Babyfotos mit Nazi-Symbolen, Žižeks Assange-Appell, Late-Night-Handwerk

1. Kein Filter für Rechts
(correctiv.org, Alice Echtermann & Arne Steinberg & Celsa Diaz & Clemens Kommerell & Till Eckert & viele weitere)
Über einen Zeitraum von mehreren Monaten hat “Correctiv” untersucht, wie sich die rechte Szene auf Instagram vernetzt, und hat dazu rund 4.500 Accounts analysiert. Eine unbedingt lesenswerte Recherche, die zeigt, wie geschickt und planvoll dort hinsichtlich Propaganda und Neurekrutierung vorgegangen wird. Lohnenswert ist auch ein Blick in den Begleitartikel “So sind wir vorgegangen”, in dem genau beschrieben wird, wie die Datenrecherche im Einzelnen erfolgte.

2. Sie töten ihn langsam
(freitag.de, Slavoj Žižek)
Der Philosoph Slavoj Žižek vertritt im “Freitag” eine klare Haltung. Wer über den Umgang mit dem Wikileaks-Gründer Julian Assange nicht reden wolle, möge über Menschenrechtsverletzungen weltweit schweigen: “Die Kräfte, die seine Rechte verletzen, sind dieselben Kräfte, die den effektiven Kampf gegen die Erderwärmung und die Pandemie verhindern. Es sind die Kräfte, derentwegen die Pandemie die Reichen noch reicher macht und die Armen am stärksten trifft. Es sind die Kräfte, die rücksichtslos die Pandemie ausnutzen, um unsere sozialen und digitalen Räume zu regulieren und zu zensieren. Kräfte, die uns schützen, aber auch vor unserer Freiheit.”

3. Die Welt braucht Worte
(sueddeutsche.de, Judith Wittwer)
Anlässlich des 75. Geburtstags der “Süddeutschen Zeitung” blickt “SZ”-Chefredakteurin Judith Wittwer auf die vergangene und die bevorstehende Zeit. Der digitale Wandel habe dem Journalismus neue Möglichkeiten eröffnet, doch die klassische Zeitung bleibe wichtig: “Sie hält sich neben dem hoch getakteten digitalen Programm, weil Beschleunigung die Entschleunigung als Gegenstück hat, das Tempo die Muße, das Video das ruhende Bild. Das Scrollen auf kleinen Bildschirmen ersetzt nicht das Blättern in einer Zeitung. Die Seite-Drei-Reportage oder das Buch Zwei lesen viele noch immer mit Vorliebe auf Papier.”

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4. Die Qualität der Berichterstattung über Wissenschaft
(de.ejo-online.eu, Senja Post)
Ob Luftverschmutzung, Klimawandel oder Corona-Pandemie – Wissenschaftsthemen finden in letzter Zeit viel Beachtung. Senja Post ist Professorin für Wissenschaftskommunikation an der Universität Göttingen und wünscht sich zur Qualitätssicherung der Berichterstattung eine entsprechende wissenschaftliche Beobachtung: “Hierzu sollten Themen, die ein hohes Maß an Medienaufmerksamkeit auf sich gezogen haben, in passgenauen, repräsentativen Fallstudien regelmäßig wissenschaftlich analysiert und anschließend diskutiert werden. Dies würde die Qualität der Wissenschaftsberichterstattung vermutlich langfristig erhöhen, den Wert eines qualifizierten Wissenschaftsjournalismus stärken und einen Beitrag dazu leisten, gesellschaftliche Debatten um Umwelt, Technologie und Wissenschaft zu depolarisieren und zu versachlichen.”

5. Die interaktiven Storyteller
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers & Isabelle Klein, Audio: 6:59 Minuten)
Instagram ist nicht nur ein Ort für extrovertierte Social-Media-Junkies und Narzissten, sondern auch eine Plattform für Wissensvermittlung und Journalismus. Gerade junge Nutzerinnen und Nutzer holen sich ihre Informationen oft von dort. Die “Tagesschau” erreicht bei Instagram zum Beispiel mehr als zwei Millionen Menschen. Selina Bettendorf hat einen Leitfaden für Instagram-Journalismus entworfen und verrät, worauf es bei der Berichterstattung auf der Plattform ankommt.

6. Ringlstetter: “Late Night ist scheißschwieriges Handwerk”
(dwdl.de, Senta Krasser)
Moderator, Kabarettist, Musiker und Schauspieler Hannes Ringlstetter lädt im bayrischen Dritten seit vier Jahren Talkgäste in seine Sendung “Ringlstetter” ein. Nun hat er ein neues, zusätzliches Talkformat im Ersten bekommen. Senta Krasser hat sich mit Ringlstetter unter anderem über die Schwierigkeiten des Late-Night-Formats unterhalten und über die Frage, wie schwer es ist, den richtigen Ton für den Stand-up-Anteil zu finden: “Es hilft dir nicht, was wir am Anfang auch getan haben, die besten Late Night-Autorinnen und -Autoren einzukaufen, wenn das, was sie dir für die 20 Minuten vorne zusammenschreiben, mit dem bricht, wofür du als Präsentator stehst.”

Bild  

Hauptsache negativ

Vergangenen Dienstag gab es für Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter in der München-Ausgabe der “Bild”-Zeitung die volle Breitseite. Der SPD-Politiker habe ein Versprechen gebrochen, stand über einem großen Artikel:

Ausriss Bild-Zeitung - Reiter bricht Versprechen - Sparkasse plant Strafzins und erhöht Gebühren

Noch im Dezember 2019 habe Reiter, der auch Vorsitzender des Verwaltungsrats der Stadtsparkasse München ist, gegenüber “Bild” gesagt: “Ich werde alles tun, um Negativzinsen für Bestandskunden zu verhindern.” Und nun, kein Jahr später, soll “BILD-Informationen” zufolge feststehen, dass genau diese Negativzinsen in München kommen werden:

Der nächste Gebühren-Hammer der Münchner Stadtsparkasse (SSKM) kommt: Ab dem 1. Januar 2021 plant “Die Bank unserer Stadt” einen sogenannten Strafzins auf Spareinlagen. (…)

Nach BILD-Informationen werden ab 100 000 Euro auf dem Sparbuch zwei bis fünf Prozent fällig. Stark betroffen sind 18 000 Kleinsparer.

Und was sagt Dieter Reiter dazu? “Bild”-Chefreporter Torsten Huber schreibt:

OB Dieter Reiter (62, SPD) ist Verwaltungsrats-Vorsitzender bei der Stadtsparkasse. Er will sich wegen seiner “Verschwiegenheitspflicht” nicht zu den SSKM-Plänen äußern.

In einem Kommentar mit der Überschrift “OB Reiter ist das wurscht” legt Huber nach. Die Stadtsparkasse München gehe den einfachsten Weg, “um an Geld zu kommen” und erhebe bald einen “Strafzins aufs Sparbuch”:

Als Verwaltungsrats-Chef der SSKM mit 18 000 Euro Aufwandsentschädigung im Jahr muss OB Reiter (62, SPD) davon gewusst haben. (…)

Statt die SSKM-Pläne zu stoppen, schweigt Reiter, versteckt sich hinter seiner “Verschwiegenheitspflicht”. Ihm kann es ja wurscht sein. Bei der Kommunalwahl 2026 ist er längst im Ruhestand.

Die Aussagen der “Bild”-Redaktion zur angeblichen Einführung eines Strafzinses – in der Branche auch Verwahrentgelt genannt – seien “völlig unzutreffend”, so die Stadtsparkasse München. In einer “Gegendarstellung zum BILD-Bericht” schreibt sie:

Die München-Ausgabe der BILD-Zeitung berichtet in ihrer heutigen Ausgabe vom 29.09.2020, dass die Stadtsparkasse entschieden hätte, ab Januar 2021 bei Privatkunden Verwahrentgelt ab einem Guthaben von 100.000 Euro zu berechnen. Die Stadtsparkasse München stellt hiermit klar, dass diese Behauptung völlig unzutreffend ist. Es gibt diesbezüglich weder Überlegungen, noch Planungen oder gar eine Entscheidung.

Auf Nachfrage bestätigt uns ein Sprecher der Münchner Stadtsparkasse, dass man dies der “Bild”-Redaktion vor Veröffentlichung des Artikels mitgeteilt habe.

Abgesehen von der grundsätzlich falschen Darstellung der Redaktion zur Einführung eines Strafzinses bei der Stadtsparkasse München, sind die “BILD-Informationen” auch im Detail falsch. Zur Erinnerung: “Nach BILD-Informationen werden ab 100 000 Euro auf dem Sparbuch zwei bis fünf Prozent fällig.” Banken dürfen allerdings auf Sparbücher gar gar keine Negativzinsen verlangen. Die Stadtsparkasse München schreibt in ihrer Gegendarstellung:

Auch die Behauptung, dass davon Sparbücher betroffen wären, wäre allein vertragsrechtlich unmöglich. Verwahrentgelt könnte aus vertraglichen und gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich nur auf Guthaben von Girokonten erhoben werden.

Und dann auch noch ein vermeintlicher Strafzins in Höhe von “zwei bis fünf Prozent”, wie “Bild” schreibt? Das wäre ein überraschend hoher Wert. Das Finanzportal biallo.de hat für eine Untersuchung bei rund 1300 Banken und Sparkassen nachgeschaut, ob sie ein Verwahrentgelt einfordern und wie hoch dieses gegebenenfalls ist. Das Ergebnis: Der bislang höchste erhobene Strafzins liegt bei 0,75 Prozent. Der Negativzins, den die Europäische Zentralbank verlangt, wenn Banken bei ihr Geld parken, und den die Banken gern an die Kundschaft weitergeben, liegt aktuell bei 0,5 Prozent.

Auch die Behauptung, dass sich Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter hinter seiner Verschwiegenheitspflicht “versteckt”, wie “Bild”-Reporter Torsten Huber schreibt, ist interessant. Laut bayerischem Sparkassengesetz dürfen sich Mitglieder des Verwaltungsrats nicht zu “ihnen amtlich oder aus Anlaß ihrer Amtsführung bekanntgewordenen Tatsachen” äußern. Reiter hält sich also schlicht ans Gesetz. Dafür gibt es von “Bild” eins auf die Mütze.

Am Freitag veröffentlichte die München-Ausgabe der “Bild”-Zeitung eine “Berichtigung”, schön unauffällig platziert zwischen “CLUB-KRISE”, “KOKS-SKANDAL” und Anzeige:

Ausriss Bild-Zeitung - Übersicht der Seite vom vergangenen Freitag

“Bild” schreibt:

Berichtigung

BILD München berichtete am 29.9.2020 über Planungen der Münchner Stadtsparkasse, zum 1.1.2021 einen Strafzins auf Spareinlagen über 100 000 Euro einzuführen, wovon 18 000 Kleinsparer betroffen seien. Zur Einführung eines “Verwahrentgelts” für Privatanleger erklärt die Sparkasse: “Diese Behauptungen sind völlig unzutreffend. Es gibt diesbezüglich weder Überlegungen, noch Planungen oder gar eine Entscheidung.” Verwahrentgelt könne “nur auf Guthaben von Girokonten erhoben werden”. Zudem seien nicht 18 000 Kleinsparer betroffen.

Den ganzen Murks, den die Redaktion über Oberbürgermeister Dieter Reiter verbreitet hat, berichtigt sie nicht.

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Digitale Gewalt vertreibt Mädchen, Burdas Lügen-Embryo, Insta-Birthday

1. Digitale Gewalt vertreibt Mädchen aus sozialen Medien
(sueddeutsche.de)
Laut einer Umfrage des Kinderhilfswerks Plan International erfährt eine deutliche Mehrheit der Mädchen und jungen Frauen im Internet Formen von digitaler Gewalt. In Deutschland hätten 70 Prozent von ihnen Bedrohungen, Beleidigungen und Diskriminierungen erlebt. Die Folge davon sei oft der Rückzug aus den Sozialen Medien. In einem Offenen Brief bittet das Hilfswerk die Plattformbetreiber um mehr Unterstützung: “Wir Mädchen und junge Frauen in all unserer Diversität müssen uns darauf verlassen können, dass wir uns immer an Sie wenden können, wenn wir digitale Gewalt erleben und dass Sie etwas dagegen tun.”

2. Viel Lob – wenig Geld für Fachjournalisten
(mmm.verdi.de, Bärbel Röben)
Selten wurde Wissenschaftsjournalismus so geschätzt wie in den heutigen Corona-Zeiten. Das ist die eine Wahrheit. Die andere Wahrheit ist, dass im Wissenschaftsjournalismus tätige Menschen oftmals frei und zunehmend prekär arbeiten. Kann womöglich eine Stiftung zur Förderung des Wissenschaftsjournalismus helfen? Bärbel Röben berichtet über die schwierige Lage der Wissenschaftserklärung zwischen Bundesverdienstkreuz und Verarmung.

3. Burda-Verlag ließ falschen Embryo von Diana durchrutschen
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Die Regenbogen-Postille “Freizeit Spaß” aus dem Verlag Burda hatte eine frei erfundene Geschichte des US-Magazins “Globe” über Prinzessin Diana übernommen und als wahr dargestellt: Ein Arzt hätte Diana vor vielen Jahren einen Embryo entnommen, seiner eigenen Frau eingepflanzt und das Kind dann heimlich aufgezogen. Mats Schönauer hat sich daraufhin beim Deutschen Presserat beschwert – der Startpunkt für ein weiteres unwürdiges Schauspiel der “Freizeit Spaß”-Verantwortlichen.

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4. «Ich begann, mich zunehmend zu hinterfragen»
(persoenlich.com, Edith Hollenstein)
Der Medienjournalist Rainer Stadler hat seinen Job bei der “NZZ” an den Nagel gehängt. Das ist bemerkenswert, da Stadler mehr als 30 Jahre für die Schweizer Zeitung tätig war und dort die Medienseite verantwortete. Sein Abgang ist nicht ganz freiwillig, wie er im Interview berichtet: “Es ist für Verlage schwierig geworden, Meinungen zu tragen, die der Unternehmensmeinung nicht entsprechen. Es ist kein Zufall, dass bei allen anderen Zeitungen die Stellen der Medienjournalisten schon längst gestrichen worden sind.”

5. Politische PR an der Grenze zur Medienarbeit
(deutschlandfunk.de, Daniel Bouhs, Audio: 4:51 Minuten)
Lange Zeit waren Podcasts ein mediales Nischenprodukt, doch mittlerweile hat selbst die Politik das Medium für sich entdeckt. Ob Parteien, Fraktionen oder gar die Bundesregierung, alle wollen ihre Botschaften hinaus in die Welt senden und haben damit erstaunlich oft Erfolg. Viele klassische Medien übernehmen die Inhalte und damit gelegentlich auch unhinterfragt die Agenda der podcastenden Politiker und Politikerinnen. Daniel Bouhs berichtet über ein Medienformat zwischen informierender Aufklärung und politischer PR.

6. 10 Jahre Instagram: Die Welt als Werbefoto
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
Instagram feiert am heutigen 6. Oktober seinen zehnten Geburtstag. Matthias Schwarzer zeichnet die Entwicklung des Dienstes nach, von der reinen Fotoplattform bis hin zum audiovisuellen Riesennetzwerk.
Weiterer Lesehinweis: Das sind die erfolgreichsten Instagram-Posts aller Zeiten (rnd.de).

Steingarts Steuermann, Twitters KI-Kapitulation, Zeitungsbote gewinnt

1. “Überlebt haben fast keine”
(taz.de, Steffen Grimberg)
Kommunikationswissenschaftlerin Mandy Tröger hat untersucht, wie sich der ostdeutsche Zeitungsmarkt nach dem Mauerfall entwickelt hat, und ihre Erkenntnisse in einem Buch zusammengefasst (“Pressefrühling und Profit – Wie westdeutsche Verlage 1989/1990 den Osten eroberten”). Im Interview mit der “taz” erklärt sie, warum die ostdeutschen Verlage es ungleich schwerer hatten, in Westdeutschland Fuß zu fassen, als andersherum die westdeutschen Verlage in Ostdeutschland.

2. “Das klassische Zeitungsmodell hat keine Zukunft”
(journalist.de, Catalina Schröder)
Was für eine Art von Journalismus findet auf dem Berliner Redaktionsschiff von Gabor Steingart statt? Wie sieht der typische Alltag aus? Und wie verläuft die Zusammenarbeit mit einen Chef, der “nicht gerade für sein leises Auftreten bekannt sei” und dessen Buch auf deutliche Kritik gestoßen ist? Catalina Schröder hat sich mit Michael Bröcker unterhalten, dem Chefredakteur und Miteigentümer der Media Pioneer Publishing AG.

3. Twitter verbietet künstlicher Intelligenz den Bildbeschnitt
(spiegel.de, Jörg Breithut)
Twitter ist es nicht gelungen, seine Künstliche Intelligenz so zu trainieren, dass Personen auf Fotos benachteiligungsfrei erkannt und in Bildausschnitten herausgestellt werden. Nun zieht das Unternehmen die Reißleine und lässt die Nutzerinnen und Nutzer wieder über die Bildausschnitte bestimmen: “Wir hoffen, dass wir das Risiko von Benachteiligung reduzieren, indem wir den Nutzern mehr Möglichkeiten geben, die Bilder zu beschneiden, und bereits beim Tweet-Verfassen anzeigen, wie die Fotos später aussehen.”
Weiterer Lesehinweis: Kampf gegen Pornographie: Medienaufsicht prüft Twitter (faz.net).

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4. Zeitungsbote gewinnt in zweiter Instanz
(verdi.de, Frank Biermann)
Die Zeitungsbranche versuche, sich trotz klarer rechtlicher Vorgaben um Nachtzuschläge für ihre Zusteller und Zustellerinnen zu drücken und wortreich Sonderregelungen für sich zu reklamieren. Damit wollte sich ein Zeitungsbote nicht abfinden und hat erfolgreich dagegen geklagt. Nun habe das Landesarbeitsgericht Hamm dessen Arbeitgeber dazu verurteilt, die Nachtzuschläge der vergangenen drei Jahre nachzuzahlen – immerhin etwa 6868 Euro.

5. Döpfners neue Rolle ist kein Erfolgsgarant für Springer
(meedia.de, Gregory Lipinski)
Springer-Chef Mathias Döpfner bekommt von der Verlegerwitwe und Großaktionärin Friede Springer ein Milliardengeschenk und kann damit noch stärkeren Einfluss auf die Geschicke des Konzerns ausüben. Damit sei jedoch längst nicht klar, dass das Verlagshaus in eine sichere Zukunft steuere, findet Gregory Lipinski. Durch die Corona-Pandemie könne schwer eingeschätzt werden, wie sich die Geschäftsmodelle für Immobilien-, Job- oder Autobörsen, in denen das Unternehmen stark investiert ist, entwickeln. Außerdem bestehe der Investor KKR auf ordentliche Renditen und habe einen kritischen Blick auf die publizistischen Flaggschiffe “Bild” und “Welt”.

6. Das Dilemma mit der starken These
(zeit.de, Meike Laaf)
Der US-amerikanische Dokumentarfilm “Das Dilemma mit den sozialen Medien” beschäftigt sich kritisch mit den Folgen der Sozialen Medien für die Gesellschaft. Meike Laaf hat sich die Netflix-Eigenproduktion angeschaut und eine differenzierte Rezension verfasst.

Seenotrettung, Spendable “Tagesschau”, Fischers Haus

1. Die tagesschau stellt bestimmte Inhalte unter Creative Commons
(blog.tagesschau.de, Lena-Maria Reers)
Die “Tagesschau”-Redaktion könne, auch wenn sie es wolle, aus rechtlichen Gründen nicht alle Beiträge und Meldungen im Netz dauerhaft zur Verfügung stellen. Doch es gebe eine gute Nachricht: In einem extra eingerichteten Portal wolle man ab sofort die Erklärvideos aus den Sozialen Netzwerken unter einer freien Lizenz zur rechtefreien Nutzung anbieten. Dort wird auch in einem kurzen Video erklärt, was dabei erlaubt ist und was nicht.

2. Facebook verbietet Werbung, die Wahlergebnisse anzweifelt
(spiegel.de)
Viele Beobachter befürchten, dass US-Präsident Donald Trump eine Wahlniederlage nicht akzeptieren und sich seiner Ablösung widersetzen wird. Die Befürchtung ist nicht aus der Luft gegriffen, denn Trump selbst macht immer wieder Andeutungen, die in diese Richtung gehen. Der Facebook-Konzern will nun Desinformationskampagnen zur US-Wahl erschweren und keine Werbeanzeigen annehmen, die fälschlicherweise von Wahlbetrug sprechen oder vorzeitig Zweifel am Endergebnis säen.

3. «Konnten wir da noch Journalisten sein?» – Krisenberichterstattung über Seenotrettung
(message-online.com, Severin Pehlke)
Die NDR-Fernsehreporterin Nadia Kailouli hat mehrfach über die Seenotrettung auf dem Mittelmeer berichtet und ist dieses Jahr für ihren Dokumentarfilm “SeaWatch3” mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden. Im Interview erzählt sie von ihrer Vorbereitung auf die schwierigen Einsätze und den gelegentlich auftauchenden Vorwürfen, nicht neutral zu berichten: “Ich finde schade, dass mir bei meiner Arbeit oft eine politische Positionierung nachgesagt wird. Ich möchte mir keine Vorwürfe anhören müssen, dass ich mich politisch positioniert habe, nur weil ich grundsätzlich darüber berichten möchte, wie Menschen leben, die aus Teilen Afrikas nach Europa geflüchtet sind. Einem Sportjournalisten würde man doch auch nicht vorhalten, dass er nicht neutral ist, weil er sich mehr für Fußball als für Handball interessiert.”

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4. Zwanzig Verlage sind dabei
(faz.net)
Google startet mit zwanzig deutschen Verlagen ein gemeinsames Medienangebot, für das erstmals Lizenzgebühren an die Medienhäuser fließen sollen. Weltweit lasse sich Google dieses Projekt eine Milliarde US-Dollar kosten. Dem Verband der Zeitungsverleger BDZV gehe dies nicht weit genug: “Die Geldausschüttung an Verlagshäuser” erfolge “nach Gutsherrenart”. Das habe “nichts mit unseren Vorstellungen von einem modernen Urheberrecht im 21. Jahrhundert zu tun”.

5. Medien werden kritischer – ein bisschen
(deutschlandfunk.de, Felix Lill, Audio: 5:15 Minuten)
Die Berichterstattung japanischer Medien über die eigentlich anstehenden Olympischen Spiele sei bislang stets positiv gewesen, doch nun zeichne sich ein Wandel ab. Die Mehrheit der Menschen sei, anders als noch vor ein paar Monaten, “Tokyo 2020” gegenüber skeptisch eingestellt, und auch viele Redaktionen würden inzwischen kritischer berichten. Felix Lill erklärt die Hintergründe.

6. RTL und “Bunte” lassen Helene Fischer in ihrem neuen Haus nicht allein
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Mit Artikeln über die erfolgreiche Schlagersängerin Helene Fischer lässt sich viel Geld verdienen. Die Hoffnung auf Klicks und Auflagensteigerung lässt bei einigen Medien jedoch sämtliche Sicherungen durchbrennen. Boris Rosenkranz erzählt von einem besonders schamlosen Fall, bei dem Bildmaterial einer privaten Feier ausgebeutet wurde.

Gedächtnis­protokolle, “NZZ” im Tabaknebel, Diskursverschiebung

1. Warum berufen sich Undercover-Reportagen auf ominöse “Gedächtnis­protokolle”?
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
In einer ProSieben-Reportage über rechte Netzwerke wurde ein AfD-Funktionär mit seinen Gewaltfantasien gegen Geflüchtete zitiert. Währenddessen wurde das Wort “Gedächtnisprotokoll” eingeblendet. Ein Undercover-Team hatte die den Politiker belastende Szene heimlich in einem Restaurant aufgenommen, in der Reportage war der AfD-Mann jedoch nicht zu sehen, und auch der Originalton war nicht zu hören. Medienanwalt Thorsten Feldmann ordnet die Thematik ein und erklärt, welche rechtlichen Gründe hinter dieser Vorgehensweise stecken.

2. Meinung: Mehr Debatte in den Tagesthemen
(ndr.de, Daniel Bouhs)
Bei den “Tagesthemen” soll es zukünftig einige Änderungen geben. Der “Kommentar” wurde nach 42 Jahren bereits zur “Meinung”. Ein “Pro und Contra” soll Debatten abbilden/anheizen. Der Historiker Jürgen Zimmerer warnt vor einer “Diskursverschiebung nach rechts”. Außerdem könnten auf diese Weise extreme Positionen salonfähig gemacht werden. Multiperspektivität sei gut, “aber es gibt natürlich einen Rahmen, außerhalb dessen Positionen einfach absurd sind. Ich warte dann auf den Kommentar in den ‘Tagesthemen’ zu ‘Die Erde ist eine Scheibe’ oder ‘Der Antisemitismus ist richtig’.”

3. Journalismus in Zeiten der Polarisierung: neun Empfehlungen von Jeff Jarvis
(innovation.dpa.com, Meinolf Ellers)
Der US-amerikanische Journalist und Autor Jeff Jarvis wurde vom Hamburger Senat und der Nachrichtenagentur dpa “für seine Verdienste als Brückenbauer zwischen den Internet-Plattformen und den traditionellen Medien” mit dem “Scoop-Award” geehrt. In seiner Keynote liefert Jarvis neun Denkanstöße für einen besseren Journalismus. Seine vollständige Rede gibt es bei Youtube (in englischer Sprache) zum Nachhören und Nachschauen.

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4. NZZ im Dunstnebel der Tabakindustrie
(infosperber.ch, Rainer M. Kaelin)
Die “NZZ” veröffentlichte jüngst einen PR-Artikel der Tabakindustrie. Der Pneumologe und ehemalige Vizepräsident der Lungenliga Schweiz, Rainer M. Kaelin, kritisiert den Beitrag: “Die Tribüne, die das älteste Medium der Schweiz dem Tabakgiganten Philip Morris zur Verfügung gestellt hat, lässt erschreckend deutlich erkennen, wie Lobbying, PR-Arbeit und Geld seit Langem die Tabakprävention auf Kosten der Jugend unterminieren. Das schadet dem Ansehen der NZZ, deren vornehmste Aufgabe die seriöse Information ihrer Leserinnen und Leser wäre.”

5. “Eine Frage von Leben und Tod”
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz, Audio: 5:58 Minuten)
In London wird derzeit über die Auslieferung des Wikileaks-Gründers Julian Assange an die USA verhandelt. Dort drohen ihm eine Anklage wegen Spionage in 17 Fällen und insgesamt 175 Jahre Haft. Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen beobachtet das Verfahren und zeigt sich äußerst besorgt: “Abgesehen davon, dass es hier um ein Verfahren gegen Julian Assange und ein Verfahren letztlich um Pressefreiheit geht, muss Julian Assange aus unserer Sicht auch schon allein aus humanitären Gründen sofort freigelassen werden.”

6. Die Rasen-Reporter
(zdf.de, 43:33 Minuten, Christian Bock)
Das Fußballmagazin “Kicker” wird dieses Jahr stolze 100 Jahre alt. Anlässlich des runden Geburtstags berichtet eine ZDF-Doku über die Entwicklung des Fußballs zum Volkssport und die Bedeutung der ihn begleitenden Medien, nicht nur des “Kickers”.
Weiterer Gucktipp: Die ARD hat im April eine Doku zum gleichen Thema in die Mediathek gestellt: 100 Jahre “Kicker”: Ein Sportmagazin schreibt Geschichte (Andreas Kramer, Video: 41:26 Minuten).

Bild.de-Panikorchester lässt Lira wegen Rede kollabieren

Gestern präsentierte der türkische Finanzminister Berat Albayrak, der auch der Schwiegersohn des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ist, seinen Drei-Jahres-Plan für die Wirtschaft des Landes. Auf der Bild.de-Startseite werden die Folgen dieses Auftritts so zusammengefasst:

Screenshot Bild.de - Neuer Wirtschaftsplan für die Türkei - Lira kollabiert bei Rede von Erdogan-Schwiegersohn!

Wie liebevoll die “Bild”-Redaktion beim Schreiben und Redigieren ihrer Texte vorgeht, sieht man bereits im ersten Absatz des Artikels. Dort steht dieser Satz, den man durch eigenständiges Einfügen von “auf”, “dem” und “sowie dem” vermutlich sogar verstehen kann:

Die türkische Lira fiel ein neues Rekordtief gegenüber US-Dollar Euro.

Auch bei der Recherche grundlegender Mechanismen in der Wirtschaft klappte es nicht so ganz. Bild.de schrieb:

Dann wurde der Finanzminister gefragt, was er zur Kursentwicklung der türkischen Lira sage. Die ist mehr als besorgniserregend: Mitte März kostete ein Euro etwa 7 türkische Lira, am Montag stieg der Kurs auf über 9 Lira je Euro.

Die Folge: Verteuerte Exporte, was die Wettbewerbsfähigkeit vieler türkischer Kernbranchen hart trifft.

Das ist schlicht falsch. Es ist genau andersrum: Verliert eine Währung im Vergleich zu einer anderen an Wert, kann das der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft helfen (solange die Währung nicht völlig abrutscht, und die Wirtschaft zusammenbricht). Fällt der Lira-Kurs, können türkische Unternehmen ihre Produkte günstiger im Ausland anbieten. Allerdings werden Importe, etwa von Rohstoffen, für sie gleichzeitig teurer.

Den Absatz mit der falschen “Folge” hat die “Bild”-Redaktion inzwischen heimlich aus ihrem Artikel gelöscht.

Aber nun zum Großen und Ganzen: Bild.de behauptet, die Rede Albayraks habe die türkische Lira “kollabieren” lassen. Während der Finanzminister redete, “reagierten die Märkte – und zwar panisch”, steht im Artikel. Das ist stark übertrieben.

Dem Finanzportal “Onvista” zufolge war 1 Euro am Dienstag, dem Tag der Rede, um 0 Uhr 9,035 türkische Lira wert – der niedrigste Wert des Tages. Um 17 Uhr entsprach 1 Euro 9,208 Lira – der höchste Wert des Tages. Den Rest des Tages bewegte sich der Markt zwischen diesen Werten. Maximal 1,9 Prozent verlor die Lira im Vergleich zum Euro demzufolge am Dienstag. So sieht es also aus, wenn laut Bild.de Märkte “panisch” reagieren und eine Währung “kollabiert”.

Die türkische Lira verliert tatsächlich heftig an Wert – allerdings schon seit Monaten und nicht erst seit dem Auftritt Albayraks. Für den Wertverlust der vergangenen Tage sehen Analysten andere Gründe.

Mit Dank an Ahmet für den Hinweis!

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Amerikanische Katastrophe, Unzulässige Bilder, Jabadabaduuuu!

1. Die Fairness aufgegeben
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers)
Anfang der Woche ist das Buch “Im Wahn. Die amerikanische Katastrophe” des ehemaligen “Spiegel”-Chefredakteurs Klaus Brinkbäumer und des Dokumentarfilmers Stephan Lamby erschienen. Im Interview mit dem Deutschlandfunk spricht Lamby über die Entwicklung der US-amerikanischen Medien. Bis zum Jahr 1987 habe die “fairness doctrine” gegolten, nach der bei politischen Kontroversen immer auch die Gegenseite gehört werden solle. In den Jahren der Deregulierung sei dies aufgegeben worden, mit schädlichen Auswirkungen bis in die Gegenwart: “Diese Entwicklungen, die da 1987/88 etwa ihren Anfang nahmen, die sehen wir in voller Blüte heute, so dass da nicht nur Republikaner und Demokraten gegeneinanderstehen, sondern auch ‘Fox News’ und ‘CNN’. Das ist wirklich mit Händen zu greifen im Moment.”
Weiterer Lesehinweis: Die US-Korrespondenten des “Spiegel” haben sich die erste TV-Debatte zwischen Donald Trump und Joe Biden angeschaut: Der Schreikampf (spiegel.de, Roland Nelles & Marc Pitzke).

2. Artikel über Scheidung von Anke Engelke nur ohne Bilder zulässig
(urheberrecht.org)
Die “Bild”-Zeitung und Bild.de hatten über das Scheidungsverfahren der TV-Unterhalterin und Schauspielerin Anke Engelke berichtet und dabei auch Fotos verwendet, die auf dem Weg zum Amtsgericht geschossen wurden. Letzteres sei laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs unzulässig: Die Bilder würden nicht zum Bereich der Zeitgeschichte gehören, sondern seien Teil der Privatsphäre.

3. “Die ARD gibt selbst fürs Wetter mehr aus als für Dokumentarfilme”
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Freie Doku-Produzentinnen und -Produzenten hätten in Hessen so gut wie keine Chance, ihre Arbeiten bei der dortigen ARD-Tochter unterzubekommen. Im Gespräch mit “DWDL” erklären zwei langjährige Dokumentarfilmer die für sie unbefriedigende Situation: “Der HR ist der einzige ARD-Sender, der eine sehr strikte Eigenproduktionspolitik fährt. 97 Prozent aller Produktionen des HR stammen direkt aus dem Haus. Freie Dokumentarfilmer oder Nachwuchsfilmer kommen so überhaupt nicht zum Zuge. Das ist kein Zufall, sondern die erklärte Politik des Hauses, die auch vom Rundfunkrat abgesegnet ist. Für uns Dokumentarfilmer ist das existenzbedrohend, gerade jetzt in der Coronakrise.”

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4. Arktis statt Aktien, Dürre statt Dividende: Initiative will ARD-Sendung “Börse vor acht” ersetzen
(klimafakten.de, Nick Reimer)
Eine Gruppe von Klima-Aktivisten will die Börseninformationen im Ersten kurz vor der “Tagesschau” durch Klima-Berichterstattung ersetzen. Das Crowdfunding für eine Testausgabe war äußerst erfolgreich: Statt der ursprünglich anvisierten 20.000 Euro seien mehr als 40.000 Euro zusammengekommen. Nun werde eine sechsteilige Testreihe produziert. Dass diese dann auch bei einem ARD-Sender ausgestrahlt werde, sei eher unwahrscheinlich, aber darum gehe es auch nicht: “Wir wollen zeigen, was gute Klimaberichterstattung ist – und dass es geht.”

5. Forschung, Strategie, Umsetzung: Wie sich der SPIEGEL für junge Leser*innen verändert
(medium.com/@devspiegel)
Nachdem der “Spiegel” mit seinem Jugendportal “Bento” gescheitert ist, unternimmt er einen neuerlichen Versuch, die junge Zielgruppe zu erreichen: “Spiegel Start” heißt das neue “Service- und Orientierungsangebot rund um Ausbildung, Studium und Berufseinstieg”, das in dieser Woche anläuft. Im hauseigenen Entwicklerblog verraten die Macherinnen und Macher, welche Analysen und Überlegungen sie im Vorfeld angestellt haben.

6. Jabadabaduuuu!
(sueddeutsche.de, Fritz Göttler)
Fritz Göttler erinnert an die erste Zeichentrickfilmserie, die es ins US-amerikanische Primetime-Fernsehen schaffte: “The Flintstones” (in Deutschland: “Familie Feuerstein”). Sie wurde von den Animationskünstlern William Hanna und Joseph Barbera entwickelt, die zuvor bei MGM lange Zeit “Tom und Jerry” betreut hatten. Die Serie war in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich, und vielen klingt Fred Feuersteins Urschrei noch heute in den Ohren: “Jabadabaduuuu!”

Interessenkonflikte bei Strobl? Deutscher Comedypreis, Audio

1. Der Deutsche Comedypreis ist ein schlechter Witz
(uebermedien.de, Stefan Stuckmann)
Jetzt frei abrufbar auch ohne Abo: Was Stefan Stuckmann über den alljährlich verliehenen Deutschen Comedypreis berichtet, klingt in der Tat wie ein schlechter Witz. Hinter dem Ausrichter verberge sich eine selbst im Comedy-Geschäft tätige und höchst befangene Filmproduktionsgesellschaft, was teilweise zu seltsamen Ergebnissen führe. “Das Problem ist aber natürlich nicht nur, dass hier unter dem Deckmantel von Offenheit und Partizipation die ewige Günstlingswirtschaft fortgesetzt wird – sondern auch, dass hier wieder die mangelnde Diversität sichtbar wird, die die Branche seit Jahrzehnten nicht überwindet.” Wer jemals bei der Verleihung des Comedy-Preises lachen konnte: Spätestens nach der Lektüre von Stuckmanns Text wird es einem vergehen.

2. Interessenkonflikte bei Christine Strobl?
(deutschlandfunk.de, Daniel Bouhs, Audio: 5:10 Minuten)
Christine Strobl soll neue Programmdirektorin der ARD werden. Sie ist CDU-Mitglied, Tochter von Wolfgang Schäuble und mit dem Innenminister von Baden-Württemberg verheiratet. Kann diese Konstellation gutgehen? Oder drohen Interessenkonflikte? Daniel Bouhs ordnet die Personalie ein.

3. Wir verabschieden uns
(bento.de, Viktoria Bolmer & Julia Rieke)
Der “Spiegel” stellt sein Jugendportal “Bento” ein. Die Ressortleiterinnen Viktoria Bolmer und Julia Rieke verabschieden sich mit einigen aus ihrer Sicht besonders lohnenswerten Lese- und Guckempfehlungen. All diese Texte und Videos würden weiter existieren und in das Archiv bei Spiegel.de wandern. Was auch noch von “Bento” bleibe: Der Podcast, der zukünftig im neuen Karriere-Ressort des “Spiegel” zu finden sei.

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4. “In Krisenzeiten eigentlich immer am besten”
(message-online.com, Volker Lilienthal)
“Message”-Herausgeber Volker Lilienthal hat sich mit Christian Tretbar vom “Tagesspiegel” über die Herausforderungen der Corona-Krise unterhalten. Die Zeitung sei relativ früh von einem Corona-Fall betroffen gewesen, dementsprechend ernst nehme man dort die Pandemie. Ein interessanter Blick hinter die Kulissen von Berlins größter Tageszeitung, der sowohl die logistischen als auch die inhaltliche Fragen behandelt.
Hörempfehlung: Bei radioeins spricht Joachim Huber, Ressortleiter Medien beim “Tagesspiegel”, über seine Corona-Erkrankung. Huber hatte sich im März infiziert, erlitt eine Lungenembolie, Nierenversagen sowie einen Herzinfarkt und lag fünf Wochen im Koma (Audio: 4:50 Minuten).

5. WDR-Umfrage zu Audioverständlichkeit
(sueddeutsche.de, Theresa Hein)
Der WDR will die Hörverständlichkeit seines Programms verbessern und arbeitet mit dem Fraunhofer-Institut an einem technisch optimierten Audiokanal. Auf der Website des WDR kann man an einem Hörtest teilnehmen, bei dem man zwischen dem Original und dem “sprachverbesserten Dialog+ Audiokanal” wechseln kann.

6. Wie Sascha Lobo vom “irgendwas mit digital”-Typ zur deutschen Internet-Instanz wurde
(omr.com, Philip Westermeyer & Christian Cohrs, Audio: 1:19 Stunden)
Im “OMR”-Podcast packt “Spiegel”-Kolumnist und Digital-Experte Sascha Lobo viele unterhaltsame Anekdoten aus seiner langen Karriere aus: von seinem Studium mit 38 Semestern, seiner Arbeit als Kreativdirektor in einer Berliner Digitalagentur, seinem kalkulierten Haarschnitt. Und er erzählt die Geschichte, wie er einmal wegen der Teilnahme an einer Werbeaktion 40.000 empörte E-Mails und automatisierte Beleidigungen erhielt.

Bild.de zeigt Vergewaltigungsopfer

Die “Bild”-Redaktion zeigt alles, ohne Rücksicht auf irgendwas oder Empathie für irgendwen: Sie zeigt Tatverdächtige unverpixelt, Täter unverpixelt, falsche Täter unverpixelt, Opfer unverpixelt, falsche Opfer unverpixelt, getötete Kinder unverpixelt, den WhatsApp-Chat eines Elfjährigen, der gerade erfahren hat, dass seine fünf Geschwister getötet wurden, unverpixelt; sie zeigt auch ein Foto, auf dem eine Frau zu sehen ist, die kurz zuvor vergewaltigt wurde, unverpixelt.

Vor etwa zwei Wochen hat der Deutsche Presserat wieder einen Schwung Rügen verteilt. Insgesamt 15 Stück, sechs davon gingen an “Bild” beziehungsweise Bild.de (eine davon übrigens für die Berichterstattung, um die es oben bei “falsche Täter unverpixelt” geht). Vor allem über eine Rüge berichteten mehrere Medien: die zum “Bild”-Artikel “Fragwürdige Methoden: Drosten-Studie über ansteckende Kinder grob falsch” über den Virologen Christian Drosten. Eine andere Rüge, die der Presserat gegen Bild.de aussprach, wird in der Berichterstattung hingegen nur nebenbei erwähnt, wenn überhaupt. Dabei war das Vorgehen von Bild.de ausgesprochen skrupellos: “Redaktion zeigt Vergewaltigungsopfer”, schreibt der Presserat dazu. Den Fall wollen wir hier nachträglich noch einmal dokumentieren.

Am 23. März auf der Bild.de-Startseite:

Screenshot Bild.de - Plötzlich bricht eine Welt zusammen - Mein Papa hat mir gesagt, dass er ein Vergewaltiger ist
(Unkenntlichmachung der Augen des Jungen durch Bild.de, weitere Verpixelung durch uns.)

Ein Junge habe seinen Vater im Gefängnis besucht. Der 43-jährige Mann habe seinem neunjährigen Sohn bei diesem Besuch erzählt, dass er “ein Vergewaltiger und ein ­Mörder, ein versuchter Mörder” sei, so der Junge laut Bild.de. Daher die Überschrift.

Im dazugehörigen Artikel zeigt Bild.de auch ein Foto, auf dem ein Polizeiauto, ein Rettungswagen, Polizisten und eine Frau zu sehen sind. Die Frau ist in eine Decke eingewickelt. In der Bildunterschrift steht:

Am Morgen des 12. Oktober 2019 wurde eine Studentin (20) gefesselt in einem Gebüsch gefunden. Sie wurde sofort ins Krankenhaus gebracht

Die Studentin wurde entführt, vergewaltigt, ausgesetzt und nur per Zufall von einem Mann entdeckt, der anschließend die Polizei rief. Auf dem Foto, das den Polizeieinsatz zeigt und das Bild.de veröffentlichte, ist das Opfer zu erkennen. Der Presserat schreibt dazu:

BILD.DE erhielt eine Rüge für die Berichterstattung “Mein Papa, hat mir gesagt, dass er ein Vergewaltiger ist”. In der Berichterstattung zeigte die Redaktion das unverpixelte Fotos eines Vergewaltigungsopfers kurz nach seinem Auffinden durch die Polizei. Der Ausschuss sieht in der erkennbaren Abbildung einen schweren Verstoß gegen den Opferschutz nach Richtlinie 8.2 des Pressekodex.

Am vergangenen Freitag veröffentlichte der Presserat eine detailliertere Dokumentation zu der Rüge (hier zu finden unter dem Aktenzeichen 0311/20/2). Demnach reagierte die “Bild”-Redaktion erst überhaupt nicht auf die Aufforderung, zu der Beschwerde Stellung zu nehmen; nach erneuter Aufforderung antwortete die Rechtsabteilung des Springer-Verlags, dass die Veröffentlichung des Fotos zulässig sei, da die Frau bei der vorhandenen Bildauflösung überhaupt nicht zu erkennen sei.

Das sah der Beschwerdeausschuss des Presserats anders:

Anders als die Zeitung ist der Ausschuss der Meinung, dass die Frau auf einem der beiden Fotos erkennbar abgebildet worden ist. Die Abbildung eines Opfers unmittelbar nach der Straftat stellt einen schweren Verstoß gegen dessen Persönlichkeitsschutz dar. Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Nur weil jemand zufällig Opfer eines Verbrechens wird, darf er nicht automatisch identifizierbar in den Medien gezeigt werden. Die Frau ist keine Person des öffentlichen Lebens. Die Redaktion kann auch keine Einwilligung vorlegen, die eine Ausnahme von Richtlinie 8.2 begründen könnte.

Inzwischen ist das Gesicht der Frau bei Bild.de verpixelt.

Ein Teil der Beschwerde richtete sich auch gegen die Abbildung des Neunjährigen auf der Bild.de-Startseite und im Artikel. Seine Augen wurden von der Redaktion zwar etwas verpixelt, aber erstens ist die Verpixelung so klein, dass ihn viele, die ihn ab und zu mal sehen, auf dem Foto wiedererkennen dürften. Zweitens wird sein Vorname genannt, der abgekürzte Nachname, Bild.de schreibt, in welche Klasse er geht, nennt den Vornamen des Vaters und den Vornamen der Mutter. Und drittens ist die Mutter auf dem Foto unverpixelt zu sehen, wodurch jede Person, die die Mutter kennt, auch weiß, um welches Kind es sich handelt. Dennoch gab es dafür keine Rüge, da der Redaktion eine Erlaubnis der Mutter vorlag. Der Presserat bewerte “die Abbildung des Sohnes durchaus kritisch”, …

… sieht jedoch keinen Anlass dafür, die Selbstbestimmung der Mutter und deren Entscheidung zur Einwilligung in Frage zu stellen.

Bleibt die Frage, ob eine Redaktion unbedingt alles machen muss, was sie darf.

Mit Dank an Horst W. für den Hinweis!

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