Suchergebnisse für ‘bild tv’

Mitfeiern erlaubt

Am Freitag vergangener Woche sorgte sich die “Bild”-Zeitung öffentlich, ob die “Bachelorette”, die Kandidatin der RTL-Kuppelshow, “alle Gefühle nur gespielt” hat. Sie wurde nämlich “im Arm eines Mannes” gesehen, “der gar nicht in der TV-Show auftauchte”. Aber auch die Männer, die bei RTL um sie buhlten, schienen nicht die Erwartungen von “Bild” zu erfüllen:

Die Männer vergnügen sich gerade im Hamburger Table-Dance-Lokal “Dollhouse”! (…) Wie kommt’s, daß die Männer hemmungslose Partys feiern, während sie zeitgleich im TV als ritterliche Kavaliere zu sehen sind?

Dokumentiert wurden die Exzesse in einer Fotogalerie, unter deren Link bei Bild.de steht:

Die geheime Bachelorette-Teilnehmer Party im Dollhouse!

Nun weiß man, dass das Wort “geheim” in der “Bild”-Zeitung verschiedene Bedeutungen hat, die meisten davon das Gegenteil dessen, was der Duden darunter versteht. In diesem Fall war die Party so “geheim”, dass die “Hamburger Morgenpost” am Tag vorher nur ein paar Details herausließ:

Den Start der Reality-Serie begießt der Charming Boy morgen mit 15 anderen Show-Schönlingen und Großbildleinwand …

Na gut, aber da stand ja nicht wo.

… im “Dollhouse” …

Okay, aber wann?

… (ab 19.30 Uhr). …

Ach, die hätten einen bestimmt nicht reingelassen.

… Mitfeiern erlaubt.

Hm.

Die Fotos, die “Bild” vom Abend der “Bachelor”-Kandidaten zeigt, sind einigermaßen drastisch. Kein Wunder: Das “Dollhouse” ist ein Touristen- und Szene-Club mit Go-Go-Dancing und Striptease. Andererseits entwarnt der Reiseführer:

Hier geht es um “Showerotik” – Erotik, Tanz und Spaß – niemand wird zum Mitmachen gezwungen, Körperkontakt ist tabu!

Wären unter Einhaltung dieser Regel spannende Fotos für die “Bild”-Zeitung zustande gekommen? Womöglich nicht. Aber zum Glück hatten mindestens zwei der “Bachelor”-Kandidaten außerordentlich intensiven Körperkontakt mit den Frauen, wie die Fotos zeigen. Vielleicht war das kein Zufall. Maximilian Pütz, einer der Kandidaten, hat uns jedenfalls erzählt, dass die Tabledancerinnen, die “Bild” in Aktion zeigt, von “Bild” selbst bezahlt worden seien.

(Un)heimliche Nacktfotos

Der Hammer, was die investigativen Journalisten von “Bild” immer ausgraben. Jetzt haben sie von der RTL-“Bachelorette” etwas entdeckt:

Von Monica (27), heute wieder in der Kuppelshow zu bewundern, tauchten ganz plötzlich heimliche Nacktfotos auf.

Wow. Wo haben sie die entdeckt? In irgendeinem Privatporno? In der untersten Schublade bei einem Ex-Freund? In einem Briefumschlag, der der “Bild”-Redaktion auf mysteriöse Art zugespielt wurde?

Fast. Monica hatte die geheimen Nacktfotos in der italienischen Männerzeitschrift “Fox Uomo” und in der deutschen Männerzeitschrift “Maxim”, einem Schwesterblatt von “Bild”, vor der Öffentlichkeit versteckt.

Allgemeine Verunsicherung

“Tausende Arbeitslose sind verunsichert durch die Hartz-Briefe.”

So berichtet “Bild” heute auf Seite 2 und “klärt wichtige Fragen”. Zum Beispiel: “Kriege ich noch Stütze, wenn ich ein Auto habe?” Die Antwort:

“Ja, sofern der aktuelle Wert des Autos unter 5000 Euro liegt. Ist der Wagen mehr wert, kann die Stütze gestrichen werden.”

Huch! Müssen jetzt alle Fahrezeugbesitzer ohne Arbeit noch schnell ein paar Dellen in ihren Wagen fahren, damit dessen Zeitwert sinkt und sie überhaupt Arbeitslosengeld bekommen? Besser nicht. Die Bundesagentur für Arbeit klärt auf (PDF):

“Ein angemessenes Auto oder Motorrad ist (…) nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Schließlich sollen Sie als Arbeitnehmer flexibel sein – und für eine neue Arbeitstelle ggf. pendeln können. (…) Ist ein Verkaufserlös abzüglich ggf. noch bestehender Kreditverbindlichkeiten von maximal 5.000 Euro erreichbar, ist eine Prüfung und Ermessensentscheidung, ob ein Kfz angemessen ist, entbehrlich.”

Das heißt: Selbst Arbeitslose, die ein Auto besitzen, das mehr als 5000 Euro wert ist, müssen nicht gleich ihr Fahrzeug verkaufen, sofern sie es noch abzubezahlen haben, da die entsprechende Summe auf den relevanten “Wert” angerechnet wird.

Wenn dieser danach 5000 Euro übersteigt, wird nicht gleich “die Stütze gestrichen”. Dann setzt eine Angemessenheitsprüfung ein, bei der “Größe der Bedarfsgemeinschaft, Anzahl der PKW im Haushalt, Zeitpunkt des Erwerbs” einbezogen werden. Und wenn die negativ ausfällt, gibt’s überhaupt kein Geld mehr? Nein, nicht ganz:

“Soweit ein Kfz ‘nicht angemessen’ ist, wird der übersteigende Wert auf die Vermögensfreibeträge angerechnet“,

berichtet die “Süddeutsche” in ihrem Hartz-Lexikon – übrigens ähnlich knapp wie “Bild”. Bloß unmissverständlicher. Fraglich ist also, was “tausende Arbeitslose” mehr verunsichert: “die Hartz-Briefe” oder die Hartz-Tipps in “Bild”.

Schwule Lehrer

Endlich tut einmal jemand was gegen den Skandal, dass sogar Schwule, die ihre Perversion demonstrativ zur Schau stellen, einfach unsere Kinder unterrichten dürfen! Abnormale Lehrer können jetzt der “Bild”-Zeitung gemeldet werden, die sich dann um die Sache kümmert.

Ganz so unverblümt ist die neue Aktion Pranger von “Bild” natürlich nicht organisiert. Vorgeblicher Anlass ist der Auftritt eines Berliner Lehrers in der ARD-Show “Das Quiz”, in der er die Frage “Was wird mithilfe von Lackmus-Papier bestimmt?” falsch mit “Cholesterinwert” beantwortete, was ihn in den Augen der “Bild”-Zeitung von gestern zum “total blamierten” “Depp-Lehrer”, zum “Ahnungslosen” und zum “Skandal-Lehrer” macht. Wobei in dem Artikel dezent die Grenzen verwischen, worin genau der Skandal besteht: In der falschen Antwort oder in der Tatsache, dass der Lehrer schwul ist, eine Punk-Frisur trägt und sich geschminkt hat, bevor er ins Fernsehen gegangen ist.

Das ist ein Berliner Lehrer

steht in großen, fassungslosen Buchstaben über dem androgynen Gesicht des Kandidaten. Immer wieder betont der Artikel, dass der Referendar Alexander G. einen Freund hat und Augen und Lippen geschminkt sind.

Der junge Mann ist Berliner Lehrer! Er darf Kinder unterrichten!

In der Druckausgabe wird ihm auch noch Schwänzen vorgeworfen:

Unfaßbar, daß so ein Ahnungsloser unsere Kinder unterrichtet. Eigentlich — wie BILD erfuhr — ist er seit vier Wochen krank geschrieben!

Später “erfuhr” “Bild” noch eine Information, die es allerdings nur in die Online-Version der Geschichte geschafft hat:

Immerhin: Die Sendung wurde vorher aufgezeichnet.

“Immerhin”: Irgendwer bei “Bild” hat gemerkt, dass das in diesem Zusammenhang kein ganz unwesentliches Detail ist.

Heute dreht “Bild” die Geschichte weiter, und die Sache mit der falschen Antwort taucht nur noch in einem einzigen Satz am Rande auf. Wohin die Reise geht, macht die Überschrift neben einem weiteren Bild des Lehrers klar:

Kein Wunder, daß wir bei der PISA-Studie ganz hinten liegen…
Warum darf so ein Lehrer unsere Kinder unterrichten?

Weiter im Text:

Wie BILD erfuhr, tritt der Punk-Lehrer in seiner Freizeit bundesweit auch als Travestiekünstler “Loulou La Rouge” in Frauenkleidern auf! Warum darf so ein schriller Typ Kinder unterrichten?

Warum nicht, könnte man zurückfragen, aber das haben die Beschützer “unserer” Kinder, die “Bild” zitiert, natürlich nicht getan:

“In diesem speziellen Fall ist es ein schlechtes Image für die Schule, die Grenze der Individualität scheint hier überschritten.”

“Durch dieses Auftreten wird der Schulfrieden massiv gestört. In jeder Firma würde dieser Mann umgehend gefeuert!

“Ein Lehrer muß nicht täglich im Anzug zum Unterricht kommen. Aber eine saubere Jeans und ein gebügeltes Hemd sollten schon sein.”

(Dass der Referendar seine Hemden nicht bügelt oder die Jeans nicht wäscht, hatte bislang nicht einmal “Bild” behauptet.)

Also, klar ist: Solche Lehrer gehören ins Kino, aber nicht in die Schulen. Und deshalb endet der Artikel mit dem folgenden Aufruf:

Haben Sie auch so einen schrillen Typen an der Schule? Kennen Sie Lehrer, die sich gehen lassen?

Dann schreiben Sie an:

BILD Zeitung
Redaktion Nachrichten
Stichwort: „Lehrer“
Axel-Springer-Platz 1
20350 Hamburg

Und wenn einer von den so Vorgeführten dann seine Existenz verliert oder sich etwas antut, wird “Bild” in seiner ausführlichen Nachberichterstattung zu mehr Toleranz aufrufen. Versprochen!

Unumstritten renommiert

“BILD bleibt die mit Abstand wichtigste deutsche Tageszeitung! Keine andere Tageszeitung wurde im dritten Quartal häufiger mit Exklusivmeldungen zitiert”,

meldet “Bild” auf Seite 1 unter Berufung auf das “renommierte Bonner Medienforschungsinstitut Medien Tenor”.

Das ist erst einmal nicht weiter ungewöhnlich, weil auch andere Zeitungen gerne drucken, wie wichtig sie sind – wohl, um es selbst nicht zu vergessen.

Für den Hinweis, dass das stets renommierte Forschungsinstitut zuletzt gar nicht mehr so arg renommiert, sondern, ganz im Gegenteil, eher umstritten war, blieb in der knappen Meldung sicher einfach kein Platz mehr. Medien-Tenor-Beiratsmitglied Mathias Döpfner, nebenberuflich Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, hätte das sowieso nicht gefallen.

Nichts Neues im Dschungel

Seit dem Start der zweiten Staffel von “Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!” ist “Bild”-Reporterin Patricia Dreyer vor Ort in Australien und berichtet aus dem RTL-Camp. Gestern hatte sie vermutlich ziemlich viel Freizeit – trotz der großen “Schummelei”-Enthüllungsgeschichte, die heute im Blatt steht.

“Warum regnet’s nie?”, fragt Dreyer darin misstrauisch – und erklärt: “Weil der Regen gar nicht ins Camp gelangt! Eine Plane ist drübergespannt, damit trotz extremer Wetterbedingungen TV-Bilder geliefert werden können.” Na gut, das ist kein Aufreger. Schon am 18. Januar 2004 während der ersten Dschungel-Staffel hatte “BamS” berichtet: “Das ganze Areal ist gegen Regen geschützt. Techniker Keith, der im TV-Team arbeitete, zu BamS: ‘In die Baumwipfel wurde eine riesige Abdeckplane eingewoben.'”

“Warum hört man keine Tiergeräusche?”, rätselt die Dschungelreporterin weiter. Na, “weil’s keine gibt! Alle größeren wilden Tiere wurden vor Beginn der Dreharbeiten aus dem Wald entfernt, um die Promis nicht zu gefährden.” Auch nicht gerade eine Neuigkeit. Vor 9 Monaten zitierte “BamS” einen RTL-Mitarbeiter: “Das Camp ist vorher gesäubert worden. Jedes Tier, auf das die Kandidaten treffen, ist von RTL dort platziert worden.”

Und der angeblich verbotene Kontakt zur Außenwelt? Dreyer deckt auf: “Von wegen Einsamkeit! Die Promis können mit einem Psychologen telefonieren, in Notfällen einen Arzt verlangen, einmal am Tag wird auch das Plumpsklo geleert.” Das mit dem Plumpsklo war bisher tatsächlich nicht bekannt. Der Rest schon. Wieder “BamS” im Januar: “Sie sind ganz auf sich gestellt – hieß es vor dem Start der Show. In Wirklichkeit stand sogar ständig ein Psychologe zur Verfügung, der im eigens dafür aufgebauten Haus (darin ist auch die Erste-Hilfe-Station) fleißig kontaktet wurde.”

Ein paar Seiten vor Dreyers Bericht druckt “Bild” übrigens diese originelle Eigenanzeige ab:

neu  

Herr Pocher hat Recht

Heute vor einer Woche rückte “Bild” auf der Titelseite Oliver Pocher in die Nähe von Kinderschändern. Mehrere Wochen, nachdem er bei Johannes B. Kerner über das Thema Kindesmissbrauch gesprochen hatte, verkürzte und verdrehte das Blatt seine Aussagen (siehe hier). Pocher setzte gerichtlich eine Gegendarstellung durch, die sich heute auf der Homepage von bild.de und auf der Seite 1 der “Bild”-Zeitung findet:

Auf der BILD-Titelseite vom 20. Oktober 2004 schreiben Sie in einer Überschrift über mich: „Oliver Pocher TV-Star schützt Kinder-Schänder“.

Weiter heißt es dort: „… Der Komiker gab in der Kerner-Talkshow zu, von einem Kindesmißbrauch zu wissen. Den Täter zeigte er aber nicht an!“

Hierzu stelle ich fest: Der hierdurch erweckte Eindruck, ich würde aktuell einen Kinderschänder schützen, ist falsch. Meine Aussage in der Sendung Kerner bezog sich auf einen Fall, von dem ich vor zehn Jahren erfahren habe und der zum damaligen Zeitpunkt bereits 3 Jahre zurücklag. Die Tat ist verjährt und den Behörden bekannt.

Die Redaktion hat dem Text einen Satz hinzugefügt:

Herr Pocher hat Recht.

Das ist interessant. Denn gegenüber der FAZ hatte “Bild” vergangene Woche noch beharrt, im Recht zu sein. Und die Gegendarstellung hat “Bild” nicht freiwillig gedruckt, sondern erst, nachdem Pocher eine entsprechende Gerichtsentscheidung erreicht hatte. Von der Managerin des TV-Komikers ist zu erfahren: Entschuldigt habe sich “Bild” bei Oliver Pocher bis heute nicht.

Korrektur, 18.30 Uhr: Pochers Anwalt Christian Schertz sagt, eine Gerichtsentscheidung zur Erzwingung der Gegendarstellung sei nicht nötig gewesen. “Bild” habe die Gegendarstellung gedruckt, nachdem er die Zeitung abgemahnt habe. Am heutigen Donnerstag habe sich die “Bild”-Reporterin auch bei Pochers Managerin entschuldigt.

We are the Champions XIII

06.09.: Christian Kracht, “Der Freund” (Axel Springer)
10.09.: “Welt kompakt” (Axel Springer)
15.09.: “Auto Bild.de Automarkt” (Axel Springer)
17.09.: “Welt” (Axel Springer)
18.09.: Dieter Stolte (Axel Springer)
21.09.: Claus Strunz (Axel Springer)
28.09.: Hans-Olaf Henkel (Axel-Springer-Autor)
30.09.: Volker Koop (Axel Springer)
05.10.: Georg Kofler (Axel-Springer-Geschäftspartner)
08.10.: “Rolling Stone” (Axel Springer)
18.10.: Dietrich Grönemeyer (Axel Springer-Autor)
22.10.: “Bild”-Bestseller-Bibliothek (Axel Springer)
Aktueller Neuzugang als “Gewinner des Tages”:
26.10.: Peter Hahne (Axel Springer-Autor, schreibt jede Woche in der “BamS” die Kolumne “Gedanken am Sonntag”)

Nachtrag, 0:46: So gesehen wird’s allmählich Zeit, dass sich auch Hellmuth Karasek in die illustre “Gewinner”-Schar einreiht; “Literatur-Papst”, “TV-Star” und “Buch-Papst Deutschlands” ist er laut “Bild” von heute schließlich schon – und bekanntlich nicht nur das…

Keinen Kontakt, nie gehabt

Schauspieler Karsten Speck sitzt in Untersuchungshaft und “Bild” ist “das Drama” täglich einen Bericht wert. Jetzt kommt die Schreckensmeldung:

“Seit fünf Tagen hat Mutter Ellen keinen Kontakt mehr zu ihrem Sohn. Jetzt sagte Ellen Speck gegenüber der Tageszeitung B.Z.: ‘Wir dürfen nicht mit ihm sprechen!'”

Und außerdem:

“Das ist eine schreckliche Geschichte. Nur sein Anwalt hat noch Kontakt zu ihm. Er hält uns auf dem Laufenden.”

In der “B.Z.” steht dazu:

“Seit sechs Tagen sitzt ihr [Ellen Specks] Sohn in Untersuchungshaft (BZ berichtete). Seitdem hat die Familie keinen Kontakt zu ihm.

So? Na ja, gut.

Bloß zur Erinnerung: “Karsten Speck weint hinter Gittern”, hatte “Bild” wenige Stunden zuvor gemeldet:

“Seit fünf Tagen sitzt der TV-Star in Haft. Die Mutter zu BILD: ‘Als ich ihn im Gefängnis anrief, hat er geweint.’

Vermutlich darf man sich jetzt raussuchen, ob man — wenn überhaupt — lieber der “Bild” oder doch der “B.Z.” glauben möchte. “Bild” jedenfalls glaubt offenbar lieber den Kollegen.

Der Kannibale ist kein Kannibale

Ja, die Welt ist manchmal kompliziert, und deshalb, liebe Kollegen von “Bild”, gehen wir die Sache langsam und zum laut Mitlesen noch einmal durch. Also: Ein Kannibale ist jemand, der einen anderen Menschen verzehrt. Klar soweit? Gut, dann weiter: Wer keinen anderen Menschen verzehrt, ist kein Kannibale.

Seit Donnerstag steht fest, dass der Berliner, der einen Sexpartner ermordet und zerstückelt haben soll, kein Kannibale ist. Ein Sprecher der Berliner Justiz sagte, es gebe nach der Obduktion keine Anhaltspunkte dafür, dass es zu Kannibalismus gekommen sei. Das berichteten übereinstimmend verschiedene Agenturen. Am Donnerstag, wie gesagt.

Am Freitag ist der mutmaßliche Mörder in “Bild” (Ausgabe Berlin) immer noch “Der Kannibale von Berlin”. “Bild” vergleicht die Straftat mit der des (tatsächlichen) “Menschenfressers von Rotenburg” und spricht vom “neuen Kannibalen-Fall”.

Am Samstag zeigt “Bild” “Das Gesicht des Kannibalen”, nennt ihn weiter den “Kannibalen von Berlin” und verzichtet an keiner Stelle auf die falsche Bezeichnung. Neben einem weiteren Foto steht: “Kannibale Ralf M. (41) wird von Polizisten zum Haftrichter gebracht.”

Man könnte das für eine Kleinigkeit halten, schließlich hat der Verdächtige ja allem Anschein nach sein Opfer aus sexueller Lust und mit kannibalistischen Fantasien getötet. Aber hinter der Entscheidung für die Bezeichnung “Kannibale” steckt mehr als nur eine sprachliche Boulevard-Kurzformel für jemanden, der aus solchen Motiven mordet. Die Information, dass die Polizei keine Anhaltspunkte für Kannibalismus gefunden hat, die andere Zeitungen zu Formulierungen brachte wie: “Der ‘Kannibale von Neukölln’ ist nun doch kein Kannibale”, fehlt konsequent in “Bild”-Berlin. Hier heißt es allein: “Er gab an, nichts von dem Toten gegessen zu haben.” Warum unterschlägt “Bild” die Information, dass diese Angabe des mutmaßlichen Mörders längst von der Polizei bestätigt ist und er also kein Kannibale ist? Ist die Wahrheit nicht aufregend genug?

Übrigens: Auf die Gefühle der Angehörigen des Opfers kann die “Bild”-Zeitung in ihrem Blutrausch natürlich keine Rücksicht nehmen. Neben ein Bild des Toten stellte sie die sensibel formulierte Überschrift: “Waldorfschule ehrt ihren geschlachteten Pianospieler”.

Blättern:  1 ... 311 312 313 314 315