehalten wird…
Bodyguard-Beweisfoto oben links. Zu erkennen auch an den drei Regenschirmen: Einer zum Schutz gegen fliegende Sahnetorten, einer gegen Paparazzifotos und einer für bodyguardmäßige Verteidigungskampftricks. Im Ernstfall alles gleichzeitig machbar. Vermutlich. Zumindest für einen echten Leibwächter. Der Mann auf dem Foto ist allerdings keiner, auch nicht der von Katzenberger. Er arbeitet bei der Produktionsfirma, die die Premiere veranstaltet hat.