Archiv für August 27th, 2015

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Wenn “Bild” Unschuldige zu Mördern macht

Die „Bild“-Zeitung will um jeden Preis Gesichter zeigen. Sie will, dass ihre Leser den Tätern und Opfern in die unverpixelten Augen sehen können, warum auch immer. Da können die Polizei, die Justiz oder die Angehörigen noch so oft darum bitten, es nicht zu tun.

In den meisten Fällen beschafft sich die Redaktion die Fotos kurzerhand im Internet und schert sich dabei weder um die Persönlichkeitsrechte der Abgebildeten noch um die Rechte der Urheber, und um den Pressekodex erst recht nicht.

Auch gestern zeigte „Bild“ wieder das Foto eines Mannes, der wegen Mordes angeklagt ist (natürlich ohne jede Unkenntlichmachung):

Nun stellt sich heraus: Der Abgebildete ist gar nicht der Angeklagte. Er hat mit der Sache überhaupt nichts zu tun.


(Online hat “Bild” das Foto inzwischen gelöscht, im ePaper die ganze Seite.)

Es war nicht der erste Fehler dieser Art. Bei weitem nicht.

Im August vergangenen Jahres erklärte die „Bild am Sonntag“ einen jungen Mann zum „Killer“, obwohl er nichts mit der Tat zu tun hatte. Die Fotobeschaffer hatten sich im falschen Facebookprofil bedient.

Ähnlich wie 2012, als Bild.de und die Berliner „Bild“-Ausgabe das Foto einer Frau zeigten, die angeblich von ihrem Mitbewohner getötet worden war. In Wirklichkeit lebte die Abgebildete aber noch und hatte nichts mit der Sache zu tun.

Anfang 2014 druckte die Kölner „Bild“-Ausgabe das Foto eines Mannes und behauptete, er habe seine Oma erschlagen. Später stellte er sich als unschuldig heraus.

Einige Monate später zeigte “Bild” einen Mann, der, so die Bildunterschrift, bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Tatsächlich lebte der Abgebildete noch, “Bild” hatte ihn verwechselt.

2004 bebilderte die Berliner Ausgabe einen Artikel über einen Autounfall mit dem Foto eines Mädchens und schrieb, es sei bei dem Unfall gestorben. In Wahrheit lebte das gezeigte Kind aber noch und hatte nicht mal in dem Auto gesessen.

2012 druckte „Bild“ das Foto eines Schülers und nannte ihn „KILLER“ und „miesen Kindermörder“; auch er stellte sich später als unschuldig heraus (nachdem ein Lynchmob versucht hatte, das Polizeikommissariat zu stürmen, wo der vermeintliche „KILLER“ festgehalten wurde).

2009 veröffentlichte „Bild“ ein riesiges Foto, das den Amokläufer Tim K. zeigen sollte. Tatsächlich war darauf ein ganz anderer – unschuldiger – Junge zu sehen.

Wenige Wochen später präsentierte die „Bild am Sonntag“ auf einem Foto den Tatverdächtigen eines Vierfach-Mordes. Auch in diesem Fall hatte der Abgebildete überhaupt nichts mit der Sache zu tun.

Die Richtigstellung zur aktuellsten Verwechslung hat „Bild“ heute übrigens auf Seite 6 abgedruckt. Direkt unter einem unverpixelten Porträtfoto, auf dem ein „Killer“ zu sehen ist. Behauptet zumindest „Bild“.

Nachtrag, 19. Februar 2016: Vor drei Tagen druckte “Bild” ein Foto, das das Opfer eines Säureangriffs zeigen sollte. Einen Tag später folgte die (winzige) Korrektur: Die Fotobeschaffer hatten sich wieder geirrt; die abgebildete Frau hatte nichts damit zu tun.

“Social Media Murder”, WDR vs. RWE, Zeitungssterben

1. What happens when a ‘social media murder’ suspect wants to go viral
(washingtonpost.com, Abby Ohlheiser & Elahe Izadi, englisch)
In den USA sind zwei Journalisten während eines Interviews vor laufender Kamera erschossen worden. Der Täter filmte den Mord aus seiner Perspektive und stellte das Video online. Die “Washington Post” zeichnet nach, was daraufhin in den Sozialen Medien passierte. Siehe dazu auch: “Wenn ich die Videos ansehe, verliere ich einen Teil meiner Würde” (kress.de).

2. WDR contra RWE
(taz.de, Malte Kreutzfeldt)
Nach der Besetzung des Braunkohletagebaus hatte WDR-Redakteur Jürgen Döschner einen Kommentar geschrieben, in dem er die Demonstranten lobte. Das brachte ihm viel Aufmerksamkeit – und noch mehr Kritik von RWE-Mitarbeitern. Nun wehrt sich Döschner mit einem offenen Brief.

3. Und ewig lockt das Zeitungssterben
(nzz.at, Veit Dengler)
Veit Dengler beobachtet, dass das Gespenst des “Zeitungssterben” schon seit Jahren in Europa umhergeht. “Sterben ist anscheinend eine wesentliche Tätigkeit von Zeitungen.” Dengler zählt Gründe auf, warum es sie trotzdem noch gibt.

4. Pressefreiheit à la Sachsen
(freelens.com, Roland Geisheimer)
Ein Fotojournalist erlebt in Heidenau eine “sehr merkwürdige Auslegung des Kunsturheberrechtsgesetzes und auch des Artikel 5 des Grundgesetzes”. Als er Beamte fotografiert, wird er im Polizeigriff abgeführt, fixiert und mit Strafanzeige bedroht. Freelens meint dazu: “Die sächsische Polizei sollte sich zukünftig lieber wieder auf ihre originären Aufgaben konzentrieren, in dem sie die Sicherheit der Flüchtlinge vor Ort gewährleistet und diese vor dem rechtsradikalen Mob schützt.”

5. Weiße Kommentare
(spreeblick.com, Johnny Haeusler)
Johnny Haeusler hat die Schnauze voll. Sein Blogeintrag über Rechtsradikalismus in Deutschland ist zum wiederholten Mal zum Sammelbecken für rechte Trolle geworden. Seine Lösung: “Kommentare, die mich nerven, haben ab jetzt weiße Schrift auf weißem Grund. Wer diese Kommentare dennoch lesen will […], kann den Text markieren und dann wieder erkennen.”

6. Unsere Haltung beim Thema Tagesschau
(titanic-magazin.de, Torsten Gaitzsch)
Eine Reaktion auf diesen Blogeintrag des “Tagesschau”-Chefredakteurs.