Das miese Geschäft der “Bild am Sonntag”

Da waren sie bei “Bild am Sonntag” und Bild.de aber ziemlich empört:

Screenshot Bild.de - Becher, Tassen, Mützen - Das miese Geschäft mit Greta Thunberg

Irgendwelche Leute versuchen nämlich, mit den Image von Greta Thunberg Geld zu machen, indem sie deren Gesicht auf T-Shirts packen, Puppen der Klimaaktivistin herstellen oder Kaffeebecher mit Greta-Sprüchen bedrucken. “Bild am Sonntag” erklärt, dass man sich dagegen wehren kann, und dass Greta Thunberg das auch macht, indem sie “den Schutz ihres eigenen Namens beantragt” habe: “Einen entsprechenden Antrag hat ihr Anwalt beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eingereicht.”

Zur Situation in Deutschland schreibt “BamS”:

In Deutschland hat jeder ein Recht am eigenen Bild und Namen. Wenn jemand anderes das kommerziell nutzt, kann man als Betroffener dagegen vorgehen.

Ein Markenrechtsexperte erklärt das noch mal genauer:

Der Frankfurter Markenrechtsexperte Eckart Haag (46) sagt: “Ich kann den Nutzer auffordern, das zu unterlassen und mir Auskunft zu erteilen, wie viele Tassen, T-Shirts oder Sonstiges er mit meinem Bild oder Namen verkauft hat. Wenn er das nicht tut, lasse ich per Gericht die Handlung stoppen.”

Im nächsten Schritt kann man Schadenersatz einklagen. Haag: “Das positive Image des Prominenten fördert den Absatz und steigern der (sic) Wert eines Gegenstandes erheblich. Dadurch kann ein erheblicher Teil des erzielten Gewinns eingefordert werden. 80 Prozent sind durchaus denkbar.”

Bei “Bild am Sonntag” kennen sie sich mit dem Thema aus: Im Oktober des vergangenen Jahres entschied das Oberlandesgericht Köln, dass die Redaktion ein Foto des Schauspielers Sascha Hehn in dessen früherer Rolle als “Traumschiff”-Kapitän nicht hätte verwenden dürfen. Im Blatt hatte sie mit diesem Foto, auf dem Hehn und zwei weitere Schauspieler zu sehen waren, für ihr “Urlaubslotto” geworben, bei dem die Leserinnen und Leser eine Kreuzfahrt gewinnen konnten, wenn sie eine kostenpflichtige Telefonnummer anriefen oder eine kostenpflichtige SMS schickten. Sascha Hehn hatte mit dem Gewinnspiel aber überhaupt nichts zu tun. Er hatte einer Verwendung des Fotos in diesem Zusammenhang nicht zugestimmt. Und er war auch nicht Teil des Gewinns — in “Bild am Sonntag” stand sogar, die Abgebildeten werde man auf der Kreuzfahrt “zwar nicht treffen. Aber wie auf dem echten TV-Traumschiff schippern Sie zu den schönsten Buchten und spannendsten Städten.”

Das Gericht schrieb dazu in einer Pressemitteilung (PDF):

Die Beliebtheit des Klägers als Traumschiff-Kapitän habe als “Garant” für eine Traumreise ersichtlich auch auf den Hauptgewinn abfärben sollen. Außerdem sei mit dem Bild des Klägers die Aufmerksamkeit der Leser auf die kostenpflichtigen Mehrwertdienstnummern gelenkt worden, mit denen eine gewisse Refinanzierung des Gewinnspiels erfolgt sei.

Das Urteil war zu dem Zeitpunkt, als die Pressemitteilung veröffentlich wurde, noch nicht rechtskräftig.

Die “Bild”-Medien wollen mit Greta Thunberg übrigens auch ein bisschen Geld verdienen, wenn auch auf etwas andere Weise: Den Artikel, der “das miese Geschäft” mit Thunberg anprangert, kann man nur mit einem “Bild plus”-Abo lesen:

Screenshot Bild.de - Greta-Shirts, Greta-Handyhüllen, Greta-Püppchen: kaum ein Souvenir, das es nicht von der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg gibt. Ihre Einwilligung gab sie nie. Lesen Sie mit BILDplus, was Greta jetzt dagegen unternimmt
(Draufklicken für größere Version.)

Mit Dank an @yanjulang für den Hinweis!

Buhrowkrat im Feuer, Kampf um die “Krone”, Happy New Leak

1. “Wir werden nicht einer Meinung sein”
(zeit.de, Ralf Heimann)
Nach Ansicht vieler Kritiker hat WDR-Intendant Tom Buhrow mit seiner übereilten Telefon-Intervention und der Bitte um Entschuldigung für den eigentlichen Skandal um das Satireliedchen von der Oma als “Umweltsau” gesorgt. Viele WDR-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter fühlten sich im Stich gelassen, hatten das Gefühl, ihr Chef sei ihnen in den Rücken gefallen. Nun fand in Köln eine Redaktionsversammlung statt, zu der 700 Leute kamen. Buhrow habe dort sein Verhalten in einer Weise verteidigt, die Zweifel daran aufkommen lasse, dass er verstanden hat, worum es bei der Sache geht.
Weiterer Lesehinweis zum Hintergrund: Aufgepasst, Ihr Umweltsäue! — warum die Vorwürfe gegen die WDR-Satire falsch sind (taz.de, Heiko Werning). Lesenswert auch die aktuelle Kolumne von Sascha Lobo zur Debattenkultur: Diagnose: Vorzeitiger Nachrichtenerguss (spiegel.de).

2. “Ibiza lebt”
(sueddeutsche.de, Leila Al-Serori)
In Österreich wird ein erbitterter Kampf um die “Krone” geführt. Das Blatt mit einer Reichweite von 30 Prozent weckte bereits die Begehrlichkeiten des damaligen FPÖ-Politikers Heinz-Christian Strache, wie man im “Ibiza-Video” sehen und hören konnte. Nun versuche der Tiroler Immobilienmilliardär und Investor René Benko das Blatt zu übernehmen: “Eine weitere Parallele zu Ibiza bekommt der Machtkampf auch durch die Nähe René Benkos zum Kanzler: der Milliardär gehört dem engsten Zirkel rund um Sebastian Kurz an. Benko beteuert, dass es nicht um Politik, sondern nur ums Geschäft gehe.”

3. Ein Abschied vom Vermesser
(taz.de, Steffen Grimberg)
Horst Röper, die “taz” nennt ihn den “King of Medienforschung”, geht in den Ruhestand. Der Journalist und Medienwissenschaftler leitete seit 1984 das Formatt-Institut (“Forschung Medien Aktuell Technologie Transfer”) und sei damit “das Gedächtnis der deutschen Zeitungslandschaft”. “taz”-Autor Steffen Grimberg in seiner Art Ruhestandslaudatio: “Und jetzt will der Mann, der sich als Einziger noch so richtig um all diese Fragen kümmert, in den Ruhestand gehen. Einfach so. Is nich, Horst. Wir brauchen dich!”

4. Happy new Leak!
(deutschlandfunk.de, Samira El Quassil, Audio: 5:23 Minuten)
Die Firma Cambridge Analytica brachte es zu trauriger Berühmtheit, als 2018 bekannt wurde, dass ihre Datenanalysen für personalisierte Wahlwerbung auf dem illegalen Besitz von Informationen zu Millionen von Facebook-Profilen beruhten. In der Folge meldete das umstrittene Unternehmen Insolvenz an. Nun tauchen Tausende von neuen Dokumenten auf, die von einer Ex-Mitarbeiterin stammen sollen. Samira El Ouassil ordnet den Fall für den Deutschlandfunk neu ein.

5. Versöhnt in der Irritation
(faz.net, Nina Rehfeld)
Aus dem us-amerikanischen Phoenix berichtet Nina Rehfeld über die Zwickmühle des TV-Senders Fox News: Einerseits fungiere er als Sprachrohr der Republikaner und Stichwortgeber des amtierenden Präsidenten Donald Trump. Andererseits habe Starmoderator und Publikumsliebling Tucker Carlson den Angriff auf den iranischen General Soleimani und die offizielle Begründung dafür scharf kritisiert.

6. Die “Wissenschafts-Blogs des Jahres 2019” sind gewählt: Qualität setzt sich durch
(wissenschaftkommuniziert.wordpress.com)
“Wissenschaft kommuniziert” hat die “Wissenschafts-Blogs des Jahres 2019” wählen lassen. Auf Platz 1 landete das “Zukunftsblog” der ETH Zürich, auf Platz 2 die Archäologin Geesche Wilts mit “Miss Jones” und an dritter Stelle das Nachrichtenblog “Wissenschaft aktuell”.
Weiterer Lesehinweis: Ein gutes Beispiel für gelungene Wissenschaftskommunikation und Datenvisualisierung liefert heute die interaktive Karte der “Berliner Morgenpost”: So groß ist der Brand in Australien — im Vergleich zu Ihrer Gegend.

Bild  

Der Unfall von Südtirol, die fehlende Korrektur und die “journalistische Aufrichtigkeit” der “Bild”-Zeitung

Wofür in der “Bild”-Ausgabe von heute unter anderem Platz war:

  • “Schluck! DEUTSCHES BIER WIRD TEURER” — der größte deutsche Bierhersteller hebt die Preise für Fassbier an
  • die Gewinnquoten beim Lotto
  • einen Leserbrief zum möglicherweise drohenden Aus des “Tatort” mit Til Schweiger: “Bitte ARD, keinen Cent mehr für solchen Filmschrott ausgeben.”
  • Franz Josef Wagners Geschreibsel an Oliver Kahn
  • “IHR HOROSKOP” für den 8. Januar
  • “Die traurige Wahrheit” hinter der Liebe zwischen “Dianas Nichte” und einem “Mode-Millionär”
  • “Schluss mit Blond”: “TV-Star Christine Neubauer (57) färbt ihre Haare nicht mehr blond.”
  • die Kinder des dänischen Kronprinzenpaars “pauken jetzt in der Schweiz”
  • Sidos Ehefrau Charlotte Würdig will ihrem Mann helfen, von einer Nasenspray-Sucht wegzukommen
  • die “Playboy”-Fotos von Laura Müller, der Freundin des Wendlers
  • “Frau trocknet nasses Telefon in Mikrowelle”
  • “HITLER-DOUBLE WILL IN MÜNCHEN AUFTRETEN”
  • “Rentnerin hatte Granate als Deko”

Wofür in der “Bild”-Ausgabe von heute kein Platz war:

  • eine Bitte um Entschuldigung oder wenigstens eine Korrektur, dass die Redaktion gestern auf ihrer Titelseite ein unvepixeltes Foto einer Frau gezeigt hat, die laut “Bild” bei einem Unfall in Südtirol ums Leben gekommen sein soll — die aber in Wirklichkeit überhaupt nichts mit dem Unfall zu tun hat, die nicht mal in Südtirol war und die vor allem: lebt.

“Bild”-Chef Julian Reichelt sagte mal über sich selbst:

Es fällt mir grundsätzlich leicht, mich zu entschuldigen, wenn wir Fehler gemacht haben. Es ist aber nicht so, dass ich mich über Entschuldigungen freue, gar nicht. Ich glaube aber, dass sie ein wichtiger Teil der journalistischen Aufrichtigkeit und Ausdruck unserer proaktiven Kommunikation sind.

Und Springer-Chef Mathias Döpfner lobte mal die angeblich so “tolle” Fehler-Kultur bei “Bild”:

Und was ich toll finde: Dass Julian Reichelt, wenn er Fehler macht, sich dafür entschuldigt und sofort Transparenz herstellt.

Basisdemokratie als Volksmusik, Wahlforscher, Selbstbespieglung

1. #12062020olympia: Die Klimabewegung hat ein Abgrenzungsproblem
(vice.com, Thembi Wolf)
Der umtriebige Geschäftsführer der Firma Einhorn und Initiator des Olympiastadion-Events #12062020olympia hat sich im Gespräch mit Tilo Jung merkwürdig bis ungeschickt zu der Frage geäußert, ob bei dem Event auch Nazis willkommen seien. Anlass für Thembi Wolf, etwas anzusprechen, was sie für ein Problem neuer sozialer Bewegungen hält: die Konsenssucht. “Soziale Bewegungen sind Volksmusik geworden. Alle können sich unterhaken, alle können den Text mitsingen. Ein bisschen Liebe, ein bisschen Frieden. Wer könnte darüber uneinig sein? (…) Mehr Basisdemokratie — klingt gut! Aber ist es vielleicht eher das Setting für einen dystopischen Netflix-Thriller, wenn ein Unternehmen ein Stadion mietet, um darin Petitionen abstimmen zu lassen?”

2. Wen frag ich denn heute?
(katapult-magazin.de, Lukas Brenner)
Medien veröffentlichen gerne und regelmäßig politische Umfragen beziehungsweise Umfrageergebnisse wie die zur bekannten “Sonntagsfrage”. Entsprechend viele “Umfrageinstitute” tummeln sich auf dem Markt: Forsa, Allensbach, Forschungsgruppe Wahlen, Infratest dimap, Infas, Insa, Kantar Emnid, GMS, GESIS, YouGov, Civey … Lukas Brenner hat sich die Methoden der Demoskopen angeschaut. Sein Urteil: “Einige Institute verwenden umstrittene Methoden und sind politisch nicht neutral.”

3. Ist der Ruf erst ruiniert, der Intendant den Halt verliert
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
“DWDL”-Chefredakteur Thomas Lückerath kommentiert das Vorgehen des WDR-Intendanten Tom Buhrow in der Causa “Umweltsau”: “Ausgerechnet in Hochzeiten von Fake News und Stimmungsmache darf ein Journalist und ehemaliger Nachrichtensprecher nicht zulassen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk zum Spielball von Stimmungsmache wird, die langsam aber stetig die Koordination des Erlaubten verschieben will. Satire, ob bissig oder banal, ob mal treffsicher oder weniger gelungen, bleibt Satire. Es beschämt mich allein schon, diese Zeilen schreiben zu müssen. Ohne hyperventilierende Medien und Buhrows Entschuldigung wäre es der Sturm im Wasserglas geblieben.”

4. Eine 18-Jährige beschwört auf Tiktok die Eskalation zwischen USA und Iran zum «Dritten Weltkrieg» herauf – und erreicht damit ein Millionen-Publikum
(nzz.ch, Gabriela Dettwiler & Reto Stauffacher)
Die 18-jährige Schülerin Laura Sophie aus München hat auf Tiktok mehr als 2,2 Millionen Followerinnen und Follower, die sie mit Tanzvideos und kleinen Schulgeschichten versorgt. Am Wochenende veröffentlichte sie ein (nicht mehr öffentlich einsehbares) Erklärvideo, warum es möglicherweise zu einem Dritten Weltkrieg kommen könnte. Die “NZZ” kritisiert: “Es ist fragwürdig, wenn junge Erwachsene wie Laura Sophie unwidersprochen Halbwahrheiten an Millionen von Menschen verbreiten können. Sie scheinen sich nicht bewusst zu sein, dass sie mit ihren Videos mehr Menschen erreichen als viele Tageszeitungen und bei ihren Followern eine Kompetenzfunktion besitzen. Dass ihre «Kriegserklärung» ohne Einordnung auf Plattformen wie Tiktok oder Twitter zirkuliert, ist gefährlich.”

5. “Dieser Bericht ist unanständig”
(deutschlandfunkkultur.de, Martin Böttcher, Audio: 6:52 Minuten)
Vergangenes Jahr sorgte der Film “Leaving Neverland” und die darin enthaltenen Kindesmissbrauchsvorwürfe gegenüber Michael Jackson für einiges Aufsehen. Nun hat der TV-Sender Sat.1 eine Doku gesendet, die anscheinend eine Art Gegenposition beziehen und den Musiker entlasten soll. Filmkritiker Wolfgang M. Schmitt hat sich den 110-Minuten-Beitrag (inklusive Werbeunterbrechungen) angeschaut. Der Film komme wie ein überlanger Bericht aus einem typischen Boulevard-Magazin daher, sei einseitig und ziehe falsche Schlüsse.

6. Alles neu denken – der Prozess hinter dem Relaunch des digitalen SPIEGEL
(medium.com/@devspiegel)
Lust auf eine Überdosis Marketing-Bla-Bla? Dann gönnt Euch diesen Artikel der “Spiegel”-Leute zur neu überarbeiteten Website — ein Mix aus BWL-Gelaber, inhaltsleeren Worthülsen und peinlichem Selbstlob. Es entsteht der fatale Eindruck, dass es nicht von Belang ist, ob hier mit Schrauben oder Journalismus gehandelt wird. Aber vielleicht war es ja auch nur ein emotionaler Ausrutscher im narzisstischem Liebesrausch der Selbstbespieglung.

“Bild” berichtet über den Unfall in Südtirol: “HABT IHR SIE NOCH ALLE?”

Die “Bild”-Medien berichten seit einigen Tagen ausgiebig über einen Unfall in Südtirol, bei dem sieben Menschen starben, und der Fahrer stark alkoholisiert war. Dabei läuft sehr vieles sehr schief.

***

Auf der heutigen “Bild”-Titelseite zeigt die Redaktion Fotos der Opfer und des Unfallfahrers:

Ausriss Bild-Titelseite - Horror-Unfall in Südtirol - Die jungen Leben zerstörte der Totraser - Und dieses Auto machte er zur Waffe

Die Unkenntlichmachung bei drei der Opfer und beim Fahrer stammt von uns, die beim Opfer ganz rechts stammt von “Bild” (dazu später mehr). Das zweite Opferfoto von links, das “Bild” heute auf Seite 1 und auf Seite 3 unverpixelt zeigt und das auch bei Bild.de auf der Startseite unverpixelt zu sehen war, zeigt allerdings eine Frau, die mit dem Unfall rein gar nichts zu tun hat. Sie war nicht in Südtirol und vor allem: sie lebt.

Gestern Abend schrieb sie bei Facebook (nur für Freunde öffentlich zu sehen):

LIEBE BILD? Wie kann das passieren? Ich bin am Leben und es wird wahllos ein Bild vor gefühlt 8 Jahren ins Netz gestellt obwohl ich nicht betroffen bin? HABT IHR SIE NOCH ALLE? schlimm genug dass ihr mit der Story Kohle verdient!

Bild.de hat das Foto inzwischen ausgetauscht und zeigt nun zum selben Opfernamen ein unverpixeltes Foto einer anderen Frau. Im “Bild”-E-Paper war das Foto noch lange zu sehen. Inzwischen sind auch dort die Fotos auf der Titelseite und auf Seite 3 ausgetauscht. An Tankstellen, in Bäckereien und an Kiosken liegen hingegen weiter Hunderttausende “Bild”-Exemplare aus, auf deren Titelseiten eine lebende Frau mit unverpixeltem Foto für tot erklärt wird.

Wir haben bei “Bild”-Sprecher Christian Senft nachgefragt, wie es zu dem Fehler kommen konnte. Er hat uns bisher nicht geantwortet.

***

Die “Bild”-Medien zeigen Fotos von vier weiteren Personen, bei denen es sich um Menschen handeln soll, die bei dem Unfall gestorben sind. Als Quellenangabe gibt die Redaktion für alle “PRIVAT” an, was nichts anderes heißen dürfte als: Bei Facebook oder Instagram per rechter Maustaste zusammengeklaubt.

Außerdem geht “Bild” sehr unterschiedlich bei der Unkenntlichmachung vor: Manche Fotos sind verpixelt, andere nicht. Bei den zwei Personen, die verpixelt sind, steht in den Bildunterschriften:

Ausriss Bild-Zeitung - Auf Wunsch der Eltern hat Bild sein Foto verpixelt und Auf Wunsch der Familie hat Bild das Foto verpixelt
(Unkenntlichmachung durch uns.)

Eines der Fotos zeigt einen Mann, das andere eine Frau. Bei dem Mann ist die “Bild”-Redaktion ziemlich inkonsequent: Im Blatt ist sein Gesicht entsprechend der Bildunterschrift verpixelt, auf der Titelseite hingegen nicht — zumindest in der E-Paper-Ausgabe. Bei der gedruckten “Bild” ist sein Gesicht zumindest in Berlin auch auf der Titelseite verpixelt. Nachdem wir “Bild”-Sprecher Senft in unserer Mail auf die fehlende Verpixelung auf Seite 1 aufmerksam gemacht haben, hat die Redaktion es auch im E-Paper überall verpixelt.

Wir wollten von Christian Senft wissen, ob “Bild” und Bild.de bei den Eltern aller Opfer nachgefragt hat, ob diese mit einer Foto-Veröffentlichung — gepixelt oder ungepixelt — einverstanden sind. Er hat uns bisher nicht auf unsere Frage geantwortet.

Und wir haben Senft gefragt, ob “Bild” die Eltern und Familien, die in den Bildunterschriften erwähnt werden, vor der Veröffentlichung der Fotos gefragt hat, ob das verpixelte Zeigen ihres Kindes für sie in Ordnung ist — oder ob diese sich bei “Bild” melden mussten, nachdem die Redaktion die Fotos bereits unverpixelt veröffentlicht hatte, um wenigstens noch die Verpixelung zu erreichen.

Auch darauf hat Christian Senft nicht geantwortet. Es spricht aber vieles dafür, dass die Familien intervenieren mussten, damit die Fotos ihrer Kinder nachträglich verpixelt werden: Der oben bereits erwähnte Mann, dessen Foto die “Bild”-Medien “auf Wunsch der Eltern” verpixelt haben, war gestern Nachmittag noch ohne Unkenntlichmachung auf der Bild.de-Startseite zu sehen:

Screenshot Bild.de - Suff-Fahrer raste J. in den Tod
(Unkenntlichmachung durch uns.)

Entweder haben die Eltern sich umentschieden (erst unverpixelt in Ordnung, dann nur verpixelt in Ordnung). Oder die “Bild”-Redaktion hat einfach, ohne zu fragen, das Foto unverpixelt veröffentlicht, und die Eltern mussten aktiv werden.

Ganz ähnlich bei der Frau, deren Foto “Bild” “auf Wunsch der Familie” verpixelt hat: Anfangs war ein Foto, das sie zeigt, bei Bild.de verpixelt, dann nicht mehr und nun wieder.

***

Wir haben “Bild”-Sprecher Senft gefragt, ob die Eltern und Familien der Opfer, deren Fotos nicht verpixelt sind, einer unverpixelten Veröffentlichung zugestimmt haben, oder ob sie sich bisher einfach nicht gegen die unverpixelte Veröffentlichung gewehrt haben. Auch darauf bekamen wir keine Antwort.

Die Veröffentlichung des Fotos der Frau, die “Bild” fälschlicherweise für tot erklärt hat, spricht dafür, dass die “Bild”-Medien niemanden vorher gefragt haben — denn wer stimmt schon einer (unverpixelten) Veröffentlichung zu, wenn man überhaupt nichts mit dem Fall zu tun hat?

***

Viele Beiträge zum Thema hat Bild.de hinter die Paywall gestellt. So auch diesen “MIT VIDEO”:

Screenshot Bild.de - Um 16.55 Uhr postete J. noch ein Video aus dem Hexenkessel - Knapp neun Stunden später war sie tot
(Unkenntlichmachung des Namens und der Person in der Mitte durch uns. Unkenntlichmachung der beiden Personen außen durch Bild.de.)

Nicht nur, dass die Redaktion sich private Videoaufnahmen einer verstorbenen Person besorgt — sie versucht dann auch noch, damit ein paar Abos zu verkaufen und Geld zu machen.

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Um an Informationen zu kommen, scheinen die “Bild”-Medien nicht nur die Profile der Opfer in den Sozialen Netzwerken zu durchforsten — offenbar behelligen sie auch deren Familien. Bei Reddit schreibt ein User:

Heute hab ich plötzlich eine Nachricht von einer Freundin bekommen, dass eines der Opfer der Bruder ihres Freundes ist. Ich kannte den verstorbenen Bruder nicht persönlich, aber dafür ihren Freund und war auch wenn ich nicht viel mit ihm zutun habe zutiefst geschockt.

Was mir allerdings dann erzählt wurde lässt mir echt den Kragen platzen. Anscheinend haben irgendwelche fuckig Reporter von der Bildzeitung wie auch immer herausgefunden, wo die Angehörigen des verstorbenen wohnen und noch am selben Tag angeschellt, die Familie bedrängt und nach einem Interview gefragt. Wie kann man so fucking dreist sein? Man kriegt die Nachricht von der Polizei, dass dein Sohn/Bruder gestorben ist und am selben Tag kommt die scheiß Bildzeitung zu dir nach Hause und fragt nach einem Interview, damit sie aus der Tragödie anderer Menschen Material für ihre scheiß Titelseite haben um Leute zu ködern ihre scheiß Zeitung zu kaufen?

Außerdem haben uns mehrere BILDblog-Leserinnen und -Leser geschrieben, dass sie Verwandte der Opfer kennen. Sie alle sagen, dass die Berichterstattung der “Bild”-Medien für die Familien nur schwer zu ertragen sei.

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Neben den Fotos der Opfer veröffentlichen “Bild” und Bild.de auch mehrere unverpixelte Fotos des Unfallfahrers. Online ist sein Gesicht seit mehreren Tagen durchgängig auf der Startseite zu sehen. Dass der Mann derzeit “als psychisch nicht stabil gilt”, berichten die “Bild”-Medien zwar; ein Grund, seine Fotos nur verpixelt zu zeigen, ist das für sie aber offensichtlich nicht. In einem Video zeigte Bild.de sogar eine unverpixelte Aufnahme, während ein Reporter erzählt, dass der Mann gerade in eine psychiatrische Einrichtung eingeliefert wurde.

Wir haben den “Bild”-Sprecher gefragt, ob die Redaktion eine Erlaubnis des Mannes hat, seine Fotos ohne Unkenntlichmachung zu zeigen. Christian Senft hat darauf nicht geantwortet.

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“Bild” und Bild.de hauen alles zu dem Fall raus, was sie in die Finger bekommen. Zwei Titelseiten sind zu dem Unfall in Südtirol schon erschienen, im Blatt zwei Doppelseiten, weit mehr als ein Dutzend Artikel bei Bild.de und dazu online mehrere Live-Sendungen. Es wirkt ein bisschen wie ein weiterer Probelauf für den geplanten “Bild”-TV-Sender: Wie groß können alle “Bild”-Kanäle auf einmal ein Thema machen?

Dafür sind 14 (!) Autorinnen und Autoren im Einsatz. Mit ihrer Arbeit sorgen sie dafür, dass Familien, die gerade einen geliebten Menschen verloren haben, sich in ihrer Trauer auch darum kümmern müssen, dass das Schicksal ihres Kindes, ihres Bruders oder ihrer Schwester nicht gnadenlos von einer Boulevardredaktion ausgeschlachtet wird.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Nachtrag, 8. Januar: Von “Bild”-Sprecher Christian Senft haben wir nach wie vor keine Antworten auf unsere Fragen bekommen. “DWDL” hat er heute allerdings geantwortet:

Gegenüber DWDL.de äußerte sich Springer-Sprecher Christian Senft am Mittwoch jedoch zu der Foto-Panne: “Aufgrund eines bedauerlichen Fehlers in der Herstellung ist bei der umfassenden Berichterstattung von ‘Bild’ zum tragischen Unfall in Südtirol in der gedruckten Zeitung ein falsches Foto für eines der Unfallopfer erschienen. Wir haben dafür bei der betroffenen Familie um Entschuldigung gebeten und das Foto online sowie im E-Paper sofort ausgetauscht. Insofern uns die Familien darum gebeten haben, wurden die Fotos der Opfer bei der Berichterstattung verpixelt.”

Eine Antwort auf die Frage, weshalb sich “Bild” überhaupt dazu entschlossen hat, Fotos der Opfer unverpixelt zu drucken, gab es nicht.

Nachtrag, 9. Januar: Für eine Bitte um Entschuldigung oder wenigstens eine Korrektur, dass die Redaktion eine falsche Person für tot erklärt hat, war in “Bild” bisher leider kein Platz.

Neurechte Schmähgemeinschaft, Mordmetropole, “Homo-Milieu”

1. Berlin doch nicht Mordmetropole Europas
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Ist Berlin tatsächlich die “Hauptstadt der Tötungsdelikte”, wie es kürzlich in den Blättern des Berliner Verlags hieß? Stefan Niggemeier ist der Meldung nachgegangen und kommt, so viel kann verraten werden, zu einem gänzlich anderen Schluss.

2. Die Schmähgemeinschaft der neuen Rechten
(netzpolitik.org, Daniel Laufer)
Über mehrere Jahre habe der Sprachwissenschaftler Joachim Scharloth Artikel und Kommentare rechter Internetportale gesammelt und ausgewertet. Die neue Rechte definiere sich vor allem über Beleidigungen und herabwürdigende Sprache und könne daher als “Schmähgemeinschaft” bezeichnet werden. Allein für Angela Merkel habe Scharloth über 1000 Beschimpfungen gefunden. Insgesamt habe er bei seiner Bestandsaufnahme mehr als 30.000 unterschiedliche Schimpfwörter erfasst.
Weiterer Lesehinweis: Soleimani: «Tot» und «Tötung» oder «Mord» und «ermordet»: “Der Sprachgebrauch deckt auf, welche Medien nicht im Klartext informieren, wenn es um die befreundeten USA geht.” (infosperber.ch, Urs P. Gasche).

3. Im ZDF ist das “Homo-Milieu” noch lebendig
(queer.de)
Obwohl seit Jahren kritisiert, tauchen in Medienberichten und Pressemitteilungen immer noch Begriffe wie “Homo-Milieu”, “Homosexuellen-Milieu” oder “Schwulen-Milieu” auf. Jüngst sei der Begriff in einer (laut queer.de ansonsten empfehlenswerten) ZDF-Doku über den Mord an Walter Sedlmayr verwendet worden.

4. Ohne bösen Vorsatz
(deutschlandfunk.de, Mirjam Kid & Annika Schneider, Audio: 7:29 Minuten)
Der Deutschlandfunk hat mit “Buzzfeed”-Redakteur Marcus Engert über eine Falschmeldung beziehungsweise ungenaue Meldung der Leipziger Polizei und deren Folgen unterhalten. Engerts Rat: Journalistinnen und Journalisten sollten die Social-Media-Accounts der Polizei nicht als privilegierte Quellen betrachten und entsprechende Meldungen gegenrecherchieren.

5. Stimmungsmache im Netz: “Die Empörungsmaschinerie sprang an”
(t-online.de, Nicole Diekmann)
Eine offensichtlich ironisch gemeinte Bemerkung bescherte der ZDF-Korrespondentin Nicole Diekmann vor einem Jahr einen gewaltigen Shitstorm. Gerade haben wir mit dem Satireliedchen von der Oma als “Umweltsau” einen ähnlichen Vorgang erlebt. Diekmann attestiert den Sendern Fehleinschätzungen und eine katastrophale Krisenkommunikation: “Keine Frage danach, ob womöglich eine Agenda hinter einem Shitstorm steckt. Ob im Netz dazu aufgerufen wurde, in Zuschauerredaktionen anzurufen. Stattdessen hektischer Aktionismus, der eben denen in die Hände spielt, die die Algorithmen verstanden haben und sie zu ihren Zwecken zu nutzen wissen. Noch immer fällt man auf sie herein und macht im Zweifel alles nur noch schlimmer mit aussichtslosen Versuchen, die neuen Dynamiken mit den traditionellen Instrumenten in den Griff zu kriegen. In etwa so, als würde man ein Pferd vor ein liegengebliebenes Auto spannen.”

6. Glaskugelige Kaffeesatzlesereien 2020
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer hat turnusgemäß die Glaskugel aus dem Schrank geholt und wirft einen Blick auf mögliche Medienentwicklungen des bevorstehenden Jahres. Er geht dabei auch schonungslos seine Prognosen des Vorjahres durch: Knüwer kommt auf einen Endstand von 1,5 zu 7,5 Punkten (“So, verzeihen Sie das Wort, beschissen daneben lag ich noch nie”). Wie auch immer die nächste Auswertung ausfällt: Seine aktuellen Prognosen sind dennoch lesenswert.

Bild.de liefert “Terror”-Futter für Islamhasser und rechte Hetzer

+++ Messermann erschossen! Polizei verhindert Terror-Anschlag in Gelsenkirchen! +++

… schreibt der AfD-Bundestagsabgeordnete Johannes Huber.

++ Angreifer erschossen: Islamistischer Terror-Anschlag vereitelt! ++

… schreibt die AfD-Fraktion, die im nordrhein-westfälischen Landtag sitzt.

+++ Islamistischer Terror? Bewaffneter greift Polizeiwache an, ruft “Allahu akbar” und wird erschossen! +++

… schreibt der AfD-Landesverband Hessen.

Islamisch motivierter Anschlag konnte vereitelt werden!

… schreibt Pierre Jung, Sprecher des AfD-Kreisverbandes Hamm.

Polizei verhindert Terror-Anschlag!

… schreibt Dimitri Schulz, der für die AfD im hessischen Landtag sitzt.

Sie alle beziehen sich in ihren Facebook-Posts auf einen Artikel, der gestern Abend bei Bild.de erschienen ist. Darin geht es um einen Vorfall in Gelsenkirchen: Ein Mann soll sich einer Polizeiwache genähert und dabei mit einem Gegenstand, wohl einem Stock, auf einen Streifenwagen geschlagen haben. Zwei Polizisten, die vor der Wache standen, sollen ihn aufgefordert haben, dies zu unterlassen und stehenzubleiben. Der Mann soll auf sie zugegangen sein und in der anderen Hand ein Messer getragen haben. Daraufhin soll einer der Polizisten den Mann erschossen haben.

Ob es sich dabei um einen “Terror-Anschlag” handelte, den die Polizisten vereitelten, ob es tatsächlich einen islamistischen Hintergrund gab, und ob der Mann wirklich “Allahu Akbar” rief — all das war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Bild.de-Beitrags alles andere als klar. Und dennoch titelte die Redaktion auf ihrer Startseite:

Screenshot Bild.de - Messer-Mann (37) erschossen - Polizei verhindert Terror-Anschlag in Gelsenkirchen

Sowas greifen die AfD-Abgeordneten, -Landesverbände und -Fraktionen genauso gern auf wie die Facebook-Gruppen “Unsere Heimat Deutschland”, “Deutschland – quo vadis”, “Frankfurt gegen Salafismus – Das Original”, “Patrioten des Vaterlands 5” und so weiter. Auch die NPD verbreitet den Bild.de-Artikel, der laut dem Analysetool CrowdTangle allein bei Facebook bisher mehr als 5000 Mal geteilt wurde.

Direkt zu Beginn ihres Textes schreiben die zwei “Bild”-Autoren Celal Çakar und Frank Schneider:

Die Polizei ist sich sicher: Diese feige Attacke war ein versuchter Terror-Anschlag auf Polizisten mitten in Deutschland!

Das ist gleich aus drei Gründen interessant: Erstens hat die Polizei nicht gesagt, dass sie “sicher” sei, dass es sich um einen “versuchten Terror-Anschlag auf Polizisten” handele. Der dpa sagte ein Sprecher, dass ein möglicher terroristischer Hintergrund Gegenstand der Ermittlungen sei. Und auch Zeugenaussagen, nach denen der Mann “Allahu Akbar” gerufen habe, und die erst die zwei “Bild”-Autoren ins Spiel brachten (“Zeugen schilderten BILD, der Mann habe stattdessen laut ‘Allahu Akbar’ (arabisch ‘Gott ist groß’) gerufen”), seien einem Polizeisprecher zufolge erstmal nur “Gerüchte”, die bislang nicht bestätigt seien.

Zweitens lautete dieser erste Satz des Bild.de-Artikels mal ziemlich anders. In einer früheren Version behaupteten Çakar und Schneider noch selbst, dass es sich um einen “Terroranschlag” handelt, und schoben nicht die Polizei als vermeintliche Quelle vor:

Die Polizei hat im Ruhrgebiet einen Terroranschlag verhindert!

Und drittens hat die Polizei inzwischen bekanntgegeben, dass sie nicht von einem terroristischen Hintergrund ausgehe.

Das ist inzwischen auch bei Bild.de angekommen. Die Überschrift hat die Redaktion klammheimlich geändert in:

Screenshot Bild.de - Messer-Mann (37) erschossen - Polizisten in Gelsenkirchen angegriffen

Und den ersten Satz genauso klammheimlich in:

Die Polizei ist sich sicher: Diese feige Attacke war ein versuchter Anschlag auf Polizisten mitten in Deutschland!

Einen Korrekturhinweis darauf, dass man mal etwas völlig anderes berichtet hat, gibt es nicht. Nur zur Erinnerung: Bild.de wird von einem Mann geleitet, der über sich selbst gern sagt, dass es ihm “grundsätzlich leicht” falle, “mich zu entschuldigen, wenn wir Fehler gemacht haben.”

Mit Dank an @MeiersKaettche für den Hinweis!

Kritik an Buhrow, Selfies vor Kriegstrümmern, Plattform-Ära

1. “Eklatante Verletzung der Rundfunkfreiheit”: WDR-Redakteure kritisieren Buhrow
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Die Redakteursvertretung des WDR hat dem Intendanten Tom Buhrow und der Geschäftsleitung des Senders einen Brief geschrieben. Es geht um das umstrittene “Oma-Lied”: “Wir sind fassungslos, dass Intendant Tom Buhrow einem offenbar von Rechtsextremen orchestrierten Shitstorm so leicht nachgibt, sich vorschnell redaktionell distanziert und das (WDR2)-Video mit dem satirischen Kinderlied nicht nur löschen lässt, sich nicht nur persönlich entschuldigt, sondern dabei mehrfach öffentlich (u. a. live bei WDR2) Redakteurinnen und Redakteuren in den Rücken fällt, statt ihnen in Zeiten inszenierter Empörungswellen gegen den WDR und den ÖRR den Rücken zu stärken.” Mittlerweile habe die Redakteursvertretung jedoch zwei Vorwürfe aus ihrem Schreiben zurückgenommen.
Weiterer Lesehinweis: Die Kollegen den Löwen zum Frass vorgeworfen (tagesspiegel.de, Klaus Brinkbäumer).

2. Die Ära der Plattformen: Sieben Probleme für die nächsten Jahrzehnte
(sebastianmeineck.wordpress.com)
Sebastian Meineck denkt über die “Ära der Plattformen” nach, zu denen er nicht nur die klassischen Sozialen Netzwekre und Kommunikationsmedien, sondern auch Unternehmen wie Amazon zählt: “Eine Plattform startet zwar meist als wirtschaftliche Akteurin, aber sobald sie erfolgreich wird, sind ihre Entscheidungen auch politisch. Denn durch Netzwerkeffekte und Disruption sind mehr und mehr Menschen auf der Plattform aktiv, und Entscheidungen der Plattform-Betreiber:innen haben einen massiven Einfluss auf die Öffentlichkeit. Große Plattformen befinden sich also in einer Doppelrolle zwischen Politik und Wirtschaft, in der sich finanzielle Interessen und öffentliche Verantwortung gegenüberstehen.”

3. Die italienische “Vogue” verzichtet für eine Ausgabe auf Fotoshootings
(spiegel.de)
Die italienische “Vogue”-Redaktion hat anscheinend überrascht entdeckt, dass die aufwändige Hin- und Herfliegerei für ein paar Modefotos einen nachteiligen Effekt für Umwelt und Klima hat. Deshalb soll es in der ersten Nummer des Jahres “als Statement für mehr Nachhaltigkeit” statt glamouröser Fotos nur gezeichnete Illustrationen geben.

4. Fest, frei, vogelfrei
(taz.de, Peter Weissenburger)
In der letzten Zeit sind zwei freie Journalisten im Zusammenhang mit ihrer Arbeit zum Gegenstand von Hass und Hetze geworden: Danny Hollek beim absurden Streit um das Lied von der Oma (zum Hintergrund siehe: #Umweltsau: Aufgerieben am Jahresende von Andrej Reisin, ndr.de) und Richard Gutjahr, der bereits seit Jahren belästigt, bedroht und verfolgt wird. Gutjahr hatte seinen Unmut über die seiner Ansicht nach unzureichende Unterstützung jüngst in einem offenen Brief an den Intendanten des Bayerischen Rundfunks ausgedrückt (siehe dazu auch: “Mit Hass und Hetze alleingelassen” von Sonja Peteranderl, spiegel.de). Wie viel Verantwortung tragen Sender für ihre freien Mitarbeiter? Und wieviel finanzielle Unterstützung sollten sie ihnen im Akutfall zukommen lassen?
Weiterer Lesehinweis: Debatte über öffentlich-rechtliche Sender: Worum es in der Kritik an ARD, ZDF und Co wirklich geht (tagesspiegel.de, Caroline Fetscher).

5. Selfies vor Kriegstrümmern: Influencer entdecken Syrien – und finden vieles schön
(bento.de, Marc Röhlig)
Neuerdings berichten einige Blogger und Influencerinnen aus dem Bürgerkriegsland Syrien. Was davon hat einen ernsten Hintergrund, was dient nur der platten Selbstinszenierung? Die Antworten darauf fallen recht unterschiedlich aus. Und “ist es ethisch vertretbar, ein Bürgerkriegsland zu besuchen? Stärkt so eine Reise die Zivilbevölkerung — oder nur das Regime?”

6. Liebes Netflix, die End Credits gehören mit zur Produktion
(dwdl.de, Kevin Hennings)
Beim Streaminganbieter Netflix würden am Ende eines Films die sogenannten “End Credits” im Abspann automatisch übersprungen, um per Trailer den nächsten Film zu bewerben. Eine Entwicklung in die falsche Richtung, wie Kevin Hennings findet: “Liebes Netflix, eure Sparten auf der Startseite namens ‘Beliebt auf Netflix’, ‘Derzeit beliebt’, ‘Serien für einen Serienmarathon’, und ‘Netflix Originale’, die mir augenblicklich ins Gesicht springen, sobald ich dich öffne, reichen vollkommen aus, damit ich Bescheid weiß, was du zu bieten hast. Doch dass du mir meinen zen-mäßigen Moment mit den End Credits vermiest, geht schlicht zu weit. Bewegtbild sprintet so schnell wie nie zuvor über den Bildschirm, sodass immerhin dieser Moment erhalten bleiben muss, damit jeder von uns auch einfach mal durchatmen kann.”

BILDblog hält Winterschlaf


Liebe Leserinnen und Leser,

wir verabschieden uns für den Rest des Jahres in die Winterpause — Anfang Januar sind wir wieder da. Euch und Euren Familien wünschen wir frohe Weihnachten, eine paar schöne, ruhige Tage und einen guten Start ins neue Jahr! Schön, dass ihr im vergangenen dabei wart.

Besonders möchten wir all jenen danken, die uns mit sachdienlichen Hinweisen versorgt haben. Wir haben unser Bestes gegeben, möglichst vielen davon nachzugehen. Alle haben wir nicht geschafft, aber ein paar sind es ja doch geworden.

Ebenfalls ein großes Dankeschön an all die tollen Menschen, die uns in den vergangenen zwölf Monaten finanziell unterstützt haben! Ihr habt dafür gesorgt, dass es das BILDblog auch im 15. Jahr geben konnte. Das macht uns sehr glücklich. Und wir können Euch versichern: Wir machen weiter! Wer von Euch noch nicht als Unterstützerin oder Unterstützer dabei ist, aber gern dabei sein möchte, kann hier mal nachschauen, wie das geht (wir verraten schon mal jetzt: ganz einfach und auf vielfältige Weise!).

Bringt Julian Reichelt die Familien der TV-Köche in Gefahr?

Screenshot Bild.de - Deutschlands Topf-Verdiener - Wie viel unsere TV-Köche absahnen

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Bei dieser wortspielreichen Geschichte von “Bild” und Bild.de müssten bei Chefredakteur Julian Reichelt eigentlich alle Alarmglocken läuten. Denn nach dessen Logik bringt die öffentliche Schätzung des Gehalts einer Person ja deren Familie in Gefahr — zumindest sieht es Reichelt so, wenn es um ihn selbst geht. Bekanntermaßen wollte er nicht, dass sein Einkommen geschätzt wird, als das Medienmagazin “kress pro” zu Gehältern von Chefredakteuren recherchierte.

Allerdings scheint Julian Reichelt nur bei sich selbst so strikt sein zu wollen, auf jeden Fall nicht bei Fernsehköchen. Und so sind laut der Reicheltschen Logik nun Tim Mälzers, Frank Rosins und Jamie Olivers Familien in Gefahr.

Ein Glück, dass die “Bild”-Medien nur bei den dreien in der Lage waren, Gehalt beziehungsweise Vermögen zu recherchieren. Alle anderen Zahlen, die die Redaktion nennt, sind lediglich vage Schätzungen von Gagen. Die Familien der restlichen Fernsehköche, die sich “reich gekocht” haben, wie “Bild” schreibt, können also erstmal aufatmen.

Wen Julian Reichelt nach Julian-Reichelt-Logik sonst noch in Gefahr gebracht haben könnte:

Mit Dank an Tony und @8menschlich für die Hinweise!

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