Die Totklicker von “Intouch”, Filmen erlaubt?, Automatenbranche-Spende

1. Totgeklickt: Die Bestatter von Bauers „Intouch“
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
“Bei “Intouch”, dem Klatschmagazin aus dem Hamburger Bauer-Verlag, arbeiten keine Redakteure, sondern Bestatter”, so die Feststellung von Boris Rosenkranz. Und in der Tat hat “Intouch” (“Promi-News und heißer Gossip rund um Deine Stars”) ein besonders widerwärtiges und schäbiges Geschäftsmodell für sich entdeckt: Schocknachrichten über den angeblichen Tod von Promis, die Nachrufen ähneln.

2. Diskretion war einmal
(onlinejournalismus.de, Matthias Eberl)
Der Journalist Matthias Eberl hat Datenschutzbeschwerde und Strafantrag gegen die Reiseplattform Booking.com eingereicht. Das Unternehmen habe seine vertraulichen Buchungsdaten, darunter seine E-Mail-Adresse und die Buchungsorte Wien und Bern an Facebook weitergereicht. Booking.com sei bei Weitem nicht das einzige Unternehmen, das Kundendaten an Facebook ohne Einwilligung der Nutzerinnen und Nutzer weitergibt. Auch “Spiegel Online” und “Zeit Online” würden ähnlich forsch verfahren, was den Umgang mit Nutzerdaten anbelangt. Eberl hat die drei Unternehmen exemplarisch untersucht und ist auf, wie er schreibt, ziemlich absurde Sachen gestoßen. Er wirft damit Licht auf eine Stelle, die bei den Medienhäusern sonst im Dunklen bleibt.

3. Was verbindet Dunja Hayali mit einer Spielautomatenfirma?
(morgenpost.de, Kai-Hinrich Renner)
“Was verbindet Dunja Hayali mit einer Spielautomatenfirma?”, fragt Kai-Hinrich Renner in der “Morgenpost” und bleibt bei der Beantwortung relativ auf sich allein gestellt: Die sich sonst für Transparenz im Journalismus starkmachende Journalistin antwortete nur äußerst knapp auf seine Fragen. Klar ist wohl, dass die Gauselmann-Gruppe (Marktführer der Spielautomatenbranche) Dunja Hayalis Verein Vita e. V. Assistenzhunde mit einer 200.000-Euro-Spende bedacht hat. Und dass Hayali auf Jahrestagungen des Verbandes der Deutschen Automatenindustrie Dinge sagt wie: “Ihre Branche hat sich seit den 90er-Jahren sehr verändert, heraus aus der Schmuddelecke”. Sätze, die für die Automatenaufsteller Gold wert seien und unter Marketingaspekten entsprechend ausgeschlachtet würden.

4. Was dürfen Journalisten auf Demos?
(spiegel.de, Elisa von Hof)
Durfte das Fernsehteam des ZDF, das für “Frontal 21” bei einer Pegida-Demonstration anwesend war, einen Demonstranten filmen, der sich dagegen lautstark wehrte (“Hören Sie auf, mich zu filmen! Sie begehen eine Straftat. Sie haben mir ins Gesicht gefilmt.”)? Über diese und damit verwandte Fragen spricht “Spiegel”-Justiziar Sascha Sajuntz im Interview. Das Gespräch lohnt auch deshalb, weil ähnliche Fragestellungen immer mal wieder auftauchen.
Weitere Lesehinweise: Wer sich noch mal über den umstrittenen Polizeieinsatz gegen die ZDF-Journalisten in Sachsen informieren will, sei an tagesschau.de verwiesen, wo auch die Justizministerin zu Wort kommt.
Und wem bei dem ernsten Thema nach etwas Leichterem zumute ist: Netzpolitik.org berichtet über den Satire-Account @lkasachsen, der auf Twitter sein Unwesen treibt.

5. Haben Sie einen Rat an den türkischen Präsidenten, Can Dündar?
(sz-magazin.sueddeutsche.de)
Im “Interview ohne Worte” beschreibt der in Deutschland im Exil lebende Journalist Can Dündar mit Mimik und Gestik, was er vom Özil-Erdogan-Foto hält, was er am meisten an der Türkei vermisst und was er Angela Merkel im Umgang mit seinem Geburtsland rät.

6. Die große „Buzzfeed“-Show
(taz.de, Daniel Bouhs)
Daniel Bouhs hat sich die neue Netflix-Dokuserie “Follow this” über “Buzzfeed” angeschaut, die vor allem eines sei, Werbung: “Da sitzen Buzzfeed-ReporterInnen in Buzzfeed-Büros vor Buzzfeed-Laptops oder schreiben mit Buzzfeed-Kugelschreibern in Buzzfeed-Blöcke. Sind die JournalistInnen unterwegs, dann sieht das Skript in jeder einzelnen Folge vor: Sie rufen ihre Buzzfeed-KollegInnen an, um zu erzählen, was sie für Buzzfeed wieder Irres recherchiert haben. Passenderweise ist die Reihe über Buzzfeed-Reporter dann auch gleich eine Produktion von — Überraschung! — Buzzfeed. Netflix bekommt die Inhalte, Buzzfeed die Werbefläche.”

Tierisch werbendes Gespräch

Was der Jan Josef Liefers nicht alles so zum Interviewtermin mitbringt:

Das Café am Neuen See am Dienstagmittag. Am Ende des Bootssteges sitzt Jan Josef Liefers (54). Um den Schauspieler herum springt ein süßer Mischlingshund namens Toni. Den hat der “Tatort”-Star nicht ohne Grund zum B.Z.-Gespräch mitgebracht — schließlich geht es (auch) um Vierbeiner.

Neinnein, den süßen Toni meinten wir gar nicht. Sondern die Packung Hundefutter und den Fressnapf. Auch diese zwei Dinge dürfte Liefers “nicht ohne Grund zum B.Z.-Gespräch mitgebracht” haben, schließlich ist er laut “B.Z.” das “neue Aushängeschild” der Firma, die den Sack Hundefutter hergestellt hat und deren Logo auf dem Napf prangt:

Screenshot bz-berlin.de - Foto von Jan Josef Liefers auf dem Bootsteeg am See, neben ihm sein Hund Toni sowie unübersehbar der Sack Hundefutter und der Fressnapf

Laut Fotocredit handelt es sich um ein Promo-Bild der Hundefutterfirma.

Da diese Firma “sich sogenanntem Clean Feeding verschrieben hat”, sagt Jan Josef Liefers zum “B.Z.”-Autor Sachen wie: “Es sind nur Dinge drin, die für den Hund auch wirklich gut sind” oder “Ein Hund ist doch kein Abfalleimer!” Und die “B.Z.” packt das dann brav in ihre Schlagzeile:

Screenshot bz-berlin.de - Tierisches Gespräch - Jan Josef Liefers: Ein Hund ist doch kein Abfalleimer!

Mit Dank an Ronald für den Hinweis!

Nachtrag, 24. August: Sowohl bei Bild.de als auch bei Tagesspiegel.de sind ebenfalls Artikel über Jan Josef Liefers, seinen Toni und das tollste Hundefutter der Welt erschienen. Dazu auch Fotos des Schauspielers mit dessen Hund und einem Sack Drops für Toni. Allerdings in beiden Fällen, anders als auf der Website der “B.Z.”, klar als “Anzeige” gekennzeichnet. Bei Bild.de erschien der Beitrag im sogenannten “Brand Studio”, wo der Verlag Advertorials ablädt. Bei Tagesspiegel.de steht über dem Text: “Unternehmensnachrichten präsentiert von PRESSEPORTAL”.

Nachtrag 2, 24. August: Die Onlineredaktion der “B.Z.” hat das Foto von Jan Josef Liefers und seinem Hund Toni nun so beschnitten, dass der Sack Hundefutter und der Fressnapf nicht mehr zu sehen sind.

Der Pegida-Pöbler des LKA, Genuas Brücke, Hartes Whistleblower-Urteil

1. Attacke auf Fernseh-Team ging von LKA-Mitarbeiter aus
(dnn.de)
Es ist in der Tat eine erstaunliche Wende: Die Attacke auf das Fernsehteam, das für die ZDF-Sendung „Frontal 21“ bei einer Anti-Merkel-Demo filmte, ging von einem Mitarbeiter des sächsischen Landeskriminalamts aus, der dort als Privatmann unterwegs gewesen sein soll. Dies wurde jedenfalls vom sächsischen Innenministerium so mitgeteilt.
Bei der “Süddeutschen” beschreibt Ulrike Ninz den minutengenauen Ablauf der 45-minütigen Lahmlegung der Journalisten durch die sächsische Polizei. In einem weiteren Beitrag kommentiert Ninz das Verhalten des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Der Landeschef tue zu wenig, um Journalisten zu schützen. Nicht nur sein Ruf nehme Schaden dabei.
Dazu passend ein Hinweis auf das Gespräch des “Deutschlandfunks” mit dem Rechtsextremismus-Blogger Henrik Merker. Dieser sieht in dem Vorgehen des Anzeige erstattenden Pegida-Pöblers eine Methode, die in rechten Kreisen schon lange gepflegt werde.
Weiterer Lesehinweis: Auf Freitag.de kommentiert Klaus Raab den Vorgang und fragt: “Die Anzeige eines aufgebrachten Mannes, der “Lügenpresse” skandiert, kann dafür sorgen, dass ein Fernsehteam, das bei einer öffentlichen Demonstration filmt, von der Polizei bei der Arbeit behindert wird? Und: Findet Sachsens CDU das tatsächlich angemessen?”

2. Die Brücke und die Multikultimilliardäre
(de.ejo-online.eu, Petra Reski)
Vor wenigen Tagen ist im italienischen Genua eine Autobahnbrücke eingestürzt. Etwa 30 Fahrzeuge fielen rund 45 Meter in die Tiefe, es gab viele Tote und Verletzte. Die Journalistin und Schriftstellerin Petra Reski kritisiert deutsche Medien für das Narrativ der “grundguten Multikultimilliardärsdynastie” und Autobahnbetreiberfamilie Benetton und der “bösen, hässlichen italienischen Populisten”. Eine Betrachtung, die Italienkennerin (und Mafiaexpertin) Reski zu schlicht ist.

3. Die Unwucht in unserer Wahrnehmung
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Wie kommt es, dass eine im Mittelmeer aus Seenot gerettete Britin als Sensation gefeiert wird, während Hunderte in Seenot geratene Flüchtlinge höchstens als abstrakte Zahlen Beachtung finden? Sascha Lobo sucht nach Gründen für dieses Phänomen und denkt über Übermedialisierung und rassistische Denkmuster nach.

4. Soko Hamburg
(sueddeutsche.de, Karoline Meta Beisel & Claudia Tieschky)
Zum vierten Mal in zehn Jahren bekommt der “Spiegel” eine neue Chefredaktion. Der aktuelle Chefredakteur Klaus Brinkbäumer wird ersetzt durch ein Führungstrio unter Steffen Klusmann, der zuletzt als Chefredakteur des ebenfalls zum Spiegel Verlag gehörenden “Manager Magazins” tätig war. Die Personalentscheidung hat viel mit der Ausrichtung des Verlags und den inneren Personalstrukturen zu tun. Der “Spiegel” gehört zu 50,5 Prozent der Mitarbeiter KG, zu 25,5 Prozent dem Hamburger Verlag Gruner + Jahr und zu 24 Prozent den Erben von Gründer Rudolf Augstein.

5. NSA-Leak: Hartes Urteil gegen Whistleblowerin Reality Winner erwartet
(netzpolitik.org. Constanze Kurz)
Heute könnte ein Gericht in Georgia die höchste Strafe aussprechen, die je in den Vereinigten Staaten für die Weitergabe von geheimem Dokumenten an Medien verhängt wurde. Der von der Whistleblowerin Reality Winner geleakte Bericht machte Versuche öffentlich, Wahlsoftware zu hacken. Die ehemalige NSA-Mitarbeiterin hat bereits einer drakonischen Strafe von 63 Monaten Haft zugestimmt. Das endgültige Urteil wird für 16 Uhr (deutsche Zeit) erwartet.

6. Anti-Netflix? Wie sich YouTube Premium unterscheiden will
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Nachdem Youtube sein Bezahlmodell in den USA etabliert hat, wendet man sich nun augenscheinlich verstärkt Europa zu. Ein Youtube-Vertreter hat beim Edinburgh TV Festival über die Geschäftsstrategie und den Unterschied zu Netflix gesprochen. “DWDL”-Chef Thomas Lückerath war dabei und hat die fünf wichtigsten Erkenntnisse notiert.

Jan Ullrich und die Vielleicht-Journalisten

Wenn man bei “Zeit Online” nach “Jan Ullrich” sucht, findet man aus den vergangenen Wochen vier Beiträge.

Wenn man bei Stern.de sucht, findet man vierundfünfzig.

[Collage mit etwa zwei Dutzend Überschriften von Stern.de]

Als Ullrich nach seinem Ausraster auf Til Schweigers Grundstück erklärte, dass er nun eine Therapie machen wolle, erschien bei Stern.de:

Jan Ullrich - Nach dem Absturz will er eine Therapie machen

Und ein paar Stunden später:

Früherer Radprofi Jan Ullrich will nach Vorfall auf Mallorca Therapie machen

Und ein paar Stunden später:

Für seine Kinder: Jan Ullrich will eine Therapie machen

Als Ullrich ein paar Tage darauf nach einem mutmaßlichen Angriff auf eine Escort-Dame in Frankfurt festgenommen wurde, erschien bei Stern.de:

Jan Ullrich - Er wurde am Morgen in Frankfurt festgenommen

Und ein paar Stunden später:

Jan Ullrich in Frankfurter Luxus-Hotel festgenommen

Und ein paar Stunden später:

Ex-Radprofi Jan Ullrich in Frankfurt festgenommen

Und ein paar Stunden später:

Ex-Radprofi Jan Ullrich in Frankfurt festgenommen

In den Beiträgen (die von verschiedenen Agenturen stammen) steht zwar überall das gleiche, aber hey, mehr Artikel bedeuten schließlich: mehr Klicks.

Und viel mehr Artikel bedeuten viel mehr Klicks. Das weiß niemand besser als das Team von “Focus Online”. Ganze 65 Artikel hat das Portal in den zweieinhalb Jan-Ullrich-Skandal-Wochen veröffentlicht — fast doppelt so viele wie “Zeit Online” (4), “Spiegel Online” (12) und FAZ.net (19) zusammen. Und sogar deutlich mehr als Bild.de (43).

Denn “Focus Online” veröffentlicht nicht nur endlos Agenturmaterial, sondern auch Beiträge von anderen Medien. Zum Beispiel:

Dieser Inhalt wird bereitgestellt von Mallorca Magazin: Mit Bettlaken verhüllt und in Handschellen - Hier wird Jan Ullrich auf Mallorca zum Haftrichter gebracht

Von “GQ” nacherzählte Witze des “Postillon” nochmal recyceln. “Focus Online” weiß eben, wie man mit minimalem Aufwand maximale Klicks einfährt.

Aber: Hin und wieder macht die Redaktion tatsächlich mal was selbst.

Gefallener Radsport-Star - Hier wurde Jan Ullrich festgenommen: Meine Nacht im Frankfurter Luxus-Hotel - Erst Polizeigewahrsam auf Mallorca nach einer Rangelei auf dem Grundstück seines Villa-Nachbarn Till Schweiger, dann Zwangseinweisung in eine Psychiatrie, nachdem er eine Escort-Dame in einem Frankfurter Luxus-Hotel gewürgt haben soll: Die Ausfälle des gefallenen Radsport-Stars Jan Ullrich nehmen kein Ende. FOCUS-Online-Reporter Ulf Lüdeke hat eine Nacht später im selben Hotel übernachtet.

Da schläft also ein Reporter von “Focus Online” eine Nacht später im selben Hotel, und was passiert? Nix.

Wen man im Hotel zum Vorfall fragt, erklärt freundlich, nichts zu wissen.

Auch am Bar-Tresen, wo man normalerweise viel über das Leben in einem Hotel erfährt, halten sich die Angestellten bedeckt zu den Vorgängen der letzten Nacht.

Was macht der Reporter also? Setzt sich bis nachts an die Bar.

1.30 Uhr, Freitagnacht: Der allerletzte Gast ist aus der Bar verschwunden. Das Klirren der letzten Gläser, die vom Tisch geräumt werden, läutet den Feierabend für die Nachtschicht am Tresen ein. Der Fahrstuhl kommt so geräuschlos, wie der dichte Teppich jeden Schritt im Haus schluckt.

Aber damit “Focus Online” die “bis zu 6000 Euro”, die hier pro Nacht fällig werden, nicht völlig umsonst ausgegeben hat, schreibt er noch schnell:

Mein Deluxe-Zimmer ist hell und freundlich. 35 Quadratmeter Wohlfühlzone mit Sitzecke und schwerem Holzschreibtisch, ein elegantes Milchglasfenster lässt Licht in das riesige Badezimmer fallen.

Die Matratze vom Doppelbett ist dick und solide. Vielleicht war es genau dieses Bett, auf das sich Ullrich sich mit der Escort-Dame legte?

Vielleicht!

Und vielleicht darf sich der Reporter ja bald über ein Jobangebot der “FAZ” freuen, denn auch für die ist am wichtigsten, dass sie Zeilen gefüllt bekommt. Was drinsteht, ist wumpe:

Tweet von @hauckundbauer - Für Qualitätsjournalisten ist es z. Zt. nicht ganz leicht, den für die Jan-Ullrich-Berichterstattung vorgesehenen Platz auch vollzukriegen. Dazu ein Zeitungsausriss der FAZ: ... für eine Inhaftierung lägen nicht vor. Ullrichs Anwälte äußerten sich zunächst nicht zu dem Vorfall. Überhaupt ist am Freitag von der Aufregung nichts mehr zu erahnen. Kaum vorstellbar, dass hier in dem Fünf-Sterne-Hotel an der Kennedyallee vor ein paar Stunden noch viel los war. Nun herrscht wieder Ruhe. Wochenend-Gäste checken ein, die Concierges nehmen ihnen die Koffer ab. Im Innenhof schützen Schirmae und ein Baum zwei Gruppen vor der Sonne. Ein Springprunnern plätschert, Wind fährt durch das Blumenbeet. Die einen trinken Kaffee, zwei Asiatinnen essen zu Mittag. Ihr Hund wedelt mit dem Schwanz - ermöchte auch etwas abhaben.

In welchem Ausmaß deutsche Onlinemedien sonst noch über Jan Ullrich berichtet haben, haben wir in dieser Übersicht (PDF, mit Links zu den jeweiligen Artikeln) zusammengestellt:

Dazu auch:

Kurz korrigiert (511)

Und wurde nicht Chalid Scheich Mohammed von Deutschlands Lieblings-Menschenrechtler Obama 183 Mal mit der Wasserfolter behandelt und lebt immer noch?

… fragt Bundesrichter a. D. Thomas Fischer in seinem gestern bei “Spiegel Online” erschienenen Text.

Nein, das Waterboarding im Verhör von Chalid Scheich Mohammed durch die CIA fand nicht während der Präsidentschaft von Barack Obama statt. Obama war es, der als US-Präsident im April 2009 interne Papiere des Geheimdienstes veröffentlichte, die unter anderem belegten, dass Chalid Scheich Mohammed 183 Mal durch Waterboarding, also das simulierte Ertrinken, gefoltert wurde. Das Ganze fand, wie man unter anderem bei “Spiegel Online” nachlesen kann, im März 2003 statt. Damals war George W. Bush Präsident der Vereinigten Staaten. Dessen Nachfolger Obama ordnete noch im ersten Monat seiner ersten Amtszeit ein Verbot von Waterboarding und weiteren Foltermethoden an.

In den Kommentaren unter dem sonst lesenswerten Text von Fischer zum “rechtsstaatlichen Desaster um Sami A.” haben recht früh Nutzer auf den Fehler hingewiesen. Passiert ist nichts.

Mit Dank an Florian R. für den Hinweis!

Nachtrag, 23. August: In den Kommentaren unter Thomas Fischers Artikel hat jemand auf Leser-Kritik geantwortet, der laut Usernamen Thomas Fischer ist. Er geht dort auch auf den Vorwurf zum 183-fachen Waterboarding ein — einen eigenen Fehler kann der Autor aber offenbar nicht erkennen:

Mit “Obama” ist natürlich das System Guantanamo gemeint, wo der Scheich mutmaßlich immer noch lebt.

“natürlich”.

Aber auch das ergibt nicht so richtig Sinn. Abgesehen davon, dass das 183-fache Waterboarding nicht in Guantanamo, sondern in einem CIA-Gefängnis in Polen stattgefunden haben soll, bleibt es dabei, dass Barack Obama zur Zeit der von Fischer angesprochenen Folter gegen Chalid Scheich Mohammed noch längst nicht im Amt war.

Mit Dank an @Fotobiene und Anonym für die Hinweise!

Nachtrag 2, 23. August: “Spiegel Online” hat den Satz aus dem Text gestrichen und am Ende des Artikels — im Sinne der Transparenz — diese Anmerkung veröffentlicht:

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Chalid Scheich Mohammed sei während der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama 183 Mal der Wasserfolter unterzogen worden. Tatsächlich geschah dies 2003 in der Amtszeit von George W. Bush.

Rechte-Verlagerung, Verwischte Grenzen, Hashtag-Debatten

1. Rechte Propaganda-Plattform sucht Asyl in Sachsen
(tagesspiegel.de, Matthias Meisner)
Das rechte Internetportal “JouWatch” hat seinen Sitz von Thüringen nach Sachsen verlegt. Einer der Gründe: Das Finanzamt Jena wollte anscheinend die Gemeinnützigkeit prüfen, eine Aberkennung hätte sich negativ auf den Betrieb der Plattform auswirken können. In Sachsen erhofft man sich wohl ein angenehmeres Klima.

2. Verwischte Grenzen
(deutschlandfunk.de, Stefan Fries, Audio, 8:21 Minuten)
Der ehemalige Mitherausgeber und Chefredakteur des “Focus” ist auch mit 81 Jahren noch recht fleißig: In seinem alten Blatt schreibt Helmut Markwort jede Woche das “Tagebuch”. Gleichzeitig kandidiert er bei den bayerischen Landtagswahlen für die FDP. Das Verlagshaus Burda sieht darin keinen Interessenkonflikt. Der Erlanger Medienethiker Prof. Schicha empfiehlt Markwort zumindest eine Schreibpause.

3. BGH – ZDF muss formulierte Erklärung eines polnischen Gerichts nicht veröffentlichen
(wbs-law.de)
In einer ZDF-Doku aus dem Jahr 2013 über die Befreiung verschiedener Konzentrationslager wurden die Lager Majdanek und Auschwitz als “polnische Vernichtungslager” bezeichnet. Nachdem die Formulierung von der polnischen Botschaft beanstandet wurde, änderte das ZDF den Text seinerzeit in “deutsche Vernichtungslager auf polnischem Gebiet”, veröffentlichte eine Korrekturnachricht und bat bei einem ehemaligen Häftling um Entschuldigung, der sich deswegen beschwert hatte. Dies ging dem ehemaligen KZ-Häftling jedoch nicht weit genug. Er wollte mit Hilfe eines polnischen Gerichts das ZDF dazu zwingen, eine vorformulierte Erklärung zu veröffentlichen. Wozu das ZDF jedoch nicht verpflichtet ist, wie jetzt der Bundesgerichtshof entschied. Dies würde gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie gegen die Medienfreiheit verstoßen.

4. Im Zeichen des Hashtags
(sueddeutsche.de, Carolin Werthmann)
Eine im Auftrag des Hamburger Hans-Bredow-Instituts durchgeführte Studie hat untersucht, inwieweit das Stimmungsbild auf Twitter dem der Bevölkerung ohne Twitter-Account entspricht. Das Ergebnis ist relativ ernüchternd: Twitterdiskurse würden nicht repräsentieren, was die Allgemeinheit im Netz bewegt, und schon gar nicht, was Menschen ohne Internetzugang beschäftige. “SZ”-Autorin Carolin Werthmann: “Dennoch können die Hashtag-Debatten eine andere Funktion erfüllen: Indem sie extreme Standpunkte aufzeigen, sind sie ein Seismograf für radikale Trends und Positionen.”

5. Journalist erhält Strafbefehl wegen Veröffentlichung von Zyto-Akte
(deutsche-apotheker-zeitung.de, Hinnerk Feldwisch-Drentrup)
Im Prozess um den Bottroper Zyto-Apotheker soll ein Journalist Teile einer Strafakte ins Internet gestellt haben. Dies könnte für ihn unangenehme Folgen haben: Die Staatsanwaltschaft hat Strafbefehl gegen ihn beantragt, den das Amtsgericht Essen nun erlassen hat. Wissenschaftsjournalist Hinnerk Feldwisch-Drentrup erklärt den Fall, bei dem es auch um Prozesstaktik geht. Heikel sei zudem, dass der Journalist mehrfach kritisch über die Staatsanwaltschaft berichtet hatte, die gegen ihn ermittelte.

6. Her mit meinen Daten!
(spiegel.de, Markus Böhm & Angela Gruber & Judith Horchert)
Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) räumt Nutzern umfassende Auskunftsrechte gegenüber Websitebetreibern ein. Beim “Spiegel” haben zwei Redakteurinnen und ein Redakteur die Probe aufs Exempel gemacht und Facebook, Netflix sowie Onlinehändler angeschrieben. Man ahnt, dass es sich um viele Daten handeln wird, aber ist dennoch überrascht: Allein die Antwort von Netflix auf die Datenabfrage umfasste 450 PDF-Seiten.
 Überrascht ist man jedoch auch von des “Spiegels” eigenem Umgang mit Daten.
(Und ja, auch hier im BILDblog gibt es noch Werbetracker, aber damit ist dank Euch bald Schluss.)

Bild  

Die Gedanken sind frei, nur bei Julian Reichelt sind sie strafbar

Manchmal ist “Bild”-Chef Julian Reichelt auch zuvorkommend. Denn eigentlich hätten wir zu seinem besorgniserregenden Tweet von gestern Abend erstmal den passenden Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch raussuchen müssen, um ihm die Falschheit seiner Überlegungen zeigen zu können. Reichelt war aber so freundlich, diesen Paragrafen, der ihm widerspricht, als vermeintliches Argument selbst mitzuliefern:

Screenshot eines Tweets von Bild-Chef Julian Reichelt - Es ist besorgniserregend, wie verbreitet die Lesart ist, terroristische Planspiele (oder Träume von Gefährdern in der Diktion der FAS) wären erlaubt und vom deutschen Rechtsstaat geschützt. Dazu ein Link zu Paragraf 89a Strafgesetzbuch

Natürlich sind “‘Träume’ von Gefährdern” vom deutschen Rechtsstaat geschützt, wie Träume jeder anderen Person vom deutschen Rechtsstaat geschützt sind. Das zeigt auch Paragraf 89a des Strafgesetzbuchs, den Reichelt in seinem Tweet verlinkt und der ziemlich klar regelt, wann es sich um eine strafbare “Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat” handelt. In Absatz 2 steht dazu:

Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er

1. eine andere Person unterweist oder sich unterweisen lässt in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer der in Absatz 1 genannten Straftaten dienen,

2. Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überlässt oder

3. Gegenstände oder Stoffe sich verschafft oder verwahrt, die für die Herstellung von Waffen, Stoffen oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art wesentlich sind.

Das Träumen von einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat wird in dem Paragrafen, den Julian Reichelt zum Beweis der Strafbarkeit vom Träumen von einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat anführt, nicht erwähnt.

Nach der Reicheltschen Selbstwiderlegung bleiben noch die “terroristischen Planspiele”, von denen er schreibt. Diesen Ausdruck hat allerdings nicht eine andere Person in die Debatte eingebracht, sondern Reichelt selbst.

Harald Staun schrieb in der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” mit Bezug auf einen Reichelt-Text, der am vergangenen Freitag in “Bild” erschienen ist:

Besonders schlimm aber findet Reichelt das bekannte Dilemma, dass der Rechtsstaat auch jene schützt, die ihn verachten, solange sie nicht gegen die Gesetze verstoßen. Er schützt auch jene Menschen, die “das Bier in der Kneipe und die Bikinis an den Stränden” verachten, seien es Weintrinker, Kulturtouristen oder Islamisten. Und er verbietet nicht einmal, davon zu träumen, Busse, Bahnen oder Verlagshäuser in die Luft zu sprengen. Doch einen Rechtsstaat, der nicht schon böse Absichten bestraft, würde Reichelt gerne abschaffen

Reichelt ärgerte sich bei Twitter über Stauns Text und wandelte dabei innerhalb von zwei Sätzen das Träumen in “Planspiele” um:

Screenshot eines Tweets von Bild-Chef Julian Reichelt - Die FAS würdigt heute die Freiheit von Gefährdern, davon zu träumen, Verlagshäuser in die Luft zu sprengen. Ich glaube nicht, dass terroristische Planspiele von Gefährdern vom Rechtsstaat geschützt sind.

Nur haben Harald Staun und die “FAS” nie von “Planspielen” gesprochen — diese Umdeutung stammt allein von Julian Reichelt.

In den Antworten auf seinen Tweet von gestern versuchen andere Twitter-Nutzer, Julian Reichelt zu erklären, was bei seinen Überlegungen alles schiefläuft. Aber ob ihn überhaupt interessiert, was für einen Unsinn er verzapft?

Impfentscheidung im Kino, Schlechter Polizei-Tipp, Sport-Dokus auf Netflix

1. Der Printjournalismus ist lebendig
(sueddeutsche.de, Heribert Prantl)
“SZ”-Chefredaktionsmitglied Heribert Prantl beschäftigt sich in seiner “politischen Wochenvorschau” mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Printjournalismus. Prantl plädiert für ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Print und Online, ist aber immer noch sehr in der Papier-Denke verhaftet. Was sich unter anderem in Sätzen wie diesen zeigt: “Weil es das Internet, also bessere und schnellere Methoden bloßer Informationsvermittlung gibt, kann die gedruckte Zeitung sich auf anderes konzentrieren: auf Analyse, Hintergrund, Kommentierung, Sprachkraft, Gründlichkeit und Tiefgang — auf all das, was sich in der Hetze der Echtzeit im Internet nicht leisten lässt.” Eine Argumentation, die auf Twitter sogleich für Stirnrunzeln sorgte.

2. Schlechter Rat von der Münchner Polizei
(lawblog.de, Udo Vetter)
Die Polizei München hat eine aktive Social-Media-Mannschaft. Auf Twitter versorgt das Polizei-Team mehr als 450.000 ihr folgende Bürgerinnen und Bürger mit Presseberichten, Fahndungsmitteilungen und sonstigen Infos. Außerdem beantwortet sie Rückfragen und gibt Tipps. Tipps, deren Befolgung jedoch jede Menge juristischen Ärger bedeuten kann, wie Strafrechtler und Lawblogger Udo Vetter erklärt.

3. Präsident Erdogan hat sich verzockt
(spiegel.de, Maximilian Popp)
Fast eineinhalb Jahre saß die Journalistin Mesale Tolu in der Türkei im Gefängnis, dann durfte sie monatelang das Land nicht verlassen. Jetzt die erlösende Nachricht: Tolu darf endlich ausreisen. Maximilian Popp hält den Fall für eine Bankrotterklärung des Rechtsstaats, die zeige, dass Präsident Erdogans Geiseldiplomatie kaum noch wirke. Am Ende seiner Betrachtungen zitiert Popp einen amerikanischen Analysten, der Ankaras Politik folgendermaßen zusammenfasst: “Du entlässt die einen Gefangenen, um den diplomatischen Schaden zu begrenzen, den du durch die Verhaftung der anderen angerichtet hast.”

4. “So beantworte ich keine Fragen, so arbeiten Verschwörungstheoretiker”
(zeit.de, Alina Schadwinkel)
Am 13. September erscheint ein Dokumentarfilm in Deutschlands Kinos, der bereits jetzt für heftige Diskussionen sorgt. In David Sievekings Film “Eingeimpft” geht es um die Impfentscheidung. “Zeit Online” hat mit der Wissenschaftlerin Cornelia Betsch gesprochen, die unter anderem zu Risikowahrnehmung und -kommunikation am Beispiel der Impfentscheidung forscht. Es geht darum, welche Schwächen der Film hat, welche Auswirkungen er haben könnte und welche Maßnahmen zur Maserneliminierung beitragen könnten.
Weiterer Lesetipp: Wer sich darüberhinaus mit dem Thema beschäftigen will, kann dies beim “Science Media Center” tun. Dort gibt es zahlreiche Stellungnahmen von Experten, die sich den Film bereits angeschaut haben: Dokumentation “Eingeimpft” und eine Art wissenschaftliche Rezension.

5. GlobaLeaks: Darknet-Postfach leicht gemacht
(get.torial.com, Stefan Mey)
“GlobaLeaks” will Whistleblower mit Darknet-Technologie schützen. Stefan Mey stellt die Software vor, die das Einrichten von geschützten Postfächern erlaubt. Etwa 20 solcher kleinen “Darknet-Wikileaks” gebe es derzeit. Darunter seien auch Gemeinschaftspostfächer von afrikanischen Medien sowie von Redaktionen in Frankreich und den Niederlanden.

6. Nicht mit Journalismus zu verwechseln
(deutschlandfunk.de, Matthis Jungblut, Audio, 4:34 Minuten)
Sportdokumentationen stehen bei Streamingdiensten wie Netflix und Amazon Prime hoch im Kurs. Viele der Produktionen seien inszeniert, glorifizierten Sport und Protagonisten und hätten wenig mit Journalismus zu tun, so Sebastian Uhrich, Professor für Sportbetriebswirtschaftslehre an der Sporthochschule Köln. Doch es gibt auch Ausnahmen.

Von “Bild” vermittelter Eindruck vom “Bamf-Skandal” “täuscht offenbar”

Der Bamf-Skandal hat Deutschland wochenlang in Atem gehalten: Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird gepfuscht, vielen Flüchtlingen wird der Schutzstatus in Deutschland gewährt, obwohl er ihnen nicht zusteht? So lauteten die Schlagzeilen.

Jetzt stellt sich heraus: Dieser Eindruck täuscht offenbar

Das schreibt Bild.de heute:

Screenshot Bild.de - Nur wenige Flüchtlinge haben Bleiberecht erschlichen - Wende im Bamf-Skandal

Die Redaktion bezieht sich dabei auf einen Artikel der “Süddeutschen Zeitung”, die berichtet, dass von den etwa 43.000 abgeschlossenen Prüfverfahren im ersten Halbjahr 2018 lediglich 307 dazu führten, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) “den Geflüchteten den bereits gewährten Schutzstatus wieder entzog.” Also: Nur in 0,7 Prozent der untersuchten Fälle musste das Bamf eine positive Entscheidung revidieren. Bei den anderen 99,3 Prozent war der positive Bescheid korrekt.

Dass der “Bamf-Skandal” Deutschland “wochenlang in Atem gehalten” habe, wie Bild.de es heute schreibt, ist eine interessante Zusammenfassung. Eigentlich müsste es heißen: Die Angelegenheit hat Teile Deutschlands wochenlang wutschnaubend von Behördenversagen, unfassbarem Betrug und mafiösen Strukturen beim Bamf schreien lassen — alles, ohne Prüfungen wie die nun abgeschlossene abzuwarten. Ganz vorn dabei bei dieser Empörung: die “Bild”-Medien.

Heinz Buschkowsky, der frühere Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, durfte in “Bild” und bei Bild.de beispielsweise davon schwadronieren, dass es sich bei den Bamf-Missständen um “organisierte Kriminalität” handele. Die “Bild”-Chefreporter Peter Tiede und Hans-Jörg Vehlewald fragten in “Bild”: “Leben wir eigentlich in einer BAMFNANEN-Republik?” Und dann gab es noch, neben vielen weiteren Artikeln, diese “Bild”-Titelgeschichte:

Ausriss Bild-Zeitung -Seit 2000 - Asyl-Behörde ließ 46 Islamisten ins Land!

Im Blatt klang das alles ähnlich beunruhigend:

Ausriss Bild-Zeitung -Asylbehörde Bamf ließ 46 Islamisten ins Land! Ein Ermittler zu Bild: Die Liste wird noch länger werden

Oben bedrohliche ISIS-Kämpfer, unten die düstere Prophezeiung, dazu die Schlagzeile auf Seite 1 mit Ausrufezeichen. Und im Text:

Im dramatischen Asyl-Chaos in der Bremer BAMF-Außenstelle kommt nun auch noch heraus: Seit dem Jahr 2000 haben in der Skandal-Behörde mindestens 115 “nachrichtendienstlich relevante Personen” einen Schutzstatus in Deutschland erhalten!

Darunter sollen auch 46 Islamisten sein, bei denen nicht ausgeschlossen werden könne, dass es sich um “terroristische Gefährder” handele.

Jaja, das kann “nicht ausgeschlossen werden” — wenn man im Sinne einer knalligen und verkaufsträchtigen Titelgeschichte die Prüfung des Verfassungsschutzes nicht abwarten möchte. Dort hat man nämlich 18.000 Personen, die von der Bremer Bamf-Außenstelle seit dem Jahr 2000 Asyl erteilt bekommen haben, überprüft. Ergebnis: ein Gefährder, wie das WDR-Magazin “Monitor” berichtet.

Tatsächlich tauche in einer Antwort des Bundesinnenministeriums auch die Zahl 46 auf. Allerdings handele es sich dabei um sogenannte “Kontakt- und Umfeldpersonen”, die bei der Prüfung aufgefallen seien. Das können auch völlig unbescholtene Geschwister, Eltern, Geschäftspartner, sogar Nachbarn sein.

Sächsische Pressefreiheit, “Bilds” Asyl-Irrsinn, Stirb langsam, Philipp!

1. Am Rande einer Demonstration: Polizei nimmt Personalien von Journalisten auf
(flurfunk-dresden.de)
Ein Team der ZDF-Sendung “Frontal 21” ist am Rande des Besuches von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Dresden von der Polizei bei der Arbeit aufgehalten worden. Arndt Ginzel, einer der betroffenen Journalisten, schildert bei Facebook den Vorgang (inklusive Video) so: “Eigentlich wollten wir für #ZDF Frontal21 nur am Rande des Besuchs der Kanzlerin in Dresden drehen. Doch dann fühlten sich einige Pegida-AfD-Anhänger von unseren Dreharbeiten gestört und forderten die Polizei auf, einzuschreiten. Die sächsischen Beamten kamen dem nach und plötzlich befanden wir uns in einer polizeilichen Maßnahme. Etwa 45 min dauerte das Ganze. Polizeibeamte machen sich zur Exekutive der Pegida-Bewegung. Zeitungsjournalisten aus Dresden berichten von ähnlichen Vorfällen.”
Weitere Lesetipps: Bei der “Frankfurter Rundschau” kommentiert Katja Thorwarth: “Tatsächlich scheinen Teile der sächsischen Polizei vom Pegida-Geist schon so weit durchdrungen, dass sie sich zu Helfern der rechten Pöbler machen und das geltende Recht zu Ungunsten des Rechtsstaates auslegen.”
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) meinte in einer Stellungnahme auf Twitter, die Polizisten seien “die einzigen Personen”, die “seriös aufgetreten” seien. Dies wiederum kommentiert der Jurist Thomas Stadler in seinem Blog: “Man fragt sich unweigerlich, welches Maß an rechtsstaatliche Gesinnung wohl erforderlich oder auch hinderlich ist, um in Sachsen das Amt des Ministerpräsidenten bekleiden zu können. Wenn die Feinde der Grundrechte jetzt schon Ministerpräsident eines Bundeslandes sein können und auch keine Scheu mehr empfinden, diese Haltung öffentlich kund zu tun, dann ist in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat eine Grenze überschritten. Und zwar deutlich.”

2. “Asyl” nicht mehr ohne “Irrsinn” denken
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Viel Geld und Reichweite habe “Bild” ihre “menschliche, empathische Haltung in der Flüchtlingskrise” nach Angaben von “Bild”-Chef Julian Reichelt gekostet. Sowohl das Geld als auch die Reichweite will man sich wohl gut verzinst zurückholen: Sei geraumer Zeit stehen Flüchtlinge unter Generalverdacht und kommen fast nur noch als Betrüger, Verbrecher und Terroristen im Blatt vor. Stefan Niggemeiers Analyse über den Kurs von Chefredakteur Reichelt ist jetzt auch für Nicht-Abonnenten frei lesbar.

3. Der Tötungsfall in Offenburg
(blog.tagesschau.de, Kai Gniffke)
Ein somalischer Asylbewerber hat offenbar in Offenburg einen 51-jährigen Hausarzt aus ungeklärten Motiven mit einem Messer erstochen. In der “Tagesschau” kam die tödliche Messerattacke nicht vor. Im hauseigenen Blog erklärt Chefredakteur Kai Gniffke, warum man den Fall nicht in die Sendung gehoben hat: Man könne nicht über jeden Mordfall berichten. Anders liege der Fall, wenn Asylbewerber überproportional an Tötungsdelikten beteiligt wären. “Das ist, soweit wir es recherchieren können, nicht der Fall. Deshalb haben wir uns gegen die Berichterstattung entschieden.”

4. Keine AfD-Kritik unter wir-sind-afd.de
(lto.de, Pia Lorenz)
Der Blogger Nathan Mattes hat die Website wir-sind-afd.de aufgesetzt, auf der er allerlei Zitate von AfD-Politikern zusammenträgt. Der AfD gefällt das gar nicht, sie ist deshalb gegen den Blogger vor Gericht gezogen. Nun sieht es so aus, als ob die Partei auch in zweiter Instanz Erfolg haben wird. Doch aufgeben will Initiator Mattes nicht, auch weil seine juristische Kriegskasse dank vieler Spenden gut gefüllt ist.

5. Facebook sperrt Lamya Kaddor, weil sie eine Hassmail zitiert
(t-online.de, Lars Wienand)
Facebook hat die “T-Online”-Kolumnistin Lamya Kaddor gesperrt, weil sie aus einer Hassmail zitiert hat. Obwohl klar erkennbar gewesen sei, dass es sich um ein Zitat handelte, folgte sogar noch eine zweite Sperre. Chefredakteur Florian Harms kommentiert auf Twitter: “Facebook⁩, das ist eine Farce! Ihr habt euren Laden nicht im Griff.”

6. Stirb langsam
(facebook.com/topfvollgold)
“Stirb langsam” hat bei “die aktuelle” mittlerweile acht Folgen. Statt Bruce Willis in der Hauptrolle: Prince Philip, Duke of Edinburgh und Prinzgemahl der britischen Königin Elisabeth II.

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