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Die Aktuelle, Neon, Assange

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wahrheits-Schock! ‘Die Aktuelle’ weint!”
(stefan-niggemeier.de)
Stefan Niggemeier über den Wahrheitsgehalt der Zeitschrift “Die Aktuelle” der WAZ Women Group GmbH. “Eine unendliche Ahnungslosigkeit durchströmt das Blatt, aber alle Energie, die bei der Produktion gespart wird, fließt in die kreative Titelgestaltung.”

2. “Generation Neon”
(brodnig.org, Ingrid Brodnig)
Ingrid Brodnig über die Zeitschrift “Neon” und ihre Käufer. “Neon ist der Beweis, dass junge Erwachsene sehr wohl noch Zeitungen kaufen.”

3. “Taylor Momsen Did Not Write This Headline”
(nytimes.com, David Carr, englisch)
Die Suchmaschinenoptimierung wirkt sich vermehrt auf Schlagzeilen aus: “Headlines in newspapers and magazines were once written with readers in mind, to be clever or catchy or evocative. Now headlines are just there to get the search engines to notice.”

4. “Investigativer Journalismus”
(das-blaettchen.de, Ulrike Steglich)
Die Journalistin Ulrike Steglich erzählt, wie sie durch investigativen Journalismus zur Stadtsoziologin wurde.

5. “Australian Wikileak founder’s passport confiscated”
(theage.com.au, Tom Arup, englisch)
“Julian Assange, the Australian founder of the whistleblower website Wikileaks, says he had his passport taken away from him at Melbourne Airport and was later told by customs officials that it was about to be cancelled.”

6. “Falschmeldung kostet Daum den Meistertitel”
(welt.de, Udo Muras)
Anhand eines aktuellen Beispiels aus der türkischen Meisterschaft beschreibt Udo Muras, wie Falschmeldungen den Fußball beeinflussen können.

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“Armselig und lächerlich”

Seit “Bild” dem Fußballer Ioannis Amanatidis mit Unterstützung des angeblichen Opfers nachgesagt hat, eine Frau ins Gesicht geschlagen zu haben (BILDblog berichtete), ist das Verhältnis zwischen dem Stürmer von Eintracht Frankfurt und der Zeitung zerrüttet.

Darauf wies Amanatidis gerne auch noch mal in einem aktuellen Interview mit der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” hin:

Und was ist mit Ihrer Karriere? “Bild” hat in dieser Woche getitelt: “Amanatidis vor dem Aus”.

Ich habe in der Vergangenheit schon oft gesagt, wozu dieses Blatt fähig ist. Von dieser Zeitung wurden mehrmals Sachen über mich erfunden oder aus Unwissenheit geschrieben. Ich unterhalte mich mit diesen Leuten schon lange nicht mehr, sie bekommen von mir keine Informationen, also müssen sie sich alles ausdenken. Das ist armselig und lächerlich. Es stinkt denen, dass ich mit ihnen nicht mehr spreche, dass sie für mich Luft sind. Also schreiben sie irgendwelche negativen Sachen. Wenn man berechtigte Kritik übt, dann bin ich zufrieden. Aber man darf nicht unter die Gürtellinie gehen, und dieses Schmuddelblatt kann offenbar nichts anderes, als in diese Richtung zu berichten.

Mit Dank an Johnny D.

Nachtrag 17.45 Uhr: … und gestern war Amanatidis bei Bild.de dann einer der “Verlierer der Saison” in den Reihen der Eintracht.

Mit Dank an Gregor H.

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Golfkriegsberichterstattung mit Tiger Woods

Weil auch “Bild” nicht ausschließlich über das Privatleben von Sportlern berichten kann, kam die Meldung gerade recht, dass Tiger Woods bei einem Golfturnier angegriffen worden sei:

Irrer greift Tiger Woods an!

Ohne auf die doch eher unspannende Sportart eingehen zu müssen, konnte “Bild” erst einen halben Artikel über den Vorfall schreiben — und den Rest des Textes dann mit Meldungen aus dem Privatleben des Sportlers auffüllen.

Nur: Den “Angriff” auf Woods hat es in dieser Form nicht gegeben.

Der Linksgolfer hat die “Bild”-Geschichte auseinandergenommen und kommt zu dem Schluss, dass weite Teile “nur in der blühenden Fantasie der Bild-Zeitung” stattgefunden haben:

Mit Dank auch an die Hinweisgeber.

… erhalten Sie einen Michael Ballack dazu!

Den meisten Bürgern (und auch vielen Politikern) dürfte nicht ganz klar sein, worum es genau bei diesem “Rettungspaket” geht, das der Bundestag am Freitag für Griechenland “geschnürt” hat.

Aufklärung kommt da von der Sportredaktion des Kölner “Express”, die weltexklusiv herausgefunden hat, was mit dem Geld geschieht:

Doch jetzt trudelte eine komplett irre Offerte ins Haus des Nationalspielers: Panathinaikos Athen will Ballack haben. Geld? Spielt keine Rolle. EXPRESS erfuhr aus sicherer Quelle: Für drei Jahre bieten die Griechen Deutschlands Topstar 20 Millionen US-Dollar (16 Millionen Euro). Netto, versteht sich.

Sie haben’s ja, die Griechen. Schließlich hat am Freitag ja Deutschland den Weg frei gemacht für 22,4 Milliarden Euro Notkredite, um eine Staatspleite abzuwenden. Und mit so viel Kohle kann man sich ein paar Fußballer leisten.

Diese Taktik ist freilich nicht neu: Seit Island vor anderthalb Jahren vor der drohenden Staatspleite gerettet wurde, haben sich die dort ansässigen Fußballteams bekanntlich auch mit Weltstars eingedeckt und dominieren seitdem den europäischen Fußball wie keine zweite Nation.

Aber nicht nur Fußballfans und Ökonomen werden bei express.de überrascht — auch Historiker können noch was lernen:

Massenproteste auf Athens Straßen, drastische Sparmaßnahmen der Regierung – aber Panathinaikos will den ganz großen Wurf auf dem Transfermarkt. “Brot und Spiele” – das haben sich die alten Griechen von den Römern abgeschaut …

Ein bisschen widerspricht sich der Autor dann aber doch:

Schon im letzten Jahr schlug man auf dem Transfermarkt zu, holte Frankreichs Djibril Cissé für 8,5 Millionen Euro Ablöse und ein Jahresgehalt von 2,5 Millionen Euro.

Wie die das damals wohl finanziert haben, so ganz ohne deutsche Staatshilfe?

Schlicht falsch ist schließlich die Überschrift, die den Artikel ziert:

Für 16 Millionen Euro: Irre! Pleite-Griechen wollen Ballack kaufen

Nein, wollen sie nicht: Da Ballacks Vertrag beim FC Chelsea im Sommer ausläuft (wie express.de selbst schreibt), könnte er ablösefrei wechseln. Übrigens überall hin — vielleicht sogar zu einem Verein, der selbst finanziell schwer angeschlagen ist, aber aus Deutschland kommt.

Mit Dank an Daniel K.

Pokal-Konfusionen

Es ist längst ein geflügeltes Wort, dass ja “wenigstens der Sportteil” von “Bild” gut sei. Von dieser Arbeitshypothese ausgehend muss heute der Wurm dort sein, wo sonst der Teufel steckt: im Detail.

So eröffnet “Bild” die Berichterstattung über den vorläufigen WM-Kader der deutschen Fußballnationalmannschaft heute mit den Worten:

Jogi Löw hat es selbst gesagt: “Vor uns liegen acht lange Wochen, 50 Trainingseinheiten – und hoffentlich sieben Spiele.” Sieben Spiele in Südafrika, das würde bedeuten: Wir kommen ins Finale!

Ja — oder halt ins Spiel um Platz 3, das für seine Teilnehmer genauso das siebte Turnierspiel wäre.

Heute Mittag behauptete Bild.de dann über Borussia Dortmund:

Der BVB spielt in der kommenden Saison erstmals seit 2005 wieder international (damals gab’s das bittere Drittrunden-Aus im UI-Cup).

Nö. In der Saison 2008/09 spielte Borussia Dortmund im damals noch so genannten Uefa-Cup, für den sich der BVB als Finalist des DFB-Pokals qualifiziert hatte, und schied in der Vorrunde im Elfmeterschießen gegen Udinese Calcio aus.

Mit Dank an Florian D. und Christoph F.

Nachtrag, 17.35 Uhr: Auch die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” von heute hat nicht ganz sauber gerechnet:

“Wir haben ein wirklich gutes Gefühl, mit diesem Kader zum Turnier zu fahren”, sagte Löw und sprach optimistisch “von acht Wochen Gemeinsamkeit, 50 anspruchsvolle Trainingseinheiten und hoffentlich sieben hochbrisanten Spielen”. Das würde bedeuten: Endspiel.

Mit Dank an Sebastian S.

Heiko Herrlich und “die Journalisten”

Ein Stürmer, der mit einer Wasserflasche nach einem Fan wirft; ein früherer Nationaltorwart, der einem Zuschauer die Brille wegnimmt; ein Trainer, der bei einem Liveinterview grußlos das Fernsehstudio verlässt — es war eine Bundesligasaison voller “Aufreger”, voller “Skandale, Zoff und Kuriositäten!” und Bild.de war so freundlich, sie für die Leser schon einmal zusammenzufassen. (Offenbar ging man davon aus, dass am letzten Spieltag schon nichts aufregendes mehr passieren wird.)

Zu den “größten Aufregern und Skandalen” gehörte für Bild.de auch:

Eine Gaga-Pressekonferenz von Heiko Herrlich. Der Ex-Bochum-Trainer ging auf die Journalisten los, fügte anschließend an: "Drücken Sie auf Aufnahme, dass ich es meinen Kindern irgendwann zeigen kann." Kurz danach flog der Trainer

Nur noch mal zur Erinnerung: Herrlich hatte seine Worte nicht an “die Journalisten” im Allgemeinen gerichtet, sondern explizit an die von “Bild”.

In einem anderen Fall weiß Bild.de dagegen überraschend genau, wer gemeint war:

Stinkefinger-Skandal um Kölns Maniche: Der Portugiese steigt am Morgen aus seinem 620-PS-Lamborghini und begrüßt den BILD-Fotografen mit Mittelfinger und portugiesischen Flüchen

Mit Dank an Andreas K.

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Heiko Herrlich abgehakt

Vielleicht kam dieser dumpfe Knall, den man am Donnerstagmittag in Teilen des Ruhrgebiets hören konnte, von den Sektflaschen, die sie in der lokalen “Bild”-Sportredaktion entkorkt haben.

Denn der abstiegsbedrohte Fußballbundesligist VfL Bochum hatte sich von Trainer Heiko Herrlich getrennt (eine Nachricht, die Bild.de kurzzeitig und wohl eher versehentlich mit “Bochum feiert Heiko Herrlich” überschrieb) — “endlich”, wie man bei “Bild” gedacht haben wird, denn der Aufwand war hoch gewesen:

Über Wochen hatte sich “Bild” mit teils berechtigter Kritik, teils persönlichen Angriffen auf Heiko Herrlich eingeschossen. Und nachdem der sich dann letzte Woche auf einer Pressekonferenz gegen “Bild” gestellt hatte (BILDblog berichtete), waren bei der Zeitung alle Dämme gebrochen.

Michael Makus, NRW-Sportchef bei “Bild”, schrieb letzten Montag:

Die Frage nach der Bochumer Bundesliga-Tauglichkeit beantwortet Herrlich mit Schweigen. Seine eigene Erstligareife ist mehr als zweifelhaft.

Das ist nur teilrichtig, denn Herrlich hatte dem längeren Schweigen auf Makus’ Frage noch etwas hinzuzufügen, wie das Blog Fantastic Supporters dokumentiert:

Wissen Sie, bei Ihrer Zeitung wissen wir auch, dass Sie nicht unbedingt Interesse daran haben, den VfL Bochum in der Bundesliga zu haben. Es reicht, das wissen wir ja von Ihrem Chef, dass Schalke 04 und Borussia Dortmund für Auflagen sorgen. Und deswegen brauche ich Ihnen die Frage überhaupt nicht zu beantworten, weil ihr sowieso schreibt was ihr wollt.

Ebenfalls für die Montagsausgabe fand “Bild”-Mann Joachim Droll, der letzte Woche Herrlichs Zorn zu spüren bekommen hatte, ein paar Ex-Bochumer, die Herrlich explizit oder impliziert kritisierten und ihm so das gewünschte Fazit ermöglichten:

Bochums Legenden fassungslos. Und niemand zieht die Notbremse…

Am Dienstag präsentierte “Bild” dann die “10 größten Herrlich-Fehler” (von denen einzelne auch objektiv nachvollziehbar sind) und illustrierte den Artikel mit Plakaten enttäuschter Fans:

Enttäuschte Fans: Mit Plakaten am Trainingsplatz zeigen die VfL-Anhänger den Profis ihre Unzufriedenheit.

Außen vor blieb in “Bild” (natürlich) ein Plakat, das in der letzten Woche mindestens einmal beim Training zu sehen war. Darauf stand: “Die Bild-Zeitung lügt”.

Oder wie Heiko Herrlich es am Freitag zuvor formuliert hatte:

Das haben schon einige mehr jetzt festgestellt, auch die Fans und deshalb muss vielleicht auch ein Reporter von Ihnen mal schneller vom Trainingsgelände weg, weil die Fans schon gemerkt haben, wie der Hase hier läuft. Was in den letzten Wochen hier los war, was hier an Unwahrheiten passiert ist, das ist eine Frechheit.

Zu den “Unwahrheiten” zählen laut VfL-Pressestelle zahlreiche Informationen, die “Bild” in den vergangenen Wochen über das Innenleben der Mannschaft verbreitet habe. So seien die Berichte, nach denen Herrlich Stars systematisch “rasiert” und “demontiert” habe, schlicht falsch. Und tatsächlich hat Philipp Bönig, den “Bild” vor zwei Wochen “auf dem Absprung” sah, noch kurz vor Herrlichs Rauswurf einen Vertrag für weitere zwei Jahre unterschrieben.

Die Pressestelle des VfL Bochum hatte uns am Mittwoch auf Anfrage erklärt, man plane keinen “Bild”-Boykott, aber man werde die Arbeit der Zeitung durchaus kritisch beobachten und kooperativ sein, ohne sich zu verbiegen. Die Basis für eine konstruktive Zusammenarbeit sei aber kaum noch vorhanden.

Am Donnerstag, wenige Stunden vor Herrlichs Entlassung, wusste “Bild” dann mit zahlreichen angeblichen Interna aufzuwarten, die “mehrere Spieler und VfL-Insider unabhängig voneinander gegenüber BILD” bestätigt hätten. Bei seinem letzten “Gaga-Auftritt” vor der Mannschaft habe sich “Heiko Selbstherrlich” gar mit Louis van Gaal verglichen — weil er sich “genauso mutig mit den Medien” anlege wie der Bayern-Trainer.

Der Vortrags-Nutzen für die Mannschaft? Gleich NULL.

Kaum war Herrlich weg, der einen Grund der “Bild”-Angriffe gegen sich darin sah, dass er der Zeitung einmal kein Interview geben wollte, druckte “Bild” am Freitag etwas, was auf den ersten Blick wie ein Interview mit Interimstrainer Dariusz Wosz aussieht, in Wahrheit aber vielmehr ein Remix seiner Antworten bei der Pressekonferenz des Vortages ist:

Wosz: "Dürfen keinen Köttel in der Hose haben!"

Die Rolle von “Bild” beim Trainer-Rauswurf wurde diskutiert, zum Beispiel im Forum von transfermarkt.de — bis die Diskussion auf der mehrheitlich zur Axel Springer AG gehörenden Website erst geschlossen und dann ganz gelöscht wurde.

Herrlichs Haltung gegenüber “Bild” hat ihm nicht nur Sympathien und Respekt eingebracht. Michael Krumm offenbarte etwa ein irritierendes Verständnis von Demokratie und Presse, als er im VfL-Blog auf reviersport.de schrieb:

Jedem Kind dürfte es bekannt sein, dass man sich in Deutschland nicht mit der Zeitung mit den vier großen Buchstaben anlegt, erst Recht nicht dann, wenn sich Erfolglosigkeit eingestellt hat.

Wenn sich diese Einstellung und der Glaube, Herrlich sei tatsächlich nur auf Druck von “Bild” entlassen worden, durchsetzen sollten, war der Donnerstag tatsächlich ein großer Tag für die “Zeitung mit den vier Buchstaben”.

Mit Dank auch an Jens L., Stephan U., Daniel H., Stefan B., Basti, Christian M., Annika Sch., Martin Sch. und Fabian.

Mit Jürgen Klinsmann im Restaurant

Der Hamburger SV sucht einen neuen Trainer und die “Hamburger Morgenpost” ist sich sicher:

Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird es einer der üblichen Verdächtigen. Jürgen Klinsmann gehört offenbar nicht dazu, es hat kein Treffen mit HSV-Boss Bernd Hoffmann gegeben.

Ein Treffen zwischen Klinsmann und Hoffmann? Wer hat denn so was erzählt?

Die “Hamburger Morgenpost”. Gestern:

Fakt ist: Am vergangenen Mittwoch, einen Tag vor dem Europa-League-Halbfinal-Hinspiel gegen Fulham, traf sich HSV-Boss Bernd Hoffmann mit Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann in einem Restaurant in Hamburg. Der 45-Jährige, am 27. April 2009 nach zehn Monaten beim FC Bayern München gefeuert, war schon mal Kandidat an der Elbe – als Sportchef, nachdem Didi Beiersdorfer zurückgetreten war. Kommt Klinsi jetzt als Trainer?

Der Artikel mit der Überschrift “Was läuft da mit Klinsmann?” ist inzwischen aus dem Online-Archiv der “MoPo” verschwunden.

Mit Dank an Bono.

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Heiko Herrlichs stolze Kinder

Es ist keine leichte Situation für Heiko Herrlich, den Trainer des VfL Bochum: Nach einer Phase relativen Erfolgs zu Beginn des Jahres steht es sportlich nicht zum Besten; die Spieler kommen nach Kriterien zum Einsatz, die für Außenstehende häufig eher an Willkür denn an ein System erinnern, und Herrlichs Reaktionen auf die Leistungen der Mannschaft wirken in der Regel phrasenhaft und unkritisch.

BILD fragt Trainer Herrlich: Sind Sie noch der Richtige für Bochum?Diese Ausgangslage ermöglicht es der “Bild”-Zeitung, die Herrlich seit Wochen auf dem Kieker hat, seinen Rücktritt immer unverhohlener zu fordern.

Am Mittwoch war Pressekonferenz beim VfL Bochum: Heiko Herrlich stärkte seiner Mannschaft den Rücken und kritisierte die Kritiker von außerhalb. Als Joachim Droll, “Bild”-Abgesandter für den VfL, dann von Herrlich wissen wollte, ob ihm nicht langsam Selbstzweifel kämen, wurde der Trainer plötzlich grundsätzlich und referierte mit ruhiger Stimme (Video-Ausschnitt):

Wissen Sie, Herr Droll: Ich hab schon viele schwierige Phasen in meinem Leben durchgemacht, auch sportlich, glauben Sie mir das. Und das hier, die Situation treibt mir auf keinen Fall den Puls hoch — auch wenn Sie das morgen wieder ganz anders schreiben. Das macht ihr sowieso, wie ihr wollt: Ich weiß noch in Phasen, wo es sehr gut lief, wo ihr ein Interview mit mir machen wolltet und ich das abgelehnt hab’, weil ich gesagt hab’, die Mannschaft muss im Vordergrund jetzt stehen.

Und ich weiß auch, dass es da vielleicht ‘nen Bumerang gibt, ne? Weil ihr das halt nicht gewohnt seid, dass euch jemand die Stirn bietet und sagt: “Nö, ich möcht’ nicht bei euch in der Zeitung stehen.” Aber das ist für mich kein Problem, ich werd’ meinen Weg weiter gehen und werd’ aufrichtig bleiben.

(lange Pause)

Auch ohne euch. Können Sie einem Ihrer Chefredakteure sagen!

Man könnte Herrlichs Aussagen “überraschend” nennen, “aufrichtig” oder “selbstbewusst”. Einem “Bild”-Mitarbeiter fallen da jedoch ganz andere Adjektive ein, wie Droll sogleich bewies, als er zu Herrlich sagte: “Jetzt das wirkt schon ein bisschen dünnhäutig, sag ich Dir schon ganz ehrlich …”

Woraufhin Herrlich sich in seiner Bewertung der “Bild”-Zeitung zu immer weiteren Höhen aufschwang:

Nein! Das interpretieren Sie so! Überhaupt nicht! Ich weiß nur, was die letzten Wochen … die Art und Weise, wie ihr recherchiert habt. Wir unterhalten uns intern auch schon mit den Spielern. Und Günter Wallraff hat das schon vor langer, langer Zeit festgestellt: Da hat sich leider nicht viel geändert.

(lange Pause)

Und drücken Sie auf Aufnahme, dass ich’s meinen Kindern irgendwann zeigen kann: Euch gegenüber, Ihnen gegenüber bleib’ ich aufrichtig. Die werden stolz sein auf mich, irgendwann.

In Drolls Bericht über die Pressekonferenz kommt von all dem erwartungsgemäß nichts vor. Dort ist von einem “peinlichen Rundumschlag” die Rede.

Aber auch anderen Medienvertretern war Herrlichs Angriff auf “Bild” keine Zeile wert: Sie zitierten ihn lieber ohne Zusammenhang. Nur der “Südkurier” spricht von einer “Wutrede” gegen eine “nicht näher benannte Zeitung”.

Mit Dank an Jens M., Jörg L., Fabian F., Dominik M. und Stefan B.

Nachtrag, 14.55 Uhr: Die “Stuttgarter Nachrichten” wussten sogar, welche Zeitung Herrlich meint.

q.e.d.

Auf sueddeutsche.de steht seit gestern ein sehr lesenswerter Artikel über Faktenprüfer (den wir auch schon bei “6vor9” verlinkt haben).

Wie wichtig dieser Beruf des Faktenprüfers bei journalistischen Erzeugnissen ist, zeigt sueddeutsche.de der Einfachheit halber gleich in dem Artikel selbst:

Er arbeitet für das Monatsmagazin The New Yorker.

Der “New Yorker” erscheint wöchentlich (bzw. 47 Mal im Jahr).

Mit Dank an Hans Peter L.

Nachtrag, 15.35 Uhr: sueddeutsche.de hat aus dem “Monatsmagazin” ein “Magazin” gemacht.

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