Kann das echt alles “Zufall” sein?
… fragte “Bild”-Redakteur Julian Röpcke vor einem Monat und meinte damit ein kurzes Video des öffentlich-rechtlichen Senders rbb zum Thema Fahrradfahren in Berlin. Röpcke schrieb dazu: “Eine typische Straßenumfrage mit zufällig ausgewählten Protagonisten, so scheint es …”. Im rbb-Clip waren nämlich auch zwei Personen zu sehen, die sich zu ihren Erfahrungen im Berliner Straßenverkehr äußerten. Einer davon: Georg Kössler, der zum damaligen Zeitpunkt für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus saß, vom rbb aber nicht als Grünen-Politiker gekennzeichnet, sondern als ganz normaler Passant präsentiert wurde. Unter anderem lobte Kössler neu entstandene Pop-up-Radwege in der Stadt, die zum Programm der Grünen gehören. Oder wie Röpcke schrieb:
Ein Radler, der den Grünen in Berlin aus der Seele spricht, so scheint es, und ihre begonnene Verkehrswende in der Stadt als Lichtblick aus der Misere sieht.
Aber Halt! Nutzern im sozialen Netzwerk Twitter fällt auf, dass der Mann kein Unbekannter ist.
Der rbb löschte das Video und bat um Entschuldigung.
Am vergangenen Freitag berichteten “Bild” und Bild.de über ein Foto der neuen SPD-Bundestagsfraktion:
Dazu befragte die “Bild”-Redaktion auch eine Schülerin und zwei Schüler. Alle drei finden das Verhalten der SPD-Politikerinnen und -Politiker ziemlich daneben. So sagt Adrian Klant, dass das SPD-Foto “der reine Hohn für Lehrer und Schüler” sei. Jan-Luca Schmid fragt: “Wenn sich SPD-Politiker im Bundestag nicht an Hygiene-Regeln halten müssen, warum sollten es dann Kinder und Jugendliche tun?” Und zu Isabell Biersack schreibt “Bild”: “Über das SPD-Fotoshooting schüttelt sie den Kopf.”
Bei Adrian Klant erwähnt die “Bild”-Redaktion, dass er “Bundesvorsitzender der Schüler Union” ist, ohne weiter zu erklären, was die Schüler Union genau ist. Man erfährt nicht, dass es sich bei ihr nicht einfach um irgendeine Schülerorganisation handelt, sondern um eine CDU- und CSU-nahe. Man muss beim Begriff “Union” schon selbst drauf kommen. Aber immerhin wird die Schüler Union überhaupt erwähnt.
Jan-Luca Schmid und Isabell Biersack werden hingegen als ganz normaler Schüler und ganz normale Schülerin von “Bild” präsentiert. Dass der eine Schriftführer im Vorstand der Jungen Union Neckar-Odenwald-Kreis ist, und die andere stellvertretende Vorsitzende der Jungen Union Trier, erwähnt “Bild” mit keinem Wort.
Drei Schülerinnen und Schüler befragt die Redaktion zu einem SPD-Fauxpas. Und alle drei haben einen CDU/CSU-Hintergrund, der bei zweien nicht mal erwähnt wird. Was würde “Bild”-Redakteur Julian Röpcke in so einem Fall wohl fragen?
Kann das echt alles “Zufall” sein?
Mit Dank an die Hinweisgeber!
Nachtrag, 5. Oktober: Mehrere BILDblog-Leserinnen und -Leser weisen darauf hin, dass bei ihren Kindern im laufenden Schuljahr bereits Klassenfotos aufgenommen wurden. Und dass die Kinder bei diesen Fotos, ähnlich wie beim SPD-Foto, ihre Masken abnehmen durften.
Außerdem schreiben einige, dass es in mehreren Bundesländern inzwischen keine Maskenpflicht an Schulen mehr gibt. In Berlin beispielsweise für die Klassenstufen 1 bis 6, im Saarland für alle Jahrgänge. In Bayern müssen Schülerinnen und Schüler im Schulgebäude zwar weiter eine Maske tragen, im Unterricht dürfen sie sie aber abnehmen. Im “Bild”-Artikel liest man von diesen Lockerungen nichts, obwohl die Landesregierungen den Wegfall der Maskenpflicht teilweise schon einige Tage vor Erscheinen des “Bild”-Beitrags publik gemacht haben.
Nachtrag 2, 5. Oktober: Die “Bild”-Redaktion hat auf unsere Kritik reagiert. Im Onlineartikel steht inzwischen bei Jan-Luca Schmid: “Mitglied der Jungen Union” und bei Isabell Biersack: “ist bei der Jungen Union engagiert”. Außerdem ist am Ende des Beitrags nun dieser Hinweis zu finden:
Anmerkung der Redaktion: Jan-Luca Schmid und Isabell Biersack sind Mitglieder der Jungen Union. Diese Angabe war in der ursprünglichen Fassung des Textes nicht enthalten.