Beschwerderekord, Haftbefehl gegen Hildmann?, Behäbige Fernseh-Zeiten

1. 2020: Beschwerderekord beim Presserat
(presserat.de)
Der Deutsche Presserat stellt seinen Jahresbericht 2020 (PDF) vor, der eine traurige Rekordmarke bereithält: Noch nie habe es so viele Beschwerden wie im vergangenen Jahr gegeben. Im Vergleich zum Vorjahr hätten sich fast doppelt so viele Personen an die freiwillige Selbstkontrolle der Print- und Onlinemedien gewandt.

2. Attila Hildmann wird offenbar per Haftbefehl gesucht
(tagesspiegel.de, Alexander Fröhlich & Julius Geiler)
Kochbuchautor und Verschwörungsideologe Attila Hildmann ist für seine wüsten Tiraden und Hetzereien bekannt. Nachdem die großen Social-Media-Plattformen ihm den Zugang gesperrt haben, hat er sich auf den Messengerdienst Telegram zurückgezogen. Wo er sich jedoch gerade örtlich aufhält, sei nicht bekannt. Möglicherweise habe er sich ins Ausland abgesetzt, um einem drohenden Haftbefehl zu entgehen. Derweil seien die Berliner Ermittler mit einer wahren Sisyphos-Aufgabe beschäftigt: Sie würden mehr als 1000 Hildmann-Aussagen auf strafrechtliche Relevanz hin überprüfen.

3. Boulevard-Medien gehen unfair mit Frauen um
(jetzt.de, Nhi Le)
Manche Medien würden die immer gleichen toxischen und misogynen Bilder bedienen, wenn es um die Berichterstattung über prominente Frauen geht, so die Journalistin Nhi Le: “Rabenmutter, Heilige oder Hure, Zicke, Goldgräberin, Homewrecker. All diese und weitere Narrative beruhen auf sexistischen Vorwürfen und Ansprüchen, denen Frauen nie gerecht werden können und nie gerecht werden sollten. Denn sie sind rückschrittlich, heuchlerisch und teilweise einfach bösartig.”

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4. “Geschäftsmodell von Google und Facebook in den Blick nehmen”
(deutschlandfunk.de, Magdalena Neubig, Audio: 5:01 Minuten)
Der Softwarehersteller Microsoft will gemeinsam mit europäischen Presseverlagen ein Bezahlsystem für Verlagsinhalte im Internet entwickeln. Dahinter steckt der Wunsch der Verlage, die großen Tech-Firmen für die direkte und indirekte Nutzung ihrer Inhalte zur Kasse zu bitten. Alexander Fanta, Brüssel-Korrespondent von netzpolitik.org, erklärt im Interview mit dem Deutschlandfunk die verschiedenen Interessenlagen und überlegt, wie eine europäische Haltung aussehen könnte.

5. Bis unter die Dusche
(taz.de, Wilfried Urbe)
Bei den großen Streaming-Plattformen trenden seit einiger Zeit unterhaltsame Sport-Dokus. Die Filme bieten den Zuschauenden Spannung und Emotionalität und verschaffen den Protagonisten und Vereinen Aufmerksamkeit. Wilfried Urbe stellt einige Beispiele aus dem Portfolio von Amazon und Netflix vor, denen das Ganze teilweise viel wert ist. So soll der englische Fußballklub Manchester City laut Branchenexperten für den Blick hinter die Kulissen 10 Millionen Pfund erhalten haben.
Und passend zum Thema “Sport in den Medien”: Mehr als 6500 Gastarbeiter starben seit der WM-Vergabe nach Katar (spiegel.de).

6. Im Fernsehen der Vergangenheit
(sueddeutsche.de, Fabian Dombrowski)
Fabian Dombrowski hat sich auf einen Bummel durch das Retro-Angebot der ARD gemacht, geleitet von Neugier, Zufall und Algorithmus. Anscheinend kann der Ausflug in das Filmangebot der 50er- und 60er-Jahre therapeutisch wirken, wenn man sich denn darauf einlässt: “Sich durch die Video-Exponate zu klicken, wirkt nach einer Weile entschleunigend bis ermüdend, man ist diese Behäbigkeit in der Berichterstattung ja gar nicht mehr gewohnt. Teils vergeht mehr als eine halbe Minute, bis überhaupt mal jemand zu sprechen beginnt, und wenn es dann jemand tut, macht er Pausen zwischendrin, die irrwitzig lang wirken.”

Klemmbaustein in der Klemme, Googles Titanic-Sorry, Sky-Strategie

1. Lego bringt die treuesten Fans gegen sich auf
(tagesspiegel.de, Sebastian Leber)
In den vergangenen Jahren ging der dänische Klemmbaustein-Konzern Lego immer wieder mit Anwälten gegen kleine Händler und Youtuber vor. Die rechtlichen Vorwürfe sind mindestens strittig und manchmal Auslöser für den berühmten Streisand-Effekt. So habe der Youtuber Thomas Panke (Youtube-Kanal: “Held der Steine”) nach der letzten Lego-Attacke zehntausende Abonnenten hinzugewonnen. Sebastian Leber mit einer lesenswerte Geschichte über den Kampf Goliath gegen David.

2. Sky-Programmchefin im Interview: “Ich glaube nicht an einen magischen Algorithmus”
(rnd.de, Imre Grimm)
Streaming boomt, der Markt ist heiß umkämpft: Netflix und Amazon sind bereits seit längerer Zeit dabei, Disney und Apple wollen auch etwas vom Kuchen abhaben. Und dann ist da ja noch Sky mit seinen Angeboten. Imre Grimm hat sich mit Sky-Programmchefin Elke Walthelm über teure Großproduktionen wie “Babylon Berlin”, die allgemeine Geschäftsstrategie und die Frage, warum der Pay-TV-Sender zusätzlich Werbung zeigt, unterhalten.

3. Mit Hashtag in die Zukunft
(taz.de, René Martens)
Die NDR-Spitze aus Intendanz und Programmdirektion werbe hausintern für eine Strukturreform der innerbetrieblichen Hierarchien, die teilweise erratisch wirke. René Martens kommentiert: “Viele Mitarbeiter haben daher den Eindruck, dass die Reform keiner inhaltlichen Strategie folgt, sondern dass es darum ging, den Machtkuchen so zu verteilen, dass beide Di­rek­to­r*in­nen gleich viele Stücke abbekommen.”

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4. Die Podcast-Strategie der Süddeutschen Zeitung
(anchor.fm, Levin Kubeth, Audio: 1:40:09 Stunden)
Levin Kubeth hat bei “Unter Zwei” mit Vinzent-Vitus Leitgeb gesprochen, der bei der “Süddeutschen Zeitung” das Audio-Team leitet. Leitgeb erzählt unter anderem von der Podcaststrategie der “SZ” und dem Nebeneinander von kostenlosen und Bezahlformaten. Und natürlich geht es um die generelle Zukunft des Mediums sowie die Auswirkungen von Spotify auf die freie Podcastszene.
Weiterer Lesehinweis: Spotify kündigt Hifi-Abo und Start in 85 neuen Märkten an (faz.net, Benjamin Fischer).

5. Wie ein Anglizismus das Sportinterview veränderte
(diepresse.com, Erich Kocina)
Realisieren bedeutete früher, etwas umzusetzen, heute ist damit häufig der Prozess der langsamen Bewusstmachung gemeint. In Interviews sagen Sportler und Sportlerinnen nach einem Erfolg deshalb oft, sie könnten das Erlebte “noch gar nicht realisieren”. Ein “falscher Freund” aus dem Englischen, wie Erich Kocina erklärt.

6. Google entschuldigt sich bei »Titanic« – per Karikatur
(spiegel.de)
Vergangene Woche hatte Google die App des Satiremagazins “Titanic” aus dem hauseigenen Appstore (“Google Play Store”) geschmissen. Stein des Anstoßes war unter anderem eine Jesus-Karikatur auf dem Cover der Dezemberausgabe der “Titanic”. Nun hat der Konzern die App wieder aufgenommen und sich bei der “Titanic”-Redaktion auf ziemlich originelle Weise entschuldigt: per Karikatur.

Wüste Sammlung, Papageno-Effekt, Der MDR und das Glyphosat

1. Medien kaufen Uni wüste Materialsammlung als brisante Corona-Studie ab
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Der Journalist Felix Huesmann hat es auf Twitter recht gut zusammengefasst: “Ein fachfremder Professor stellt wissenschaftliche Texte und Zeitungsartikel zusammen, fügt dem ganzen ein paar bunte Markierungen hinzu und die @unihh verkauft das dann als ‘Studie’. Mitten in der von Desinformation begleiteten Corona-Pandemie. Unfassbar.” Medienkritiker Stefan Niggemeier ist der Frage nachgegangen, wie das umstrittene Papier derart viel Medienaufmerksamkeit erfahren konnte. Außerdem verlinkt er mehrere Faktenchecks, die allesamt zu ähnlichen, wenn nicht übereinstimmenden Ergebnissen kommen.

2. Zu viele nehmen sich das Leben – darüber müssen wir reden
(krautreporter.de, Martin Gommel)
Der Werther-Effekt besagt, dass das öffentliche Sprechen über Suizide weitere Suizide provoziert. Ganz so einfach ist es jedoch nicht, findet die Soziologin Ellen von den Driesch: “Der Werther-Effekt ist eine umstrittene These, denn es gibt auch einen Papageno-Effekt. Hier geht man davon aus, dass es eine Schutzfunktion haben kann, wenn wir über Suizid in Verbindung mit Hinweisen auf Hilfsangebote sprechen.” Martin Gommel schreibt über psychische Krisen, den medialen Umgang damit und unsere gesellschaftliche Verantwortung für Menschen in Not.
(Solltest Du Suizid-Gedanken haben, dann gibt es Menschen, die Dir helfen können, aus dieser Krise herauszufinden. Eine erste schnelle und unkomplizierte Hilfe bekommst Du etwa bei der “TelefonSeelsorge”, die Du kostenlos per Mail, Chat oder Telefon (0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222 und 116 123) erreichen kannst.)

3. Fast jeden zweiten Tag schrieb der Boulevard 2020 etwas Negatives über Menschen aus Afghanistan
(kobuk.at, Benjamin Steiger)
Benjamin Steiger hat die Berichterstattung der österreichischen Presse über Menschen aus Afghanistan untersucht und dabei Missverhältnisse festgestellt, die “die Realität grob verzerren und Vorurteile verfestigen können”. Beispielsweise sei 2020 in fast jeder zweiten Ausgabe der “Kronen Zeitung” zumindest ein Negativ-Artikel über Afghaninnen oder Afghanen erschienen.

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4. MDR gewinnt in Glyphosat-Streit
(meedia.de)
Im Jahr 2015 hatte das ARD-Magazin “Fakt” über das Glyphosat-Gutachten einer Behörde berichtet und damit in Zusammenhang stehende Dokumente veröffentlicht. Das betroffene Bundesinstitut ging dagegen juristisch vor, angeblich seien die Urheberrechte der Autoren verletzt worden. Nun hat das Oberlandesgericht Köln die Klage des Instituts abgewiesen. MDR-Programmdirektor Klaus Brinkbäumer kommentiert: “Das Gericht hat diesen Versuch, Zensur über den Umweg des Urheberrechts auszuüben, ganz klar zurückgewiesen. Der Fall zeigt aber, dass die Rundfunkfreiheit auch in unserem Land jeden Tag aufs Neue verteidigt und erstritten werden muss.”

5. JournalistInnen, wir müssen reden
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer hat sich das aktuelle “Edelman Trust Barometer” angeschaut. Dabei handelt es sich um eine jährliche Umfrage zum Vertrauen in Regierungen, Unternehmen, Medien und Nichtregierungsorganisationen. Knüwer fordert: “JournalistInnen müssen sich endlich den Fehlentwicklungen ihrer Branche stellen, sie müssen bereit sein, Kritik zu ertragen und auszutragen. Und sie müssen sich ändern.”

6. Der Mann, der BILD zur Kriegsmaschine macht
(youtube.com, Walulis Story SWR3, Video: 15:00 Minuten)
Philipp Walulis wirft einen satirischen Blick auf das Aufmerksamkeits-Business von “Bild”-Chef Julian Reichelt. Ein unterhaltsames und kurzweiliges Psychogram, bei dem man manchmal nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll.

Harter Cringe, schokoladehaltiger PR-Stunt, Giovannis Braten

1. Harter Cringe
(faz.net, Felix Hooss)
Die beiden umtriebigen Gründer eines Kondom-Start-ups kamen 2019 auf eine weitere publicityträchtige Idee: Wie wäre es, wenn man im Berliner Olympiastadion die größte “BürgerInnenversammlung” abhielte und dort über Petitionen abstimmen ließe? Dank einer geschickten Medienkampagne und der Unterstützung durch einige Influencer und Influencerinnen sammelten sie 1,8 Millionen Euro für die Umsetzung des Vorhabens ein. Felix Hooss hat sich eine sechsteilige Doku über das ambitionierte Projekt angeschaut: “Bis zuletzt bleibt vage, was genau im Olympiastadion eigentlich geschehen, wie das mit den Petitionen funktionieren, was hier politisch verhandelt werden soll. Das ist aber irgendwie auch egal. Letztlich wird hier eine leere Hülle promotet, darunter ist nichts; ob politische Beteiligung verkauft werden soll oder eben Kondome, spielt keine Rolle. Die Reichweite der Influencer wirkt dabei wie ein Steroid. Nie war es leichter, sich ein bisschen politisch, ein bisschen weltverbessernd zu fühlen, ohne auch nur das Geringste am eigenen Lebensstil zu hinterfragen.”
Weiterer Gucktipp: Zum Hintergrund ein Hinweis auf das lohnenswerte und vorausschauende Gespräch zwischen Wolfgang M. Schmitt und Ole Nymoen aus dem Jahr 2019: Olympiastadion: So blöde war die Weltrettung noch nie! (youtube.com, Video: 29:41 Minuten).

2. 90 Jahre Haus des Rundfunks: Die Sendesäle und die Akustik
(rbb-online.de, Sigrid Hoff)
Das Haus des Rundfunks in der Berliner Masurenallee hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Zum 90-jährigen Bestehen geht der rbb in einer Serie den Spuren der Architektur und der wechselvollen Geschichte dieses Baus nach. In der aktuellen Folge geht es um die Sendesäle und die Akustik.
Weiterer Hörtipp: Der fünfteilige Podcast über das Haus des Rundfunks, von der Grundsteinlegung im Jahr 1929 bis in die Jetztzeit.

3. “Ritter Sport hat es geschafft, absolut an die Grenze des Möglichen zu gehen”
(wiwo.de, Nele Husmann)
Ein Schokoladen-Hersteller behauptete, seine Schokolade dürfe nicht Schokolade genannt werden, weil sie keinen Zucker enthalte. Ein geschickter PR-Stunt, der sich jedoch als unwahr herausstellte. Der Firma konnte es egal sein: Zahlreiche Medien waren auf die Meldung angesprungen und hatten berichtet. Lars Rademacher, Vorsitzender des Deutsches Rats für Public Relations und Medien-Professor in Darmstadt, hält die Aktion für einen Grenzfall.
Weiterer Lesehinweis: Wie man eine neue Schokoladensorte in alle Medien bringt (übermedien.de, Stefan Niggemeier).

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4. MDR bietet virtuelle Tour durchs Sendezentrum an
(dwdl.de, Alexander Krei)
Pandemiebedingt bietet der MDR derzeit keine Studioführungen an. Nun hat sich der Sender eine Alternative einfallen lassen und lädt zu einer virtuellen 360-Grad-Tour durch die Studios am Standort Leipzig ein. Bei “Mittendrin – die virtuelle MDR-Studiotour” kann man zum Beispiel hinter die Kulissen der Studios von “MDR aktuell” und “Sport im Osten” schauen, eine Regie besuchen oder beim “Riverboat” vorbeigucken.

5. Facebook-Blockade wegen Mediengesetz: Was nun, Australien?
(heise.de, Torsten Kleinz)
In Australien eskaliert ein Streit um die sogenannte Linksteuer. Das Parlament will Konzerne wie Facebook und Google dazu verpflichten, Verlage und Medienhäuser an den Erlösen zu beteiligen, wenn deren Inhalte abgegriffen werden. Als Reaktion hat Facebook sämtliche Nachrichteninhalte des Landes gesperrt. Was bedeutet dies für Netzpolitik, Medien und das Internet? Und wer wird aus dem Kampf als Sieger herausgehen: Nationalstaaten oder die großen Konzerne? Torsten Kleinz spielt drei Szenarien durch, die er für möglich hält.

6. “Die Zeit” wird 75 Jahre alt. Braten für alle!
(twitter.com/uebermedien, Video: 0:27 Minuten)
Anlässlich des 75. Geburtstag der Wochenzeitung “Die Zeit” präsentiert “Übermedien” einen Ausschnitt aus einer NDR-Doku über Giovanni di Lorenzo, den “Meister der Zwischentöne”. di Lorenzo ist anscheinend auch ein Meister der Zwischentöne, wenn es um (seltenes) Lob geht.
Weiterer Gucktipp: “‘Die Zeit’ – Eine Wochenzeitung wird 75” (ndr.de, Inga Mathwig & Davod Hohndorf, Video: 44:53 Minuten).

Demütigungs-Business, Bezirksamt vs. Livestream, Gedächtnis weg

1. Das Geschäft mit der Demütigung hat eine lange Tradition
(tagesspiegel.de, Inga Barthels)
Dass Frauen in der Öffentlichkeit immer wieder mit Hass, Häme und Misogynie überschüttet und öffentlich gedemütigt werden, habe seit der Antike Tradition, schreibt Inga Barthels beim “Tagesspiegel”. Mit dem Aufkommen des Internets habe das Problem jedoch eine neue Dimension angenommen. Barthels nennt einige prominente Beispiele wie Kasia Lenhardt, Monica Lewinsky und Britney Spears.
Weiterer Hinweis: Auf Twitter wirft Jasmina Kuhnke (Twitter-Name: @ebonyplusirony) dem “Tagesspiegel” vor, mit ihr ähnlich umgegangen zu sein: “Lieber Tagesspiegel, ihr seid Teil des Problems, denn ihr hattet auch keinerlei Bedenken, u.a. mich, eine ‘twitternde Vierfachmutter’, zu diffamieren und öffentlich zu demütigen!” Kuhnke bezieht sich damit auf einen Artikel von Fatina Keilani aus dem Januar, der mehrfachen Widerspruch (1, 2, 3) ausgelöst hatte.

2. Bezirksamt untersagt Live-Berichterstattung
(tagesschau.de, Andrej Reisin)
Gestern haben das Robert-Koch-Institut und das Bezirksamt Berlin-Mitte auf einer Pressekonferenz über eine Corona-Studie berichtet. Die “Tagesschau” wollte, wie übliche Praxis, die Pressekonferenz per Livestream übertragen. Dies wurde jedoch vom Bezirksamt untersagt. Dazu hätte man vorher eine Einverständniserklärung aller Teilnehmenden einholen müssen. Die ARD-Verantwortliche Juliane Leopold zeigt sich besorgt: “Wir finden einen Präzedenzfall gefährlich, Livestreaming einer Pressekonferenz zur Corona-Lage zu verhindern.”
Auf Twitter zieht Hendrik Wieduwilt einen Vergleich: “Man muss sich das mal reinzimmern: Die live-Information der Öffentlichkeit soll davon abhängen, dass *jeder* Beteiligte vorher einwilligt. Hoffentlich bricht in Berlin kein Krieg aus, da verliert man immer DSGVO-mäßig den Überblick und es kommt wieder nichts in der Tagesschau!”
Weiterer Gucktipp: Bei “Zapp” geht der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar der Frage nach: Corona – Hat der Journalismus versagt? (ndr.de, Video: 10:30 Minuten)

3. Verbannung dank halbnacktem Jesus
(sueddeutsche.de, Christiane Lutz)
Google hat die App des Satiremagazins “Titanic” aus dem hauseigenen Appstore (“Google Play Store”) geschmissen. Stein des Anstoßes ist unter anderem eine Jesus-Karikatur auf dem Cover der Dezemberausgabe der “Titanic”. Dabei handele es sich um eine Darstellung, die laut Google “nicht mit unseren Sexualitäts- und Obszönitätenrichtlinien vereinbar” sei. Das Angebot der “Titanic”, einen Balken über die heikle Stelle zu legen, habe Google abgelehnt und auf der kompletten Löschung des Covers bestanden. “Titanic”-Chefredakteur Moritz Hürtgen zeigt sich eher amüsiert als schockiert: “Wenn Google bei seiner Haltung bleibt, finden wir eben nicht im Playstore statt.”

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4. Weg mit dem Gedächtnis
(kontextwochenzeitung.de, Josef-Otto Freudenreich)
Das Stuttgarter Pressehaus, Teil der Südwestdeutschen Medien-Holding (SWMH), will im Zuge von Einsparmaßnahmen sein Archiv schließen. Sparen an der falschen Stelle, wie Josef-Otto Freudenreich findet: “Ökonomisch bewertet ist der Posten Archiv höchstens Portokasse für die SWMH. Der größte deutsche Tageszeitungskonzern weist einen Umsatz von knapp einer Milliarde Euro und eine Beschäftigtenzahl von mehr als 5.000 aus. Zum Vergleich: Im Möhringer Keller sind von ursprünglich elf MitarbeiterInnen noch vier übriggeblieben, die ihre Kosten zudem in Teilen wieder einspielen.” Freudenreichs Urteil: “Publizistisch gesehen ist die Schleifung des Archivs ein Kulturbruch, ein weiterer Offenbarungseid.”

5. Podcasts, öffentlich-rechtliches Radio und die Plattformen
(kuechenstud.io, Philip Banse & Sandro Schroeder, Audio: 2:03:27 Stunden)
Der Journalist Philip Banse podcastet bereits seit dem Jahr 2005 und ist einer der Köpfe des tagespolitischen Podcasts “Lage der Nation”. Sandro Schroeder ist beim Deutschlandradio für Konzeption und Präsentation von Podcasts zuständig und versendet regelmäßig einen Fach-Newsletter. In ihrem Podcastgespräch über Podcasts sprechen die beiden Experten unter anderem über die Schwierigkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit dem neuen Medium und die drohende Dominanz der Audio-Plattformen.

6. Clubhouse in Real Life
(youtube.com, Late Night Berlin, Video: 4:33 Minuten)
Keine Einladung für die Audio-Chat-App Clubhouse bekommen oder nicht im Besitz eines iPhones? Macht nichts, Klaas Heufer-Umlauf und sein Sidekick Jakob Lundt nehmen Euch mit ins analoge Clubhouse.

Pandemie des Hasses, Handy-Ich, Datensammelwut der Verlage

1. Die Pandemie des Hasses
(rnd.de, Markus Decker & Jan Sternberg)
Es scheint, als trete in Zeiten der Pandemie bei manchen Menschen das Schlechteste nach außen. Leidtragende sind oft PolitikerInnen und inzwischen auch WissenschaftlerInnen, die mit Hassbotschaften und Drohungen überschüttet werden. Der Staat tue sich schwer mit einer angemessenen Reaktion, schreiben Markus Decker und Jan Sternberg. Das Gesetz gegen Hasskriminalität konnte wegen verfassungsrechtlicher Bedenken zur Bestandsdatenauskunft bislang nicht in Kraft treten. Nun drängen Fachleute zur Eile.
Weiterer Gucktipp: Der Youtuber “Schlauchbootfan” setzt sich in seinen Videos kritisch mit Querdenkern auseinander. Das hat den prominenten Querdenker und Betreiber einer Schwindelambulanz Bodo Schiffmann auf den Plan gerufen. Dieser habe auf Telegram seine Gefolgschaft aufgefordert, die Identität des Kritikers aufzudecken. Anschließend habe Schiffmann den Klarnamen, den Arbeitgeber und die Anschrift des “Schlauchbootfans” veröffentlicht (sogenanntes Doxing). Der IT-Anwalt Chan-jo Jun hat sich mit dem Doxingopfer unterhalten. Dabei geht es vor allem um die Frage der Strafbarkeit (youtube.com, Video: 6:41 Minuten).

2. Die Idee der Entbündelung
(taz.de, Stefan Stuckmann)
So sehr der Autor Stefan Stuckmann den Hype um die Audio-Chat-App Clubhouse nachvollziehen kann, so besorgt ist er, was die Folgen anbelangt: “Damit wird aufs Neue ein zwar regulierter, aber im Prinzip offener Markt ersetzt durch eine komplett privatwirtschaftliche Plattform. Eine, die scheinbar offen daherkommt – jeder kann mitmachen! – aber letztlich ein Silo ist. Die keine einzige neue Idee mitbringt, wie sie all die Probleme angehen will, die bereits die älteren sozialen Netzwerke überfordern.”

3. Bezahlen mit Daten
(kontextwochenzeitung.de, Johanna Henkel-Waidhofer)
DatenschützerInnen kritisieren die Datensammelwut der großen Zeitungsverlage, die ihren Lesern und Leserinnen teilweise auf Schritt und Tritt durchs Netz folgen. Johanna Henkel-Waidhofer hat sich an das Thema gemacht, was angesichts verschiedener Interessenlagen und rechtlicher Implikationen nicht einfach ist: “Es ist, als müsste ein Kabelsalat entwirrt werden: Wer an den falschen Stellen zieht, bekommt neue Probleme anstatt alte zu lösen.”

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4. Das Herz des Journalismus schlägt links – so what?
(medienpolitik.net, Christian Pieter Hoffmann)
Die politische Linksverschiebung im Journalismus sei real und vollkommen plausibel, so Christian Pieter Hoffmann, Professor für Kommunikations-Management an der Universität Leipzig. In seinem Text diskutiert Hoffman die Argumente und Gegenargumente zum politischen Bias im Journalismus.

5. Kinozahlen brechen massiv ein
(faz.net)
Die Pandemie hat in der Kinowirtschaft für einen drastischen Rückgang der Besucherzahlen gesorgt. Laut Aussage der Filmförderungsanstalt (FFA) sei der Ticketverkauf um 68 Prozent eingebrochen. Bislang sei die Anzahl der Kinounternehmen stabil. Aus den Zahlen der FFA sei jedoch nicht ersichtlich, wie gut oder schlecht die jeweiligen Kinos durch die Krise kommen.

6. Das Handy-Ich
(zeit.de, Christoph Drösser & Matthias Schütte)
Was sagt unsere Smartphonenutzung und unser Medienkonsum über unseren Charakter aus? Forscher haben 30 Tage lang die Handynutzung von mehreren hundert Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern aufgezeichnet und deren Kommunikations- und Sozialverhalten analysiert. Die “Zeit” fasst in Infografiken die fünf Hauptdimensionen zusammen, anhand derer sich die Persönlichkeit eines Menschen beschreiben lässt – gekoppelt an die Smartphonenutzung. Die Grafiken sind auch deshalb einen Blick wert, weil sie das eigene Medienverhalten überdenken lassen.

“Familien in der Krise”, Blackfacing beim WDR, Relotius-Verfilmung

1. Wer und was steckt hinter der Initiative “Familien in der Krise”?
(uebermedien.de, Annette Bulut)
Die relativ kleine Initiative “Familien in der Krise” (“FidK”) findet mit ihren Forderungen nach Öffnung von Kitas und Schulen relativ oft Gehör in Medien sowie bei Politikern und Politikerinnen. Wie gelingt es der Gruppe, Zugang zu Talkshows und Polit-Promis zu bekommen? Möglicherweise durch tätige Mithilfe von außen: Es gäbe Gerüchte, dass “FidK” eine wirtschaftsnahe Astroturfing– oder Grassroots-Lobbying-Kampagne sei. Annette Bulut ist der Sache nachgegangen und auf interessante Indizien gestoßen.

2. Medien-Aufseher gehen gegen rechte Online-Medien vor
(deutschlandfunk.de, Christoph Sterz, Audio: 7:01 Minuten)
Youtube hat unlängst den Kanal von Ken Jebsen gesperrt. Nun geht nach Informationen des Deutschlandfunks auch die Medienanstalt Berlin-Brandenburg gegen Jebsen vor. Es werde überprüft, ob er journalistische Grundsätze nicht eingehalten und gegen journalistische Sorgfaltspflichten verstoßen habe.

3. Schon wieder, WDR?
(sueddeutsche.de, Aurelie von Blazekovic)
Der WDR hat wieder einmal Ärger wegen einer alten Unterhaltungssendung. In einem Karnevals-Zusammenschnitt tauchte eine elf Jahre alte Szene auf mit Désirée Nick als Nofretete und zwei Männern an ihrer Seite, die viel dunkle Schminke im Gesicht haben. Der WDR reagierte auf die Kritik, ersetzte die Blackfacing-Szenen durch eine Hinweistafel und gestand den Fehler auf Twitter ein.

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4. Parler ist wieder online
(spiegel.de)
Nach dem Sturm auf das Kapitol hatte Amazon dem rechten Onlinenetzwerk Parler den Cloud-Service gekündigt, der zum Betreiben der Plattform notwendig ist. Nach einer rund einmonatigen Zwangspause ist der Dienst wieder online. Wer der neue technische Dienstleister ist, sei noch unklar.

5. Liebe Boomer, muss es in der Journalist*innen Bubble wirklich so laut sein?
(meedia.de, Lena Wrba)
“Bevor ich an die Journalistenschule gekommen bin, hatte ich keine Ahnung, wie wichtig Selbstdarstellung in diesem Beruf ist – und wie sehr das nervt“, schreibt Lena Wrba in ihrem Brief an die “Boomer”. Wrba weiter: “Die Lauten sind nicht schlechter, aber eben auch nicht toller als die Leisen. Vielfalt ist wichtig – auch hier. Leise und Laute könnten gegenseitig so viel besser voneinander profitieren, wenn sie das verstünden.”

6. M’Barek und Nay spielen Hauptrollen in Relotius-Mediensatire
(dwdl.de, Alexander Krei)
Michael “Bully” Herbig will Juan Morenos Buch “Tausend Zeilen Lüge” verfilmen, die Geschichte rund um die Aufdeckung des Relotius-Skandals beim “Spiegel”. In der Mediensatire schlüpfen die Schauspieler Elyas M’Barek und Jonas Nay in die Rollen von “Juan Romero” und “Lars Bogenius”. Regisseur Herbig kommentiert: “Ähnlichkeiten mit unwahren Ereignissen könnten zufällig zutreffen. Die Fakten werden aber mit Sicherheit verdreht, damit’s am Ende stimmt.”

Medienphänomen Hendrik Streeck, Skrupelloser Blogger, Lauterbach

1. Was ist das Problem an Hendrik Streecks Auftritten und Aussagen?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 24:27 Minuten)
Die beiden Wissenschaftsjournalisten Christian Schwägerl und Joachim Budde haben bei “Übermedien” unlängst das Medienphänomen Hendrik Streeck untersucht: Der Mann, der dauernd falsch liegt, aber immer wieder als Corona-Experte gebucht wird (nur mit Abo lesbar). Bereits vergangenes Jahr hatten sich Schwägerl und Budde in einem preisgekrönten Text mit Streeck auseinandergesetzt (Streeck, Laschet, StoryMachine: Schnelle Daten, pünktlich geliefert, riffreporter.de). Holger Klein hat sich im “Übermedien”-Podcast nun mit den zwei Autoren über die Irrungen des Hendrik Streeck unterhalten, über Mechanismen von Talkshows, über Unterhaltung, Kontroversen, Aufmerksamkeit und über Wissenschaftsexpertise in Redaktionen.

2. Der skrupellose Blogger
(mission-lifeline.de, Matthias Meisner)
Wer den umstrittenen Blogger und “Welt”-Autor Rainer Meyer kritisiert, bekommt es unter Umständen mit dessen Anhängerschaft zu tun. Dann hagelt es Beschimpfungen, Beleidigungen und zuweilen sogar Morddrohungen. Vor wenigen Tagen beschrieb Antonia Baum in der “Zeit”, wie Meyers Masche funktioniert (Markierte Zielpersonen). Angesichts dieser Umstände sind viele verwundert, dass Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble den Blogger Meyer 2018 in die siebenköpfige Jury des Medienpreises des Deutschen Bundestages berief. Matthias Meisner kommentiert: “Schäuble ist also mitverantwortlich dafür, dass die groben Verzerrungen in Meyers Kolumnen und Tweets durch dessen Amt in der Bundestags-Jury veredelt werden. Der CDU-Politiker ist nun, gottlob, dabei, die Reißleine zu ziehen.”

3. Pornhub-Chefs stellen sich erstmals öffentlich der Kritik
(netzpolitik.org, Sebastian Meineck)
Die Pornoplattform Pornhub ist eine der meistbesuchten Websites Deutschlands und liegt hinsichtlich der Aufrufe noch vor “Spiegel”, Netflix und “Tagesschau”. Nun mussten sich die Pornhub-Chefs erstmals öffentlich der Kritik stellen und vor einem Ausschuss des kanadischen Parlaments aussagen. Pornhub-Manager David Tassilo erklärte unter anderem, Aufnahmen von Sex mit Minderjährigen auf der Plattform nicht zu dulden, das Verhalten der Plattform wirft jedoch Fragen auf: “Eine eigene Porno-Kategorie namens ‘Teen’ gibt es weiterhin auf der Seite. Tassilo hat dafür eine kreative Erklärung: Im Englischen sei mit ‘Teen’ eigentlich ein Mensch zwischen 13 und 19 Jahren gemeint – aber in der Pornowelt beziehe sich ‘Teen’ auf Menschen zwischen 18 und 25 oder 27 Jahren.” Auch die behauptete Einzelprüfung von hochgeladenem Pornomaterial weist Inkonsistenzen auf. Als eine Parlamentarierin in der Anhörung vorgerechnet habe, dass dieses Vorhaben angesichts von 2,8 Stunden neu hochgeladenem Videomaterial pro Minute unmöglich klinge, sei keine stichhaltige Antwort gekommen.

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4. »Der Hass stellt alles in den Schatten, was ich bisher erlebt habe«
(spiegel.de, Katja Iken)
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach wird von vielen Medien immer wieder zur Corona-Pandemie befragt. Die unangenehme Begleiterscheinung: Häufig gerät er dadurch ins Visier von Menschen, die mit Beleidigungen, Drohungen und Mordaufrufen reagieren. Momentan sei es besonders schlimm: “Der Hass, der derzeit auf mich einprasselt, stellt alles in den Schatten, was ich bisher erlebt habe. Das ist eine neue Dimension der verbalen Brutalität, eine neue Sprache, die mich wirklich verstört.”

5. Nur mal so laut gedacht
(zeit.de, Jakob von Lindern)
“Clubhouse zeigt, wie gern wir plaudern, und es ist sehr wahrscheinlich, dass auch auf anderen Plattformen bald mehr gesprochen wird. Doch wo Leute reden, erzählen sie mit Sicherheit auch Unsinn, reden schlecht übereinander, beschimpfen sich oder bestätigen sich gegenseitig in kruden Weltbildern.” Jakob von Lindern ordnet den Hype um die Audio-Chat-App und die Faszination am gesprochenen Wort ein. Und er fragt sich, welche Auswirkungen der Trend auf andere Social-Media-Kanäle haben wird.

6. Der Fischstäbchen-Fluch: Wer befreit Nelson Müller aus “ZDFzeit”?
(dwdl.de, Peer Schader)
Der Gastronom und Fernsehkoch Nelson Müller präsentiert seit acht Jahren seinen “Lebensmittelreport” im ZDF. TV-Kritiker Peer Schader beobachtet bei sich selbst Ermüdungserscheinungen: “Es ist zwar gewiss ein ehrenwertes Anliegen der Redaktion, das Publikum darüber aufklären zu wollen, welche Inhaltsstoffe in Lebensmitteln stecken und wo das alles herkommt, was zuhause auf dem Teller landet. Aber die meisten dieser Filme sind inzwischen so sehr durchstandardisiert wie ein Convenience-Produkt der Industrie, die ständig Thema ist.”

Grenzen des Boulevard, Putzige Polizeitaktik, Seitenwechslerin

1. Die Grenzen des Boulevard: Über das Leben und Sterben von Kasia Lenhardt
(rnd.de, Imre Grimm)
Die 25-jährige Kasia Lenhardt war Model, Influencerin und Mutter. Am Dienstagabend fand die Polizei ihren leblosen Körper in einer Wohnung in Berlin. Die genauen Hintergründe ihres Todes sind noch unklar. Klar ist jedoch, dass sie seit Wochen im Zentrum einer Boulevard-Schlammschlacht stand. Imre Grimm kommentiert: “Dieser Tod hat eine Vorgeschichte, und sie verrät viel über die Mechanismen eines Teils der modernen Medienwelt, die ihr Heil darin sieht, Menschen bedenkenlos als Gossip-Objekte und Glamour-Rohstoff auszubeuten, erst recht, wenn diese von sich aus nach Aufmerksamkeit streben. Die Unschuldsbeteuerungen klingen dabei immer gleich: Ist doch nicht unser Problem. Die profitieren doch davon!”
Weiterer Lesehinweis: Jedes Detail ein Text: “Das Model Kasia Lenhardt ist gestorben. Der Umgang mit ihr sagt viel über frauenfeindliche Narrative in Boulevard- und sozialen Medien.” (taz.de, Carolina Schwarz)

2. LobbyControl befürchtet “Schieflage in der Digitalpolitik”
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 4:19 Minuten)
Julia Reuss, bisher Büroleiterin von Digitalstaatsministerin Dorothee Bär und Lebensgefährtin von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, wechselt als Lobbyistin zu Facebook. Ulrich Müller von der Initiative LobbyControl findet das problematisch: “Für Facebook ist das Interessante daran, dass sie eine Lobbyistin gewinnen, die gut vernetzt ist, die das politische Geschäft kennt und die dann dabei helfen soll, die Facebook-Interessen stark in die Politik hineinzutragen. Und das ist eben das Problem: Weil wir so viele große Themen vor der Nase haben und es wichtig ist, dass diese zukünftige digitale Regulierung nicht einseitig von den großen Unternehmen wie Facebook bestimmt wird.”

3. Aus Freude am Rassismus
(uebermedien.de, Hendrik Wieduwilt)
In der “Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht” des renommierten Beck-Verlags erschien ein Beitrag des Juristen Rüdiger Zuck, in dem dieser “mit rassistischen Ausdrücken um sich wirft, als wäre es braunes Konfetti”, schreibt Hendrik Wieduwilt. Er hat den Fall aufgearbeitet: “Dieser Zuck-Text und die redaktionelle Entscheidung, ihn zu drucken, ist eine Schande für den Verlag und das Juristenmilieu. Juristen sollten sich fragen: Will man in diesem Zusammenhang eigentlich wirklich noch auftauchen? Andere Verlage haben schließlich auch schöne Zeitschriften.”

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4. Ausländerkriminalität: Medien und Polizei verzerren das Bild
(youtube.com, Zapp, Svea Eckert & Lea Eichhorn, Video: 11:04 Minuten)
Journalisten und Journalistinnen von NDR und BR haben die Berichterstattung über Kriminalität unter die Lupe genommen. Sie haben dazu zahlreiche Polizeipressemitteilungen ausgewertet, die vielen Redaktionen als Grundlage ihrer Berichte dienen. Ein Ergebnis: In der Berichterstattung über Kriminalität würden ausländische Nationalitäten deutlich öfter genannt als deutsche. Svea Eckert und Lea Eichhorn haben mit Chefredakteuren und dem Presserat über die Problematik gesprochen.

5. Wie US-Polizisten mit Uploadfiltern Livestreams verhindern wollten
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
In den USA hätten laut Markus Reuter Bürgerinnen und Bürger bis auf sehr wenige Ausnahmen das Recht, Polizistinnen und Polizisten bei der Arbeit zu filmen. In Kalifornien haben sich manche der Gefilmten auf eine geradezu putzige Weise dagegen gewehrt: Sie haben im Moment der Filmaufnahme ihr Handy gezückt und urheberrechtlich geschützte Musik abgespielt – offenbar in der Hoffnung, dass die Musikerkennung und die Uploadfilter von Instagram anspringen und eine Veröffentlichung unterbinden.

6. Mehr freie “Zeit”
(sueddeutsche.de)
Die “Zeit”-Verlagsgruppe kündigt eine schöne Aktion an: Schülerinnen und Schülern können ab sofort ein kostenloses digitales “Zeit”-Abo bis zum Ende des Schuljahres bekommen. Nach sechs Monaten, zu Beginn der Sommerferien, laufe das Abo automatisch aus, ohne dass eine Kündigung nötig sei. Mit dem Angebot wolle der Verlag vor allem Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 10 bis 13 ansprechen.

Bärs Seitenwechslerin, “Welt”-Redakteur bedauert, Murdoch-Doku

1. Bärs Büroleiterin wechselt zu Facebook
(n-tv.de)
Die Büroleiterin von Digitalstaatsministerin Dorothee Bär wechselt nach Informationen des “Handelsblatts” (nur mit Abo lesbar) ansatzlos, das heißt ohne Karenzzeit, die Seiten: Vom Ministerialbüro, bei dem auch Facebook ein Thema gewesen sein muss, geht es direkt zu, man ahnt es schon, Facebook. Die umtriebige Büroleiterin hat bereits Erfahrungen mit derartigen Wechseln und ist privat mit Andreas Scheuer liiert, der als Minister unter anderem für die digitale Infrastruktur zuständig ist.

2. “Welt”-Redakteur bedauert “extrem zugespitzte Formulierung” über Drosten
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Ein leitender “Welt”-Redakteur hat unter seinem eigenen Welt.de-Beitrag einen Kommentar abgegeben, in dem er den Virologen Christian Drosten bezichtigte, “wahrscheinlich Hunderttausende Menschenleben auf dem Gewissen” zu haben (der Kommentar wurde mittlerweile gelöscht). Der Medienkritiker Stefan Niggemeier hat sich die weiteren Behauptungen des Redakteurs zum Thema Corona angeschaut, die nicht weniger verstörend sind.

3. Gratwanderung zwischen Journalismus und Aktivismus
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 4:50 Minuten)
Der “Stern” hat eine Petition zum Thema Pflege gestartet, die mittlerweile von über 200.000 Leuten unterschrieben wurde. Die Aktion wird recht unterschiedlich bewertet: Einige begrüßen die Initiative, anderen ist sie zu aktionistisch. Beim Deutschlandfunk kommen beide Seiten zu Wort.

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4. Das große Schweigen
(taz.de, Juri Sternburg)
Die “Welt” leistet sich mit “Don Alphonso” einen Kolumnisten, der von vielen Menschen als Gefahr empfunden wird: “Die Namen der Opfer: Wer sie sucht, findet sie. Es sind Journalist*innen, Politiker*innen, deren Mitarbeiter*innen. Nach Erwähnung durch Don Alphonso sahen sie sich laut eigener Aussage mit Telefonterror und Morddrohungen konfrontiert. Sie berichten von Schmähungen, Beleidigungen, von beruflichen wie privaten Folgen.” Wie kann es sein, dass so jemand in der Jury des Medienpreises des Bundes­tags sitzt, fragen sich viele. Juri Sternburg hat sich bei den anderen Jury-Mitgliedern umgehört, ob ihnen in den Sinn gekommen ist, die Jury zu verlassen.
Zusatzhinweis: Die mit dem Medienpreis des Bundestages ausgezeichneten “SZ”-Autoren Nico Fried und Boris Herrmann gehen mit dem Thema auf eine Weise um, die für sich spricht: “Wir nehmen den Preis gerne entgegen, auch aus Respekt vor dem Bundestag und dessen Präsidium. Das Preisgeld werden wir der Organisation HateAid spenden.”

5. Holzner will mehr Kooperation: “Wir machen vieles doppelt und dreifach”
(dwdl.de, Torsten Zarges)
Gabriele Holzner ist Programmdirektorin und Vize-Intendantin des Hessischen Rundfunks. Im Interview mit “DWDL” spricht sie unter anderem über die Senderstrategie, lineare Formate nur noch für eine eingeschränkte Zeitschiene zu entwickeln und auszuspielen. Alle anderen Redaktionen würden für die Onlinekanäle produzieren: “Sie erhalten den bewussten Auftrag, neue Formate für die Mediathek zu entwickeln bzw. bestehende im Hinblick auf die Mediathek weiterzuentwickeln. Diese Formate sollen vor allem in der Mediathek performen, sie werden nicht mehr für einen linearen Sendeplatz produziert, sondern der lineare Sendeplatz ist fortan die Zweitverwertung.”

6. Der Aufstieg der Murdoch-Dynastie
(arte.tv, Jamie Roberts, Video: 50:04 Minuten)
In der Arte-Mediathek gibt es eine dreiteilige Doku über den australischen Multimilliardär und Medienmogul Rupert Murdoch, der als mächtigster Mann der Medienwelt gilt. Die BBC-Produktion zeichnet Murdochs Weg von seinen Anfängen in der australischen Regionalpresse bis an die Spitze eines global agierenden Familienimperiums nach. Oben verlinkt ist Teil 1 (“Der Königsmacher”). Hier die Links zu den Teilen 2 und 3:

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