Das Schweizer Rumms- und Bumsblatt “Blick” hat heute einen schönen Aufreger aus den USA entdeckt:
Nun ist dem TV-Prediger John Hagee durchaus so mancher Schwachsinn zuzutrauen (er findet auch, der Holocaust sei gottgewollt) — die Orgasmus-Aussagen aber kommen in Wirklichkeit nicht von ihm, sondern von Newslo.com, einer, wie sich in drei Sekunden herausfinden lässt: Satireseite.
Immerhin sind sie beim „Blick“ nicht die einzigen, die auf den Fake reingefallen sind.
Natürlich stimmt die Überschrift schon deshalb nicht, weil nicht “alle” für den “Grexit” sind, sondern nur einige – aber das kann man noch als Stilmittel verbuchen (wenn auch eher ein literarisches als ein journalistisches): ὑπερβολή nannten die alten Griechen (!) eine solche Übertreibung, “Hyperbel”.
Aber um zu belegen, dass viele Medien jetzt angeblich plötzlich für den “Grexit” sind, schreckt “Bild” auch vor Fälschungen und groben Irreführungen nicht zurück. So zitiert das Blatt die “Neue Zürcher Zeitung” (NZZ) mit den Worten:
“Ein Grexit muss für Griechenland keineswegs jenes ökonomische und finanzielle Desaster darstellen, als das er oft präsentiert wird.”
Das Zitat hat “Bild” gefälscht. Tatsächlich schrieb die NZZ:
Ein ‘Grexit’, so das Fazit, müsse daher für Griechenland keineswegs jenes ökonomische und finanzielle Desaster darstellen, als das er oft präsentiert werde.
Den Konjunktiv “müsse” hat “Bild” einfach durch “muss” ersetzt – und verschleiert so, dass die NZZ hier das Urteil eines anderen zitiert: eines Forschungsinstitutes namens “Oxford Economics”.
Dass die “Süddeutsche” sich nun für einen “Grexit” ausspreche, belegt “Bild” mit folgendem Zitat:
“Eine Eurozone mit 18 Mitgliedern wäre schon am Tag eins nach dem Ausstieg Athens stabiler und damit überlebensfähiger. Schon der Beitritt Athens 2001 war politisch mehr gewollt als ökonomisch gerechtfertigt.”
Aus einem Pro & Contra über den “Grexit” macht “Bild”, dass die “Süddeutsche Zeitung” für den Grexit plädiert.
Im “Wall Street Journal” hat “Bild” folgendes Zitat entdeckt:
“Es ist nicht so, als ob Griechenlands Probleme nicht ernst wären. Aber für die Finanzmärkte wäre ein Grexit kein Grund zur Panik.”
Das ist nicht ganz falsch, aber auch da hilft es, das komplette Zitat zu lesen:
With Greece back in recession, the questions about the fate of the Achaeans is only going to grow. But, if you’re a stock investor, especially a U.S. stock investor, how worried should you really be? (…)
This isn’t to say Greece’s problems aren’t serious, or that an exit from the euro wouldn’t have serious ramifications. But for stock investors, it may not be a cause for panic.
Mit anderen Worten: Das “Wall Street Journal” räumt ein, dass ein “Grexit” “ernsthafte Auswirkungen” hätte – aber wenigstens für Börsenanleger, vor allem amerikanische Börsenanleger, muss es nicht unbedingt ein großes Problem werden. Das sind natürlich beruhigende Nachrichten – für amerikanische Börsenanleger.
Auch die “New York Times” sei nun für den “Grexit”, schreibt “Bild”, und suggeriert das mit diesem Zitat:
“Eine Sache ist klar: Wenn es eine Einigung mit Griechenland gibt, ist diese nur das Vorspiel für die nächste Krise in den nächsten Monaten.”
1. “T-online & Co.: die unterschätzte Macht der Mail-Medien” (get.torial.com/blog, Stefan Mey)
Stefan Mey kann nicht verstehen, warum in der öffentlichen Diskussion über publizistische Kräfte die Medien von E-Mail-Anbietern nicht thematisiert werden: “T-online erreicht die Hälfte aller deutschen Internet-Nutzer*innen, und auch Web.de und Gmx lassen in puncto Nutzungs-Zahlen viele anerkannte, journalistische Marken alt aussehen. Auf den bunten Portalen finden Klatsch und Ratgeber-Inhalte Platz, hier werden aber auch die großen, ideologischen Themen der Politik verhandelt: der Griechenland-Streit, die Ukraine-Krise und der Bahn-Streik. Für viele Menschen liefern sie die täglichen Informationen über Politik und Gesellschaft.”
2. “Fauxpas von 20 Minuten: joiz-Redakteurin Ivona in Artikel über Zuwanderungsängste” (joiz.ch, Ivona Domazet)
Ivona Domazet, “Tochter zweier vor 30 Jahren in die Schweiz eingewanderten Kroaten”, sieht ein Foto von sich in “20 Minuten” unter dem Titel “Junge sehen Einwanderung als grösstes Problem”: “Gerade bei einem so ernsten politischen Thema müsste sich euer zuständige Bildredakteur eventuell zwei Mal fragen, ob das random Bild, was er ausgesucht hat, auch wirklich passt. Und ob er nicht vielleicht doch ein neutrales Symbolbild einer Stock-Agentur verwenden will.”
4. “‘Humor ist die Waffe gegen Angst'” (tagesanzeiger.ch, Constantin Seibt)
Ein Interview mit Bassem Youssef: “Seit 15 Jahren floriert Satire über Nachrichtensendungen. Und der Grund ist, dass News, vor allem TV-News, sich verändert haben: Sie laufen im 24-Stunden-Betrieb. 24 Stunden, die man mit irgendetwas füllen muss. Kein Wunder, füllt man sie mit Sensationen und Unfug. Und damit verwandeln sich Journalisten in Entertainer – und damit automatisch in die eigene Parodie.”
5. “Was verstehen Sie unter ‘weißem’ Schreiben?” (deutschlandradiokultur.de, Matthias Hanselmann, Audio, 36:12 Minuten)
Charlotte Wiedemann blickt zurück auf ihre bisherige journalistische Karriere und spricht über den “holzschnittartigen Blick auf fremde Länder” in der Auslandsberichterstattung.