Archiv für Januar, 2023

Unwort “Klimaterrorristen”, Lützerath, Servus Morgenmagazin

1. Schikanen und Übergriffe gegen Presse in Lützerath
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Derzeit besteht ein großes mediales Interesse an den Klimaprotesten rund um das kleine Dorf Lützerath, das den Kohlebaggern des Energiekonzerns RWE weichen soll. Für Journalistinnen und Journalisten sei es jedoch nicht einfach, sich einen Überblick über die dortigen Geschehnisse zu verschaffen: Sowohl RWE als auch die Polizei würden die Pressefreiheit vor Ort einschränken. Nun entsende die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union einen Beobachter und Moderator nach Lützerath.

2. Das Recht als politische Waffe
(faz.net, Patrick Bahners)
“Hans-Georg Maaßen bleibt Mitautor eines Grundgesetzkommentars, der bei Beck erscheint. Verlag und Herausgeber sehen darüber hinweg, dass er das Recht als politische Waffe einsetzt.” In der “FAZ” kritisiert Patrick Bahners die Entscheidung des C.-H.-Beck-Verlags, an dem ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten als Autor festzuhalten: “Dr. jur. Maaßen ist der Advokat des teuflischen Zweifels an der Verfassungsmäßigkeit der deutschen Staatsgewalt.”

3. “Klimaterroristen” ist Unwort des Jahres 2022
(tagesschau.de)
Die Jury der “Sprachkritischen Aktion” hat den Begriff “Klimaterrorristen” zum Unwort des Jahres 2022 erklärt. Der Ausdruck werde im öffentlichen Diskurs gebraucht, um Aktivisten und Aktivistinnen und deren Protest zu diskreditieren: “Die Jury kritisiert die Verwendung des Ausdrucks, weil Klimaaktivist:innen mit Terrorist:innen gleichgesetzt und dadurch kriminalisiert und diffamiert werden.”
Weiterer Lesehinweis: Mehr zur Entscheidung gibt es in der offizielle Pressemitteilung.

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4. Ein Morgenmagazin für Leute, die morgens nicht fernsehen
(uebermedien.de, Moritz Hürtgen)
Wie gestern in den “6 vor 9” zu lesen war, kooperiert der zum Besitz des Red-Bull-Konzerns gehörende österreichische Fernsehsender ServusTV seit Neuestem mit Springers WeltN24. Kernstück der Zusammenarbeit sei das zweistündige Magazin “Guten Abend Deutschland”. Moritz Hürtgen hat sich die Sendung angeschaut und staunt: “Das ist doch eine Kopie! Ausgerechnet bei WeltN24, beim verbitterten ‘Zwangsgebühren’-Widerstand vom Verlag Axel Springer, scheinen die größten Fans öffentlich-rechtlicher Magazinformate zu sitzen, die jetzt für die Servus TV einen Klon produzieren, den sie direkt ‘Vorabendmagazin’ (‘Voama’) hätten nennen müssen.”

5. Wie viele junge Leute die ARD-Jugendwellen tatsächlich erreichen
(deutschlandfunk.de, Isabelle Klein)
Die ARD hat neun Radiosender für junge Leute im Angebot, doch Radioanalysen würden zeigen, dass nur ihre wenigsten Hörerinnen und Hörer unter 30 sind. Der Deutschlandfunk hat sich die Zahlen genauer angeschaut und kompakt zusammengefasst.

6. Journalisten bei Parlamentsstürmung angegriffen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Beim Sturm auf Regierungsgebäude in Brasilien am Wochenende seien mindestens elf Journalistinnen und Journalisten attackiert worden. Reporter ohne Grenzen ist besorgt: “Die Szenen vom Sonntag zeigen, wie gewaltbereit die Putschisten sind – und das gegenüber Medienschaffenden, die nur ihre Arbeit machten, indem sie über eine beispiellose Attacke auf die brasilianische Demokratie berichteten. Das Klima des Hasses, das Bolsonaro in den vergangenen Jahren befeuert hat, hat dazu geführt, dass Journalistinnen und Journalisten als Feinde wahrgenommen werden, die bekämpft werden müssen.”

Die Offensive des Brause-Senders, Haltungsjournalismus, Papst-Tod

1. ServusTV geht in die Offensive: Kleiner Sender, großer Aufwand
(dwdl.de, Alexander Krei)
Der zum Besitz des Red-Bull-Konzerns gehörende österreichische Fernsehsender ServusTV kooperiert seit Neuestem mit Springers WeltN24, das künftig für das gesamte Vorabendprogramm des Senders zuständig sein soll. Kernstück des Programms sei ein zweistündiges Magazin namens “Guten Abend Deutschland”. Alexander Krei hat sich die gestrige Erstausstrahlung angeschaut.
Weiterer Lesetipp: Im “Tagesspiegel” beschäftigt sich Joachim Huber mit einer anderen Premiere. Im Ersten feierte Louis Klamroth seinen Einstand als Plasberg-Nachfolger bei “Hart aber fair”.

2. Pres­se­aus­kunft der Staats­an­walt­schaft rechts­widrig?
(lto.de, Christian Conrad)
Die Staatsanwaltschaft Berlin hat Medien mitgeteilt, dass sie die Aufnahme von Ermittlungen gegen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) prüfe. In den Augen des für die Rechtsanwaltskanzlei Höcker tätigen Juristen Christian Conrad verletze eine solche Mitteilung zu diesem frühen Verfahrensstadium die Persönlichkeitsrechte Lindners und sei damit rechtswidrig.

3. “Drehbuch, das wir aus den USA kennen”
(deutschlandfunk.de, Isabelle Klein & Mirjam Kid)
Nach Einschätzung der Medienwissenschaftlerin Caja Thimm haben Soziale Medien beim Sturm auf Regierungsgebäude in Brasilien eine große Rolle gespielt. Von erheblicher Bedeutung sei dabei Telegram gewesen. Thimm stellt eine zunehmende globale Vernetzung rechter Netzwerke fest: “Wir können eigentlich schon davon ausgehen, dass gerade über die Internet-Kontakte viele Verbindungen und Austausch entstehen, den wir teilweise ja gar nicht mitbekommen”.

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4. Es ist Krieg und sie schauen hin
(blogs.taz.de)
Für ihre Ukraine-Berichterstattung greift die “taz”-Redaktion auf ein großes Netzwerk freier Journalistinnen und Journalisten zurück. Im “Hausblog” wolle man nun die Menschen hinter den Reportagen vorstellen. Es sind Personen wie Anastasia Magasowa, die in den vergangenen zehn Jahren Hunderte von Berichten aus der Ukraine verfasste, der studierte Russisch-Dolmetscher Bernhard Clasen oder die aus Odessa stammende Juristin Tatjana Milimko.

5. Werteorienterter Journalismus statt Neutralität
(mdr.de, Lars Sänger & Carsten Kayser, Video: 30:51 Minuten)
Im Gespräch mit MDR-Format “Medien 360G” äußert sich “Monitor”-Redaktionsleiter Georg Restle unter anderem zum vielfach geäußerten Vorwurf, er betreibe “Haltungsjournalismus”. Restle lehnt sowohl die Zuschreibung als auch den Begriff als solchen ab: “Ich bin kein Haltungs-Journalist! Weil das impliziert, dass Haltung wichtiger sei als Wahrhaftigkeit. Was natürlich Unsinn ist. Es gibt keine Haltung ohne Wahrhaftigkeit, und es gibt keine Haltung ohne das Streben nach der Wahrheit.”

6. Darf Benedikt XVI. posthum als homophober Hetzer bezeichnet werden?
(spiegel.de)
Das Internetportal queer.de hat den unlängst verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI. als einen der “größten queerfeindlichen Hetzer” bezeichnet. Nun ermittele die Polizei Berlin gegen die Redaktion. Es bestehe der Verdacht der “Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener”. Jörg Reichel von der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union appelliert an die Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen umgehend einzustellen: “Langatmige Ermittlungen oder eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft wären ein Angriff auf die Pressefreiheit”.

Gefährlicher Unsinn, Scheinheilige Debatte, 50 Jahre “Sesamstraße”

1. Dilettantischer Trugschluss – oder noch schlimmer?
(t-online.de, Steven Sowa)
Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen in der Silvesternacht erhebt die “Bild”-Redaktion in ihrer Berichterstattung schwere Vorwürfe gegen das öffentlich-rechtliche Fernsehen: ARD und ZDF hätten die Wahrheit über Taten und Täter verschwiegen. Das sei gefährlicher Unsinn, kommentiert Steven Sowa bei t-online.de.

2. Berlusconi auf ProSieben?
(taz.de, Peter Weissenburger)
“taz”-Redakteur Peter Weissenburger fasst zusammen, was aus seiner Sicht in der Medienwelt im aktuellen Jahr passieren wird beziehungsweise passieren sollte. Es geht um die Entwicklungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, um Elon Musk, um Journalismusförderung durch den Facebook-Konzern Meta, um die Zukunft des gedruckten Journalismus und um die Frage, wie es bei der ProSiebenSat.1-Gruppe weitergeht.

3. Warum schmeißt man als Journalist hin, um Klimaaktivist zu werden?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 23:30 Minuten)
Der Journalist Raphael Thelen hat für namhafte Medien gearbeitet und war Mitgründer sowie Sprecher des Netzwerk Klimajournalismus Deutschland. Nach mehr als zehn Jahren im Journalismus wird er nun hauptberuflicher Aktivist bei der “Letzen Generation”. Im Gespräch mit Holger Klein erklärt Thelen, wie es dazu gekommen ist und was ihn antreibt.

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4. Die scheinheilige US-Debatte über TikTok
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
In den USA werde über die Risiken von TikTok diskutiert. Aus europäischer Perspektive wirke das putzig, weil jedes gegen TikTok vorgebrachte Argument auch gegen Facebook und Co. verwendet werden könnte, so Markus Beckedahl. Trotzdem würden sich aus der US-Debatte einige wichtige Lehren ziehen lassen.

5. Saudi-Arabien soll Inhalte auf Wikipedia beeinflusst haben
(spiegel.de)
Wikimedia, die Stiftung hinter Wikipedia, habe 16 Administratoren in der Region “Middle East and North Africa” gesperrt. Sie sollen von der saudi-arabischen Regierung als Regierungsagenten angeworben und damit beauftragt worden sein, kritische Einträge zu kontrollieren, zu bearbeiten oder gar zu löschen. Aufgedeckt hätten dies Democracy for the Arab World Now und SMEX, eine Organisation zum Schutz digitaler Rechte und Freiheit mit Sitz im Libanon.

6. Was das deutsche Fernsehen von der “Sesamstraße” lernen kann
(dwdl.de, Peer Schader)
Gestern feierte die “Sesamstraße” ihren fünfzigsten Geburtstag. Beim Kika lief eine Geburtstagssendung, und Caren Miosga moderierte eine Sonderausgabe der “Tagesthemen”, unter anderem mit Live-Schalten zu Elmo, Wolle und Pferd. Natürlich kommt auch Medienkolumnist Peer Schader nicht umhin, sich dem Klassiker zu widmen: “Die große Kunst der ‘Sesamstraße’ ist es, sich und ihren Grundwerten auch nach 2.931 Folgen treu geblieben zu sein – und trotzdem stets mit der Zeit zu gehen.”

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