Archiv für Mai 10th, 2013

Wo ein Glaube ist, ist auch ein Wille

Bild.de hat beim INSA-Institut eine Umfrage zum Ausgang der Bundestagswahl in Auftrag gegeben. Das angeblich repräsentative Ergebnis:

Jeder vierte Wahlberechtigte (25 %) denkt, dass es nach der Bundestagswahl zu einer großen Koalition kommt. Mit einer Fortsetzung der jetzigen Regierungskoalition aus Union und FDP rechnet jeder Fünfte (21 %). Deutlich geringere Chancen werden einem rot-grünen Bündnis (15 %), Schwarz-Grün (6 %), Rot-Rot-Grün (5 %). Eine Ampel-Koalition (SPD, FDP, Grüne) oder eine schwarze Ampel (CDU/CSU, FDP, Grüne) erwarten jeweils 2 % der Wahlberechtigten. Und jeder vierte Befragte (24 %) kann oder will dazu keine Angaben machen.

Zusammengefasst “glauben 54 Prozent der Befragten”, dass Angela Merkel “ihre Arbeit als Kanzlerin fortsetzen” wird.

Oder, wie Bild.de in der Überschrift schreibt:

BUNDESTAGSWAHL 2013: Jeder 2. Deutsche will Merkel-Fortsetzung

Um den semantischen Unterschied zwischen “glauben” und “wollen” zu verdeutlichen, werfen wir einfach mal einen Blick auf eine andere aktuelle Umfrage:

Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich im aktuellen ARD-DeutschlandTrend, dass Borussia Dortmund das Champions League-Finale gewinnt, glaubt aber, dass Bayern München den Titel holen wird.

Ein Satz, der in der Welt von Bild.de unmöglich wäre.

Allerdings scheint Bild.de nicht ganz von allein auf den Holzweg gekommen zu sein:

INSA-Chef Hermann Binkert erklärte BILD.de: “Die eindeutige Mehrheit der Bundesbürger erwartet, dass Angela Merkel – in welcher Konstellation auch immer – Bundeskanzlerin bleibt. Die Deutschen fühlen sich bei ihr aufgehoben. Die Bürger vertrauen der Kanzlerin und wollen aus diesem Grund, dass sie ihren Job fortführt.”

Wir haben bei Hermann Binkert (bisherige Stationen: “wissenschaftlicher Mitarbeiter der CDU-Bundestagsabgeordneten Claudia Nolte”, “Persönlicher Referent für Herrn Ministerpräsidenten Dr. Bernhard Vogel”, “Staatssekretär in der Thüringer Staatskanzlei und Bevollmächtigter des Freistaates Thüringen beim Bund”) nachgefragt, ob Bild.de ihn richtig zitiert hat und wie er gegebenenfalls aus einer “Erwartung” einen “Willen” ableite, haben aber noch keine Antwort erhalten.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

NachDenkSeiten, Bogotá, Charles Ramsey

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Zeitungen: Eine Branche verharrt im Gestern”
(cicero.de, Petra Sorge)
Petra Sorge war am “European Newspaper Congress” in Wien: “Man bunkert sich in seiner glanzvollen Welt ein, während draußen die Moderne an die Tür klopft. Statt sie hereinzulassen, verleiht man sich Orden. (…) Ansonsten tauschte man Rezepte aus, die vor zehn Jahren schon als modern galten: lockeres Zeitungsdesign mit mehr Weißraum, freigestellte Fotos, tiefgründige Erzählgeschichten, Infografiken.”

2. “In Bogotá … sieht BILD jetzt sogar die ‘kriminellste Stadt der Welt'”
(in-bogota.blogspot.de)
“Bild” macht Bogotá zur “kriminellsten Stadt der Welt”.

3. “Generalverdacht ‘Meinungs-Mache’: Wie die NachDenkSeiten billige Ressentiments bedienen”
(deliberationdaily.de, Jan Falk)
Nachdenken über die NachDenkSeiten von Jan Falk: “Nun gibt es natürlich Gründe, insbesondere bei den in der politisch-medialen Bubble in Berlin entstehenden Leitmedien einen Bias in der Berichterstattung zu vermuten. Aber, was den Medienkritikern von Links schon zu denken geben sollte: Geradezu spiegelbildlich zu ihrer Annahme grundsätzlich konservativer Medien monieren eher konservativ oder libertär Orientierte gerne die ‘linke Systempresse’. Beides zugleich kann wohl kaum stimmen. Wir haben es also vermutlich zuallererst mit einem Wahrnehmungsproblem zu tun.”

4. “Wie ich eine Falschmeldung verbreitete”
(bigblog.welt.de, Stefan Anker)
Stefan Anker erklärt, weshalb er eine Falschmeldung weiterverbreitet hatte: “Im konkreten Fall habe ich etwas übernommen, was zuvor Hans-Peter Buschheuer geteilt hatte. Das ist der Chefredakteur des ‘Berliner Kurier’, ich kenne ihn seit gut 20 Jahren persönlich, habe früher mal mit ihm und mal für ihn gearbeitet und würde nicht erwarten, dass er Falsches verbreitet.”

5. “The performing black folks next door”
(economist.com/blogs/johnson, R.L.G., englisch)
Ein Interview mit Charles Ramsey, das sofort zum Mem wurde: “Of course many people are forwarding the video eagerly, in part because Mr Ramsey doesn’t speak like the co-workers in their office towers. But they’re also forwarding it because it’s proof that a poor person is not dumb by virtue of the fact that he doesn’t speak the Queen’s (or, as we say in America, Broadcast) English. On the contrary, he’s clearly quick on his feet in addition to being the kind of person who runs to save strangers.” Siehe dazu auch “The Troubling Viral Trend of the ‘Hilarious’ Black Neighbor” (slate.com, Aisha Harris, englisch).

6. “Die Leser der Regenbogenpresse”
(topfvollgold.de, Infografik)
Alter, Einkommen, Bildung und Geschlecht der Regenbogenpresse-Leserschaft.