Die USA gegen Julian Assange, Nicht strafbar, Nehmt die Klimakrise ernst!

1. Wikileaks – Die USA gegen Julian Assange
(ardmediathek.de, Elena Kuch & Robert Holm, Video: 59:34 Minuten)
Mit die lohnenswertesten 60 Minuten, die man derzeit für eine Dokumentation mit Medienbezug im deutschen Fernsehen aufwenden kann: Der Film zeigt nicht nur den Aufstieg und Fall des Julian Assange, sondern zeichnet ein differenziertes Bild von Assange als Spielball politischer Interessen. Außerdem erfährt man, auf welch unfassbare Weise der Wikileaks-Gründer in der ecuadorianischen Botschaft in London von einer korrupten Überwachungsfirma bespitzelt wurde. Erstmals spricht auch seine Partnerin Stella Moris, die mit Assange zwei Söhne hat, über die Umstände ihrer geheimgehaltenen Beziehung. Absolut sehenswert, auch wenn man meint, bereits viel über den Fall Assange zu wissen.

2. Journalist:innen, nehmt die Klimakrise endlich ernst!
(uebermedien.de, Sara Schurmann)
Die Journalistin Sara Schurmann ruft Medienschaffende in einem offenen Brief dazu auf, bei jeder Berichterstattung die Auswirkungen auf das Klima mitzudenken: “Viele Journalist:innen betonen zu Recht, den Unterschied von Aktivismus und Journalismus. Aber die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels als vierte Gewalt zu kontrollieren, ist kein Aktivismus. Es ist wissenschaftlich, menschlich und journalistisch geboten. Wir Journalist:innen können das Versagen der Politik nicht einfach nur protokollieren. Politische und wirtschaftliche Entscheidungen, die zur Nicht-Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels führen, sind nicht bloß eine Seite einer Geschichte, die wir zu Wort kommen lassen müssen. Die Klimakrise ist akut bedrohliche Realität.”

3. Nicht strafbar
(taz.de, Christian Rath)
Die “taz” will aus Kreisen der Berliner Staatsanwaltschaft erfahren haben, dass die heftig diskutierte Polizei-Kolumne der “taz”-Autorin Hengameh Yaghoobifarah voraussichtlich keine strafrechtlichen Folgen haben werde. Die Deutsche Polizeigewerkschaft und die Gewerkschaft der Polizei hatten zuvor Strafanzeige gestellt. Auch Innenminister Horst Seehofer hatte darauf beharrt, dass “Straftatbestände erfüllt” seien.

Bildblog unterstuetzen

4. Journaillesoziolektisches: »Kretschmann-Crash«
(noemix.wordpress.com, Michael Nöhrig)
Ein tragischer Auffahrunfall, bei dem ein Kleinkind ums Leben kam, wird von vielen Redaktionen als “Kretschmann-Crash” oder ähnlich bezeichnet, obwohl es sich um einen Folgeunfall handelte, an dem der grüne Ministerpräsident Baden-Württembergs nicht beteiligt war. Michael Nöhrig hat einige der Schlagzeilen zusammengestellt.

5. Der Journalist Sean Hannity
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz, Audio: 5:23 Minuten)
Der US-amerikanische Radio- und Fernsehmoderator Sean Hannity beschert dem US-Fernsehsender Fox News tolle Quoten. Ein Reporter der “Washington Post” sieht starke Parallelen zwischen Hannity und Donald Trump: “Beide sind keine Intellektuellen, sie sprechen eine klare Sprache und sind kulinarisch wenig anspruchsvoll. Bei aller Radikalität, die die beiden zur Schau stellen: Mit jedem von ihnen könne sich der amerikanische Durchschnittsbürger vorstellen, abends in der Bar ein Bier zu trinken.” Der Deutschlandfunk berichtet über den sich selbst “Meinungsjournalist” nennenden millionenschweren Medienmann und dessen symbiotische Beziehung zum US-Präsidenten.

6. Bild-Chef Reichelt: “Wenn mein 11-jähriges Kind fünf Geschwister verloren hätte und unter Schock seinem 12-jährigen Freund WhatsApp-Nachrichten dazu schreibt, hätte ich auch gern, dass ganz Deutschland sie lesen kann”
(der-postillon.com)
Manchmal treffender als jede Medienkritik: die Überschrift einer “Postillon”-Meldung.

“Bild”: Enteignung oder Boykott?, Klima-Framing, Obskurer Appell

1. Warum man die BILD enteignen und zerschlagen muss.
(facebook.com/stephan.anpalagan)
Nachdem die “Bild”-Redaktion private WhatsApp-Nachrichten eines Kindes veröffentlicht hatte, dessen Geschwister gerade getötet wurden (BILDblog berichtete), erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Journalisten und Journalistinnen der unterschiedlichsten Medien distanzierten sich von dieser Form der Berichterstattung und bekundeten ihren Abscheu und Ekel. Stephan Anpalagan hat den Glauben an Appelle und an die Wirksamkeit von Rügen verloren: “Diese ‘Zeitung’ ist kaputt. Es gibt kaum eine Möglichkeit, sie zur Rechenschaft zu zwingen und sie abzustrafen. Die BILD suhlt sich seit ihrer Gründung in ihrem Allmachtswahn und sieht sich keinerlei Kontrolle und Korrektur gegenüber. Wir können uns all diese konsequenzlosen Grenzüberschreitungen nicht länger bieten lassen. Die BILD ist gefährlich. Die BILD bricht. Mit dieser Gesellschaft. Mit den Menschen, die in diesem Land leben. Deshalb muss sie enteignet und zerschlagen werden.”
Weiterer Lesehinweis: “taz”-Medienredakteurin Anne Fromm ruft zum gesellschaftsübergreifenden Boykott des Blatts auf: “Jeder sollte dieses Blatt boykottieren: LeserInnen, indem sie kein Geld dafür ausgeben, JournalistInnen, bei Bild oder Springer, indem sie sich einen anderen Job suchen. Unternehmen, indem sie dort keine Anzeigen schalten, und PolitikerInnen, indem sie dem Blatt keine Interviews mehr geben.”
Auch Tanjev Schultz, der an der Mainzer Universität unter anderem Ethik des Journalismus lehrt, ist entsetzt über das Verhalten der “Bild”-Zeitung im Fall Solingen: “Nicht jeder, der sich mit einem Presseausweis bewaffnet, sollte Journalist genannt werden. Die Kinderschüttler sind eine Schande für den Journalismus.” (t-online.de)

2. Balance zwischen Bildern und Inhalt
(mmm.verdi.de, Felix Koltermann)
Beim Zeitungsmachen kommt der Bebilderung und der Gestaltung der Beiträge eine wichtige Rolle zu. Art-Direktorin Jane Dulfaqar spricht im Interview über das Verhältnis von Fotografie, Design und Journalismus sowie über die Gefahren der Stockfotografie: “Bei Zeitungen, die viel mit Stockfotos arbeiten, sieht man, dass ‘möglichst billig’ die Devise ist. Man findet dann zu ähnlichen Themen immer ähnliche oder gar gleiche Bilder. (…) Das schafft Langeweile, Ununterscheidbarkeit in der eigentlichen Diversität unserer Zeitungslandschaft und generiert letztendlich Interessenlosigkeit an gedruckten Produkten.”
Weiterer Lesehinweis: “Wer als Model für Stockfotos posiert, bekommt wenig Geld, aber manchmal unerwartete Aufmerksamkeit”: Für 80 Euro zur weltweiten Witzfigur (spiegel.de, Daniel Ziegener).

3. Besser übers Klima schreiben
(taz.de, Kai Schöneberg & Torsten Schäfer)
Weil das Sein das Bewusstsein bestimme, gebe sich die “taz” als erstes Medienhaus in Deutschland eine klimagerechte Sprache: “Warum schreiben wir eigentlich Erderwärmung und nicht Erderhitzung? Ist die Idee eines sich kuschelig erwärmenden Planeten nicht viel zu beschönigend, wenn man daran denkt, dass sich Wüsten bilden und Menschen und Tiere wegen der Hitze keine Lebensgrundlagen mehr finden? Wer genauer über die Sprache in der Klimaberichterstattung nachdenkt, kann genauer formulieren.”
Weiterer Lesehinweis: “Der ZDF-Wetterexperte Özden Terli versucht im täglichen Wetterbericht, Fakten über die Klimakrise zu vermitteln. Dafür wird er von Zuschauern massiv angefeindet”: So kämpft ZDF-Wettermoderator Özden Terli gegen die Klimaleugner (tagesspiegel.de, Armin Lehmann).

Bildblog unterstuetzen

4. Toleranz für die Intoleranz?
(sueddeutsche.de, Philipp Bovermann & Felix Stephan)
Die Initiatoren des “Appells für freie Debattenräume” sehen sich auf breiter Front einem angeblichen Denk- und Sprechverbot ausgesetzt: “Absagen, löschen, zensieren: seit einigen Jahren macht sich ein Ungeist breit, der das freie Denken und Sprechen in den Würgegriff nimmt und die Grundlage des freien Austauschs von Ideen und Argumenten untergräbt.” Wer steht hinter dem obskuren Appell? Wer hat ihn unterzeichnet? Und worin liegen die Unterschiede zu einem ähnlichen Schreiben aus den USA? Philipp Bovermann und Felix Stephan haben sich auf die Suche nach Antworten begeben.

5. Tobias Schlegl: Vom Moderator zum Notfallsanitäter
(rnd.de, Nora Lysk)
Tobias Schlegl hatte sich über viele Jahre und einige Zwischenstationen vom Viva- zum ZDF-Moderator der Kultursendung “Aspekte” hochgearbeitet. Für viele überraschend, verabschiedete er sich vor vier Jahren vom Medienbusiness und begann eine Ausbildung zum Notfallsanitäter. Im Interview erzählt Schlegl von seinem Umzug aus dem Fernsehstudio in den Rettungswagen.
Weiterer Hörtipp: In seinem Podcast “Fighting Corona” spricht Schlegl mit den Menschen, die tagtäglich für uns im medizinischen Einsatz sind, ob als Ärztin, Rettungssanitäter oder Altenpflegerin.

6. Trumps Lieblingssender: Was hinter dem Phänomen Fox News steckt
(youtube.com, RND, Matthias Schwarzer, Video: 5:38 Minuten)
“Was ist das für eine merkwürdige Beziehung zwischen einem Nachrichtenmedium und dem US-Präsidenten?” Matthias Schwarzer erklärt in unterhaltsamen fünfeinhalb Minuten auf Youtube, was den Erfolg von Fox News ausmacht: Wie kam es zur Gründung? Wie hält es der Sender mit der Wahrhaftigkeit? Und inwieweit kann das Programm überhaupt als Journalismus bezeichnet werden?
Weiterer Lesehinweis: Der USA-Korrespondent der “Süddeutschen”, Jürgen Schmieder, berichtet über die ehrgeizigen Expansionspläne von Fox News Media und den Einstieg des Unternehmens ins weltweite Streaminggeschäft: Ausweitung der Kampfzone.

“Bild” zeigt private WhatsApp-Nachrichten eines Kindes, dessen Geschwister gerade getötet wurden

In einer Wohnung in Solingen hat die Polizei vorgestern die Leichen von fünf Kindern gefunden. Laut Staatsanwaltschaft sollen sie betäubt und erstickt worden sein. Als Verdächtige gilt die Mutter der fünf Geschwister, gegen sie wurde ein Haftbefehl erlassen. Ein sechstes Kind, ein ElfJähriger, soll zur vermuteten Tatzeit in der Schule gewesen sein. Der Junge lebt.

Viele Medien berichten über den Fall. Manche seriös und nachrichtlich, andere geschmacklos und boulevardesk. Besonders eklig ist das Vorgehen der “Bild”-Medien. Sie schrecken nicht einmal davor zurück, private WhatsApp-Nachrichten des ElfJährigen publik zu machen, die dieser verfasst haben soll, nachdem er vom Tod seiner fünf Brüder und Schwestern erfahren hat.

Ein paar unserer Beobachtungen zur “Bild”-Berichterstattung.

Noch am Donnerstagabend zeigt Bild.de ein unverpixeltes Foto der Mutter auf der Startseite. Dazu die Schlagzeile: “Drama in Solingen (NRW) – Sie soll ihre fünf Kinder getötet haben”. Inzwischen wird die Frau nur noch mit einem schmalen schwarzen Balken über den Augen gezeigt.

Am nächsten Morgen ist auf der “Bild”-Titelseite von “soll” oder einem Verdacht schon nichts mehr zu lesen. Stattdessen der Urteilsspruch der “Bild”-Richter:

Ausriss Bild-Titelseite - Drama in Solingen - Mutter (27) tötet ihre fünf Kinder

Auch auf der heutigen Seite 1 der “Bild”-Zeitung steht bereits alles fest:

Ausriss Bild-Titelseite - Von ihrer eigenen Mutter (27) betäubt und erstickt - Das Todes-Drama um die fünf Kinder von Solingen
(Augenbalken von “Bild”, weitere Unkenntlichmachung durch uns.)

Im Blatt heißt es: “Sie deckte den Frühstückstisch, dann erstickte sie ihre Kinder”.

Doch zurück zum Freitag. Am Vormittag ferndiagnostiziert im Studio von “Bild TV” ein Profiler die Motive der Mutter und erzählt vom “typischen Profil solcher Täterinnen”. Reporterinnen und Reporter von “Bild” sind in Solingen vor Ort, stürzen sich auf Nachbarinnen oder Bekannte der Familie. Manche von ihnen sind ziemlich redselig.

Am Freitagabend dann der bisherige Tiefpunkt der grässlichen “Bild”-Berichterstattung:

Screenshot Bild.de - Freund Name von uns unkenntlich gemacht telefonierte mit dem Sohn, der überlebte
(Diese und alle folgenden Unkenntlichmachungen im Beitrag durch uns.)

Die Verdächtige soll sich nach der Tat mit ihrem elfjährigen Sohn getroffen, ihm vom Tod der Geschwister erzählt und ihn zur Großmutter geschickt haben. Auf dem Weg dorthin soll der Junge mehreren Freundinnen und Freunden bei WhatsApp geschrieben beziehungsweise Sprachnachrichten geschickt haben. Einen dieser Freunde hat sich “Bild” geschnappt. Die Redaktion lässt den Jungen, der gerade mal zwölf Jahre alt ist, erzählen, was ihm sein Kumpel alles anvertraut hat:

In BILD schildert […], was er über die tödliche Tragödie in der Familie seines besten Freundes […] weiß.

Die “Bild”-Redaktion benutzt ein Kind, um an private Aussagen eines anderen Kindes zu kommen. Ihr scheint dabei völlig egal zu sein, in was für einer grausamen Situation sich der Elfjährige befindet. Rücksichtslos veröffentlicht sie Zitate aus dem Telefonat der zwei Jungen. Sie zeigt auch einen Screenshot der WhatsApp-Unterhaltung der beiden – die Nachrichten des Elfjährigen seien “ein Schmerzensschrei und Hilferuf, wie sie schrecklicher nicht sein können.” Das alles passiert offenbar mit Einwilligung der Mutter des Zwölfjährigen. Die “Bild”-Redaktion schreibt extra, als wüsste sie genau, wie verwerflich ihr Vorgehen wirkt:

[…] ist 12 Jahre alt und bekam die erschütternde WhatsApp-Nachricht. Bei dem Interview mit BILD war die ganze Zeit seine Mutter anwesend

Als würde die Anwesenheit der Mutter das alles rechtfertigen; als würde eine Redaktion jegliche Verantwortung abgeben, nur weil sie jemanden gefunden hat, der bereit ist, intimste Nachrichten eines vermutlich traumatisierten, verzweifelten Kindes, das gerade alle fünf Geschwister verloren hat, öffentlich zu machen. Wie menschenverachtend kann eine ganze Redaktion sein? Sitzt dort wirklich niemand, der oder die in so einer Situation protestiert: “Nee, Leute, das können wir nun wirklich nicht machen”?

Stattdessen nutzt die “Bild”-Redaktion die schreckliche Situation des Kindes auch noch, um ein bisschen Geld zu verdienen: Sie hat den Artikel mit den WhatsApp-Nachrichten und den Details zum Telefonat hinter die “Bild plus”-Bezahlschranke gestellt. In der “Bild”-Leserschaft scheint es leider genug Leute zu geben, die richtig scharf auf solchen Stoff sind:

Screenshot Bild.de - Top Bild-plus-Artikel - Platz 1: Mutter tötete fünf ihrer Kinder - Name telefonierte mit dem Sohn, der überlebte

Nachtrag, 13:52 Uhr: Die Berichterstattung von RTL und RTL.de ist leider kein Stück besser. Online sind Fotos der Mutter ohne irgendeine Unkenntlichmachung zu sehen. Auch RTL, seit rund eineinhalb Jahren inhaltlich von der ehemaligen “Bild”-Chefredakteurin Tanit Koch verantwortet, hat Reporterteams in Solingen vor Ort. Eine Reporterin hat ebenfalls mit dem Zwölfjährigen ein Interview geführt, in dem dieser von den privaten Nachrichten seines elfjährigen Freundes erzählt. Diese Nachrichten werden bei RTL.de auch zitiert. Der Zwölfjährige ist unverpixelt zu sehen, sein vollständiger Name wird eingeblendet. Es gibt allerdings einen Unterschied zur Berichterstattung bei Bild.de: Bei RTL sagt der Zwölfjährige, dass er zwar bei dem Elfjährigen angerufen habe, aber eine andere Person den Anruf angenommen habe – er also gar nicht mit seinem Freund am Telefon gesprochen habe. Das würde der Bild.de-Schlagzeile “Freund […] telefonierte mit dem Sohn, der überlebte” und einigen Behauptungen im dazugehörigen Artikel widersprechen.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Bei Bild.de hat Respektlosigkeit Tradition

Auf der Insel North Sentinel im Indischen Ozean leben die Sentinelesen, eines der letzten von der Außenwelt gänzlich isolierten indigenen Völker. Den Kontakt mit Außenstehenden lehnen sie ab. Im rund 55 Kilometer Luftlinie entfernten Port Blair, einige Inseln weiter östlich, gab es kürzlich mehrere Corona-Fälle.

Darüber berichtete gestern auch Bild.de. Die Redaktion hat sogar mit einem Vertreter der Menschenrechtsorganisation Survival International gesprochen, die sich allgemein für indigene Völker und speziell für die Sentinelesen einsetzt:

Niklas Ennen von der Menschenrechtsorganisation Survival Internaltional [sic] sagt zu BILD: “Von einer Corona-Infektion auf der Insel der Sentinelesen gibt es bislang noch keine gesicherten Hinweise. In einer gefährlichen Situation befinden sich aber alle unkontaktierten Völker, für die ein Kontakt mit der Mehrheitsgesellschaft lebensbedrohlich sein kann.”

Auch die Sentinelesen seien “extrem anfällig für eingeschleppte Krankheiten”, so Ennen. Während einer globalen Pandemie sei “das Risiko einer folgenschweren Infektion noch größer.” Daher brauche es eine “angemessene Überwachung” der um North Sentinel herum befindlichen Gewässer. Und dann, schreibt Bild.de, habe Ennen über die Sentinelesen noch gesagt:

“Wir versuchen den Begriff ‘Steinzeitmenschen’ zu vermeiden, da er suggeriert dass diese Menschen einer früheren Entwicklungsstufe angehören. Das stimmt aber nicht. Auch indigene und unkontaktierte Völker entwickeln sich – wenn auch in einer anderen Art und Weise, als wir dies tun.”

Welche Überschrift hat die “Bild”-Redaktion wohl für ihren Artikel gewählt, in dem sich dieser Appell gegen die respektlose Bezeichnung befindet? Genau:

Screenshot Bild.de - Indigene Völker in Gefahr - Auch das noch – Corona-Alarm bei den Steinzeitmenschen!

Diese Respektlosigkeit hat bei Bild.de Tradition.

Mit Dank an @julianzado und sven für die Hinweise!

Bildblog unterstuetzen

Teurer Cyber-Hass, Desinformation, Illustre Männerrunde

1. Cyber-Hass wird teuer
(taz.de, Ralf Leonhard)
In Österreich steht ein überparteilicher Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Hass im Internet vor der Verabschiedung. Nach der zukünftigen Gesetzeslage soll es dank Schnellverfahren leichter werden, einschlägige Postings zu löschen. Im Fall von “systematischer Missachtung ihrer Sorgfaltspflicht” würden den Plattformen Strafen von bis zu 10 Millionen Euro drohen.
Weiterer Lesehinweis: Im österreichischen “Standard” beschreibt und bewertet Markus Sulzbacher den Gesetzentwurf: Gesetzespaket gegen Hass im Netz präsentiert: “Vor allem Frauen werden profitieren”.

2. “Wir machen es den russischen Diensten sehr leicht”
(zeit.de, Meike Laaff)
Der Politikwissenschaftler Thomas Rid hat ein Buch geschrieben, das sich mit der Geschichte von Desinformationskampagnen beschäftigt. Im Interview mit “Zeit Online” spricht er über die Einflüsse der Desinformation auf die vergangene US-Wahl und prognostiziert, was wir hinsichtlich der bevorstehenden US-Wahl zu erwarten haben. Sorge mache ihm vor allem der Wahltag: “Wenn es glaubwürdige Anschuldigungen gibt, dass von außen auf die Wahlinfrastruktur zugegriffen wurde, zum Beispiel auf die Wähler-Registierungsdatenbanken, dann besteht das große Risiko, dass der Präsident und seine Unterstützer dieses Argument multiplizieren. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Trump selbst die Wahl in Frage stellt. Der Boden dafür wurde schon bereitet.”
Weiterer Lesehinweis: Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat sich in einem Posting besorgt über die bevorstehenden Herausforderungen in Zusammenhang mit den US-Wahlen geäußert und ein ganzes Paket an Handlungen angekündigt. So werde man kurz vor der Wahl die Parteiwerbung einstellen, Falschinformationen entfernen, manipulative Accounts sperren und, wenn es um die Verkündung der Ergebnisse geht, mit der Nachrichtenagentur Reuters und dem National Election Pool zusammenarbeiten.

3. Die Zukunft der Fachjournalisten nach Corona
(fachjournalist.de, Martin Ortgies)
“Fachjournalisten sollten selbst aktiv agieren, sonst könnten sie auf der Strecke bleiben”, so die Empfehlung von Martin Ortgies. Wie das funktionieren kann? Durch hilfreichen, relevanten und vertrauenswürdigen “Content”. “Hand aufs Herz, liebe Texter-Kolleg/innen. Wie viele unserer Texte sind Unique Content, also einzigartig und unverwechselbar?”

Bildblog unterstuetzen

4. Studie: Populistische Einstellungen in Deutschland nehmen deutlich ab
(sueddeutsche.de)
Laut einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung und des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung seien deutlich weniger Wahlberechtigte populistisch eingestellt als noch vor zwei Jahren. Der verbleibende “rechtspopulistische Rand” drohe jedoch, radikaler zu werden.

5. “Süddeutsche Zeitung” verdoppelt Digital-Abos innerhalb eines Jahres
(meedia.de)
Die “Süddeutsche Zeitung” konnte die Zahl der Digital-Abos laut eigenen Angaben innerhalb eines Jahres mehr als verdoppeln: Im August habe man zum ersten Mal 150.000 Digital-Abonnentinnen und -Abonnenten erreicht.
Weiterer Lesehinweis: Im Juli hatte die “Süddeutsche” ein Zehn-Punkte-Papier zur digitalen Transformation veröffentlicht, das “Meedia”-Redakteur Ben Krischke zufolge “erschreckend uninspiriert” wirke und den Konflikt zwischen Print und Online offenbare.

6. Illustre Männerrunde: Comedians üben Kritik am Deutschen Comedypreis
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
Der anstehende Deutsche Comedypreis ist (wieder einmal) äußerst männerlastig: In gleich mehreren Kategorien stehen ausschließlich Männer zur Wahl, was von einigen Podcasterinnen, Autorinnen und Entertainerinnen kritisiert wird. Eine Kritik, die der Veranstalter zurückweist: Es gehe nicht darum, quotengerecht, sondern ausgewogen zu nominieren, so die Antwort auf die Vorwürfe.

Amazons gefährliche Empfehlungen, Empörungs-Teaser, Foulspiel des RBB?

1. Geld machen mit Empörung
(deutschlandfunk.de, Marina Weisband, Audio: 4:20 Minuten)
Marina Weisband spricht ein echtes Ärgernis dieser Zeit an: Immer wieder veröffentlichen selbst seriöse Medien reißerische und provozierende Teasertexte, um Werbung für ihre Bezahlartikel zu machen. Wenn sich dann jemand über den Inhalt des Teasertextes beschwert, wird mit der Frage abgewehrt, ob man überhaupt den dazugehörigen Artikel gelesen habe. Eine Argumentation, die ins Leere zielt, wie Weisband findet, “denn der Tweet mit Bild, Überschrift und Teaser ist ein eigenständiger Text. Er wird von den meisten Lesern nämlich ohne den dazugehörigen Artikel gesehen und er erzeugt eine Wirkung. Er trägt zur Debatte bei. Und weil er ohne den Artikel funktioniert, kann man ihn auch ohne den Artikel bewerten.”

2. So penetrant empfiehlt Amazon den Kauf von Verschwörungsliteratur
(netzpolitik.org, Sebastian Meineck & Daniel Laufer)
Sebastian Meineck und Daniel Laufer haben das Amazon-Empfehlungssystem ausprobiert und sich, ausgehend von einem Corona-Buch der Rechercheplattform “Correctiv”, durch die Empfehlungen geklickt. Die Bilanz: Von erfassten 355 Empfehlungen seien 124 einschlägige Verschwörungsliteratur und 56 impfskeptisch bis impffeindlich gewesen. Auch andere Stichproben hätten beunruhigende Ergebnisse gezeigt. “Wir haben Amazon per E-Mail die Ergebnisse unserer Recherche vorgelegt und eine Liste mit zehn Fragen geschickt. Unter anderem wollten wir wissen, ob dem Konzern das Ausmaß von rechtsextremen und verschwörungsideologischen Inhalten in seinen Suchergebnissen und Empfehlungen bekannt sei. Wir fragten auch, inwiefern Amazon die Verbreitung dieser Bücher eindämme. Keine einzige unserer Fragen wollte der Konzern beantworten.”

3. “Ein Dialog wird zunehmend schwer bis unmöglich”
(spiegel.de, Julia Merlot)
Wie kommt es, dass wir so begierig auf Sensationsmeldungen und unseriöse Nachrichten anspringen? Der Molekularpsychologe Christian Montag tippt im Interview mit dem “Spiegel” auf einen evolutionären Hintergrund: “Für unsere Spezies war es schon immer wichtig, besonders neue und damit vielleicht überlebensnotwendige Informationen schnell zu verarbeiten und sich darüber in der Gruppe auszutauschen. Der zweite wichtige Punkt ist, dass Fake News meist so angelegt sind, dass sie starke Emotionen wecken. Diese Emotionalisierung spielt in sozialen Medien nach allem, was wir wissen, eine extrem große Rolle.”

Bildblog unterstuetzen

4. Foulspiel des RBB Fernsehen? – Über die vergeblichen Distanzierungen des Michael Ballweg (Querdenken711)
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Jakob Buhre wirft dem RBB vor, im Umgang mit dem Verantwortlichen für die “Querdenken”-Demos nicht fair gewesen zu sein und dessen Distanzierungen von Rechtsextremisten und Gewaltaufrufen nicht ausreichend berücksichtigt zu haben. Buhre: “Jede(r) kann und soll sich bitte ihre/seine eigene Meinung bilden, über die von Ballweg angemeldeten Querdenken-Demos. Wichtig wäre dafür nur, dass auch die Berichterstattung über Ballwegs Äußerungen einigermaßen zutreffend ist. Und genau da liegt das Problem.” Auf “Planet Interview” begründet Buhre ausführlich seine Kritik an dem Sender.

5. Erstaunliche Vorstellungen
(taz.de, Peter Weissenburger)
In einer Studie zur “Vermittlung von Nachrichtenkompetenz in der Schule” (PDF) zeigten sich beim Medienverständnis der befragten Lehrerinnen und Lehrer beunruhigende Ansichten. Viele der Lehrkräfte würden bezweifeln, dass es eine freie Presse gebe, und stünden den Medien ablehnend oder feindselig gegenüber. Peter Weissenburger kommentiert: “Es mag gerade nicht die beste Zeit sein, um Lehrkräfte aufzufordern, sie mögen jetzt bitte noch die ein oder andere Fortbildung machen. Andererseits war die Bedeutung von Nachrichtenkompetenz selten so groß wie gerade.”

6. Die Freiheit, Autoritäten nicht anzuerkennen
(zdf.de, Luisa Houben)
Mehr als fünf Jahre nach dem islamistischen Anschlag auf die französische Satire-Zeitschrift “Charlie Hebdo” beginnt in Paris der Prozess gegen 14 mutmaßliche Unterstützer der Attentäter. Das ZDF hat mit Moritz Hürtgen, dem Chefredakteur der “Titanic”, über das Ereignis und die Folgen gesprochen: “In den Wochen nach dem Anschlag war immer die Frage, ob wir jetzt Angst haben. Und wenn man die 100 Mal gestellt bekommt, fängt man schon an, nachzudenken. Aber fünf Jahre sind eine lange Zeit. Wir konnten schnell reflektieren, dass wir hier in einer ganz anderen Situation sind. Deswegen würde ich sagen, dass sich ‘Titanic’ treu bleiben konnte.”

Die Akte Richard Schmitt, Die Methoden von “Spiegel TV”, “Rums”

1. Die Akte Richard Schmitt
(kobuk.at, Helge Fahrnberger)
Der ehemalige Chefredakteur von Krone.at und aktuelle Chefredakteur von Oe24.at Richard Schmitt ist für seine tendenziöse und fehlerhafte Berichterstattung bekannt. Als Helge Fahrnberger, Leiter des Medienwatchblogs “Kobuk”, Schmitts Arbeitsweise in einem vergleichsweise harmlosen Tweet kritisierte, verklagte dieser ihn wegen angeblicher Ehrenbeleidigung und Kreditschädigung. Doch Fahrnberger setzte sich erfolgreich zur Wehr und nutzt nun die Gelegenheit, einige der “journalistischen Höchstleistungen des Richard Schmitt” vorzustellen. Eine Chronik des journalistischen Grauens, nach deren Lektüre man sich mehr denn je fragt, wie ein Mann mit einem derartigen Berufsverständnis den Weg zum Gericht antreten konnte.

2. “Spiegel TV” schmückt sich mit fremden Mord­drohungen – und lässt den Bedrohten im Stich
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Soeben von der Paywall befreit und unbedingt lesenswert: Stefan Niggemeier berichtet über einen jungen Libanesen, der dem Fernsehmagazin “Spiegel TV” bei Recherchen und Dreharbeiten in Beirut geholfen hat und nun um sein Leben und seine Existenz fürchten muss – während sich die Redaktion mit einer an ihn gerichteten Morddrohung schmückt. “Ich kann nicht beschreiben, wie enttäuscht ich bin. Ich hasse jeden Tag, den ich mit ‘Spiegel TV’ verbracht habe, und bereue es.”

3. Vogelfrei
(message-online.com, Camila Weiss Franco)
Freie Journalisten und Journalistinnen haben es in Corona-Zeiten besonders schwer: überall wird gespart, verkleinert und gekürzt. Sie sind den Sparmaßnahmen der Redaktionen relativ schutzlos ausgeliefert. Camila Weiss Franco über die prekäre Lage der Freien, die vielfach ohne weitere Jobs nicht überleben können, und die Notwendigkeit besserer Honorare sowie krisenfester Tarifverträge.

Bildblog unterstuetzen

4. Schon entdeckt? RUMS
(mmm.verdi.de, Bärbel Ruben)
Die Medienlandschaft in und um Münster wird von einem Verlagshaus dominiert, das im Besitz beider örtlichen Tageszeitungen ist. Doch der Platzhirsch hat seit einigen Monaten Konkurrenz: Mit dem Digitalangebot “Rums” versorgt ein engagiertes Team die Leserinnen und Leser mit Nachrichten aus der Region und stärkt die publizistische Vielfalt. Nach einer ausgedehnten kostenlosen Phase wird das Angebot nun kostenpflichtig.
Transparenzhinweis: Die “Rums”-Redaktion wird von Ralf Heimann und Katrin Jäger geleitet. Ralf Heimann ist auch BILDblog-Autor und hat bei uns beispielsweise die Serie “Kleine Wissenschaft des Fehlers” über die Fehlerkultur in den Medien veröffentlicht.
Weiterer Hörhinweis: Der Deutschlandfunk hat sich mit “Rums”-Redakteurin Katrin Jäger unterhalten: Konkurrenz für die Münsteraner Tageszeitungen (deutschlandfunk.de, Christopher Ophoven, Audio: 5:41 Minuten).

5. “Die Dimension der Krise ist gewaltig”
(journalist.de, Catalina Schröder)
Das Fachmagazin “journalist” hat sich mit Dirk Steffens unterhalten, einem der bekanntesten Wissenschaftsjournalisten Deutschlands. Das Interview ist empfehlenswert, da es einige Kernprobleme und aktuelle Kernthemen des Wissenschaftsjournalismus anspricht, und Steffens kein Blatt vor den Mund nimmt. Es geht unter anderem um den Umgang mit Klimawandel-Leugnern, die Tücken der Pro-und-Contra-Berichterstattung und das Label des “Umweltaktivisten”, das man ihm gelegentlich verpasse und das er für sich ablehne: “Eine Politikjournalistin, die sagt: Natürlich bin ich für die Demokratie und Meinungsfreiheit, würde man ja auch nicht als Aktivistin bezeichnen, nur weil sie Diktaturen blöd findet.”

6. So überwacht Amazon seine Beschäftigten in den USA
(netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Amazon ist nicht nur Onlineversandhändler, sondern vertreibt unter eigener Marke auch Lesegeräte für elektronische Bücher und intelligente TV-Sticks. Außerdem bietet das Unternehmen die Infrastruktur für Cloud-Computing und ist mit Prime Video selbst zum Medienplayer avanciert. Ein neuer Bericht des Open Markets Institute schildert, auf welche Weise Amazon in den USA mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgeht. Der Internationale Gewerkschaftsbund habe Amazon-Chef Jeff Bezos zum “schlechtesten Arbeitgeber der Welt” gekürt. Eine nachvollziehbare Entscheidung, wenn man liest, wie die Firma ihre Angestellten behandelt.

Corona-Zweifler und die Medien, Klarnamen, Höcke muss unterlassen

1. Wieder Angriffe auf Journalisten bei Anti-Corona-Demos
(dju.verdi.de, Jörg Reichel)
Bei den Protesten der Corona-Zweifler am Wochenende in Berlin ist es erneut zu Angriffen auf und Bedrohungen gegen Medienschaffende gekommen. Laut der Journalistengewerkschaft dju seien “zwei Redaktionen bedroht, fünf Fernseh-Kamerateams (mit jeweils zwei bis drei Personen) sowie 12 weitere Journalistinnen und Journalisten” bedrängt, beleidigt, bespuckt und geschlagen worden: “Besonders brutal war ein Angriff auf vier Journalistinnen und Journalisten durch eine Gruppe von 10 bis 15 rechtsextreme Aktivisten der ‘Identitären Bewegung’ in der Nähe des Brandenburger Tor am Samstagnachmittag. Sie wurden massiv angegriffen, bedrängt, beleidigt und mit den Worten ‘Ihr werdet totgemacht’ beschimpft.”

2. ARD-Korrespondent reist aus Belarus aus
(sueddeutsche.de)
Wie bereits gestern in den “6 vor 9” berichtet, geht die Staatsführung in Belarus massiv gegen inländische und ausländische Medien vor. Das betrifft auch Vertreter öffentlich-rechtlicher Sender aus Deutschland. Da ihm in Minsk die Drehmöglichkeiten entzogen worden seien, verlasse der ARD-Korrespondent Jo Angerer nun das Land. Die Belarus-Berichterstattung werde bis auf Weiteres aus dem ARD-Studio in Moskau erfolgen.

3. Mehrere AfD-Rechtsaußen …
(twitter.com, Wolf Wiedmann-Schmidt)
Laut Wolf Wiedmann-Schmidt vom Hauptstadtbüro des “Spiegel” soll Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringer Landtag, behauptet haben, das Nachrichtenmagazin habe das “Ibiza-Video” gekauft. Da dies nicht der Fall sei, habe der “Spiegel” den AfD-Politiker erfolgreich zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert, in der sich Höcke verpflichtet, diese Unwahrheit nicht mehr zu verbreiten.

Bildblog unterstuetzen

4. Die Sache beim Namen nennen
(taz.de, Carolina Schwarz)
Carolina Schwarz hat sich für die “taz” angeschaut, wie Medien über die Proteste der Corona-Leugner berichtet haben. Viele Redaktionen hätten in ihren Artikeln rechtes Framing übernommen und die Teilnehmer und Teilnehmerinnen verharmlost. Die “Bild” habe beispielsweise von “Chaoten” gesprochen, eine Bezeichnung, die Schwarz in diesem Zusammenhang unpassend findet: “Wer mehrmals am Tag einer Demo sein Pappschild liegen oder seinen Kaffee im Rucksack auslaufen lässt, kann guten Gewissens als ‘Chaot’ bezeichnet werden. Rechtsextreme Parolen zu brüllen und Reichsflaggen zu schwenken, macht einen jedoch nicht zum Chaoten, sondern zum Rechtsextremen.”

5. Paradigmenwechsel: ARD zeigt Serien immer zuerst online
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Als Antwort auf verändertes Nutzungsverhalten und konkurrierende Streamingdienste wie Netflix, wolle die ARD ihre Mediathek mit zahlreichen neuen Serien füttern. Bemerkenswert: Die Produktionen sollen zuerst in der ARD-Mediathek zu sehen sein und erst danach im TV ausgestrahlt werden. Uwe Mantel verrät, welche Formate und Serien in den nächsten Monaten auf die Zuschauerinnen und Zuschauer zukommen.

6. Justiz prüft Klarnamen-Pflicht bei Facebook
(horizont.net)
Facebook verlangt in seinen Nutzungsbedingungen die Verwendung von Klarnamen. Dennoch geben viele Nutzer und Nutzerinnen Pseudonyme an und werden dafür gelegentlich von dem Sozialen Netzwerk gesperrt. Über die Rechtmäßigkeit dieser Sperrungen haben bereits die Landgerichte Traunstein und Ingolstadt verhandelt und sind zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Jetzt muss das Oberlandesgericht München in der Frage entscheiden.

“Bild” und die “vermeintliche Polizeigewalt”

Bei “Bild” knöpfen sie sich jetzt Minderjährige vor:

Ausriss Bild-Zeitung - Polizei-Opfer hat Lehrer verprügelt - das Wort Opfer ist in Anführungszeichen geschrieben
(Augenbalken von “Bild”, weitere Unkenntlichmachung durch uns.)

Der Jugendliche, über den sich die “Bild”-Redaktion vergangenen Donnerstag in ihrer Hamburg-Ausgabe hermachte, ist der 15-Jährige, der in mehreren Videosequenzen zu sehen war, die vor zwei Wochen in den Sozialen Medien auftauchten und für eine erneute Diskussion über Polizeigewalt sorgten. Was in den Videos passiert, lässt sich grob so zusammenfassen: Der Junge steht in Hamburg mit dem Rücken zu einer Hauswand, er ist umzingelt von vier Polizisten. In den ersten paar Sekunden ist zu sehen, wie er mit den Beamten ringt, diese von sich wegschubst. Die Polizisten weichen daraufhin etwas zurück, einer von ihnen zieht seinen Schlagstock. Man hört Sirenen. Verstärkung kommt, und nun sind es acht Polizisten, die vor dem Jungen stehen. Die Beamten schreien mehrmals: “Auf den Boden!” Der Jugendliche bleibt aber stehen und wird schließlich niedergerungen, als er sein T-Shirt ausziehen will, bis er ruft: “Ich krieg’ keine Luft!” Ausgangspunkt war eine Polizeikontrolle, nachdem der Junge mit einem E-Scooter in Hamburg-Neustadt auf dem Gehweg gefahren war. Er konnte oder wollte sich nicht ausweisen, dann eskalierte die Situation.

Über das Vorgehen der Polizisten wurde daraufhin viel diskutiert, vor allem in den Sozialen Medien: War es übertrieben? War es angemessen? Mussten die Beamten derart rabiat vorgehen? Konnten sie gar nicht anders? War das unangemessene Polizeigewalt?

Laut “Bild” nicht. Laut “Bild” handelte es sich nur um “vermeintliche Polizeigewalt”:

Vergangene Woche war er Mittelpunkt eines Videos, das vermeintliche Polizeigewalt dokumentieren sollte. Hobby-Boxer K[.] geriet nach einer E-Scooter-Kontrolle mit acht Beamten aneinander (BILD berichtete). Doch nun sieht es weniger nach Polizeigewalt aus – K[.] gerät wegen Übergriffen selbst in den Fokus.

In dem letzten Satz steckt der ganze Ekel dieser “Bild”-Geschichte: Weil der Jugendliche zwei Monate zuvor wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt worden sein soll, soll das Vorgehen der Polizisten (in einer davon völlig unabhängigen Situation) weniger schlimm gewesen sein? Weil er “selbst in den Fokus” gerät, sieht es nun “weniger nach Polizeigewalt aus”? Als würde es einen Unterschied machen bei der Bewertung eines Polizeieinsatzes, wessen Körper da gerade unter dem Knie eines Polizisten liegt – der eines vorbestraften Jugendlichen oder der eines Jugendlichen, der sich noch nie etwas hat zu Schulden kommen lassen. Es ist ein gruseliges Verständnis vom Rechtsstaat, in dem eigentlich jeder und jede das Recht hat, dass ihm oder ihr keine unnötige Polizeigewalt angetan wird. Auch frühere Straftäter, auch E-Scooter-Fahrer, die unerlaubterweise auf dem Gehweg fahren.

Der “Bild”-Artikel dient gleich zwei Zielen: Er verteidigt einerseits die Hamburger Polizei, indem er es so klingen lässt, als hätten die Beamten gar nicht anders gekonnt – der Junge habe schließlich auch mal seinen “LEHRER VERPRÜGELT”. Und er lenkt andererseits ab von einer legitimen Diskussion über Gewalt durch Polizisten. Er verschiebt den Fokus auf die in diesem Fall völlig unerhebliche Vergangenheit des möglichen Opfers. Er diskreditiert das mögliche Opfer, indem er einstige Vergehen rauskramt – als hätte das eine (der Polizeieinsatz gegen den Jungen) mit dem anderen (mögliche Vorstrafen des Jungen) etwas zu tun. Die “Bild”-Redaktion geht sogar so weit, dass sie das Wort “Opfer” in ihrer Überschrift hämisch nur in Anführungszeichen schreibt.

Bildblog unterstuetzen

Bereits eine Woche zuvor ging es bei “Bild” nicht weniger hämisch und geschmacklos zu. In Hamburg standen solche Werbeaufsteller vor Kiosken:

Screenshot eines Tweets, der einen Bild-Aufsteller in Hamburg zeigt - darauf ist die Schlagzeile zu lesen: Kontrolle in der Neustadt eskaliert - Boxer (15) verliert gegen acht Polizisten
(Diese und alle folgenden Unkenntlichmachungen durch uns.)

In der Hamburg-Ausgabe der “Bild”-Zeitung erschien ein großer Artikel mit wortgleicher Überschrift. Auch hier ging es bereits darum, den Jungen zu diskreditieren.

Erstmal zum “Boxer”, was lediglich ein sprachlicher Kniff der Redaktion ist. Vielleicht findet sie es auch irgendwie lustig. Der 15-Jährige geht noch zur Schule, ist also erst einmal Schüler. In seiner Freizeit boxt er im Sportverein. Ihn als “Boxer” zu präsentieren, als hätten es die Polizisten mit einem durchtrainierten Profisportler zu tun gehabt, ist, vorsichtig ausgedrückt, unangebracht. Außerdem schließt sich die “Bild”-Redaktion damit dem Framing der Hamburger Polizei an: Diese hatte in einer Pressemitteilung gleich zweimal geschrieben, der Jugendliche sei “sehr groß und stark” gewesen. Die Betonung der Attribute “groß” und “stark” lenkt von dessen Minderjährigkeit ab. Die “Bild”-Redaktion steigert dieses Framing noch, indem sie den 15-Jährigen zum “Boxer” erklärt.

Dass der Junge gegen die Polizisten “verloren” habe, wie “Bild” titelt, zieht die ernste Angelegenheit endgültig ins Lächerliche. Die Redaktion macht damit aus einer Situation, in der ein unbewaffneter Jugendlicher mehreren bewaffneten Vertretern der Staatsgewalt gegenüberstand, einen sportlichen Wettkampf, bei dem es ums Gewinnen oder Verlieren geht. Und auch in diesem Artikel stürzt sich “Bild” auf mehrere angebliche Ermittlungsverfahren, die schon gegen den Jungen gelaufen sein sollen. Auch diese haben rein gar nichts mit dem Vorfall, um den es eigentlich geht, zu tun.

Diese “Bild”-Masche – sich lieber auf mögliche Opfer von Polizeigewalt und deren kriminelle Vergangenheit zu konzentrieren, statt auf die Polizeigewalt selbst – konnte man zur selben Zeit bei einem weiteren Fall beobachten:

Screenshot Bild.de - Umstrittener Polizeieinsatz von Düsseldorf - Schon im Alter von 13 Jahren fiel er als brutaler Schläger auf - Die Strafakte von M. (15)

In einem Video, das den Polizeieinsatz in Düsseldorf zeigt, sieht man, wie ein Polizist einen Jugendlichen am Boden fixiert. Das Knie des Beamten befindet sich auf dem Kopf des Jungen. Das schockierte viele, zwischenzeitlich auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul. Die “Bild”-Redaktion ging hingegen schnell dazu über (wie auch manch andere Redaktion), sich den 15-Jährigen unter dem Polizistenknie vorzunehmen. Sie machte eine Reihe von früheren Vergehen des Jungen öffentlich, die dieser teils begangen haben soll, als er noch nicht strafmündig war. Und wieder klingt es nach irgendwas zwischen “Ach, sieh mal einer an: Der war aber auch kein Engel” und “Na also, da hat es ja genau den Richtigen getroffen”. Dabei schreibt selbst der Autor des Bild.de-Artikels:

Wenn man seine Polizeiakte liest, ist der junge Mann kein unbeschriebenes Blatt. Was natürlich nicht bedeutet, dass er nicht selbst ein Opfer von Gewalt sein kann.

Das hindert die “Bild”-Redaktion freilich nicht daran, so eine Story zu bringen.

Bildblog unterstuetzen

Facebook versus “Compact”, Tagesthemen XL, Faktencheck Demo

1. Facebook nimmt “Compact” vom Netz
(tagesschau.de, Sebastian Pittelkow & Katja Riedel)
Die in rechten Kreisen gern gelesene Verschwörungspostille “Compact” warb nicht nur im Heft, sondern auch in den Sozialen Medien für die Anti-Coronapolitik-Demo in Berlin. Nun habe Facebook den Facebook- sowie den Instagram-Account des Magazins ohne Ankündigung gelöscht. Die Begründung: “Compact” habe gegen das interne Regelwerk verstoßen. Ein schwerer Schlag für das Magazin, das bereits im März vom Verfassungsschutz als sogenannter Verdachtsfall eingestuft worden war und über seine Social-Media-Seiten auch Verkäufe generierte.
Weiterer Lesehinweis: “Fragen gelten als scharfe Waffe der Aufklärung. Aber Verschwörungserzähler, Rechtspopulisten und Twitter-Wichtigtuer beweisen: Manche dummen Fragen sind sogar gefährlich” – Das wird man ja wohl noch fragen dürfen!?, ein Essay von Maja Beckers (zeit.de).

2. Faktencheck zur Teilnehmerzahl
(spiegel.de, Holger Dambeck)
Anlässlich der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen vom Wochenende gibt es erneut Streit um die Teilnehmerzahl. Die Veranstalter würden von Hunderttausenden oder gar von mehr als einer Million Teilnehmenden sprechen, laut Polizei seien knapp 40.000 Demonstrierende zugegen gewesen. Holger Dambeck ist dem Zahlenrätsel auf den Grund gegangen und hat nachgerechnet.

3. ARD-Kamerateam vorübergehend in Minsk festgenommen
(faz.net)
Die Berichterstattung aus Belarus gestaltet sich zunehmend schwieriger. So wurde ein Kamerateam der ARD in der Hauptstadt Minsk vorübergehend festgesetzt, anschließend erfolgte der Entzug der Akkreditierung. Korrespondenten und Korrespondentinnen ausländischer Nachrichtenagenturen ging es ähnlich. Außenminister Heiko Maas, WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn und Deutsche-Welle-Chefredakteurin Manuela Kasper-Claridge verurteilten den Angriff auf die Pressefreiheit.

Bildblog unterstuetzen

4. “Es wird noch härter”
(sueddeutsche.de, Alexander Mühlauer)
In der britischen Printmedien-Landschaft droht ein gewaltiger Kahlschlag. Ein britisches Branchenmagazin führe Buch über die Stellenabbaupläne der Verlagshäuser: Beim linksliberalen “Guardian” würden demnächst 180 Jobs wegfallen, die Gratiszeitung “Evening Standard” wolle 69 redaktionelle Stellen streichen, und bei der größten britischen Zeitungsgruppe Reach (unter anderem “Daily Mirror” und “Daily Express”) sollen 550 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Haus verlassen.

5. Nichtlineare Radiozukunft
(taz.de, René Martens)
Im Podcast “Corona Virus Update” (NDR) kommt zukünftig neben Christian Drosten eine weitere Stimme zu Wort: Sandra Ciesek ist Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt und wird sich mit Drosten wöchentlich abwechseln. Die “taz” hat sich mit der NDR-Hörfunkdirektorin Katja Marx nicht nur über diese Personalie unterhalten, sondern auch über Einsparmaßnahmen und den in wenigen Tagen stattfindenden Deutschen Radiopreis.

6. “Tagesthemen mittendrin”: Expedition ins Unbekannte
(dwdl.de, Peer Schader)
Die “Tagesthemen” (ARD) sind ab heute fünf Minuten länger. In der neuen Regional-Rubrik “mittendrin” wolle man “die gesamte Republik” porträtieren und “Geschichten aufbereiten, die wir alle voneinander wissen sollten, um uns besser kennenzulernen”. Peer Schader hält dies für eine im Kern gute Idee, hat aber angesichts der bislang schon gelaufenen Testbeiträge Sorgen, was die Umsetzung betrifft: “Bei manchen Geschichten hab ich das Gefühl, sie werden nur deshalb erzählt, damit der Reporter im sächsischen Örtchen Amerika, wo die zu selten genutzte ÖPNV-Verbindung in die nächste Stadt gestrichen wird, den zurechtgelegten Satz sagen kann: ‘Heute Nachmittag fuhr der allerletzte Bus nach Amerika.'”

Blättern:  1 ... 137 138 139 ... 1142