Archiv für August 25th, 2015

Nepper, Schlepper, Bauer-Medien

Immerhin: Das Clickbaiting mit Toten haben sie eingestellt. Aber sonst geht es munter weiter auf der Facebookseite der „TV Movie“:



Oder auf der Facebookseite der „Intouch“ (Bauer):


Oder der „Bravo Girl“ (Bauer):

Oder der “Closer” (Bauer):


(Unkenntlichmachung von uns.)

Oder der „Bravo“ (Bauer):




Um Letzteres kurz aufzuklären: LionT (ein Youtuber) spricht natürlich nicht über Selbstmord. Also, schon ein bisschen, denn er spricht darüber, dass er manchmal hässliche Kommentare bekommt – zum Beispiel, er solle sich doch umbringen.

Wundern muss man sich über diese Geschmacklosigkeiten aber nicht, schließlich gehört die Irreführung der potentiellen Kundschaft zu den Kernkompetenzen der Bauer Media Group.

Auch in der analogen Welt. Das ebenfalls im Bauer-Verlag erscheinende Knallblatt „das neue“ zum Beispiel will die Leser am Kioskregal aktuell mit diesem Cover zum Kauf verführen:

Nun könnte man meinen – und darauf zielt die Redaktion ja ab –, dass sich der Gesundheitszustand von Michael Schumacher auf wundersame Weise verbessert hat und “das neue” über exklusive Infos verfügt (so, wie es viele Regenbogenhefte seit Schumachers Ski-Unfall immer wieder suggerieren). Das „Wunder“ besteht aber, wie man dann im Heft erfährt, in Wahrheit darin, dass es Fotos von Corinna Schumacher gibt, auf denen sie lächelt.

Die Kinder lassen sie einen Moment lang die Sorgen vergessen. Die Sorgen um ihren Mann, der seit Dezember 2013 nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen wurde. Und über deren (sic) Gesundheitszustand nur die Familie Bescheid weiß. (…) Es könnte doch sein, dass sie so glücklich ist, weil sie weiß, dass es ihrem Michael jeden Tag ein bisschen besser geht …

So ist das Clickbaiting bei “TV Movie”, “Bravo” & Co. im Grunde die digitalisierte Version dessen, was Bauer in der analogen Welt schon seit Jahrzehnten treibt: ein perfides Spiel mit den Erwartungen und Sorgen der Leser, um sich selbst zu bereichern.

Plötzlich arbeitslos, Flüchtlinge, “Constructive News”

1. Und plötzlich arbeitslos
(medienwoche.ch, Nik Niethammer)
Nachdem Nik Niethammer seinen Chefredakteursposten beim Schweizer Radio 1 verlassen hatte, war er ein Jahr lang arbeitslos. In seiner Kolumne beschreibt der Journalist, wie sich das anfühlt, wenn man trotz langer Berufserfahrung kaum Angebote oder Gesprächseinladungen im Postfach findet, wenn man sich auf Dutzende Stellen bewirbt und nur Absagen kassiert. “Ich will kein Mitleid, nur ein bisschen Respekt.”

2. Der Welt geht es doch gut
(faz.net, Stefan Niggemeier)
Mitte August kündigte Florian Harms, der Chefredakteur von “Spiegel Online”, im Spiegel-Blog an, künftig mehr Artikel zu veröffentlichen “die auch bei düsteren Themen einen Aspekt aufzeigen, der Hoffnung macht, der einen Ausweg weist, der viel diskutierte Themen auch mal aus einer anderen Perspektive beleuchtet”. Während das den empörten Georg Altrogge dazu veranlasste, “Spiegel Online” nach anderthalb Jahrzehnte als Startseite zu löschen, beleuchtet Stefan Niggemeier den Trend zu “Constructive News” und rezensiert das gleichnamige Buch des Nachrichtenchefs des öffentlich-rechtlichen dänischen Rundfunks.

3. Plattformen wie Infosperber mit PR unterwandern
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Viele PR-Agenturen bieten Blogs Werbeartikel an, die sie als “redaktionelle” Texte maskieren wollen. Gerne auch gegen Geld – bloß der Name der Agentur oder der Autoren darf nicht auftauchen. Infosperber zeichnet den Beeinflussungsversuch zweier Agenturen nach.

4. Alles, nur nicht proletarisch
(de.ejo-online.eu, Kurt W. Zimmermann)
Anlässlich des Verkaufs des “Economists” schaut sich Kurt W. Zimmermann das Wirtschaftsmagazin genauer an. Der “Economist” sei “zum Großerfolg geworden, weil er das völlige Gegenteil aller anderen Blätter tut”: Die Namen der Autoren werden nicht genannt, es gibt keine stilistischen Spielereien, keine ewig langen Texte, keine Gratiskultur. Damit, so Zimmermann, “schuf der Economist eine gelungene Gegenkultur zu den geltenden Regeln auf europäischen Großredaktionen. Dort sitzen viel zu viele selbstverliebte Schreibgockel, die seitenweise ihre vermeintlich brisanten Enthüllungen wortgewaltig ins Publikum posaunen.”

5. Unsere Haltung beim Thema Flüchtlinge
(blog.tagesschau.de, Kai Gniffke)
Seit Wochen berichtet die Tagesschau in fast jeder Ausgabe über Flüchtlinge. Chefredakteur Kai Gniffke fragt deshalb: “Tun wir das wertfrei? Haben wir dazu eine Haltung? Oder gar eine Meinung?” Viele Kommentatoren freuen sich dabei vor allem über diese beiden Sätze: “Wir dürfen die Abschiebung eines abgelehnten Asylbewerbers nicht als menschenverachtende Maßnahme einer kaltherzigen Bürokratie darstellen. Ein gerechtes Asylverfahren in einem weltoffenen Land lässt sich nur aufrechterhalten, wenn rechtmäßig zustande gekommene Abschiebebeschlüsse auch in die Tat umgesetzt werden.”

6. Vor 20 Jahren: Windows 95 erscheint
(heise.de, Peter Siering)