1. «Wer die AfD verstehen will, muss die ‹Junge Freiheit› lesen» (medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Während andere Publikationen unter Auflageverlusten zu leiden haben, hat die rechte “Junge Freiheit” ihre Auflage gesteigert. In absoluten Zahlen sei dies zwar bescheiden, liefe aber dem allgemeinen Rückwärtstrend entgegen. Die inhaltliche Nähe zwischen dem konservativen Blatt und der AfD sei offenkundig. Entsprechend intensiv sei auch die Berichterstattung über die neue Partei. Gleichwohl hätte es die “Junge Freiheit” nicht geschafft, trotz eines evidenten Rechtsrutsches der Gesellschaft aus ihrem Nischendasein herauszukommen und wirke zuweilen wie ein “Altherrenblatt, das man bei einer Zigarre in einem Wirtshaus liest”.
2. Es trifft jeden, der für die Meinungsfreiheit eintritt (faz.net, Friederike Böge)
Afghanistan ist in einem desolaten Zustand, was die freie Berichterstattung anbelangt. Die Taliban versetzen die Medienbranche in Angst und Schrecken. Ob Anschläge durch Selbstmordattentäter, Raubüberfälle, Bedrohungen: Journalisten in Afghanistan leben gefährlich. Deshalb seien allein im vergangenen Jahr mehr als hundert Journalisten ins Ausland geflüchtet.
3. 7 Trends beim Bewegtbildkonsum (wuv.de, Petra Schwegler)
In der Kurzzusammenfassung des “TV & Media Report 2015” werden die sieben wichtigsten Trends in Sachen Medienkonsum wiedergegeben. Streaming und Mobile seien im Wachsen. Vor allem die 16- bis 34-Jährigen würden Videos bevorzugt über Smartphone, Laptop oder Tablet konsumieren. Hier bliebe der Fernseher weitgehend ausgeschaltet. Weitere Trends seien Bingewatching (“Komaglotzen”) ganzer Serien und User Generated Content auf Youtube und Co.
4. “Ich werde Journalistin, aber nicht in der DDR!” (sueddeutsche.de, Cornelius Pollmer)
Bericht über die Ausstellung “Rotstift – Medienmacht, Zensur und Öffentlichkeit in der DDR”, die auch online besucht werden kann. Die Ausstellung liefert Informationen und Hintergründe über die damalige Situation und die drastisch eingeschränkte Pressefreiheit. Interessant auch für all die “Lügenpresse”-Rufer, die sich hier anschauen können, wie es tatsächlich ist, wenn sich die Medien in Parteihand befinden und staatlich gelenkt werden.
5. Zu gut, um legal zu sein (zeit.de, Götz Hamann)
Christopher Lauer ist Ex-Pirat und Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Jüngst wurde Lauer auf Facebook bedroht. Er hat sich deshalb an die Polizei gewandt, doch die Sache ist nicht einfach: Facebook mauert, was die Herausgabe von Daten anbelangt. Lauers Fall illustriere ein drängendes Problem. Es herrsche große Unsicherheit, wie sich Bürger wehren und zu ihrem Recht kommen können, wenn sie auf Facebook beleidigt, genötigt oder bedroht werden. Ein Urteil, wie es kürzlich gegen einen Mann erging, der die Fernsehjournalistin Dunja Hayali mit Hasskommentaren auf Facebook überzogen hatte, sei die Ausnahme. Im Normalfall stünden die Chancen für deutsche Strafverfolgungsbehörden schlecht, an Daten zu gelangen.
6. Ulle alaaf! “Focus”-Chef schreibt Seehofer (Übermedien.de, Video, 2 Minuten)
Der noch bis Ende des Monats amtierende “Focus”-Chef, Ulrich Reitz, hat einen Brief an Horst Seehofer geschrieben, „ganz persönlich“, als seltsam gekünstelte Audiobotschaft. Die Kollegen von “Übermedien” vermissten die Atmosphäre und haben den Vortrag deshalb… Ach, hören Sie einfach selbst!
Nächste Woche kommt Facebook-Chef Mark Zuckerberg nach Deutschland und veranstaltet am Donnerstag eine Frage-und-Antwort-Stunde in Berlin (wird auch per Livestream übertragen). Die Fragen kann man jetzt schon einreichen.
Haben wir gemacht:
Hey Mark! In manchen Medien ist es gängige Praxis, nach Verbrechen oder Unfällen Facebook-Fotos (auch nicht-öffentliche) der Opfer oder Verdächtigen zu zeigen. In vielen Fällen fragen die Reporter nicht um Erlaubnis. Manchmal nehmen sie sogar falsche Fotos, sodass völlig unbeteiligte Personen für tot/zu Mördern erklärt werden. Finden Sie das okay?
Wenn Sie seine Antwort auch interessiert: Hier in den Kommentaren können Sie unsere Frage liken (was wohl die Chance erhöht, dass sie auch drankommt).
Einen Tag vor der Fragestunde ist Zuckerberg übrigens zu Gast beim Axel-Springer-Verlag. Dort bekommt er den “Axel Springer Award”, der jüngst ins Leben gerufen wurde — für „herausragende Unternehmerpersönlichkeiten aus dem In- und Ausland, die in besonderer Weise innovativ sind, Märkte schaffen und verändern, die Kultur prägen und sich gleichzeitig ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen.“
1. #FragDenBundestag erfolgreich: Bundestag öffnet seine Aktenschränke! (netzpolitik.org, Arne Semsrott)
Manchmal zahlt sich Hartnäckigkeit aus. Wie “Netzpolitik.org” mitteilt, hat der Ältestenrat des Bundestags beschlossen, tausende Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes (WD) online auf der Bundestags-Website zu veröffentlichen. Vorausgegangen war dem eine gemeinsame Kampagne der Webseiten “FragDenStaat” und “Abgeordnetenwatch”, die eben dies gefordert hatten. Außerdem ändere der Bundestag die Praxis seiner Ausarbeitungen. Künftig würden alle Gutachten nach einer Schutzfrist von vier Wochen nach der Ausarbeitung durch den Bundestag online veröffentlicht. Dabei würde der Name des Auftraggebers nicht bekanntgegeben. Die Möglichkeit, ein Gutachten vertraulich einem Bundestagsabgeordneten exklusiv vorzubehalten, werde es künftig nicht mehr geben.
2. Blogger vs. Journalisten: Wie die Rhein-Zeitung versucht eine Diskussion aus 2009 wiederzubeleben (netzfeuilleton.de, Jannis Kucharz)
“Das Jahr 2009 hat angerufen, es hätte gerne seine Diskussion zurück”, schießt es Jannis Kucharz durch den Kopf, als er einen Gastkommentar zum Thema “Blogger vs. Journalisten” in der “Rhein-Zeitung” liest. In seiner Entgegnung weist er daraufhin, dass auch Blogger eine öffentliche Aufgabe erfüllen würden. Entscheidend sei nicht die Bezeichnungen „Blogger“ oder „Journalisten“, sondern allein die journalistische Arbeitsweise.
3. ¡No pasaran! (haltungsturnen.de, Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach)
Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach leitet das Deutschlandgeschäft einer mittelgroßen PR-Agentur und schreibt regelmäßig eine Kolumne für das “PR Magazin”. Doch nun hat er seinen Abschied erklärt. Lünenbürger-Reidenbach möchte nicht für ein Blatt schreiben, in dem auch Roland Tichy (Publizist und Betreiber von “Tichys Einblick”, einer “liberal-konservativen Meinungsseite”) vertreten sei. Dessen Beiträge hätten als “normale” konservative Wirtschafts- und Politikkommentare begonnen und seien inzwischen bei radikaler, mit Verschwörungstheorien gespickter Hetze angekommen, die sich im Gleichsetzen von “Pegida” mit der DDR-Bürgerbewegung von 1989 erginge. Da seine Begründung für den Kolumnenausstieg vom “PR Magazin” nicht veröffentlicht worden sei, mache Lünenbürger-Reidenbach diese nun öffentlich.
4. Werberat rügt sechs Firmen wegen sexistischer Werbung (berliner-zeitung.de)
Der Deutsche Werberat hat sechs Unternehmen wegen sexistischer und Gewalt verharmlosender Werbung gegenüber Frauen gerügt. Trotz Aufforderung durch die Selbstkontrolleinrichtung der Werbewirtschaft hätten die verantwortlichen Unternehmen ihre Werbung nicht abgesetzt. Die gerügten Bilder offenbaren zu all dem eine fremdschämbehaftete Dumpfbackigkeit, so dass man am liebsten eine weitere Rüge hinterherschieben möchte: Die Blödheitsrüge.
5. Zu gut, um legal zu sein (zeit.de, Patrick Beuth)
Derzeit tobt ein Streit zwischen Apple und dem FBI. Apple soll helfen, an die geschützten Daten im iPhone 5C des toten San-Bernardino-Attentäters Syed Rizwan Farook zu gelangen. Der Beitrag geht der Frage nach, ob zu starke Verschlüsselung und andere Sicherheitstechnik mehr schadet als nützt. Interessant in diesem Zusammenhang auch der Kommentar der “Tagesschau”, die Apple Werbung vorwirft, und die Entgegnung von Christoph Kappes.
6. Medienmarken im Social Web: Claus Kleber ist Twitter-Star (wuv.de, Petra Schwegler)
Ein Beobachtungsdienst für soziale Medien hat prominente Medienmacher und Journalisten auf Twitter beobachtet und analysiert. Der beliebteste Nachrichtensprecher sei ZDF-Anchor Claus Kleber. Mit 189.000 Fans (zum Zeitpunkt der Analyse, aktuell sind es 193.000) hätte er nicht nur die meisten Follower, sondern würde auch zu den meisten Konversationen anregen. Was bei gerade mal 414 Tweets mit teilweise kryptischem Wort- und Abkürzungs-Stakkato dann doch etwas verwundert. Aber vielleicht ist damit ja das Erfolgsgeheimnis offenbart.
Nachdem etwa gestern von Polizei und Staatsanwaltschaft bekanntgegeben worden war, dass wahrscheinlich ein falsches Lichtsignal für das Zugunglück von Bad Aibling verantwortlich war, brauchte „Bild“ natürlich ein Foto davon, um so was schreiben zu können wie “Mit diesem Signal löste der Fahrdienstleiter das Unglück aus”.
Vermutlich brauchten die zuständigen Rechercheure nicht lang, um auf diese Seite zu stoßen:
Dort sind (“Von Lokführern, für Lokführer & Interessierte”) verschiedene Lichtsignale abgebildet, wie hier mit dem Signalbild „Zs1“, das wohl auch in Bad Aibling eine Rolle gespielt hat.
Und tatsächlich: Ein Mitarbeiter von „Bild“ meldete sich beim Betreiber der Seite und erklärte, dass sie das Foto gerne verwenden würden.
Und so …
Sogar überall mit korrekter Quellenangabe:
Alles ganz vorbildlich.
Bis auf einen kleinen Haken: Der Fotograf hat der Veröffentlichung gar nicht zugestimmt. Er hat nie auf die “Bild”-Anfrage reagiert. Bei Facebook schreibt er:
Der Betreiber erklärte uns, er empfinde das (gerade durch die Namensnennung im Online-Artikel) als „sehr schädigend für meine Internetseite“, vor allem weil „in dem besagten Artikel so viele fachliche Fehler und wilde Spekulationen erschienen sind“. Er habe jetzt einen Anwalt kontaktiert.
(Unkenntlichmachung von uns. Für den Verdächtigen unten rechts hat „Bild“ einen kleinen Augenbalken springen lassen, für die Frau auf dem großen Foto nichts. Quelle: “Privat”.)
Man darf wohl davon ausgehen, dass die Leute von “Bild” auch in diesem Fall keine Erlaubnis der Abgebildeten vorliegen hatten, denn der abgebildete Mann sitzt in U-Haft — und die abgebildete Frau hat überhaupt nichts mit der Sache zu tun. Da haben sie mal wieder das falsche Foto geklaut.
Inzwischen wurde die Seite aus dem ePaper entfernt und in der Ausgabe von gestern eine Korrektur veröffentlicht versteckt, drei Seiten weiter hinten und sechsmal kleiner als das falsche Foto:
Und sie haben es sich nicht nehmen lassen, bei der Gelegenheit auch gleich noch mal den Verdächtigen zu zeigen. Und das (angeblich diesmal richtige) Opfer. Ohne jede Verpixelung.
Über zwei Jahre ist es jetzt her, dass sich Formel-1-Fahrer Michael Schumacher bei einem Skiunfall schwer am Kopf verletzt hat und ins Koma fiel. Inzwischen befindet er sich in einer langwierigen Reha-Phase.
Viele Medien nehmen (abgesehen von denanfänglichenAusrastern) inzwischen Rücksicht auf Schumacher und dessen Familie, berichten nur noch selten und beteiligen sich nicht an Spekulationen.
Einige lassen immer noch nicht locker und verletzen in routinierter Regelmäßigkeit die Persönlichkeitsrechte der Familie, setzen Gerüchte und Falschmeldungen in die Welt und versuchen auf perfide Weise, den Fall Schumacher zu Geld zu machen. In aller Regel bekommt man davon nichts mit, weil es in den düstersten Ecken des Zeitschriftenregals passiert: in “Freizeit Revue”, “Bunte”, “Gala”, “die aktuelle”, den Regenbogen- und “People”-Heften.
Sabine Kehm, Schumachers Managerin, die auch seine Familie in der Öffentlichkeit vertritt, hat sich seit dem Unfall einige Male öffentlich zu Wort gemeldet. Dabei hat sie grobe Angaben zu Schumachers Gesundheitszustand gemacht und immerwieder erklärt, dass der Genesungsprozess sehr lange dauern werde. Und dass sie medizinische Einzelheiten nicht diskutieren möchte, um Schumachers Privatsphäre zu schützen.
Von Anfang an hat sie versichert, dass sie „entscheidende Neuigkeiten im Gesundheitszustand Michaels weiterhin bekanntgeben“ werde. Man müsse „einfach Geduld haben“.
Doch Geduld füllt keine Titelseiten. Die Redaktionen der Knallpresse wollen Details. Sie wollen ganz genau wissen, was im Krankenzimmer vor sich geht. In allen Einzelheiten. Sie nennen das “Wahrheit”, weil “Wahrheit” so klingt, als würde da irgendwas Wichtiges verheimlicht, und als hätte die Öffentlichkeit verdammt noch mal ein Recht darauf, endlich Genaueres zu erfahren.
So sieht die aktuelle “Gala” aus, über die ihr Verlag Gruner & Jahr schreibt, sie schaffe “eine intime, aber immer respektvolle Nähe zu den Stars”.
Im Artikel (“Das Ende der Stille”) schreibt das Blatt:
Zum Gesundheitszustand von Schumacher äußerten sich seine Familie und seine Managerin Sabine Kehm generell nur spärlich und vage. Der 47-Jährige mache “der Schwere seiner Verletzungen entsprechend Fortschritte”, die Reha-Phase werde sehr lange dauern, es sei “ein Kampf”. In diesem Duktus bleiben die Statements. Kein Wunder, dass es immer wieder wilde Spekulationen um Schumacher gibt, die für Schlagzeilen sorgen.
Schlagzeilen? Was denn für Schl…
(Ausgabe 11/2015. Hintergrund: Familie Schumacher soll ihr Ferienhaus verkauft haben.)
Nach der Logik der “Gala” sind die Schumachers also selbst schuld an solchen Schlagzeilen. Nur ein “ehrliches Wort”, schreibt sie, würde “alle Spekulationen im Keim ersticken”. Anders gesagt: Das Blatt wird erst mit dem Gerüchteverbreiten aufhören, wenn die Familie genug Details ausgepackt hat.
Corinna Schumacher, 46, täte sich damit einen großen Gefallen.
Sich. Natürlich.
Auch die “Bunte” will die Stille um Michael Schumacher einfach nicht ertragen und füllt sie lieber mit ein paar exklusiven Geschichten:
Viele davon musste sie, wie diese, in der digitalen Version nachträglich schwärzen, weil sie falsch waren oder sich die Familie juristisch dagegen gewehrt hat. Hier waren es Gerüchte über Schumachers Gesundheitszustand, die das Blatt “aus dem engsten Schweizer Umfeld der Familie” erfahren haben wollte. Managerin Kehm erklärte später: Alles Quatsch.
Wenn der Burda-Verlag seine “Bunte” beschreibt, nennt er sie übrigens ohne einen erkennbaren Anflug von Ironie eine “journalistische Institution”, die für “einzigartigen People-Journalismus” stehe und “der Garant für hochprofessionelle aktuelle Berichterstattung” sei. Viele Menschen kaufen ihm das ab. Und (auch deswegen) seine Hefte.
Das gilt auch für Blätter wie “die aktuelle”.
Für alle, die sie nicht kennen, hier die Kurz-Charakterisierung vom Verlag (Funke):
Spannende und seriöse Reportagen über Showstars, VIPs und Königshäuser, ohne Sensationslust, sondern mit viel Gefühl, bestimmen das redaktionelle Angebot und prägen den „People-Magazin“ – Charakter.
Hach ja:
Das ist die aktuelle Ausgabe. Der “Insider”, von dem das Zitat auf der Titelseite stammt, ist ein französischer Rennfahrer, der angeblich mit Schumacher befreundet ist.
Gefunden hat “die aktuelle” das Zitat in diesem französischen Magazin:
Familie Schumacher hat, wie uns ihr Anwalt bestätigte, bereits eine Verfügung gegen das “aktuelle”-Titelblatt erwirkt. Die ePaper-Ausgabe ist (wie die meisten Schumacher-Ausgaben, die bisher erschienen sind) nicht mehr erhältlich.
(Vor ungefähr einem Jahr gab es einen ähnlichen Fall: Irgendeine französische Postille hatte damals unter Berufung auf einen „Insider” Dinge über Schumachers Gesundheitszustand behauptet. Der Informant sei ein enger Freund der Familie, hieß es, und er habe die Informationen von Schumachers Frau und dessen Arzt. Die Gerüchte verbreiteten sich auch hierzulande. Schumachers Managerin teilte daraufhin mit, die Informationen seien falsch. Der Mann sei nie mit Schumacher befreundet gewesen, er habe außerdem weder Kontakt zu Schumachers Frau noch zu Schumachers Arzt gehabt.)
Oft findet “die aktuelle” ihre Geschichten auch im Internet. In einer der jüngsten Schumacher-Ausgaben schreibt sie:
Auf der Fan-Homepage von Michaels Sohn Mick, 16, fand man im Dezember 2014 rührende alte Familienbilder: Dreikäsehoch Mick mit seinem berühmten Papa. In diesem Jahr gibt es Bilder von Micks Karriere und Kollegen …
Und was schließen wir daraus? Genau:
Überall scheint der letzte Funken Hoffnung zu erlöschen. War alles Beten und Hoffen umsonst? Es macht unendlich traurig, dass immer mehr Menschen Schumi offenbar aufgegeben haben. Seine Familie wird das wohl auch schmerzlich spüren. Es wird immer schwerer, an Genesung zu glauben. Die Zeit der Entscheidung rückt näher, sich zu fragen, ob man selbst noch hoffen kann. Wenn die Kraft fehlt, noch an ein Wunder zu glauben, bleibt nur noch die Liebe und die Erinnerung.
Voilà:
So geht das seit zwei Jahren. Lieblingsthema, selbstverständlich: Schumis Gesundheitszustand.
Bei näherer Betrachtung wird schnell klar, mit welchen Tricks “die aktuelle” sonst noch arbeitet.
„Aufgewacht!“ bezieht sich nicht auf Michael Schumacher, sondern (wie die Mini-Unterzeile verrät) auf irgendwelche Menschen, die schon mal aus dem Koma erwacht sind. Die angebliche „Lungenentzündung“ basiert auf einer unbestätigten „Bild“-Geschichte, die „Bild“ später korrigierte. Die „Traurige Weihnachten“-Story ist eine Collage aus alten Zitaten und Gerüchten. Bei „Er sitzt in der Sonne!“ steht ganz klein neben dem Foto: „St. Moritz, 26.1.2013“ – es wurde also ein Jahr vor dem Unfall aufgenommen.
Zweitliebstes Thema: Schumis Familie.
Auch hier immer die gleichen Muster: Bei „Eine neue Liebe macht sie glücklich!“ geht es nicht um Corinna Schumacher, sondern um ihre Tochter, die angeblich einen neuen Freund hat. Der “neue ‘Papa’ für Schumis Sohn“ ist Formel-1-Pilot Sebastian Vettel, also “Papa” im Sinne von “Ziehvater”, weil er ihm ja bestimmt gute Formel-1-Tipps geben kann und so. Bei „’Sie standen vor der Trennung!’“ steht in der kleinen Unterzeile: „Wer setzt solche Gerüchte in die Welt? Es geht um die Zeit vor dem Unfall…“ Und: „Wie gemein!“
Das alles ist nur ein winziges Abbild des alltäglichen Irrsinns, nur ein Tropfen aus dieser gewaltigen Schlagzeilenflut.
Allein die Ausgaben, die in diesem Eintrag abgebildet sind (das französische Blatt und die erst kürzlich erschienenen Ausgaben ausgenommen), sind insgesamt über 12 Millionen mal verkauft worden. Rechnet man alle verkauften Frauen-Freizeit-Titel zusammen, kommt man in die Hunderte Millionen. Jedes Jahr.
Hunderte Millionen Zeitschriften voller hochprofessioneller Berichterstattung. Ohne Sensationslust. Sondern mit viel Gefühl.
1. Warum jeder Journalist „Spotlight“ sehen sollte (gutjahr.biz)
Der Film “Spotlight” handelt vom gleichnamigen Investigativ-Rechercheteam des “Boston Globe”, das den sexuellen Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche in Boston aufgedeckt hat. Für ihre vorbildhafte Berichterstattung haben die Reporter 2003 den Pulitzer Preis erhalten. Richard Gutjahr hat sich den Film (Kinostart in Deutschland lt. Wikipedia am 25.2.2016) angesehen und ist begeistert. Die für mehrere Oscars und Golden Globe Awards nominierte Filmbiograhie erinnere ihn daran, warum er einst Journalist werden wollte. Und er benennt 12 Dinge, die ihn “Spotlight” über journalistisches Handeln gelehrt hätte.
2. Social Media Forensics Siegen (netzpiloten.de, Marinela Potor)
Viele Journalisten, Politiker und Bürger haben ein genaues Auge auf die sozialen Netzwerke, die in vielerlei Hinsicht ein politisches Stimmungsbarometer sind. Doch tatsächlich würden viele Social-Media-Trends durch aggressive Bot-Netze und Trolle bewusst manipuliert. So entstünden zunehmend gesellschaftliche Debatten über Themen, die künstlich gepusht würden. Bots könnten gesellschaftliche Debatten durch ihre schiere Masse bestimmen und in eine gewünschte Richtung lenken. In einem Forschungsprojekt über “Social Media Forensics” entwickeln Forscher der Universität Siegen nun Algorithmen, um die Bot-Netze zu entlarven. Das Forschungsteam hätte beispielsweise ein Netz aufgedeckt, das während der Ukraine-Krise täglich massiv gefakte Posts verbreitete. Aber auch eine Invasion von CSU-Seiten mit fremdenfeindlichen Kommentaren zur Flüchtlingskrise sei den Forschern aufgefallen.
3. Blogger: Am Ende Verleger – oder Verleger am Ende? (indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Der Blogger und gelernte Journalist Thomas Knüwer ärgert sich über einen Beitrag seines Kollegen Michael Spehr in der “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung”. Spehr schreibt darin, Blogs seien am Ende, was u.a. die diesjährige Ehrung zum Blogger des Jahres beweise (eine Auszeichnung, die im Rahmen der Verleihung der “Goldenen Blogger” vergeben wurde, an der Knüwer beteiligt ist). In einer Art persönlicher Gegendarstellung schildert Thomas Knüwer seine Sichtweise. Der Zwist hat sein Gutes: Der Artikel ist zu einem kurzweilig zu lesenden, subjektiven Abriss der deutschen Bloggergeschichte geraten.
4. Auf der Netz-Spur der “Lügenpresse” (ndr.de, Fiete Stegers)
Fiete Stegers hat sich auf eine spannende Spurensuche nach den Ursprüngen des Worts “Lügenpresse” gemacht. Ein Blogger hatte 2014 anhand der Google-Buch-Suche ermittelt, dass der Begriff bereits im frühen 20. Jahrhundert verwendet wurde, in der “Zeit völkischer und nationalsozialistischer Ideologie”. Stegers hat nun weitere Suchtools hinzugezogen: Die “Google-Suchtrends” als Indikator für Themen-Popularität im Netz und “Brandwatch” als Messwerkzeug für die Popularitätbestimmung des Begriffs auf News- und Social-Mediaseiten. Interessante Analyse mit verschiedenen Deutungsansätzen.
5. Offener Brief der L-IZ.de (augenzeugen.info, Anna-Maria Wagner)
Immer wieder werden Journalisten bei “Pegida”-Demonstrationen an der Ausübung ihrer Arbeit gehindert, werden beschimpft oder gar tätlich angegriffen. Darunter zu leiden hat besonders die “Leipziger Internetzeitung”, die lange Zeit regelmäßig von den sogenannten “Legida”-Aufmärschen berichtet hat. Doch die Leipziger Lokalzeitung stellt die Live-Berichterstattung bis auf Weiteres ein. Man fühle sich von der Polizei und der Politik im Stich gelassen. Der in vollem Wortlauf veröffentlichte offene Brief zeigt das gesamte Ausmaß der unerfreulichen Entwicklung.
6. Lobbyist wird neuer Chef des BSI (zeit.de)
Nun ist bekannt, wer neuer Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik wird: Arne Schönbohm. Ein ehemaliger Rüstungsmanager, der von seinen Kritikern als IT-Lobbyist bezeichnet und im Umfeld des Chaos Computer Club als “Cyberclown” geschmäht wird.
Was steckt dahinter? Nicht viel: Julien Bickelmann, ModeratorReporter bei 1LIVE, war vorgestern in der Kantine des WDR. Dort schoss er ein Foto einer Waage und twitterte:
Wie erklärt man anderen Menschen deutsche Bürokratie am besten? (Gesehen @WDR Kantine)
Ein kleiner Scherz über die deutsche Bürokratie. Dann passierte, was eben manchmal passiert, wenn man lustigeinteressanteirre Dinge ins Internet postet. Bickelmanns Tweet erhielt über 1.000 Retweets und gefällt inzwischen mehr als 1.400 Mal. Dann stolperte der „Kölner Express“ über den Tweet.
Der „Express“ griff die Geschichteden Zwischenfall den Tweet gestern auf und schrieb fünf Absätze dazu, die nicht viel mehr Information enthielten als der ursprüngliche Tweet. Dabei ließ er es sich natürlich nicht nehmen, das Bild ohne Erlaubnis von Bickelmann zu verwenden. Auch das „Süddeutsche Zeitung Magazin“ „berichtete“ auf seiner Facebook-Seite. Abends gesellte sich „Focus Online“ dazu:
„Mit einem Bild auf Twitter hat der Reporter Julien Bickelmann für großen Wirbel gesorgt: Er fotografierte die Salat-Waage der WDR-Kantine, die derzeit außer Betrieb ist. Der Grund dafür: Bürokratie-Irrsinn, über den das Netz nun lacht.“
Ein bisschen lachen über den „Bürokratie-Irrsinn“ der Deutschen, was ist schon dabei? Oder, in den Worten der Kommentatoren auf „Focus Online“:
Jeden Tag fluten Zehntausend Menschen zu großen Teil ohne gültige Ausweispapiere und aus sicheren Drittstaaten nach Deutschland und die machen sich in die Hose wegen einer zu spät durchgeführten Eichung? Wenn nichtmal mehr Merkel und Kollegen sich an Gesetze halten, dann dürfte doch eine ungeeichte Waage jetzt nicht so das Problem sein, oder?
Deutsche Dummheit die überall das Land regiert. Teilweise aufgrund von über 100 Jahre alten Gesetzen, die mit der Realität nix zu tun haben. Aber unsere Regierer haben ja nix im Kopp, außer immer neuen Unsinn zu verzapfen, statt den Saustall mal auszumisten. Der „schlanke Staat“ wird ja immer wieder versprochen, schlanker werden aber nur die Geldbörsen der Bürger.
„Hat der Verwender die Eichung mindestens zehn Wochen vor Ablauf der Eichfrist beantragt und das zur Eichung seinerseits Erforderliche getan oder angeboten, steht das Messgerät trotz des Ablaufs der Eichfrist bis zum Zeitpunkt der behördlichen Überprüfung einem geeichten Messgerät gleich. Hat der Verwender die Eichung zu einem späteren Zeitpunkt beantragt und ist der Behörde eine Eichung vor Ablauf der Eichfrist nicht möglich, so kann sie das weitere Verwenden des Messgeräts bis zum Zeitpunkt der behördlichen Überprüfung gestatten. Die Behörde soll die Eichung nach Ablauf der Eichfrist unverzüglich vornehmen.“
Wenn die Kantine also mindestens zehn Wochen vor Ablauf der Eichfrist die Eichung beantragt hat, aber noch kein Prüfer gekommen ist, erlaubt das Gesetz, die „ungeeichte“ Waage weiter zu verwenden. So lange, bis der Prüfer kommt.
Hat die Kantine diese Zehn-Wochen-Frist verpasst und der Prüfer kann vor Ablauf der Eichfrist nicht kommen, kann das Eichamt der Kantine erlauben, die Waage weiter zu betreiben.
In beiden Fällen kann die Kantine die Waage also weiter betreiben. Die Bürokratie schützt die Kantine also vor genau dem „Irrsinn“, der ihr jetzt nachgesagt wird.
Daraus ergeben sich nun drei spannende Folgefragen:
Hat die Kantine die Eichung vor mehr als zehn Wochen beantragt?
Wenn die Eichung vor mehr als zehn Wochen beantragt wurde, warum ist die Waage dann nicht in Betrieb?
Sie haben echt bis hier unten gelesen? Respekt.
So. Ein Gutes hat die Geschichte aber: Dass der „Irrsinn“ keiner ist, haben auch einige Kommentatoren schon angemerkt. Jemand, dessen Vater „Experte für Waagen“ ist, hat sogar einen Blogpost zu dem Bild geschrieben. Die deutsche Bürokraten-Ehre ist nochmal gerettet.
1. Nachrichten für die Generation Smartphone (horizont.net, Volker Schütz)
Der Autor hat Leute wie “FAZ”-Digitalchef Mathias Müller von Blumencron, den “Gründerszene”-Chefredakteur Frank Schmiechen und den Blogger Richard Gutjahr befragt, und alle seien sich einig gewesen: Nachrichten und Informationen würden von vielen jüngeren Menschen nicht mehr in einem Stück oder in langen Artikeln gelesen, sondern „häppchenweise“. Über Newsletter, Push-Meldungen, Snippets oder Beiträgen von Freunden und Bekannten in sozialen Plattformen. Entsprechend fieberhaft würden Medien daher mit Newsformaten für die Generation Smartphone experimentieren. Der Artikel stellt die wichtigsten Ansätze und Anwendungen vor, darunter auch die ungewöhnliche Quartz-App, die Elemente eines Newsprogramms mit denen einer Chatsimulation verbindet.
2. Lücke oder Lüge? (zeit.de, Thomas Fischer)
Bundesrichter Thomas Fischer macht es einem in seinen Kolumnen nicht immer leicht, die metaphernreiche und deftig-ironische Sprache ist nicht jedermanns Sache. Dennoch hält auch der dritte Teil seiner Medien-Reihe viele interessante Gedanken bereit. Nachdem sich Fischer warmgeredet hat, seziert er genüsslich einen Beitrag aus der “Frankfurter Rundschau”. In diesem bezeichnete die Autorin die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als lasch und behauptete, der BGH hätte die Schutzlosigkeit der Frauen vor sexuellen Übergriffen mitverursacht. Zu Unrecht, wie Fischer schlüssig und mit der ihm eigenen Wucht klarmacht.
3. Warum Amerikaner plötzlich Serien mit Untertiteln gucken (sueddeutsche.de, Paul Katzenberger)
Fernseh-Serien liegen im Trend, allein Netflix soll 2016 mehr als 30 Serien herausbringen. Der Autor fragt nach dem Erfolgsrezept für Fernsehserien und lässt die Aussagen erfolgreicher Serienmacher einfließen. Piv Bernth vom “Dänischen Rundfunk” (verantwortlich für Erfolgsserien wie “Kommissarin Lund”) setzt auf Stories mit starkem regionalen Bezug, weil dort die bei Plots verlangte Vielschichtigkeit und Komplexität am besten gelänge. Bruce Tuchman (“Breaking Bad”) erklärt den wachsenden Erfolg von synchronisierten oder untertitelten Serien in den USA. Aber auch ein Vertreter einer französischen Produktionsfirma kommt zu Wort. Den Schluss bildet die RTL-Produktion “Deutschland 83”, die in Deutschland nicht den gewünschten Erfolg hatte, aber international gefeiert wird.
4. #SIEKOMMEN (siekommen.org, Vanessa Vu & Minh Thu Tran & Jana Anzlinger & Daniela Gaßmann & Caroline Wiemann & Anett Selle)
Sechs Journalistenschülerinnen aus München haben die Auswirkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit untersucht und dazu eine Stichprobe aus rund 900 Artikeln aus über 50 deutschen Print-Zeitungen erhoben und ausgewertet. Die Artikel stammen aus den Jahren 2006 (ein Jahr, bevor Rumänien und Bulgarien der EU beitraten) und 2014 (als die Freizügigkeit in Kraft trat). Ausgangsfrage war, inwiefern die Medien einen Zusammenhang zwischen Kriminalität und ausländischen Nationalitäten herstellen. Das Ergebnis: “Die Angst vor Armut und Kriminalität war groß, die tatsächlichen Konsequenzen klein.” Ein tolles Beispiel für Datenjournalismus mit einer tollen Umsetzung!
5. Privatsphäre ist so 2005 (freitag.de, Hendrik Geisler)
Bereits vor 17 Jahren gab es die Debatte über die Datensucht von Staaten und Unternehmen und die Wahrung der Privatsphäre. “Digitale Vollkontrolle – Das Ende des Privaten”, titelte der “Spiegel” und befasste sich im Artikel “Der Nackte Untertan” mit Schnüffelei und Datensammelei. Hendrik Geisler fragt in seinem Artikel, was die Debatte bislang bewirkt hat und kommt zu einer ernüchternden Antwort: “Wenig bis gar nichts. 2016 sind wir keine nackten Untertanen mehr, wir fühlen uns so frei und so verbunden mit der Weltbevölkerung wie nie zuvor. Wir hüpfen oft bar jeglicher Zurückhaltung über die digitale Wiese und schenken mächtigen Firmen vollkommen ohne Zwang Informationen über unser Privatleben.”
6. Bei Hitze, Kälte und im Männer-TV: So werben Partnerbörsen und Datingportale (wuv.de, Petra Schwegler)
Das Münchener Media-Monitoring-Unternehmen “XAD Service” hat das TV-Werbeverhalten von Partnervermittlungs- und Dating-Portalen analysiert. Danach stehen besonders Jahreswechsel und Sommer im Fokus der digitalen Kuppel-Plattformen. Und eine weitere Besonderheit sticht hervor: Vor allem die männeraffinen Spartensender wie Tele 5, N24 und Dmax würden von den erheblichen Werbegeldern profitieren. Saisonale Schwankungen gäbe es übrigens auch bei den Themen “Dating” und “FSK 18 Dating”. In den Monaten vor Dezember muss demnach ein schwacher Datingdruck und eine generell geringere Libido herrschen.