Archiv für August 25th, 2014

Die “Selbstkritik” der “Bild am Sonntag” (2)

Vor einer Woche hat die “Bild am Sonntag” einen Unschuldigen zum Mörder erklärt.

Unter der Überschrift

zeigte sie das Foto eines jungen Mannes, der mit der Tat überhaupt nichts zu tun hatte. Er trägt nur zufällig den gleichen Namen wie der Verdächtige. Die “BamS” hatte sich bei ihrer Jagd nach privaten Fotos einfach am falschen Facebook-Profil bedient.

Ein “bedauerliches Versehen”, erklärte sie später, und ein Springer-Sprecher sagte:

Die Redaktion bedauert diesen Fehler sehr. Selbstverständlich wird es auch eine Richtigstellung und Entschuldigung in der BamS geben.

“Selbstverständlich”.

Diese schmierig-schuldbewusste Haltung nehmen die “Bild”-Medien nach außen hin gerne ein, wenn sie bei einem besonders heftigen Vergehen erwischt wurden und es medialen Gegenwind gibt: Oh, sorry, wird korrigiert, aber klar doch, selbstverständlich.

Das hier wäre für die “BamS” eine Möglichkeit gewesen, zu zeigen, dass sie es ernst meint mit ihrem reumütigen Gehabe, dass sie den Fehler wirklich so “sehr” “bedauert”, wie sie behauptet, und alles dafür tut, um ihn wiedergutzumachen.

Aber sie hat sich dann doch für die klassische “Bild”-Variante entschieden und die Richtigstellung ganz unauffällig versteckt. Wenn man sich Mühe gibt, finden man sie irgendwann auf Seite 14, rechts oben in der Meldungsspalte, direkt über “Nilpferd (39) stirbt an Tennisball”:

Über neun Millionen Leser hat die “Bild am Sonntag” laut eigenen Angaben. Das heißt: Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen von Menschen haben in der vergangenen Woche das Foto des Mannes gesehen und gingen davon aus, er sei der mutmaßliche Mörder. Wie viele von denen werden wohl die winzige Korrektur entdecken? Ein Bruchteil, höchstens. Allein die Überschrift des ursprünglichen Artikels war größer als die gesamte Richtigstellung.

Es geht der Redaktion nicht darum, den Schaden für den jungen Mann zu begrenzen, sondern den für sich selbst. Komplett auf die Richtigstellung zu verzichten, wäre schon aus rechtlichen Gründen heikel geworden, also wählte sie die unauffälligste und für sie erträglichste Variante.

Und sie lügt sogar noch, um sich selbst harmloser darzustellen: In der Überschrift stand nicht, wie sie behauptet, “Mädchen von Manga-Fan getötet”, sondern “hingerichtet” (siehe oben). Dass sie sich das Foto ohne zu fragen bei Facebook besorgt hatte, schreibt sie natürlich auch nicht. Und für den Missbrauch der Zeichnungen hat sie sich ohnehin nie entschuldigt.

VG Media, Weltspiegel, Verschwörungstheorien

1. “Weshalb das Kartellamt die Google-Beschwerde der VG Media ablehnt”
(irights.info, Till Kreutzer)
Das Bundeskartellamt weist eine Beschwerde der VG Media gegen Google ab: “Die Entscheidung des Kartellamts ist ein deutlicher Rückschlag für die in der VG Media organisierten Presseverlage. Auch deshalb, weil das Bundeskartellamt sich im Schreiben nun seinerseits vorbehält, den Zusammenschluss der Verlage in der VG Media im Hinblick auf den EU-Binnenmarkt zu untersuchen.”

2. “Beckmann kann’s, der Weltspiegel nicht”
(tagesspiegel.de, Richard Weber)
Richard Weber schaut “Weltspiegel extra” zum Thema “IS-Terror”: “Der Beitrag dauert 15 Minuten. Dennoch gelingt ihm das Mirakel, alles, was wissenswert wäre – die Besonderheit des Jesidentums, der tödliche Hass zwischen Sunniten und Schiiten, die Finanzierung der Terrorgruppe – völlig unerklärt zu lassen. Nicht einmal die unterschiedlichen Bezeichnungen IS für ‘Islamischer Staat’ und ISIS für ‘Islamischer Staat im Irak und in Syrien’ werden aufgedröselt.”

3. “Ferguson: Die medialen Brandbeschleuniger”
(diepresse.com, Oliver Grimm)
Oliver Grimm berichtet über das Verhalten einiger Journalisten in Ferguson.

4. “Twitter: from free speech champion to selective censor?”
(theguardian.com, James Ball, englisch)
Was ist Twitter, Verleger oder Plattform? “Like many other major companies, Twitter has long insisted it is not a publisher but a platform. The distinction is an important one: publishers, such as the Guardian, bear a far greater degree of responsibility for what appears on their sites. By remaining a platform, Twitter is absolved of legal responsibility for most of the content of tweets. But by making what is in essence an editorial decision not to host a certain type of content, Twitter is rapidly blurring that line.”

5. “Muddis Pudding”
(wolfgangmichal.de)
“Traditionsunternehmen wie der Spiegel, der Suhrkamp Verlag oder die SPD” seien keine normalen Betriebe, glaubt Wolfgang Michal: “Sie fungieren als parteiische Anwälte, ja als treibende Kräfte des kulturellen und politischen Modernisierungswandels.”

6. “Was ist eine Verschwörungstheorie?”
(youtube.com, Video, 7:37 Minuten)