Und warum?
Weil “Focus Online” völlig scham- und schmerzfrei ist und jeden Schrott postet, und zwar mitunter nicht nur ein- oder zwei-, sondern dreißig Mal. Anders gesagt:
Der Erfolg von FOCUS Online ist Ergebnis einer klaren redaktionellen Strategie, schon bei der Erstellung der Inhalte darauf zu achten, über welche Kanäle wir Sie als User am besten informieren können. Soziale Netzwerke nehmen dabei eine immer wichtigere Rolle ein.
Facebook zum Beispiel.
Durch die 24 Facebook-Kanäle von FOCUS Online erhalten täglich mehr als zwei Millionen Fans aktuelle News und nachhaltigen Service direkt in ihren Newsfeed.
Um mal zu zeigen, wie das im Alltag aussieht, haben wir uns den vergangenen Donnerstag etwas näher angeschaut (den Tag haben wir willkürlich gewählt, man könnte auch jeden anderen nehmen).
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Um 5 Uhr morgens postete „Focus Online“:
Dort wird gezeigt, wie man sich aus Alufolie und einem Küchensieb eine Antenne für einen Surfstick bastelt.
Was man nicht erfährt (auch nicht, nachdem man geklickt hat): Der Artikel ist mindestens neun Monate alt. “Focus Online” hat ihn schon am 3. Juni 2015 gepostet:
Und am 26. Juni 2015:
Und am 2. Juli 2015:
Und am 10. August 2015, am 20 August 2015, am 23. August 2015, am 29. August 2015, am 26. September 2015, am 4. Oktober 2015, am 28. Dezember 2015 und am 8. Januar 2016.
Und: Nicht nur auf der allgemeinen Facebookseite von „Focus Online“. Sondern auch bei „Focus Online Wissen“:
Und bei „Focus Online Unterhaltung“:
Und bei „Focus Online Politik“:
Und bei “Focus Online Gesundheit“. Und bei „Focus Online Panorama“. Und bei „Focus Online Video“. Und bei „Focus Online Digital“. Und bei „Focus Online Finanzen“.
Und bei anderen Burda-Medien: Bei der „Bunten“, bei „Chip“ bei „Instyle“, bei “Elle” und bei „Meine Familie“.
So dürfte „Focus Online“ allein mit diesem Artikel einige Hunderttausend Klicks eingefahren haben. Womöglich noch viel mehr. Genial einfach!
Unter fast jedem Posting ärgern sich die Leser über die ständige Wiederholung — “Focus Online” ignoriert sie konsequent.
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Eine halbe Stunde nach dem Bastelvideo postete „Focus Online“ am Donnerstag:
Das Video ist eine Animation. Bei Sekunde 11 verwandelt sich das Flugzeug in einen „Transformer“, der dringend pinkeln muss, haha. Das Video ist drei Monate alt. „Focus Online“ hat es am Donnerstag zum zwölften Mal gepostet.
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Wieder eine halbe Stunde später folgte das hier:
Der Artikel ist über ein Jahr alt. „Focus Online“ hat ihn zum fünften Mal gepostet.
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Wieder eine halbe Stunde später:
Dahinter steckt ein PR-Video von McDonald’s (“So entsteht Burger XY”). Das weiße Zeug auf dem Foto ist tiefgefrorenes Fleisch. Kein Skandal, keine Nachricht, nur Werbung für McDonald’s. Anderthalb Jahre alt. Zum siebten Mal gepostet.
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Wieder eine halbe Stunde später:
Die Fahrerin baut einen Unfall, weil sie auf ihr Handy guckt — ein gestelltes Video, das zeigen soll, dass Handys am Steuer gefährlich sind. Sieben Monate alt. Zum dritten Mal gepostet.
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Dann:
Ein Jahr alt, zum fünften Mal gepostet. (Die Löwin haut ab, weil sich das Flusspferd wehrt.)
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Dann:
1. Das Mädchen auf dem Foto ist nicht das Mädchen, um das es geht, sondern irgendein Mädchen (Verpixelung von uns).
2. Story: Ein Mann will Tickets für einen Freizeitpark holen. Da seine Tochter das Down-Syndrom hat, möchte er für sie ein ermäßigtes Ticket haben. Dafür müsse sie aber persönlich erscheinen, heißt es am Ticketschalter. Große mediale Aufregung, Freizeitpark entschuldigt sich, Ende.
3. Der Artikel ist sieben Monate alt, abgeschrieben von der britischen „Sun“.
4. Zum dritten Mal gepostet.
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Zwischendurch postet “Focus Online” tatsächlich auch aktuelle Artikel, doch ein großer Teil der Facebook-Aktivität besteht aus der willkürlichen Wiederverwurstung von altem Zeug.
Nun wäre das alles halb so wild, wenn das Portal wenigstens kenntlich machen würde, dass es sich um alte Artikel handelt. “Focus Online” will aber, dass man sie für aktuell hält.
Die Geschichte ist über ein Jahr alt. Das erfahren die Leser aber nicht mal, wenn sie auf den Link klicken. Das Portal „Netmoms“ (das auch zum Burda-Verlag gehört) zeigt in seinen Artikeln nämlich kein Veröffentlichungsdatum. Erst wenn man sich weiter zu „Focus Online“ durchklickt (im Text verlinkt), wird ersichtlich, dass es keine aktuelle Geschichte ist.
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9.15 Uhr:
Der Artikel ist sieben Monate alt.
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9.30 Uhr:
Ebenfalls sieben Monate alt. Zum siebten Mal gepostet.
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10.30 Uhr:
Ein bezeichnendes Beispiel. Im Artikel geht es um eine 18-Jährige, die am Tag nach einem scheinbar harmlosen Fahrradunfall plötzlich gestorben war. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung stand die Todesursache noch nicht fest, die Ärzte vermuteten innere Verletzungen. Inzwischen (der Artikel ist sieben Monate alt) dürfte es da genauere Erkenntnisse geben.
Aber interessiert das die Leute “Focus Online”? Quatsch. Fünf Mal haben sie den Artikel gepostet — den sieben Monate alten Artikel, in dem sie rätseln, was denn da los war. Statt einfach mal ihren Job zu machen und zu recherchieren, was denn da los war.
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11 Uhr:
Fast anderthalb Jahre alt. Zum achten Mal gepostet.
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11.30 Uhr:
Sieben Monate alt. Zum fünften Mal gepostet.
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12.15 Uhr:
Fünf Monate alt. Zum siebten Mal gepostet.
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Es folgten mehrere aktuelle Artikel (u.a.: “Sexy Rennfahrer-Rücken: Lewis Hamilton zeigt tätowiertes Kreuz”, “Forscher sicher: So könnten uns Aliens beobachten”, “Was diese Frau für ihren morgendlichen Kaffee auf sich nimmt, ist unglaublich”). Dann, 19 Uhr:
Ein Jahr alt. Zum dritten Mal gepostet.
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0 Uhr:
Sieben Monate alt. Zum sechsten Mal gepostet.
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0.30 Uhr:
Acht Monate alt. Zum zwölften Mal gepostet.
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2 Uhr:
Sieben Monate alt. Zum fünften Mal gepostet.
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Daniel Steil, Chefredakteur von “Focus Online”, erklärt die hohen Klickzahlen seines Portals übrigens so:
Unsere Strategie geht auf. Wir setzen unsere journalistische Leidenschaft auf allen Kanälen ein und lernen ständig dazu.
Journalistische Leidenschaft. Ja, die ist kaum zu übersehen.