Lobo und Albrecht, Entlassenes “Alphatier”, Haie und Putzerfische

1. Sascha Lobo: der Debatten-Podcast #41. Albrecht, Lobo und die DSGVO
(spiegel.de, Audio, 1:18:09 Stunden)
„Spiegel“-Kolumnist Sascha Lobo und Jan Philipp Albrecht, der als einer der Architekten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gilt, haben sich bislang schriftlich einen Schlagabtausch zur DSGVO geliefert (Lobos Kolumne / Albrechts Erwiderung), der bis in die Kommentare reichte. Nun haben sich die beiden für eine Sonderausgabe für Lobos Debatten-Podcast zum Gespräch zusammengesetzt.

2. Konsequenz aus #metoo-Affäre: WDR kündigt TV-Korrespondenten
(correctiv.org, Wigbert Löer & Marta Orosz)
Gegen einen „WDR“-Mitarbeiter gab es mehrere Vorwürfe der sexuellen Belästigung, die jedoch weder Abmahnung noch Kündigung rechtfertigen würden, so der Sender. Nun hat der „WDR“ dem Mann gekündigt.
Weiterer Lesehinweis mit Einzelheiten zur Causa „Alphatier“: ARD-Korrespondent belästigte Kolleginnen sexuell – nach Enthüllungen von stern und Correctiv wurde er nun doch freigestellt (stern.de, Wigbert Löer & Marta Orosz)

3. Zeitungs-Newsletter nach der DSGVO: 80 Prozent der Empfänger verloren?
(kress.de, Frank Hauke-Steller )
Müssen sich Versender von Newslettern eine erneute Zustimmung der Bezieher einholen, um den Ansprüchen der neuen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu genügen? Darüber gehen die Meinungen auseinander, selbst bei großen Playern der Medienbranche wie „Süddeutscher Zeitung“ und „Zeit“-Verlag.

4. So will der Spiegel seine Online-Nutzer zu Flatrate-Abonnenten machen
(horizont.net, Roland Pimpl)
Am Montag startete der „Spiegel“ sein umgebautes digitales Produkt- und Preismodell „Spiegel Plus“. Was für die Leser Auswirkungen hat, wird sich auch intern auswirken. Das neue Modell erfordere von der Print-Redaktion ein Umdenken und mehr Flexibilität, so „Spiegel“-Chef Klaus Brinkbäumer.
Weiterer Lesehinweis: “Beim Spiegel geht es nicht darum, cool zu sein”: Produktchef Stefan Plöchinger über die neue Paid-Content-Strategie (meedia.de, Marvin Schade)

Und zum Schluss der Verweis auf ein kurioses Fundstück: “Kaufmännische Genialität zeigt sich oft in naheliegender Schlichtheit: Wenn ich die Argumente für einen „Spiegel+“-Zugang sehen will, muss ich mir vorher einen „Spiegel+“-Zugang einrichten.”

5. Von Haien und Putzerfischen
(deutschlandfunk.de, Heribert Prantl & Stefan Koldehoff)
Der „Deutschlandfunk“ hat sich mit Heribert Prantl („SZ“) über die Problematik der sogenannten „Hintergrundgespräche“ von Politikern mit Medienvertretern unterhalten, von denen nichts nach außen dringen soll. Prantl hadert mit der Gesamtthematik: „Das vertrackte ist, dass Sie als jemand der Bescheid wissen will, die Nähe zur Politik suchen und zugleich Distanz von ihr halten müssen.“

6. Wie man Teilnehmerzahlen berechnet
(faktenfinder.tagesschau.de, Konstantin Kumpfmüller)
Am Wochenende wurde in Berlin von, aber auch gegen die AfD demonstriert. Über die Teilnehmerzahlen gehen die Meinungen bei derartigen Veranstaltungen oft auseinander. Die Veranstalter sind natürlich nicht unbefangen, denn der mediale Erfolg bemisst sich oft nach der Teilnehmerzahl. Schätzungen helfen, es gibt jedoch auch Methoden, um zu genaueren Ergebnissen zu kommen.

Bild.de stellt betrunkene Britin bloß, die es gar nicht gibt

Bei Bild.de ist am vergangenen Donnerstag ein interessanter Artikel erschienen:

Screenshot Bild.de - Falsches Foto bei Bild - Geschichte hinter Mallorca-Aufnahme stimmt nicht

Am Dienstag berichtete BILD, dass eine betrunkene Britin in einen Burger-Laden auf Mallorca marschierte und dort mit hoch gerutschtem Rock ihr Essen bestellte.

Das ist leider nicht korrekt.

Das Foto ist vermutlich 2015 in Australien entstanden. Es wurde der Redaktion als angeblich aktuelle Aufnahme zugespielt, BILD ist auf die vorgetäuschte Entstehungs-Geschichte hereingefallen. Dafür bitten wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, um Entschuldigung. Dieser Fehler hätte uns nicht passieren dürfen.

Die Redaktion.

Dass “Bild”-Mallorca-Reporter Ingo Wohlfeil und das Bild.de-Team auf einen Fake hereingefallen sind und diese Fake News unter ihren Leserinnen und Lesern verbreitet haben, ist letztlich nur ein weiteres Beispiel für die schlampige Arbeit des Portals und damit geschenkt. Viel gruseliger ist, dass die Redaktion überhaupt den Ursprungsartikel über die vermeintliche Mallorca-Urlauberin mit dem hochgerutschten Rock veröffentlicht hat. Und in welcher Form.

Zu einem Foto der Frau, auf dem man ihren nackten Hintern sieht und das offensichtlich heimlich aufgenommen wurde, schrieb Wohlfeil in seinem inzwischen gelöschten Artikel:

Screenshot Bild.de - Morgens 11 Uhr bei McDonalds - So bestellt man Burger auf Mallorca

Die Frau hat für ihre Bestellung den etwas luftigeren Look gewählt, ordert ganz ohne Scham mit blanker Kehrseite. Der ohnehin schon knappe Rock ist ihr wohl aus Versehen über den Allerwertesten gerutscht.

Ein McDonald’s-Gast zu BILD: “Sie kam aus England, konnte sich nur noch mit Ach und Krach verständigen. Kein Wunder bei gefühlten 2,5 Promille …”

Trotzdem: Bei diesem Bild essen gleich beide Augen mit.

Mal kurz angenommen, das alles wäre keine Lügengeschichte, der Bild.de aufgesessen ist, sondern tatsächlich wahr: eine betrunkene junge Frau mit “‘gefühlten 2,5 Promille'”, die sich “nur noch mit Ach und Krach verständigen” kann und der “wohl aus Versehen” der Rock hochgerutscht ist. Keine Prominente. Kein sonst wie geartetes öffentliches Interesse. Nur ein Foto, das eine ziemlich hilflose Person bloßstellt. Diese Frau macht Bild.de vor einem Millionenpublikum zur Lachnummer, zotige Sprüche inklusive. Und das bestens platziert auf der Bild.de-Startseite:

Screenshot der Bild.de-Startseite mit dem Artikel zur falschen betrunkenen Britin weit oben auf der Seite
(Unkenntlichmachung durch uns.)

“Bild” hat vor zweieinhalb Monaten verkündet, beim “‘Bild’-Girl” künftig auf Oben-ohne-Fotos verzichten zu wollen. Man habe “zunehmend” das Gefühl, “dass viele Frauen diese Bilder als kränkend oder herabwürdigend empfinden, sowohl bei uns in der Redaktion, aber auch unter unseren Leserinnen.” Betrunkene Frauen herabzuwürdigen, ist aber offenbar weiterhin in Ordnung.

Mit Dank an @einlorax für den Hinweis!

Überhitzacker, Der gekränkte Mann, Die DSGVO und das Blogsterben

1. Neue Qualität der Faktenverdrehung
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Haben wirklich „60 vermummte“ Personen das Wohnhaus eines Polizisten gestürmt? Und ist der Vorfall im niedersächsischen Hitzacker ein Beispiel für eine „neue Qualität der Gewalt“, wie vielfach behauptet? Boris Rosenkranz ist dieser Frage auf „Übermedien“ nachgegangen. Sein Befund: Hitzacker sei ein “gutes schlechtes Beispiel dafür, wie Medien, in einer ohnehin unübersichtlichen Gemengelage, Fakten verdrehen, um Stimmung zu machen. Wie sie sich sehr beeilen, um ja beim nächsten großen Aufreger dabei zu sein. Und wie sie nur einer Quelle vertrauen, obwohl diese befangen ist. Aber womöglich halten das einige sogar für echten Journalismus.“

2. Der verletzte Mann
(deutschlandfunkkultur.de, Vera Linß, Audio, 14:42 Minuten)
Haben Sie schon einmal etwas von „Incels“ gehört? Das sind Männer die unfreiwillig enthaltsam leben (“involuntary celibates“ = “unfreiwillige Zölibatäre“) und sich unter diesem Begriff im Internet vernetzen. Das Problem bei den gekränkten Antifeministen: Ihr sexistisches und frauenverachtendes Auftreten. Und es gibt Überschneidungen zur Extremen und Neuen Rechten.
Weiterer Lesetipp: In Heilige Angstlandschaften (zeit.de) berichtet Robin Detje über die Tendenz einiger Menschen, in der Politischen Korrektheit eine Bedrohung von Mann und Kunst zu sehen. Der Widerstand dagegen habe religiöse Züge angenommen.

3. Russia Today will nicht informieren, sondern verunsichern
(tagesspiegel.de, Frank Herold)
Liefern russische Medien wie „RT“ und „Sputnik“ „sauberen Journalismus“ oder Propaganda? Mit dieser Frage hat sich die Osteuropa-Historikerin Susanne Spahn für die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung beschäftigt.

4. Statt Links der Woche: Tote Links der Woche
(ennopark.de)
Die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat in der Blogger-Szene für viel Aufregung und Panik gesorgt. Viele Blogger und Bloggerinnen kündigten sogar an, deswegen Ihre Blogs dicht zu machen. Enno Park hat sich auf Twitter umgehört, ob dies tatsächlich der Fall ist. Seine kleine nicht-repräsentative Umfrage ist bemerkenswert: Innerhalb von 24 Stunden bekam er mehrere hundert Webseiten genannt, die eingestellt oder zumindest eingefroren wurden.

5. Kämpfende Kurdinnen: Die einstigen Heldinnen sind vergessen
(nzz.ch, Mona Sarkis)
Als Kurdinnen 2014 in den Krieg gegen den IS zogen, wurden sie von Illustrierten wie „Elle“, „Cosmopolitan“, „Teen Vogue“ und „Marie Claire“ als Heldinnen gefeiert und mit glorifizierenden Bilderstrecken bedacht. Selbst die Modebranche hätte Gefallen an den kurdischen Frauen gefunden, als diese gegen den IS kämpften. Doch nach der kurzen Phase der Romantisierung sei das Interesse an ihnen erloschen.

6. „Ich hab Prügel bezogen“
(taz.de, Jürn Kruse)
Die „taz“ hat sich mit dem Sportstudio-Moderator Jochen Breyer über die Champions League, die anstehende Fußball-WM und die Auswirkungen von Interviews unterhalten. So sei es früher möglich gewesen, einen Interviewgast auch mal etwas kecker anzugehen: „Würden wir heute so frech antworten, wäre die Hölle los: in den Zeitungen, in den sozialen Netzwerken. Ich hab das ja nach dem Klopp-Interview erlebt, was da alles auf mich eingeprasselt ist. Ich will mich gar nicht beklagen. Aber da fragt man sich schon, ob man das jede Woche haben will.“

Exklusives Fake-Interview, Macht und Deutungshoheit, Heidis Abgründe

1. “TV Movie” erfindet Exklusiv-Interview mit “Tatort”-Stars
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Die aktuelle “TV Movie” wirbt mit einem “Exklusiv-Interview” mit den “Tatort“-Kommissaren Jan Josef Liefers und Axel Prahl, doch einiges spricht dafür, dass das Gespräch nie stattgefunden hat: Das „Interview“ besteht aus bekannten Textschnipseln und auch die Agentur der beiden Schauspieler weiß von keinem Gespräch. „DWDL“ hat die Bauer Media Group um eine Stellungnahme gebeten. Dort hat man sich 26 Stunden später die folgenden sibyllinischen Worte abgerungen: „Wir sind davon ausgegangen, dass diese Veröffentlichung ordnungsgemäß erfolgt ist. In der Kürze der Zeit können wir leider nicht mehr zu diesem Thema sagen“.

2. FR-Miteigentümer Schöningh: “Unsere Gesprächspartner sitzen jetzt in Hannover”
(horizont.net, Ulrike Simon)
Bereits am Mittwoch schrieb Uwe Vorkötter über die „gemeinsame Sache“ der Medienhäuser DuMont und Madsack, die in Wirklichkeit eine Kapitulation DuMonts sei (Kölsche Kapitulation, horizont.net). Nun beschäftigt sich Ulrike Simon mit den möglichen Auswirkungen auf die „Frankfurter Rundschau“.

3. Der Fall Asef N.: “Es geht um Macht und Deutungshoheit”
(nordbayern.de, Hans-Peter Kastenhuber)
Rund ein Jahr ist es her, dass ein Berufsschullehrer bei den „Nürnberger Nachrichten“ anruft und aufgeregt von einer Polizeiaktion an seiner Schule berichtet. Eine Redakteurin fährt sofort zum Ort des Geschehens und erlebt, wie ein abgelehnter 21-jähriger Asylbewerber aus Afghanistan auf rabiate Weise festgenommen wird. Als sie Tags darauf in der Zeitung die hässlichen Begleitumstände des brutalen Polizeieinsatzes erwähnt, wird sie angefeindet und teilweise übel beleidigt. Mit ihrer Wahrnehmung ist die Journalistin jedoch nicht alleine: Auch ein anwesender Dekan und ein Pressefotograf sind entsetzt. Doch Polizei und CSU-Landesregierung verkünden ihre eigene Wahrheit und begründen den Einsatz mit einer angeblichen Unterwanderung der protestierenden Schüler durch “militante Abschiebegegner” und linke Chaoten.

4. So setzen sieben deutsche Publisher Facebook-Gruppen ein
(markheywinkel.de)
Der Journalist Mark Heywinkel hat sich umgehört, ob Medien nach Facebooks Änderung des Newsfeeds und Herunterstufung von Seiteninhalten nun verstärkt auf Facebook-Gruppen setzen und wie sie dabei verfahren. Seine zusammengetragenen Erfahrungsberichte ergeben ein interessantes Stimmungsbild: Es ist nicht einfach, aber zumindest alle sind dabei.

5. Heidi ist der Häuptling im Macho-Dorf
(sueddeutsche.de, Carolin Gasteiger)
Viele Menschen schauen sich auch heutzutage das bereits 13 Jahre alte TV-Format “Germany’s Next Topmodel” (GNTM) an. Dabei gehöre dieser „Abgrund an Menschenfeindlichkeit“ abgeschafft, wie Carolin Gasteiger fordert. Wer einschalte, mache sich mitschuldig: „Man kann GNTM im Jahr 2018 aber nicht mehr ansehen ohne eine Haltung dazu zu entwickeln. Ohne sich einzugestehen, wie ungeniert junge Mädchen ausgenutzt und vorgeführt werden. Ohne zu erkennen, wie falsch und überholt dieses Format ist.“

6. Küss die Hand
(zeit.de, Francesco Giammarco)
Zuschauer des „Neo Magazin Royale“ kennen William Cohn als den onkelhaften Typ mit den quietschigen Pullovern und der tiefen Märchenerzähler-Stimme. Wer ist dieser Cohn? Francesco Giammarco hat sich mit ihm während einer S-Bahn-Fahrt durch Berlin unterhalten.

Hitzacker: Polizei-Nachplapperei und Steineschmeißer aus dem Archiv

Schaut man sich dieses Bild an …

Screenshot eines Tweets der Welt - Niedersachsen: 60 Vermummte stürmen Privatgrundstück eines Polizisten - dazu ein Foto von sieben Vermummten, die Steine und einen Baumstamm werfen
(“Welt”-Tweet)

… oder dieses …

Screenshot shz.de - Innenminister Pistorius entsetzt über Aufmarsch von Vermummten - dazu ein Foto mit vielen Vermummten, im Hintergrund eine auf dem Boden liegende Mülltonne
(shz.de)

… oder dieses …

Screenshot Politically Incorrect - Hitzacker: Linke vermummte Terrorgruppe bedroht Polizistenfamilie - dazu ein Foto eines Steine werfenden Vermummten
(“Politically Incorrect”)

… könnte man denken, dass am vergangenen Freitag vermummte Linke und Autonome und Antifa-Aktivisten in Hitzacker Steine geschmissen und Bäume durch die Gegend geworfen, Mülltonnen umgetreten und Randale gemacht haben. Nun ist nicht ganz klar, was in dem Ort in Niedersachsen vor knapp einer Woche genau passiert ist — es steht Aussage (der Polizei) gegen Aussage (der Aktivisten). Aber dennoch ist recht sicher, dass es solche Szenen, wie sie auf den Fotos von Welt.de, shz.de und “Politically Incorrect” zu sehen sind, in Hitzacker nicht gegeben hat. Dennoch verwenden die drei Redaktionen derartige Symbolfotos.

Was ist bislang bekannt? Am frühen Freitagabend ist eine Gruppe linker Aktivisten zum privaten Wohnhaus eines Polizisten gezogen, um dort gegen dessen Arbeits- und Vorgehensweise zu demonstrieren. Es gibt verschiedene Angaben, wie viele Personen es genau waren: wohl irgendwas zwischen 55 und 80. Einige waren vermummt, laut Demo-Teilnehmern rund ein Viertel von ihnen. Am Ende gab es einen Polizeikessel, mehrere Festnahmen und verletzte Demonstranten. Was dazwischen geschah — da gehen die Versionen sehr weit auseinander: Die Polizei spricht in einer Pressemitteilung, die sie noch in der Nacht zu Samstag veröffentlichte, von einer “neuen Qualität der Gewalt” seitens der Aktivisten. Diese wiederum beklagen in einer Pressemitteilung einen “brutalen Polizeiübergriff” während ihres Rückzugs, den sich nach einer guten halben Stunde angetreten seien (auf einen Link verzichten wir, da in der Mitteilung der komplette Name des Polizeibeamten genannt wird). Einig sind sich beide Seiten, dass die Demonstranten Fahnen und Banner der kurdischen YPG am Carport des Beamten befestigt (wohl eine Revanche für eine Polizeiaktion im Februar) und vor dem Haus gesungen haben. Während die Polizei allerdings von “lautstarker Stimmungsmache” spricht, nennen es die Aktivisten “fröhliches” Singen.

Kurzum: Auch eine Woche später lässt sich von außen nicht exakt beurteilen, was vergangenen Freitag in Hitzacker passiert ist. Dennoch haben sich viele Redaktion schon sehr früh festgelegt — und dabei fast ausschließlich die Version der Beamten verbreitet. “60 Vermummte stürmen Grundstück eines Polizisten”, titelt etwa Bild.de, obwohl von “stürmen” und “60 Vermummten” nicht mal die Polizei spricht. Welt.de schreibt, dass “rund 60 zum überwiegenden Teil vermummte Personen das Grundstück und private Wohnhaus eines Polizisten im niedersächsischen Hitzacker gestürmt” hätten.

Die Gegenseite kam in den ersten Tagen — und kommt teilweise bis heute — nicht zu Wort, die Angaben der Polizei wurden nicht hinterfragt. Dabei gibt es durchaus Punkte in der Pressemitteilung, die fragwürdig erscheinen: Was meinen die Beamten beispielsweise mit der Aussage, es handele sich um eine “neue Qualität der Gewalt”? Diese Behauptung wurde von vielen Medien kommentarlos zitiert, sicher auch, weil sie verkaufs- und klickträchtig klingt.

Natürlich heißt das alles nicht, dass die Aktion der Aktivisten, das Aufsuchen eines privaten Wohnhauses mit mehreren Dutzend Personen, nicht kritikwürdig ist. Manche von ihnen haben nach eigener Angabe die Frau und Kinder des Polizisten auch schon um Entschuldigung gebeten. Und natürlich heißt das auch nicht, dass die Version der Polizei auf keinen Fall stimmen kann. Aber es reicht für Redaktionen einfach nicht, nur auf Grundlage einer Polizeimeldung zu berichten, erst recht nicht, wenn die Polizei nicht mehr nur neutrale Behörde ist, sondern wie in Hitzacker auch Beschuldigter und Akteur. Das hat vor Kurzem erst ein Beispiel aus Hessen gezeigt. Gleiches gilt selbstverständlich für die Erzählung der Aktivisten: Das 2:10 Minuten lange Video zum Beispiel mit dem Titel “Hitzacker 18.05.2018 — Was wirklich geschah”, in dem das “Medienkollektiv Wendland” das friedliche Singen zeigt, beweist erstmal nur, was in den im Video zu sehenden Szenen “wirklich geschah” (auf einen Link verzichten wir, da in dem Video der Name der Straße, in der der Polizist wohnt, sowie dessen Haus gezeigt werden).

Mit den eingangs gezeigten Fotos gehen manche Redaktionen dann noch einen Schritt weiter: Sie plappern nicht nur willfährig die Pressemitteilung der Polizei nach, sondern bebildern das Ganze auch noch passend. In diesem Fall und bei der derzeitigen Informationslage ist ein solches Symbolbild dann nicht mehr nur Symbolbild, sondern eine gewagte Festlegung: Wenn nicht genau so, dann war es jedenfalls so ähnlich.

Es ist etwas erschreckend, dass wir Redaktionen, die eigentlich ernst genommen werden wollen (hier: “Welt” und shz.de), in diesem Fall problemlos in eine Reihe stellen können mit den Hetzern von “Politically Incorrect”, von denen man keine sauberere Arbeit erwartet. Und es ist noch erschreckender, dass von diesen drei Portalen lediglich “Politically Incorrect” das verwendete Foto überhaupt als “Symbolbild” deklariert hat. Im “Welt”-Tweet sowie im Artikel bei shz.de fehlt ein solcher Hinweis. Twitter-Follower beziehungsweise Leserinnen und Leser könnten ohne Weiteres denken, dass die Aufnahmen die Geschehnisse in Hitzacker zeigen, vor allem in Kombination mit dem Text im “Welt”-Tweet respektive der Bildunterschrift bei shz.de (“60 teils vermummte Personen haben in Hitzacker das Privatgelände eines Polizeibeamten gestürmt”). Dabei ist auf dem Foto im Tweet der “Welt”-Redaktion etwa ein Anti-Atom-Protest im November 2011 zu sehen.

Andere Redaktionen haben sich ebenfalls für Symbolbilder entschieden. Die mögen etwas zurückhaltender sein, die Wahrnehmung drücken aber auch sie in Richtung “vermummter Mob”:

Screenshot RTL.de - Hitzacker: Vermummte bedrohen Familie eines Polizisten - dazu ein Foto mehrere Vermummter bei einem Aufmarsch
(RTL.de)

Screenshot Augsburger Allgemeine - Vermummte aus der linken Szene belagern Wohnhaus eines Polizisten - dazu ein Foto mehrere Vermummter bei einem Aufmarsch
(Augsburger-Allgemeine.de)

Screenshot Focus Online - Kritik an Wohnhaus-Belagerung reißt nicht ab - dazu ein Foto mehrere Vermummter bei einem Aufmarsch
(“Focus Online”)

Screenshot Deutschlandfunk - Linke Gruppe bedrängt Polizistenfamilie - dazu ein Foto eines Vermummten bei einem Aufmarsch
(“Deutschlandfunk”)

Screenshot Deutschlandfunk - Dutzende Linke belagern das Haus eines Polizisten - dazu ein Foto eines Vermummten bei einem Aufmarsch
(“Bento”)

Dazu auch:

Mit Dank an Michael L. und Katrin für die Hinweise!

Im Rausch der Daten, Zuckerbergs Anhörung, “Anstalt” seziert Medien

1. Dokumentarfilm im Ersten: Im Rausch der Daten
(ardmediathek.de, Video, 89 Minuten)
Zweieinhalb Jahre hat Dokumentarfilmer David Bernet den europäischen Gesetzgebungsprozess um die „DSGVO“ filmisch begleitet. Protagonisten des Films sind die konservative EU-Kommissarin Viviane Reding und der Grünen-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht, die sich den Einflüssen von Lobbyisten und Wirtschaftsjuristen ausgesetzt sehen. Ein absolut sehenswerter und spannender Blick hinter die Kulissen des Machtapparats EU.

2. Ein Desaster vor allem für Facebook
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Viele Beobachter hielten die Zuckerberg-Anhörung vor dem EU-Parlament für missglückt und werteten die Fragestunde als Erfolg für den Facebook-Gründer und Misserfolg für die EU. Sascha Lobo sieht die Sache differenzierter: Es mag sein, dass Mark Zuckerberg den kurzfristigen PR-Kampf gewonnen habe. In Wirklichkeit sei die Anhörung jedoch ein Desaster für Facebook gewesen.
Weiterer Lesehinweis: Mein Team wird sich melden: Mark Zuckerberg düpiert das EU-Parlament (netzpolitik.org, Alexander Fanta)

3. Thea Dorn – Deutsch, nicht dumpf
(54books.de, Matthias Warkus)
Einen „Leitfaden für aufgeklärte Patrioten“ nennt Thea Dorn ihr neues Buch, dem in der „Zeit“ bereits „gefährliche Unschärfen“ attestiert wurden. Nun hat der Philosoph Matthias Warkus das Dornsche Werk rezensiert und ist zu einigen interessanten Befunden und einer grundsätzlichen Feststellung gekommen: „Ihr Buch argumentiert nicht für deutschen Patriotismus; es argumentiert aus der Position heraus, dass Patriotismus und eben auch deutscher Patriotismus aus gewissermaßen existenziellen Gründen unverzichtbar sei, für eine bestimmte Form von deutschem Patriotismus (vermutlich immerhin tatsächlich für die brauchbarste). Wer die Sinnhaftigkeit von Patriotismus überhaupt hinterfragt, wird in diesem Werk nichts finden, was argumentativ vom Gegenteil überzeugen könnte.“

4. Der Präsident darf Kritiker nicht blockieren
(zeit.de)
Donald Trump darf auf Twitter keine anderen Nutzer blockieren, so unbequem und lästig sie ihm auch erscheinen mögen. Das hat ein New Yorker Bundesgericht entschieden und in seiner Begründung auf den ersten Verfassungszusatz verwiesen, der die Meinungsfreiheit schützt.

5. Kölsche Kapitulation
(horizont.net, Uwe Vorkötter)
Uwe Vorkötter schreibt über die „gemeinsame Sache“ der Medienhäuser „DuMont“ und „Madsack“, die in Wirklichkeit eine Kapitulation „DuMonts“ sei: „Das einstmals stolze und erfolgreiche Medienhaus gibt auf: den Journalismus, der sich um Politik und Wirtschaft, ums große Ganze also dreht; die Ambition, zu den führenden Zeitungsverlagen der Republik zu gehören; den Anspruch, die digitale Transformation des publizistischen Geschäfts zu meistern. DuMont kapituliert, Madsack übernimmt.“

6. Die Anstalt vom 22. Mai 2018
(zdf.de, Video, 49 Minuten)
In der Politsatire mit Max Uthoff und Claus von Wagner geht es um die Besonderheiten der deutschen Medienlandschaft. Dabei bekommen alle ihr Fett weg: Sowohl die öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk- und Fernsehsender als auch Medienhäuser wie Funke, Springer, Burda und Bauer.

Diekmanns “Mogelpackung”, Dates gegen Amokläufe, Homöopathen-Bots

1. Kai Diekmann startet eine Kampagne für seinen Zukunftsfonds.
(turi.de, Anne Fischer)
Ex-“Bild”-Chef Kai Diekmann hat zusammen mit einem Ex-Banker einen Geldanlage-Fonds aufgelegt, den Analysten als “Mogelpackung“ bezeichnen. Beworben wird die “Mogelpackung” unter anderem mit einer Kampagne bei Bild.de im reißerischen und alarmistischen Advertorial-Stil. Für die junge Zielgruppe hat Diekmann gleich ein neues Finanzportal („Zaster“) gegründet, das “Lust auf Geldanlage” machen und “das Tabuthema Geld” aufbrechen soll. Siehe dazu: Wohin mit der Kohle? (sueddeutsche.de, Christoph Fuchs)

2. Hetze mit Foto von Dreharbeiten
(faktenfinder.tagesschau.de, Patrick Gensing)
Ein Bild eines grimmig blickenden Flüchtlings in körperlicher Konfrontation mit einem Polizisten wurde von rechten Seiten tausende Male geteilt. Meist mit hämischen Kommentaren zu Flüchtlingsthematik und Abschiebepraxis. Das Bild stammt jedoch von Dreharbeiten zu einer Netflix-Serie („Dogs of Berlin“) und zeigt einen Schauspieler.

3. Michael Angele: Schirrmacher
(begleitschreiben.net, Gregor Keuschnig)
Der Journalist, Buchautor und Mitherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ Frank Schirrmacher beschäftigt noch nach seinem Tod viele Menschen. Michael Angele, stellvertretender Chefredakteur des „Freitag“, hat Schirrmacher ein ganzes Buch gewidmet, das von Andrian Kreye, Co-Leiter Feuilleton der „SZ“, jüngst als „geschwätzig und durch und durch boshaft“ bezeichnet wurde. Nun hat Gregor Keuschnig das Buch besprochen.

4. Dates gegen Amokläufe! Oder warum Frauen daran Schuld haben, wenn sie umgebracht werden
(genderequalitymedia.org, Rebecca)
„Bild“ berichtete über eine Amoktat und stellte in der Schlagzeile die Frage, ob die zehn Opfer sterben mussten, weil ein Mädchen kein Date mit dem Täter haben wollte. „Gender Equality Media“ kritisiert sowohl die konkrete Berichterstattung als auch die dahinter stehende Denkungsart: „Unsere Medien sind, für die meisten ganz unbewusst, von patriarchalen Denkmustern und toxischer Maskulinität geprägt. Nicht nur BILD denkt, dass Mord etwas mit Liebe zu tun hat. Zuletzt konnte man auch eine ähnliche Schlagzeile bei stern.de finden. Um in unserer Gesellschaft etwas zu ändern, müssen wir endlich da hinsehen, wo es am meisten wehtut. Und das ist ironischerweise genau auf die (jungen) Männer, die in ihrer Enttäuschung, ebenso wie die Medien, lieber auf die Opfer, statt auf die Ursachen blicken.“

5. Vom Versuch, die Wirklichkeit zu illustrieren
(deutschlandfunk.de, Martina Kollroß, Audio: 4:58 Minuten)
Der „Deutschlandfunk“ hat sich mit dem sogenannten „Comic-Journalismus“ beschäftigt und Stärken und Schwächen des neuen Genres herausgearbeitet.

6. Ein Netzwerk von rund 70 Bots macht auf Twitter Stimmung für Homöopathie und wow, die Recherche war ein wilder Ritt
(buzzfeed.com, Karsten Schmehl)
Auf Twitter machen viele Accounts auf auffällige Weise positive Stimmung für Homöopathie. “BuzzFeed News” hat einen Social Media Analyst mit der Recherche beauftragt, der ein Bot-Netzwerk aus rund 70 Schein-Identitäten identifiziert hat. Durch gegenseitiges Liken und Retweeten sorge dieses Netzwerk dafür, dass Hashtags wie #Homöopathie oder #MachAuchDuMit mit besonders vielen Beiträgen geflutet werden. Karsten Schmehl hat die Recherche mit vielen Screenshots unterhaltsam zusammengefasst.

Bild  

Wie “Bild” zitiert

… kann man immer dann sehen, wenn sich die Zitierten anschließend woanders zu Wort melden. Letzte Woche zum Beispiel. Da erschien in der „Bild“-Zeitung:

Unser täglich Brot - Warum es so gesund ist, wann es frisch ist, wie man es aufbewahrt

Für den Artikel hatte „Bild“ den Brotexperten Lutz Geißler gefragt, was ein gutes Brot ausmacht, wie man es richtig aufbewahrt und so weiter.

Noch am selben Tag schrieb der Experte bei Facebook:

Heute ist ein kleines Interview mit mir in der Bild erschienen. Üblicherweise gibt der Interviewte das Gespräch vor Abdruck frei, um richtig zitiert zu werden. Auch ich habe das getan, nur um heute mit Schrecken feststellen zu müssen, dass neue Wörter zugedichtet und Zitate falsch gesetzt worden sind. Von der veröffentlichten Fassung distanziere ich mich hiermit und habe auch schon bei der Redaktion eine Protestnote eingelegt. Dies betrifft insbesondere:

1. “Brot enthält wichtige Mineralstoffe, Spurenelemente und vor allem Vitamine der B-Gruppe, die kaum über andere Lebensmittel aufgenommen werden können. Vitamin B1 ist unentbehrlich für ein funktionierendes Nervensystem.” – Diese Aussage wurde nicht als Zitat gekennzeichnet, sondern wird als eigene journalistische Leistung ausgegeben.
2. “Dabei sollte unbedingt beachtet werden, dass die Brote und Brötchen möglichst schnell auf unter -18°C abgekühlt und auch möglichst zügig wieder aufgetaut werden müssen, um die Frische zu erhalten. Zum Auftauen das gefrorene Brot ein paar Minuten im 200-230°C heißen Ofen mit angefeuchteter Oberfläche oder mit etwas Dampf auftauen. Das gibt auch eine tolle Kruste.” – Diese Aussage wurde nicht als Zitat gekennzeichnet, sondern wird als eigene journalistische Leistung ausgegeben.
3. “Nicht gut, denn es handelt sich oft um Backwaren aus Backmischungen, die industriell vorgebacken wurden und viele ungesunde Zusatzstoffe enthalten” – Diese Aussage stammt nicht von mir, ist aber im Abdruck als Zitat gekennzeichnet. Inbesondere habe ich nie behauptet, dass Zusatzstoffe ungesund seien.

Vor allem der letzte Punkt untergrabe seine fachliche Expertise, so Geißler gegenüber BILDblog. Dabei habe er die Fragen schriftlich beantwortet und seine Aussagen später sogar noch autorisiert. Abgedruckt wurde dann aber einfach etwas anderes.

Wie man das bei „Bild“ eben macht. Ob bei Schauspielern, Politikern, Passanten, Schlagersängern, Popsängern, Rockern, Fußballtrainern, Sportdirektoren, Richtern oder Brotexperten.

Am Ende seines Facebookposts schreibt Geißler:

Es war nach langem Zögern das erste und nun vermutlich auch das letzte Mal, dass ich auf Anfragen von Bild & Co. reagiert habe. Wer jetzt sagt “selbst schuld”, hat wahrscheinlich sogar recht…

Rassismus royal, Karikaturenstreit, Social-Media-Papst Papst

1. Rassismus auf allen Kanälen
(taz.de, Frederik Schindler)
Die „taz“ kritisiert die TV-Berichterstattung über das „Royal Wedding“. Die Kommentatoren hätten Meghan Markle mit rassistischen und sexistischen Stereotypen überzogen. Die Hautfarbe der Braut sei ein Dauerthema gewesen, ihre Herkunft sei auf rassistische Weise thematisiert worden und es hätte sexistische und frauenfeindliche Kommentare gegeben.
Weiterer Lesehinweis: Nicola Erdmann (welt.de) bezeichnet die Berichterstattung von ZDF und RTL als Albtraum-TV und konstatiert: „Respekt vor Zuschauern und Protagonisten hatte man nicht.“
Der österreichische Journalist und Fernsehmoderator Armin Wolf ordnet die in der Boulevardpresse genannten Fabel-Einschaltquoten ein: Millionen – nicht Milliarden
Und wer gerne sehen und hören will, worum es bei der Kritik an der Hochzeitsberichterstattung geht: “Übermedien” hat ein Zwei-Minuten-Video zusammengeschnitten: „Ein exotisches Paar, ich sag’s mal so salopp“

2. Stereotype und Klischees
(sueddeutsche.de, Kurt Kister)
Der „SZ“-Chefredakteur Kurt Kister erklärt seine Haltung zur umstrittenen Netanjahu-Karikatur und die Gründe, die zur Trennung vom langjährigen Karikaturisten Dieter Hanitzsch geführt haben.
In diesem Zusammenhang ebenfalls lesenswert der Beitrag von Timur Vermes bei „Spiegel Online“, der Hanitzsch für keinen Antisemiten, jedoch für hoffnungslos überschätzt hält und das mit Beispielen begründet.


3. Die Beef! feiert ein Sausage-Fest
(mixology.eu, Nils Wrage)
Die Food-Zeitschrift „Beef!“ (Gruner+Jahr) hat sich in den vergangenen neun Jahren auf dem Zeitschriftenmarkt etabliert und ist eine publizistische Marke geworden. Man richtet sich an „Männer mit Geschmack“, denen Fleisch ihr liebstes Gemüse ist. Nun eröffnet das Magazin in Frankfurt ein eigenes Restaurant: „Beef! Grill & Bar.“ Passend zum Leitspruch von den Männern mit Geschmack, dürfen zur Eröffnungsfeier Mitte Juni keine Frauen kommen. Nils Wrage kann das, allerlei Erklärungsversuchen zum Trotz, nicht witzig finden und rantet: „Verzieh Dich, Beef! Grill & Bar! Verzieh Dich meinetwegen in irgendein Land, das Frauen von Amts wegen herabstuft; in die tiefsten Tiefen Alabamas und Mississippis; in die alten Herrenclubs, wo man dann zu fortgeschrittener Stunde in Form von Prostituierten zumindest ein paar Frauen vorfahren lässt.“

4. Hate Speech: der Bumerangeffekt
(geschichtedergegenwart.ch, Sylvia Sasse & Sandro Zanetti)
Die beiden Schweizer LiteraturwissenschaftlerInnen Sasse und Zanetti denken darüber nach, was Hate Speech über den Hater selbst aussagt, und zwar in Sachen Selbstinszenierung, Selbstkonstitution und Selbstbeleidigung.

5. DSGVO – Haben wir es alle zusammen vergeigt?
(marcelmellor.com)
Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) habe den Ruf des Datenschutzes geschwächt und das Internet weiter zentralisiert, findet Marcel Mellor. Der Datenschutz stärke die großen Plattformen, sei teuer und befördere das Misstrauen. Er bleibt dennoch optimistisch: „Irgendwie haben wir’s vergeigt, aber wir kriegen das auch wieder hin.“

Weiterer Lesetipp: Lutz Donnerhacke hat in Der praktische Weg zur DSGVO zusammengetragen, was man als Blogger in Sachen DSGVO beachten sollte. Und auch er bleibt allen Schwierigkeiten zum Trotz optimistisch: „Das Internet ist groß und interessant geworden, weil wir nie aufgegeben haben. Lassen wir uns nicht von einer unbegründeten Angst ins Bockshorn jagen.“
Auch Fotografen sollten besonnen bleiben, für Panik gebe es keinen Anlass, so ein neuer Beitrag auf “heise.de”: DSGVO: Ende der Fotografie oder halb so schlimm?

6. Papst stellt Social-Media-Regeln für Nonnen auf
(mdr.de)
„Seine Heiligkeit“ Papst Franziskus teilt anscheinend mit vielen Usern die Leidenschaft für Social Media. Auf Twitter versorgt er Millionen von Followern (deutschsprachiger Raum: mehr als 600.000) mit Bibelzitaten, Sinnsprüchen, Appellen und allerlei anderem Erbaulichen. Nun hat der Papst in einer Richtlinie Ordensfrauen davor gewarnt, ihre Zeit mit sozialen Medien zu vergeuden. Ob dem eigene Erfahrungen zugrunde liegen, ist dem vor wenigen Tagen veröffentlichten Dokument des Vatikans nicht zu entnehmen.

SZ-Karikaturisten-Kündigung, ND-Krise, Gesetzeswidriger Ausschluss

1. „Süddeutsche Zeitung“ trennt sich von ihrem Zeichner
(faz.net)
Die “Süddeutsche Zeitung” (SZ) hat ihre jahrzehntelange Zusammenarbeit mit dem Karikaturisten Dieter Hanitzsch beendet. Auslöser war eine eine als antisemitisch kritisierte Karikatur, die vielerorts für Empörung gesorgt hatte (Ein Beispiel: Der offene Brief der Schauspielerin und Sängerin Sandra Kreisler).
Zu einer anderen Einschätzung kommt der langjährige Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung im Deutschlandfunk, der die Kritik an der Karikatur für ungerechtfertigt hält: Die Zeichnung sei unfreundlich für Israels Ministerpräsidenten, aber nicht judenfeindlich.
Der Zeichner Dieter Hanitzsch ist sich nach wie vor keiner Schuld bewusst, wie er im Gespräch mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) erklärt.

2. Grundstück boomt, Zeitung kriselt
(taz.de, Anne Fromm)
Dem „Neuen Deutschland“ geht es wirtschaftlich nicht gut: Die Vor-Wenden-Auflage von einer Million Exemplaren ist auf knapp 25.000 Exemplare gesunken, die Erlöse aus Anzeigengeschäft und Online sollen bescheiden sein. Doch da ist ja noch ein Trumpf: Das Verlagshaus steht auf einem Premium-Grundstück, das Schätzungen zufolge mehrere Millionen Euro wert sein soll. Nun bangt die ND-Belegschaft um ihre Zukunft.

3. Ausschluss von Pressevertretern ist gesetzeswidrig
(djv.de, Eva Werner)
Der Kreisverband der AfD Erding hat der Lokalredaktion der „Süddeutschen Zeitung“ ein Hausverbot erteilt. Wohl weil man mit der Berichterstattung unzufrieden war. Nun hat das zuständige Landratsamt in einer Pressemitteilung erklärt, dass ein solcher Ausschluss von Medienvertretern gesetzwidrig ist und mit Geldbußen bis 3.000,00 € geahndet werden kann.

4. Noch nicht 100 Tage im Amt: Barley irrlichtert
(carta.info, Christian Humborg)
Christian Humborg ist “Leiter Zentrale Dienste” bei “Wikimedia Deutschland”, dem gemeinnützigen Verein hinter dem Onlinelexikon Wikipedia. In einem Kommentar auf „Carta“ kritisiert er die Arbeit der neuen Justizministerin Katharina Barley: „Mit ihrer geplanten Unterstützung der EU-Urheberrechtsreform in der gegenwärtigen Form bricht die Justizministerin den Koalitionsvertrag, schränkt die Meinungsfreiheit ein, stellt sich gegen das Europaparlament und vertritt Axel Springer-Interessen.“

5. BND beendet illegale Datenverarbeitung
(reporter-ohne-grenzen.de)
„Reporter ohne Grenzen“ konnte im Streit mit dem Bundesnachrichtendienst einen Erfolg für sich verbuchen: Der BND hat nach jahrelangem Rechtsstreit mit der Organisation verbindlich erklärt, die illegale Analyse von Telefon-Verbindungsdaten zu beenden. In zwei weiteren Verfahren ginge der juristische Kampf von Reporter ohne Grenzen gegen anlasslose Überwachung von Journalistinnen und Journalisten durch den BND jedoch weiter.

6. “Selbst ich könnte die Regeln der DSGVO umsetzen”
(zeit.de, Lisa Hegemann)
Věra Jourová ist seit 2014 EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung und für die in wenigen Tagen geltende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) mitverantwortlich. Im Interview nennt sie einige gute Argumente für die Verordnung, über die derzeit (auch intern bei uns im BILDblog) so viel geächzt und gestöhnt wird.

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