In einem Interview mit “Welt am Sonntag” antwortete der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf die Frage, ob der Dialog mit Fridays For Future klappe:
“Wir hatten eine Gruppe hier zur Diskussion. Die jungen Leute waren schon sehr selbstbewusst und respektlos, was ja ganz in Ordnung ist.”
Dieser Halbsatz hinter dem Komma, “was ja ganz in Ordnung ist”, ist für das Verständnis von Kretschmanns Aussage von zentraler Bedeutung. Ohne ihn klänge es so, als würde der Grünen-Politiker die jungen Aktivistinnen und Aktivisten für irgendein despektierliches Verhalten kritisieren. Mit ihm klingt es deutlich anerkennender. Oder anders gesagt: Ließe eine Redaktion in ihrer Berichterstattung den Halbsatz einfach weg, würde sie Kretschmanns Aussage deutlich verfälschen.
Bei Welt.de haben sie sich auf ihrer Jagd nach Clicks fürs Verfälschen entschieden (und das “selbstbewusst” gleich auch noch rausgestrichen):
Dieses entstellende Kürzen von Kretschmanns Äußerung kritisierte Oliver Das Gupta, Journalist bei der “Süddeutschen Zeitung”. Dagmar Rosenfeld, Chefredakteurin der “Welt”, reagierte auf diese Kritik. Sie schrieb bei Twitter:
Sie haben recht, durch die Zeile kann ein anderer Eindruck entstehen. Wir haben die Zeile daher geändert.
(“kann ein anderer Eindruck entstehen” ist auch nur minimal besser als das notorische “sollte ein falscher Eindruck entstanden sein, bitten wir um Entschuldigung” — durch die Kürzung des Kretschmann-Zitats entsteht definitiv “ein anderer Eindruck”.)
Und, holla, wie sie “die Zeile daher geändert” haben! Sie lautet nun:
1. Der enthemmte Maaßen zeigt, wie gefährlich der Verfassungsschutz ist (netzpolitik.org, Markus Reuter)
Wer sich das Tweetverhalten des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen ansieht, kommt aus dem Staunen nicht raus. Maaßen agiert dort wie ein rechter Troll — oder um es in den Worten von Markus Reuter zu sagen: “Maaßen ist der geheimdienstgewordene Sarrazin der Christdemokraten, der Matussek unter den Schlapphüten, eine Erika Steinbach mit Nickelbrille.” Reuter weist mit Beispielen nach, dass Maaßen nicht erst nach seinem Abgang aus dem Amt zum strammen Rechten wurde. Sein Resümee: “Die Vorgänge um Hans-Georg Maaßen führen ein weiteres Mal vor Augen, dass der sogenannte Verfassungsschutz die gefährlichste Behörde des Landes ist: Sie will auf dem rechten Auge nicht nur nichts sehen, sondern ist aktiv in die Unterstützung rechter Strukturen und in die Morde des NSU verstrickt. Sie ist ein Instrument zur Diskreditierung aller möglichen politischen Strukturen — nur gegen Rechtsextreme zeigt sich der Verfassungsschutz immer wieder unfähig.”
2. Kommentar: Gabalier als Brückenbauer zur Neuen Rechten (nordbayern.de, Sebastian Gloser)
Am Wochenende war der österreichische Sänger von volkstümlicher Musik Andreas Gabalier in Nürnberg zu Besuch und füllte dort das Stadion mit rund 50.000 Menschen. Der Redakteur der “Nürnberger Nachrichten” Sebastian Gloser hat sich das Alpenspektakel angesehen und erklärt, was er an dem “Volks-Rock’n’Roller” problematisch findet. Zum Beispiel Gabaliers Wortwahl und Weltbild, das dem der Neuen Rechten ähnele: “Der 34 Jahre alte Gabalier gibt vor, die Welt seiner Kindheit zu glorifizieren, allerdings beschreibt er viel eher ein Rollenbild aus den 1950er Jahren. Männer sind harte Arbeiter und vor Kraft strotzende Böcke, Frauen dagegen “Zuckerpuppen” oder “Rehlein”, die sich darauf beschränken, hübsch auszusehen und den Männern schöne Augen zu machen.” Gloser schließt mit den Worten: “Seine Heimat zu lieben, ist kein Verbrechen, im Falle von Gabalier funktioniert der Begriff aber vor allem als Ausgrenzung. Das ist das Problem an seiner kleinen, steilen, heilen Welt.”
3. Fake news! Wie eine Schweizer Plattform der AfD in die Hände spielt (storytelling.blick.ch, Simon Huwiler)
“Diese Onlinezeitung ist keine der üblichen Meinungsseiten am rechten Rand, wie sie sich zu Tausenden im Internet tummeln. Die Smopo ist eine gut geölte Manipulationsmaschine, entwickelt, um die westliche Gesellschaft zu stören und ihr ein rechts gerichtetes Weltbild aufzustülpen. Gesteuert aus einem Dorf auf der sankt-gallisch-appenzellischen Grenze.” Simon Huwiler hat eine lesenswerte und aufwändig aufbereitete Reportage verfasst, in der er die raffinierte Vorgehensweise nachweist. Mit allerlei zusammenkopierten Belanglosigkeitsartikeln wolle sich die Seite das Image eines halbwegs seriösen Medienportals geben. Dazwischen eingestreut: Hass, Hetze und Häme.
4. “Sonst ist Feierabend” (sueddeutsche.de, Cornelius Pollmer)
Die “Süddeutsche Zeitung” hat sich mit dem Chefredakteur der “Sächsischen Zeitung” Uwe Vetterick über die Digitalstrategie seines Haues unterhalten. Die Hinwendung zum Digitalen hat ihre Gründe: “Wir haben noch eine hohe Auflage, noch ein gutes Geschäft, das aber ist strukturell rückläufig. Wer (sic) verlieren zwischen drei und viereinhalb Prozent pro Jahr. Das an sich wäre noch nicht dramatisch. Dramatisch sind die erheblich wachsenden Kosten im Vertrieb. Zum Teil getrieben durch Mindestlohn, zum Teil haben sie mit dem Markt zu tun: Die Stückkosten der Zustellung steigen, wenn die Auflage sinkt. Damit müssen wir umgehen.”
5. Falsche Eisbären-Expertin und «Breitbart»-Journalist in der Klima-Beilage der «Weltwoche» (watson.ch, Christoph Bernet)
Die Schweizer “Weltwoche” hat eine 34-seitige Klima-Beilage (“Lehrmittel”) herausgegeben, mit der sie die “ungesunde Diskussion” über den Klimawandel öffnen und versachlichen wolle. Von einer Versachlichung kann man jedoch nicht unbedingt sprechen, wenn man den Ausführungen von Christoph Bernet folgt: Viele der Artikel stammen von äußerst fragwürdigen Experten oder stützen sich auf falsche Informationen.
6. Fangen Sie einfach an (fachjournalist.de, Philipp Barth)
Vielen Journalisten, Autoren und Schriftstellern fällt der Einstieg in die Arbeit schwer. Wie überwindet man Blockaden und wehrt sich gegen das Aufschieben? Der Autor Philipp Barth gibt einige handfeste Tipps. Kompakt und ohne Geschwafel zusammengefasst und eine Empfehlung für die persönlichen Bookmarks.
Immerhin haben sie gefragt, könnte man nun sagen. Aber was bringt das schon, wenn die abschlägige Antwort nicht zählt, und die Bild.de-Redaktion ein Video, das der Urheber nicht bei Bild.de sehen will, doch einfach zeigt?
Am Sonntag fand die Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart statt. Sie endete in einem mittelgroßen Chaos, auch weil das extra eingerichtete WLAN offenbar nicht funktionierte, wodurch die im Stadion anwesenden Fans nicht an geplanten Abstimmungen teilnehmen konnten. Unter anderem stand der gestern noch amtierende und inzwischen zurückgetretene VfB-Präsident Wolfgang Dietrich zur Abwahl.
Von dessen Abgang aus dem Stadion unter Beschimpfungen und einem kräftigen Pfeifkonzert nahm der Twitter-User @RikyPalm ein Video auf:
Mit der Arbeit “unserer Landeschefs”, wie Bild.de sie nennt, sind ziemlich viele Leute ziemlich zufrieden, das ergab jedenfalls eine Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und n-tv, in der es um die Zufriedenheit mit der Arbeit der Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen der einzelnen Bundesländer geht.
Demnach sind in zehn Bundesländern die Befragten mehrheitlich “zufrieden”: in Baden-Württemberg mit Winfried Kretschmann, in Schleswig-Holstein mit Daniel Günther, in Niedersachsen mit Stephan Weil, in Hamburg mit Peter Tschentscher, in Thüringen mit Bodo Ramelow, in Hessen mit Volker Bouffier, in Rheinland-Pfalz mit Malu Dreyer, in Sachsen mit Michael Kretschmer, in Bayern mit Markus Söder und im Saarland mit Tobias Hans. In fünf Bundesländern sind die Befragten hingegen mehrheitlich “unzufrieden”: in Mecklenburg-Vorpommern mit Manuela Schwesig, in Brandenburg mit Dietmar Woidke, in Nordrhein-Westfalen mit Armin Laschet, in Sachsen-Anhalt mit Reiner Haseloff und in Berlin mit Michael Müller. In Bremen fragten die Meinungsforscher nicht nach, da dort “gerade ein Wechsel im Amt des Präsidenten des Senats bevorsteht”.
Also: Zwei von drei Ministerpräsidenten beziehungsweise Ministerpräsidentinnen erfüllen ihren Job so, dass die Befragten mehrheitlich zufrieden damit sind. Auf der Bild.de-Startseite und in der Überschrift zum Artikel (dort zusätzlich noch mit Ausrufezeichen) klingt es hingegen, als wäre diese “RUMMS-UMFRAGE” ganz schön desaströs für die beurteilten Politikerinnen und Politiker ausgegangen:
“SO UNBELIEBT”. Angesichts der tatsächlichen Umfrageergebnisse ist das ein ziemlich billiger Versuch, mit undifferenziertem Draufhauen auf Politikerinnen und Politiker auf Clickjagd zu gehen.
1. Die neuen Freunde der NZZ (republik.ch, Daniel Binswanger)
Daniel Binswanger kommentiert die “Deutschlandstrategie” des Schweizer Traditionsblattes “NZZ”, die besonders von AfD-Anhängern gefeiert wird: “Es ist verblüffend, wie shitstormgetrieben die Positionierung der NZZ geworden ist. Man könnte den Eindruck bekommen, sie sei nicht mehr eine Publikation mit klaren publizistischen Linien, sondern ein Unternehmen zum Austesten der Grenzen des politischen Anstands. Wenns brenzlig wird, macht man einen taktischen Rückzieher.”
2. Leider wurde mein lieber Freund… (facebook.com, Friederike Werner)
Friederike Werner war mit dem unlängst verstorbenen Filmproduzent David Groenewold befreundet, der 2013 in Zusammenhang mit der sogenannten “Wulff-Affäre” angeklagt und freigesprochen wurde. Sie ist schwer getroffen von der Berichterstattung durch die “Bunte” und deren Redakteurin Tanja May: “Die Tatsache, dass Frau May das Haus inklusive Polizeisiegel an der Wohnungstür von David Groenewold hat fotografieren lassen, sowie das illegale Beschaffen von Polizeiakten werden ein juristisches Nachspiel haben. Ich werde außerdem niemals müde werden, die Menschen darauf hinzuweisen, wie unanständig Frau May und die BUNTE in einer solch schweren Situation für alle Angehörigen agiert haben.”
3. Hört endlich auf, euch an der Dummheit von Influencern aufzugeilen (vice.com, Sebastian Meineck)
Immer wieder machen sich Medien über Influencer lustig, die es mit der Selbstdarstellung übertreiben. Das Bashing gehe jedoch am Thema vorbei, wenn gewöhnliche Instagrammer mit ein paar hundert Abonnenten zu Influencern aufgeblasen werden und wenn der vermeintliche Skandal bei näherer Betrachtung in sich zusammenfällt. Sebastian Meineck erzählt die Geschichte von den “dummen Influencern” und dem giftigen See.
4. DJV-Austritt aus Protest (welchering.de)
Peter Welchering hat in einem offenen Brief seinen Austritt aus dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV) verkündet. Er wirft dem Verband beziehungsweise dessen Vertretern unter anderem eine zu große CDU-Nähe vor. Außerdem habe der DJV von Facebook und Google Geld kassiert und betrachte PR als eine Unterart des Journalismus. (Sobald eine Antwort des Verbands vorliegt, werden wir sie an dieser Stelle verlinken.)
5. Die Journalistin, die Jeffrey Epstein überführte (sueddeutsche.de, Alan Cassidy)
Der US-Milliardär Jeffrey Epstein hat wahrscheinlich mehr als 80 Mädchen missbraucht und wäre damit wahrscheinlich davongekommen, denn er hatte mächtige Freunde in Justiz und Regierung. Dass der Fall nun neu aufgerollt wird, ist der amerikanischen Lokaljournalistin Julie K. Brown zu verdanken, die das übernommen hat, was Sache der Justiz gewesen wäre: “Eineinhalb Jahre verbrachte Brown damit, Epsteins Opfern nachzuspüren, ihr Vertrauen zu gewinnen und sie zu überreden, ihr von den Übergriffen zu erzählen, die sie erlitten hatten. Sie sprach mit Polizisten, die gegen den Financier ermittelt hatten, aber von ihren Vorgesetzten ausgebremst wurden. Sie wühlte sich durch Berge von Akten, flog von Florida nach New York, um vor Gericht Einsicht in Dokumente zu erkämpfen, und bezahlte manche Reise aus eigener Tasche.”
6. Where Are All the Bob Ross Paintings? We Found Them. (nytimes.com, Larry Buchanan & Aaron Byrd & Alicia DeSantis & Emily Rhyne, Video: 10:49 Minuten)
“The Joy of Painting” hieß der legendäre TV-Malkurs, in dem der US-amerikanische Maler Bob Ross mit sanfter Stimme erklärte, wie man ein Landschaftsbild malt. Wo sind all die Bilder geblieben, die im Rahmen der vielen hundert Fernsehsendungen entstanden? Die “New York Times” hat sich auf Spurensuche begeben und einen sehenswerten zehnminütigen Videobeitrag produziert.
7. Liebe “BILD”-Leute, hier liegen gleich mehrere Missverständnisse vor. Ich erkläre Euch das gerne. (facebook.com, Lorenz Meyer)
Extralink außerhalb der Reihe, da vom Kurator selbst: Auf Facebook erkläre ich “Bild”, warum von einer “Zitter-Zensur” der CDU keine Rede sein kann und räume mit einigen Missverständnissen auf: “Das letzte Missverständnis betrifft Euch, Eure Arbeit und Euer Arbeitsethos. Was Ihr macht, hat nämlich weder was mit Journalismus, noch mit Anstand zu tun.”
1. Weg mit den Weisheiten, her mit den Zwischentönen (journalist-magazin.de, Barbara Hans)
Barbara Hans leitet “Spiegel Online” und gehört der Chefredaktion des “Spiegel” an. Sie hat in ihrem Leben schon viele ungebetene Ratschläge bekommen und vermeintliche Weisheiten über den Journalismus gehört. Ein paar davon hat sie sich notiert, um sie nun genüsslich zu demontieren. Und dabei fallen ein paar tatsächliche Wahrheiten ab.
2. Alter Trick am Newsdesk (twitter.com, Jonas Leppin)
Jonas Leppin zeigt anhand von zwei Screenshots, wie Clickbait geht: “Alter Trick am Newsdesk: Wenn die Geschichte nicht so läuft, einfach mal die Zeile drehen.” Ein Fall von kühl kalkuliertem Populismus, den sich Journalistenschulen abspeichern sollten. Als Negativbeispiel.
3. SZ-Postfach: “Securedrop kann eine Art Lebensversicherung für Whistleblower sein.” (get.torial.com, Stefan Mey)
Stefan Mey hat Vanessa Wormer von der “Süddeutschen Zeitung” interviewt, die dort das Darknet-Postfach für Whistleblower betreut. Um den Hinweisgebern ein hohes Maß an Anonymität zu bieten, ist eine Menge technischer Aufwand nötig. Trotzdem sollten die Whistleblower ein paar grundlegende Dinge beachten: “Das Wichtigste ist, uns nicht mit Geräten des Arbeitgebers zu kontaktieren, sondern private Geräte zu nutzen. Es macht auch immer Sinn, nicht das Netzwerk in der Privatwohnung oder am Arbeitsplatz zu nutzen, sondern in ein Café oder einen sonstigen Ort mit öffentlichem WLAN zu gehen.”
4. Deal. (twitter.com/rezomusik)
Die SPD-Politikerin Sawsan Chebli hat auf Twitter angeregt, den Tweets des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen weniger Aufmerksamkeit zu schenken. Rezo ist einverstanden: “Deal. Ab jetzt gibt ihm keiner mehr Reichweite und jede Zeitung, die ihn mit Reichweite pusht, wird 4 Wochen von uns allen nicht mehr gekauft. Hart für uns, weil er so erstaunlich dumme Sachen sagt. Hart für die Zeitungen, weil dumme Statements Klicks bringen. Aber schaffen wir.”
5. #40 Gutes Reden, schlechtes Reden – ein Talkshow-Talk (deutschlandfunkkultur.de, Christine Watty, Audio: 48:55 Minuten)
Eine illustre Runde hat sich beim Kulturpodcast “Lakonisch Elegant” zum Meta-Talk über Talkshows zusammengefunden: die Medienprofis Eva Horn, Ferda Ataman, Arno Frank und Dirk von Gehlen. Es geht um die störenden Aspekte des Talkformats und um die Frage, was man besser machen könnte.
6. Für Selbstabholer (sueddeutsche.de, Laura Hertreiter & Uwe Ritzer)
Das ADAC-Magazin “Motorwelt” ist nicht nur Europas auflagenstärkste Zeitschrift, sondern auch das führende Flachblatt für Treppenlifte, Flusskreuzfahrten und Seniorenbedarf. Aus Kostengründen soll das Magazin nur noch viermal im Jahr erscheinen. Der lustigste Satz des Artikels bei Süddeutsche.de: “Intern geht man beim ADAC davon aus, dass ein Viertel der Empfänger die Motorwelt ungelesen wegwirft.” (Lustig, weil es eigentlich fünf Viertel sein müssten.)
… fragt die Redaktion des Wochenmagazins “Bild Politik” in ihrer aktuellen Ausgabe. Und gibt darauf gleich zwei Antworten: Filipp Piatov findet: “JA”, Anna Essers schreibt: “NEIN”. Aber ob nun Pro oder Contra — der Ton werde auf jeden Fall “radikaler”, so “Bild Politik” und Bild.de schon im Teaser:
Studentin Luisa Neubauer, 23 Jahre alt, Bachelor-Studentin an der Uni Göttingen, vertritt die Bewegung [Fridays For Future] in Deutschland. Auf Twitter schrieb sie zu den Rekord-Temperaturen: “Diese Hitze tötet.” Sie hält zivilen Ungehorsam für legitim und fordert ein Umsteuern in der Umweltpolitik mit “Worte und Taten”.
Im direkt anschließenden Absatz ist die Redaktion dann schon nicht mehr bei Fridays For Future (FFF), sondern bei der nächsten Klimabewegung, Extinction Rebellion (XR), angekommen. Wobei diese Gruppen laut “Bild Politik” und Bild.de ja sowieso eigentlich alle ganz eng zusammenhängen und voneinander abstammen:
Genau das propagiert auch der aus “Fridays for Future” hervorgegangene Arm der Bewegung, “Extinction Rebellion”, kurz “XR”. Aktivisten von “XR” fordern radikale Maßnahmen, unter anderem, um den Ausstoß an klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) binnen fünf Jahren auf null zu senken.
XR ist unabhängig von der Freitagsdemo-Bewegung im Oktober vergangenen Jahres in Großbritannien entstanden und hat sich dann schnell international ausgebreitet. Auch in Deutschland haben sich Protestgruppen gebildet. Mit Fridays For Future hat Extinction Rebellion nur insofern zu tun, als dass die Mitglieder ähnliche Ziele verfolgen, sich somit politisch nahestehen und immer wieder die Veranstaltungen der jeweils anderen Bewegung besuchen. Es handelt sich aber nicht um eine FFF-Splittergruppe.
Das haben sie bei Bild.de dann auch irgendwann gemerkt und den fraglichen Absatz zu XR einfach gestrichen — klammheimlich und ohne irgendeinen Hinweis auf den Fehler.
1. Mit dem “Westfernsehen” sieht man schlechter (uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Der ehemalige Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen ist ein Fan der “NZZ”, die für ihn so etwas wie “Westfernsehen” sei. Besonders angetan hat es ihm ein aktueller Artikel, nach dem “die Mehrheitsgesellschaft in deutschen Städten ihrem Ende entgegen sehe”. Stefan Niggemeier hat sich den Text, der laut “NZZ” “zunächst versehentlich in unredigierter Fassung publiziert” worden sei (“Wir bitten dies zu entschuldigen.”), näher angeschaut.
Weiterer Lesetipp: Gehirnwäsche in der Höhenluft: “Die “Neue Zürcher Zeitung” ist das Leib-und-Magen-Blatt der Rechten. Was treibt der Chefredakteur der “NZZ”, Eric Gujer, da eigentlich?” (taz.de, Cornelius Oettle).
2. Ich muss da mal was loswerden (twitlonger.com, Julia Probst)
Julia Probst beherrscht das Lippenlesen und hat schon bei mancher Fußballübertragung verraten, worüber sich Spieler und Trainer austauschen. Probst berichtet nun, dass verschiedene Medien bei ihr angefragt hätten, was die Kanzlerin bei ihrem Zitteranfall gesagt habe. Ein Wunsch, dem sie eine scharfe Absage erteilt hat: “Ich würde mir wünschen, dass die Medien in diesem Punkt sich das fragen: “Angenommen, das wäre ICH selbst in der gleichen Situation, würde ich das wollen, dass man auf diese Art über mich berichtet?”
3. “Welt” auf dem Prüfstand (sueddeutsche.de, Caspar Busse)
Der amerikanische Finanzinvestor KKR will beim Medienhaus Axel Springer einsteigen und mindestens 20 Prozent der Aktien übernehmen. Das offizielle Kaufangebot sorgt nun für Aufregung. Man wolle die “Welt”-Gruppe fortführen, aber nur “unter der Voraussetzung einer angemessenen Steuerung der jährlichen Ergebnissituation”. Ein Passus, den es zu anderen Objekten wie “Bild” oder “Business Insider” nicht gebe.
4. Alles super im Radioland (deutschlandfunk.de, Christoph Sterz)
Nach Bekanntgabe der halbjährlich erhobenen, neuen Hörerzahlen feiern sich die Radiosender fast rituell als Gewinner. Dennis Horn kommentierte dieses Phänomen bereits vor einem Jahr auf Twitter: “Laut den Pressemitteilungen zu den neuen Einschaltzahlen kommen die deutschen Radiosender insgesamt auf einen Marktanteil von 200 Prozent.”
5. Hilferuf aus dem Pressehaus (kontextwochenzeitung.de, Josef-Otto Freudenreich)
Die SWMH (Südwestdeutsche Medien Holding) ist ein mächtiger Medienkonzern, zu dem unter anderem die Zeitungsgruppe Stuttgart, der “Schwarzwälder Bote”, aber auch der Süddeutsche Verlag mit der “Süddeutschen Zeitung” gehören. Hinter den Kulissen des Unternehmens rumort es derzeit gewaltig. Der Geschäftsführer wolle “im Kernbereich massiv Kosten sparen” und das gesparte Geld im Digitalbereich einsetzen. Der Betriebsrat protestiert gegen den Umbau. Josef-Otto Freudenreich erklärt die Hintergründe eines Geschäfts, bei dem es einst “Renditen wie im Drogenhandel” gegeben habe.
6. Ich musste viel Lehrgeld zahlen. (planet-interview.de, Jakob Buhre)
Zunächst: Für das Interview mit Ilka Bessin muss man kein Fan der Comedy-Kunstfigur Cindy aus Marzahn sein. Es geht um Bessins biografischen Hintergrund, ihre Humor-Vorbilder, den Umgang mit Popularität und ihren Wunsch, sich zu ernsten Themen zu äußern: “Wir als Künstler haben ein Sprachrohr, wir haben die Möglichkeit, auf Dinge aufmerksam zu machen, die nicht rund laufen in diesem Land. Und diese Möglichkeit sollten wir nutzen. Das kann auf der Bühne sein, aber auch in Talk-Shows oder Interviews.”
Beim heutigen Empfang des finnischen Ministerpräsidenten Antti Rinne zitterte Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut. Es war der dritte Anfall dieser Art in gut drei Wochen. Viele Medien berichten derzeit über den Vorfall, so auch Bild.de. Die Redaktion hat unter anderem ein Video des Zitteranfalls bei Youtube hochgeladen, und die vielen, vielen Kommentare darunter sind voller Hass und Häme: Merkel wird als Alkoholikerin bezeichnet, Leute zeigen offen ihre Freude und wünschen der Kanzlerin immer wieder den Tod, am liebsten schon “bald” und “elendig” und “qualvoll”.
Die “Bild”-Redaktion scheint das alles nicht zu jucken — sie lässt diese Kommentare seit Stunden so stehen:
Und das ist wahrlich nur eine kleine Auswahl aus einer großen Jauchegrube.
Im Kommentarbereich auf der “Bild”-Facebookseite gibt es ebenfalls viel Häme und Schadenfreude und vor allem solche Kommentare:
Unsere Nationalhymne muss sie aber ganz schön anwidern
Und:
Wenn sie eine Nationalhymne hört überkommt sie ihr schlechtes Gewissen
Und:
Zitteranfall immer bei der Nationalhymne. Wenn man nicht mehr zu diesem Land steht, reagiert man halt allergisch bei der Nationalhymne.
Und:
Vielleicht die DDR Hymne beim nächsten mal spielen?
Diese Häufung ist kein Zufall. Die “Bild”-Redaktion hat ihren Post so anmoderiert:
… als gäbe es da irgendeinen Zusammenhang. Nur nebenbei: Angela Merkels zweiter Zitteranfall ereignete sich während einer Rede des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier — also als keine Nationalhymne lief.
Es war der größte Waldbrand Mecklenburg-Vorpommerns seit dem Zweiten Weltkrieg: Auf dem früheren Truppenübungsplatz bei Lübtheen standen seit Ende Juni mehr als 1.200 Hektar Wald in Flammen, erst am Montag konnte das Feuer weitgehend gelöscht werden. Als Ursache vermuten die Behörden Brandstiftung. Und es gibt einen Verdacht:
Der Verein “Wolfsschutz Deutschland” vermute als mögliches Tatmotiv “die gezielte Vertreibung eines hier ansässigen Wolfrudels”, schrieb gestern die Regionalausgabe der “Bild”-Zeitung:
Das sei angesichts des geschürten Hasses gegen das dortige Rudel als Motiv denkbar, so Wolfsteam-Leiter Dr. Holger Liste (56).
Schon im Februar hatte Bild.de berichtet:
Und gefragt:
Ja, woher denn bloß?
Dabei ist die Berichterstattung der “Bild”-Medien über Wölfe in vielen Fällen nicht nur maßlos überzogen und tendenziös, sondern oft schlichtweg falsch. Nur mal ein paar Beispiele: