Archiv für Januar 30th, 2023

Ohne Loser, aber mit Werbung für die Wunderwaffe gegen Hautalterung

Wenn vier prominente Frauen sich treffen, offen über ihr Single-Dasein plaudern und von ihrer Männersuche erzählen, dürfte das für ein Boulevardmedium ein großes Geschenk sein. Selbstverständlich hat sich “Bild”-Chefreporterin Iris Rosendahl diese Geschichte nicht entgehen lassen:

Screenshot Bild.de - Ruland, Ahrens, Halmich und Bülter im Girls-Talk - Wir wollen keine Loser

Sie gehen zusammen auf Partys, fahren teils zusammen in den Urlaub und sind seit vielen Jahren miteinander befreundet: die Schauspielerinnen Tina Ruland und Mariella Ahrens, Ex-Boxweltmeisterin Regina Halmich und Moderatorin Tanja Bülter.

Und alle eint, dass sie aktuell Single sind. Sie lachen, tuscheln und rechnen, als BILD am SONNTAG die vier darauf anspricht. Dann steht das Ergebnis fest. “Zusammen sind wir 15 Jahre Single”, sagt Tina Ruland.

Vorab musste natürlich noch die Frage geklärt werden, wo das Lach-und-Tuscheltreffen stattfinden könnte. Aber auch dafür gab es eine Lösung:

Zusammen machte das Berliner Freundinnen-Quartett einen Ausflug nach Werder (Havel, Brandenburg) (…) Dort traf BamS die Vier zum exklusiven Interview.

Praktisch.

Ohne unsere Auslassung lautet die Passage im Bild.de-Artikel übrigens so:

Zusammen machte das Berliner Freundinnen-Quartett einen Ausflug nach Werder (Havel, Brandenburg), testete dort ein neuartiges Anti-Aging-Lasersystem PicoSure Pro (eins von drei in Deutschland!) in der Privatpraxis von Dr. med Jasmin Last. Hollywood schwört bereits auf die Wunderwaffe im Kampf gegen die Hautalterung.

Dort traf BamS die Vier zum exklusiven Interview.

Im gesamten Beitrag gibt es keine einzige inhaltliche Verbindung zum “neuartigen Anti-Aging-Lasersystem”, keine zu der Privatpraxis, zum Thema Hautalterung oder zur “Wunderwaffe im Kampf” dagegen. Zu Hollywood gäbe es die Verknüpfung, dass mit Tina Ruland und Mariella Ahrens zwei Schauspielerinnen in der Runde dabei sind, und in Hollywood auch geschauspielert wird. Das wäre es dann aber auch. Es gibt nur diese zwei Absätze, die so überraschend und brachial daherkommen, dass man wohl nicht mehr von Schleichwerbung, sondern von Trampelwerbung sprechen müsste. Dazu noch ein Foto der vier Freundinnen und der Ärztin, die lächelnd um das “eins-von-drei-in-Deutschland-!”-Lasersystem stehen, von der “Bild”-Chefreporterin eigenhändig aufgenommen:

Screenshot Bild.de - Foto von Ruland, Ahrens, Halmich und Bülter neben der Ärztin und der  mit der Bildunterschrift - Die Freundinnen testeten das Anti-Aging-Lasersystem PicoSure Pro bei Dr. med. Jasmin Last (35, ganz links). Die Ärztin für Ästhetische Medizin zu BamS: Wer mit seinem eigenen Gesicht verzögert und natürlich älter werden möchte, ist bei mir richtig. Der Laser hilft bei der Hautverjüngung, Narben und Pigmentreduzierung.

Nach dem eingeschobenen, nicht gekennzeichneten Werbeblock für die Praxis geht es zusammenhangslos wieder um die Partnersuche der vier Promi-Frauen:

(…) Hollywood schwört bereits auf die Wunderwaffe im Kampf gegen die Hautalterung.

Dort traf BamS die Vier zum exklusiven Interview.

Gegen einen neuen festen Partner hätten aber alle vier nichts einzuwenden. Doch der muss auch ins Profil passen.

Und so weiter.

In der gedruckten “Bild am Sonntag” ist der Artikel ohne die Passage zu “PicoSure Pro” und das Foto erschienen. Dort geht es nur um die vier Freundinnen und ihr Single-Leben.

Mit Dank an Bastian für den Hinweis!

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“Bild”-Bericht teils rechtswidrig, Im Dienste ihres Kanzler, Rote Armee

1. Bild-Bericht über Tod von Lisa Mar­tinek teils rechts­widrig
(lto.de)
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bestätigt, dass Trauer und Angst um einen nahen Angehörigen durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt sind. Eine Berichterstattung über eine solche Gefühlslage verletze das Persönlichkeitsrecht des Angehörigen auch dann, wenn seine Gefühlswelt nur “zwischen den Zeilen” wiedergegeben werde. Gleichzeitig kann ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an den Umständen des Todes eines Menschen bestehen. Zum Hintergrund: Ein Kläger, der Ehemann der verstorbenen Schauspielerin Lisa Martinek, hatte den Axel-Springer-Verlag auf Unterlassung der “Bild”-Berichterstattung über den Tod seiner Frau verklagt und vom BGH teilweise Recht bekommen.

2. Im Dienste ihres Kanzlers
(taz.de, Sebastian Erb)
Die Digitalkonferenz “Republica” konnte im vergangenen Jahr einen prominenten Gast gewinnen: den amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz. Die bekannte Moderatorin Linda Zervakis sprach mit ihm über “Digitalpolitik in Zeiten des Umbruchs”. Im Nachhinein wurde Kritik laut, dass das Gespräch zu freundlich und unkritisch gewesen sei. Nun stellt sich heraus, dass Zervakis offenbar direkt vom Kanzleramt und nicht vom Veranstalter der Konferenz ausgewählt und als Moderatorin des Talks engagiert wurde.

3. US-Behörden werfen Iran geplanten Auftragsmord an Journalistin vor
(zeit.de)
Die US-Justizbehörden haben die Festnahme von drei Männern bekannt gegeben, die an einem vom Iran unterstützten Mordkomplott gegen die Journalistin Masih Alinejad beteiligt gewesen sein sollen. Die drei Männer seien Mitglieder einer osteuropäischen kriminellen Vereinigung mit Verbindungen zum Iran. Alinejad, die in der Vergangenheit iranische Frauen ermutigt hatte, ihr Kopftuch abzulegen, werde von iranischen Behörden die “Verbreitung von Hass” vorgeworfen.

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4. Wie Big Oil mit Big Tech Klima-Desinformation streut
(futurezone.at, Tina Wirnsberger)
Das Bündnis Climate Action Against Desinformation hat einen Bericht veröffentlicht (PDF), der gezielte Klima-Desinformation während der UN-Klimakonferenz in Sharm El-Sheikh (COP27) aufdecke. Der Bericht zeige, dass Unternehmen aus dem Bereich der fossilen Brennstoffe während der COP27 rund 4 Millionen US-Dollar in bezahlte Werbung auf Facebook und Instagram investiert hätten, um irreführende Behauptungen über die Klimakrise zu verbreiten.

5. Moderatorin verwechselt Rote Armee mit RAF
(spiegel.de)
Nachrichtenmoderatorin Franca Lehfeldt hat mit einem Fehler zum Holocaust-Gedenktag für Spott und Häme gesorgt. Sie sagte beim TV-Sender “Welt”: “Heute vor 78 Jahren befreite die Rote Armee Fraktion die Überlebenden des deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz”, was nicht korrekt ist, denn es handelte sich bei den Befreiern um Soldaten der UdSSR, also die Rote Armee, und nicht um die erst deutlich später gegründete linksextremistische Terrorgruppe Rote Armee Fraktion. Lehfeldt ist “Welt”-Chefreporterin und mit dem FDP-Bundesvorsitzenden und Bundesfinanzminister Christian Lindner verheiratet.
Weiterer Lesetipp: Lehfeldt klagt über “Welle von Häme und Sexismus” (dwdl.de, Alexander Krei).

6. “Ich bin ein Star” und die Hodendämmerung im Dschungel
(dwdl.de, Peer Schader)
“Nach 16 ‘Ich bin ein Star’-Staffeln wirkt nicht nur die Inszenierung der berüchtigten Essensprüfungen völlig aus der Zeit gefallen; auch der Effekt des Verzehrs von Schweinepenis, Krokodilaugen und Bullenhoden hat sich längst erschöpft.” Peer Schader plädiert dafür, die Ekelprüfungen beim “Dschungelcamp” abzuschaffen und wendet sich direkt an RTL: “Hör endlich auf mit den überflüssigen Essensprüfungen. Sonst bleibt dir vielleicht aus Versehen irgendwann vor lauter Gewiehere der vegane Räucherlaxx deines Sponsors im Halse stecken.”
Lesenswert ist auch Imre Grimms Beitrag “Wie RTL nett werden wollte – und grandios scheiterte”: “RTL wollte endlich weg vom alten Krawallimage: Man schmiss Dieter Bohlen raus und förderte freundliche Formate. Jetzt ist Bohlen wieder DSDS-Chef – und auch im Dschungel ist Radau wie immer. Stattdessen musste der Mann gehen, der das ‘neue RTL’ erfand.” (rnd.de)
Und noch ein Hörtipp: Im “Übermedien”-Podcast sprechen Holger Klein und Samira El Ouassil über Dieter Bohlens “Rückfall ins sexistische Steinzeitfernsehen bei DSDS” (Audio: 34:47 Minuten). Hörenswert auch wegen El Ouassils vielen guten Gedanken zur Entwicklung des Trash-TV.