Archiv für Februar 2nd, 2016

Das Schweigerkartell

Wenn Til Schweiger eine Bühne braucht, dann darf er sich der Unterstützung der „Bild“-Zeitung jederzeit gewiss sein. Sie gibt ihm eine Plattform, macht Werbung für seine Projekte und verteidigt ihn gegen Kritik — dafür lässt er sich regelmäßig auf „Bild“-Events blicken, er beteiligt sich an ihren Aktionen, er wirbt für sie, schreibt für sie und versorgt sie stets mit exklusiven News aus seinem Privat- und Berufsleben.

Wie sehr die “Bild”-Medien und Til Schweiger diese Symbiose perfektioniert haben, lässt sich seit einigen Monaten an der gewaltigen PR-Kampagne erkennen, mit der sie gemeinsam für den dreiteiligen Schweiger-“Tatort” trommeln (zwei Teile wurden bereits im Fernsehen ausgestrahlt, der dritte Teil läuft ab Donnerstag im Kino).

Ihren Anfang nahm diese Offensive schon vor eineinhalb Jahren.

Es ist das erste von zahlreichen noch folgenden Win-win-Interviews: Schweiger darf hier „seine von ihm entworfene Wohn-Kollektion“ vorstellen und verrät „Bild“ im Gegenzug erste Details zu seinen „Tatort“-Plänen:

Wie viele Tatort-Folgen wird es noch mit Til Schweiger geben?

Schweiger: „Wir drehen jetzt erst mal eine Doppelfolge. Die wird nächstes Jahr ausgestrahlt. Dann ist diese Geschichte im Fernsehen abgeschlossen. Vielleicht tragen wir sie dann noch weiter ins Kino.“

Was passiert nach der großen Doppel-Folge? Ist dann Schluss?

Schweiger: „Ich habe gerade meinen Vertrag für vier weitere Folgen, also vier Jahre, verlängert.“

Ermittelt bald Helene Fischer mit?

Schweiger: „Vielleicht sage ich auch: Lassen wir uns überraschen …“

Weiter geht’s am 19. September 2014 bei Bild.de:

2. Oktober 2014, “Bild Hamburg”:

22. Oktober 2014, “Bild Hamburg”:

Am 25. Oktober 2014 darf “Bild” exklusiv verkünden:

… und fragt:

… und lässt abstimmen:

19. November 2014, Bild.de:

21. November 2014, “Bild Hamburg”:

22. November 2014, “Bild Hamburg”:

3. Dezember 2014, “Bild Hamburg”:

1. April 2015, “Bild”:

4. April 2015, Bild.de:

19. April 2015, “Bild am Sonntag”:

2. Juli 2015, Bild.de

22. Juli 2015, “Bild”:

26. Juli 2015, “Bild am Sonntag”:

5. August 2015, Bild.de:

24. August 2015, “Bild Hamburg”:

26. August 2015, “Bild Hamburg”:

Es sind die Filmarbeiten für „Tschiller, a. D.“, der erste „Tatort“-Kinofilm seit 28 Jahren (im Kino ab 25. Februar 2016).

4. September 2015, “Bild Hamburg”:

22. September 2015, “Bild”:

5. Oktober 2015, Bild.de:

12. Oktober 2015, “Bild”:

4. November 2015, Bild.de:

17. November 2015, “Bild”:

17. November 2015, Bild.de:

17. November 2015, Bild.de:

18. November 2015, “Bild”:

Dann rückt die große Stunde näher. Zwei Wochen vor der TV-Ausstrahlung besucht “Bild” die Premiere …

… auch online sind sie ganz entzückt:

Zehn Tage vorher: großes “Bams”-Interview.

Einen Tag vorher: großes “Bild”-Interview.


Am Tag der Ausstrahlung noch mal volle Online-Power:


Und noch mal:


Und noch mal:

Doch so sehr sie sich auch bemüht haben: Der erste Teil floppt. Die Kritiker sind mittelmäßig begeistert, die Quoten vergleichsweise schwach.

So muss auch die “Bild am Sonntag” auf der Titelseite zugeben:

Andererseits

Also lieber schnell abhaken, schließlich steht noch der zweite “Tatort”-Teil an. Dazu erst mal wieder ein Interview.

Auch online geht das PR-Geballer weiter.

2. Januar:

2. Januar:

2. Januar:

3. Januar:

3. Januar:

4. Januar:

4. Januar:


4. Januar:

4. Januar:

4. Januar:

Am selben Abend veröffentlicht Til Schweiger auf Facebook einen Text, in dem er seinen “Tatort” als “ein Stueck deutsche Fernsehgeschichte” und den “bahnbrechendsten seiner Art” bezeichnet und erklärt, warum alle, die ihn nicht mindestens megamegamegageil fanden, völlig dumm sind (“Weil…. ich als Filmemacher/Schauspieler/Produzent/Writer/Cutter/Composer…. viel mehr Ahnung…. ich habe viiiieel mehr Ahnung von der Craft( Materie)….KUNST…. als die meisten von diesen Trotteln, die darüber schreiben!!!!….).

Für diesen Post erntet Schweiger ziemlich viel Kritik — so viel, dass selbst “Bild” sie nicht mehr ignorieren kann und am nächsten Tag fragt:

Doch man merkt: So richtig kritisieren wollen die “Bild”-Leute ihren Schützling eigentlich nicht. Der Facebook-Eintrag, den “Bild” bei jedem anderen mindestens als “bizarres Gaga-Posting” bezeichnet hätte, bekommt nur das Prädikat “Wut-Brief”. Und online klingt auch die Überschrift schon viel versöhnlicher. Statt “Hat sich Til verballert?” fragt Bild.de:

Dann folgt die Gegenoffensive.

Und zwar?

“Wir waren beide sehr beeindruckt!”

Klar.

Auch “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner springt seinem Buddy zur Seite, schreibt:

Til Schweigers Mann ist ein metallisches Wesen. Er ist ein Mann, der nicht mehr weint. Er ist ein Mann, der rächt. Er ist ein Mann ohne Parfum.

Er ist die Rückkehr des Mannes.

Tapfer, selbstlos, großartig. Er ist ein Held wie Herkules. Sehnen wir uns nicht alle nach einem Herkules?

Am nächsten Tag darf sich Schweiger dann ausführlich verteidigen, exklusiv in “Bild” natürlich:

Und bei Bild.de:

Also lieber schnell abhaken und weiter im Text, schließlich steht noch der dritte Teil an, Schweigers Kino-“Tatort”.

8. Januar, Bild.de:

20. Januar, “Bild Hannover”:

29. Januar, Bild.de:

31. Januar, “Bild am Sonntag”:

Auch online nennt “Bild” …

Es ist der vorerst letzte von bisher über 50 Schweiger-PR-Artikeln, und das sind nur die, die sich auf den “Tatort” beziehen. In einem davon sagt Schweiger übrigens:

Ein Shitstorm kommt und geht wieder. Ich mache einfach weiter mein Ding.

Und wir ahnen auch schon, wer ihn dabei unterstützen wird.

Russland, Dialektik des Negativen, Herzschmerz-Kurator

1. Warten auf den Exodus?
(de.ejo-online.eu, Jannis Carmesin & Kai Steinecke)
Ausländische Verlage mit russischen Verlagsbeteiligungen sehen sich durch ein neues Mediengesetz gezwungen, ihre Anteile abzustoßen. Die Autoren erklären, welche Verwerfungen dies für die russische Medienlandschaft bedeutet. Eine Gesetzgebung, die auch deutsche Unternehmen wie den Axel-Springer-Verlag (Engagement bereits gelöst) und Burda beträfe (noch Herausgeber von rund 60 Titeln).

2. „Ihr könnt das? Dann liefert jetzt mal“
(taz.de, Jens Mayer)
Ein “Novum” sei es, dass ARD-Verantwortliche und TV-Produzenten erstmals ein gemeinsames Papier vorgelegt hätten, das die künftige Ausgestaltung der Beauftragung von TV-Auftragsproduktionen regele. Zwei Jahre hätten die Produzenten mit der ARD gerungen, und nun liege eine Vereinbarung vor, die einen Paradigmenwechsel in der deutschen Fernsehlandschaft einläute, indem sie das Risiko für Produzenten senke und die Innovationsfreude anheize.

3. Positiver Journalismus: “Eine Ausgewogenheit in der Berichterstattung herstellen”
(fachjournalist.de, Felix Fischaleck)
Einer der Hauptvorwürfe an Nachrichten (neben denen, dass sie falsch, ungenau oder tendenziös seien) ist: “Es wird immer nur über Negatives berichtet!” Hier setzt der sogenannte “positive Journalismus” an, der sich als “eine Art Gegenbewegung zum vorherrschenden Negativitätsbias in der Berichterstattung” sieht. Kommunikationswissenschaftler Dr. Oliver Bidlo spricht im Interview über die “Dialektik des Negativen” und wie man die, aus seiner Sicht notwendige, Ausgewogenheit in der Berichterstattung herstellen könne.

4. Rechtsstreit: Facebook will Nutzerprofile nicht vererben lassen
(spiegel.de)
Ein sowohl juristisches wie auch ethisch schwieriges Problem beschäftigt derzeit die Gerichte: Wem gehört das Facebook-Konto eines verstorbenen Kindes, den Erben oder dem Diensteanbieter? Das Landgericht Berlin hat das Konto den Eltern zugesprochen, die sich darin Aufklärung über den Tod ihrer Tochter erhoffen. Dagegen wehrt sich Facebook nun mit einer Berufung. Der Grund: Die Eltern könnten Einblick in private Nachrichten anderer Nutzer erhalten, die einen Anspruch auf Privatsphäre hätten.

5. Unter dem Radar
(faz.net, Fridtjof Küchemann)
Die amerikanischen Netzanbieter können Daten ihrer Nutzer relativ unkontrolliert wirtschaftlich nutzen beziehungsweise ausbeuten. Dagegen haben nun 60 Daten- und Verbraucherschutzorganisationen Protest eingelegt. Die Organisationen hätten die amerikanische Kommunikationsbehörde aufgefordert, schnellstmöglich Regeln aufzustellen, die nur bei Einwilligung der Nutzer die Sammlung und Vermarktung ihrer Daten zulassen. Die deutsche Datenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff weist in diesem Zusammenhang tapfer darauf hin, dass Datenschutz keineswegs wirtschaftsfeindlich sei und sogar ein Wettbewerbsvorteil sein könne.

6. Meet the guy who makes sure your ex shows up in your Facebook feed.
(facebook.com/mashable.socialmedia, Video, 2:35 Minuten)
Eine Trennung geht wohl nie leicht vonstatten. Und wenn dann die Fotos des oder der Ex im Facebook-Feed auftauchen, verheilen die seelischen Narben noch schwerer oder reißen wieder auf. Die Investigativreporter von “Mashable Humor” konnten erstmals mit einem Verantwortlichen sprechen, der die herzschmerzerzeugenden Bilder der abgelegten Liebschaften in unsere Accounts einspeist: dem “Facebook Heartbreak Curator”.