Archiv für Februar 23rd, 2022

“Freiheit für die Ukraine”, Trikotverkäufe für “Bild”

“Der Ball rollt, der Rubel rollt – aber jetzt rollen auch die Panzer”, schreibt “Bild”-Sportchef Walter M. Straten heute und meint damit die Sponsoringtätigkeiten des staatlich kontrollierten, russischen Erdgaskonzerns Gazprom im Fußballgeschäft. Unerträglich sei das, so Straten: “Wir müssen im TV zur Champions-League-Hymne die Werbung von Gazprom sehen, während Putins Truppen in die Ukraine einmarschieren.”

Und da ist ja nicht nur die Champions-League-Hymne. Seit vielen Jahren ist Gazprom auch Trikotsponsor des FC Schalke 04. Walter M. Straten: “Wir werden die Schalker in ihren Gazprom-Trikots erleben, so als wäre der Konzern ein ganz normaler Werbepartner seit 2007 – und nicht ein Finanzier der russischen Staatsmacht. Damit auch des Krieges.” “Bild” fordert daher:

 Kein Schalker Trikot mit dem Gazprom-Schriftzug. Klebt ihn einfach ab. Das wäre ein starkes Symbol.

Während der FC Schalke 04 und der Fußballverband Uefa laut Straten aber jetzt schon versuchen, sich mit “verlogenen”, “pflaumenweichen Erklärungen herauszuwinden”, macht “Bild” bei der ganzen Sache nicht mehr mit:

BILD macht bis auf Weiteres Schluss mit Putins Trikot-Werbung!

Wir überkleben das Logo in der Zeitung und im Internet mit der Forderung: Freiheit für die Ukraine!

Das verkündet die Redaktion heute öffentlichkeitswirksam in der Zeitung:

Ausriss Bild-Zeitung - Russland-Einmarsch in der Ukraine - Bild macht Schluss mit Putns Werbung

Und online bei Bild.de:

Screenshot Bild.de - Bild macht Schluss mit Putns Werbung

Das ist konsequent. Geht es hingegen ums Geldverdienen, ist “Bild” nicht so konsequent.

Im auf der Bild.de-Startseite verlinkten, Springer-eigenen “BILD SHOP” kann man zwischen “Volks-Akku” und Blumenzwiebeln auch Fußballtrikots kaufen. Unter anderem diese hier:

Screenshot Bild-Shop - Es ist ein Angebot für ein Schalke-Trikot mit dem Trikotsponsor Gazprom zu sehen

In seinem flammenden Appell schreibt Walter M. Straten: “Wenn Putin das Nachbarland überfällt und ihm jedes Existenzrecht abspricht, ist jede Grenze überschritten! Der Fußball kann nicht ungerührt weiter kassieren, solange Putin Krieg führt.” Der Springer-Verlag offenbar schon.

Mit Dank an Christian für den Hinweis!

Nachtrag, 12:10 Uhr: Der Springer-Verlag hat die Schalke-Trikots mit der Gazprom-Werbung nun aus dem Shop genommen.

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“Deutsche Welle” widerspricht, “InfraRot Medien”, “Das Boot”

1. Türkei: Der Deutschen Welle droht Sperre
(dw.com)
Die türkische Medienaufsicht hat zu Beginn der Woche die Deutsche Welle (DW) aufgefordert, binnen 72 Stunden eine Lizenz für die Verbreitung ihrer Online-Inhalte zu beantragen. Dagegen kündigt DW-Intendant Peter Limbourg Widerspruch an: “Diese Maßnahme bezieht sich eben nicht auf formelle Aspekte der Verbreitung von Programmen, sondern auf die journalistischen Inhalte selbst. Sie gibt den türkischen Behörden die Möglichkeit, aufgrund einzelner, kritischer Berichte das gesamte Angebot zu sperren, wenn diese Berichte nicht gelöscht werden. Damit würde die Möglichkeit einer Zensur eröffnet.” Man werde vor türkischen Gerichten den Rechtsweg beschreiten.

2. Das erste Opfer ist die Wahrheit: Russlands Propaganda-Netzwerk
(rnd.de, Felix Huesmann)
Schon seit Jahren nutze der Kreml ein Netzwerk aus Staatsmedien und staatsnahen Medien für seine Propaganda und Desinformation, auch in Deutschland. Seit vergangenem Herbst dürfte ein neuer Player mitmischen: die “InfraRot Medien”. Felix Huesmann erklärt, was und wer dahintersteckt.

3. “Wir sind schockiert!”
(kontextwochenzeitung.de, Josef-Otto Freudenreich)
227 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der “Stuttgarter Nachrichten”, “Stuttgarter Zeitung”, “Böblinger Kreiszeitung”, “Leonberger Kreiszeitung”, “Fellbacher Zeitung”, “Marbacher Zeitung”, “Kornwestheimer Zeitung”, “Esslinger Zeitung” und “Cannstatter Zeitung” haben sich in einem Brief (PDF) an die Konzernleitung der Südwestdeutschen Medien Holding gegen die erneuten Umstrukturierungspläne und den Abbau von 55 Stellen ausgesprochen: “Zum wiederholten Male binnen kurzer Zeit werden unsere Zeitungen und die Redaktionen umgestaltet. Und wieder geht das einher mit dem Abbau von Stellen. Wir sind überzeugt, Synergien zu maximieren und die Kosten zu senken, mindert den Mehrwert der Inhalte. So zerstört man das eigene Geschäftsmodell.”

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4. “Die Kritik ist angebracht”: RTL Deutschland und die Frauen
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Per internem Livestream haben die zwei RTL-Deutschland-Geschäftsführer die 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über den neuesten Stand der Fusion von RTL und Gruner + Jahr unterrichtet. Thomas Lückerath berichtet, worum es dabei im Einzelnen ging. Ein Thema sei beispielsweise die scharfe Kritik an der fast ausschließlich männlichen Führungsriege des Medienkonzerns gewesen.

5. Der Erfolg von True Crime
(wdr.de, Michael Borgers, Audio: 21:17 Minuten)
(Triggerwarnung: Gewalt) Das Genre True Crime befasst sich, anders als fiktionale Kriminalliteratur, mit wahren Verbrechen, echten Tätern, Täterinnen und Opfern. Das kommt anscheinend gut an: True Crime ist einer der Medientrends der vergangenen Jahre und eine feste Größe in den Podcast-Charts. Michael Borgers ist dem Phänomen nachgegangen.

6. Und sie zahlen doch
(sueddeutsche.de)
Vierzehn Jahre lang hat Kameramann Jost Vacano vor Gericht um eine angemessene Gewinnbeteiligung am Filmklassiker “Das Boot” gestritten. Nun, im Alter von 87 Jahren, bekommt er noch einmal Geld. Doch die insgesamt 462.000 Euro kommen erstens reichlich spät und dürften zweitens weitgehend für die beträchtlichen Prozesskosten verwendet werden. Es sei ihm jedoch nicht nur ums Geld für sich selbst gegangen: “Ich wollte meinen Beruf und die Berufe der anderen künstlerischen Gewerke stärken. Letztlich hat es mir viele Jahre meines Lebens geraubt. Aber die Tatsache, dass Dämme gebrochen werden, ist für mich persönlich ein großer Erfolg.”