Archiv für April 18th, 2012

dapd  

Agentur missbraucht BILDblog

So sieht die Arbeit von BILDblog aus, nachdem man sie von hinten durch die Brust ins Auge geschossen hat und mit dem verbliebenen Auge drauf schaut: Die Grafik stammt aus in einem Dokument, das die journalistischen Qualitäten zweier Nachrichtenagenturen vergleichen soll.

Nachrichtenagenturen beliefern nicht nur Zeitungen und Onlinenewsportale mit ihren Meldungen aus aller Welt, sondern auch Behörden wie das Auswärtige Amt. Das hat im Januar entschieden, seine Informationen nach über 50 Jahren nicht mehr von der Deutschen Presseagentur (dpa) zu beziehen, sondern von der Agentur dapd, von der niemand weiß, was die Abkürzung bedeuten soll.

Die dpa wollte das so nicht hinnehmen und legte Beschwerde ein, inzwischen müssen sich Gerichte mit der Vergabe beschäftigen.

In einem neunseitigen Dokument mit dem Titel “Zusammenstellung Qualitätsmängel bei dapd”, das die dpa dem Gericht vorlegte, beruft sie sich bei der Dokumentation von Fehlern ihres Konkurrenten offenbar auch auf BILDblog. (Das Dokument liegt uns nicht vor.)

dapd nun gab eine Gegen-“Studie” in Auftrag, die die Agentur gestern in ihrem “Themenportal” der Öffentlichkeit zugänglich machte.

Dr. Ernst Seibold von “InMediasRes Mediendienste” erklärt darin:

Eine objektive und lückenlose Ermittlung sämtlicher Fehlermeldungen der beiden Agenturen erscheint technisch nicht möglich. Insoweit muss auf Hilfsüberlegungen zurückgegriffen werden.

Diese “Hilfsüberlegung” besteht konkret darin, BILDblog mit “einer hohen Wahrscheinlichkeit” als Quelle für die dpa-Studie ausfindig zu machen und dann einen wissenschaftlichen Ausfallschritt zu vollführen:

Zwar erfüllt der Bildblog nicht die Anforderungen an eine objektive und statistisch relevante Quelle, andererseits wurde Bildblog jedoch von dpa als Quelle ausgewählt, so dass für eine vergleichende Studie auf der gleichen Quellenbasis gearbeitet werden kann.

An anderer Stelle gelingt Seibold fast die Quadratur des Kreises:

Bildblog als Quelle heranzuziehen ist sicherlich methodisch problematisch, allerdings kann von einer überwiegenden Neutralität und Drittkontrolle des Watchblogs ausgegangen werden. Für einen rein quantitativen Vergleich zweier Publikationen kann er daher als geeignet angesehen werden, zumal dpa selbst den Bildblog als Quellenbasis gewählt hat.

Triumphierend stellt die Studie fest:

Aufgrund der Auswertung des Bildblogs ergibt sich, dass dapd 22 Fehler angelastet werden. Im gleichen Zeitraum wurden für dpa 46 Fehlermeldungen festgestellt.

Diese Zahlen werden dann in Monatszahlen zerlegt (Erkenntnis: Außer in drei Monaten hatte die dpa immer mehr Fehler als dapd) und in Relation zum Output der Nachrichtenagenturen gesetzt:

Bei einer geschätzten Anzahl von jeweils ca. 620.000 Meldungen (dapd) bzw. 600.000 Meldungen (dpa) in den vergangenen 25 Monaten ergibt dies eine Fehlerquote von 0,0035 % für dapd und 0,0076 % für dpa.

Beide Werte liegen weit unter den Toleranzgrenzen und sprechen für eine durchgehend gute Qualität der Berichterstattung.

Bevor jetzt noch die Mondphasen, die Gewichtsentwicklung unserer Autoren und der Fruchtbarkeitszyklus unserer Redaktionskatze hinzugezogen werden, hier ein paar Anmerkungen aus dem Auge des Hurricanes:

In eigener Sache

Wir haben wenig Lust, hier in die Auseinandersetzung zweier privatwirtschaftlicher Unternehmen hineingezogen zu werden. Es ist legitim, unter Berufung auf uns die Existenz von Fehlern belegen zu wollen, aber der “rein quantitative Vergleich”, den dapd anstrengt, ist grober Unfug.

Und wenn dapd in einer Pressemitteilung schreibt …

Die verschwindend geringe Zahl der Fehler erlaubt den Rückschluss, dass die beiden großen deutschen Vollagenturen hohe journalistische Standards erfüllen.

… ist das komplett falsch.

Ob ein Fehler im BILDblog dokumentiert wird, hängt von vielen Faktoren ab: Zunächst einmal muss er uns oder unseren Lesern auffallen; dann muss er uns gravierend, interessant und allgemein bedeutsam genug erscheinen, um ihn aufzuschreiben. Manche Recherchen führen aus verschiedensten Gründen ins Nirgendwo und münden dann nicht in einem BILDblog-Eintrag. An Tagen, an denen sonst wenig los ist, landen eher auch mal kleine und harmlose Fehler im Blog, als an Tagen, an denen gerade wieder ein Verbrechen “das ganze Land beschäftigt” oder an denen mal wieder eine Studie über Migranten oder Hartz-IV-Empfänger völlig falsch verstanden wurde.

Aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen haben wir z.B. den Fall aus dem vergangenen November nicht dokumentiert, in dem dapd zwei Fotos zurückziehen musste, weil diese nicht – wie ursprünglich behauptet – die Rechtsterroristin Beate Zschäpe auf dem Weg zum Haftrichter zeigten. Aber natürlich gab es auch dpa-Fehler, die nie den Weg ins Blog gefunden haben.

Ein Kriterium bei der Auswahl dessen, was wir bloggen, ist auch die Fallhöhe eines Mediums: Nicht auszuschließen, dass wir uns häufiger achselzuckend gegen einen Eintrag entschieden haben: “Ach, ist ja nur dapd.”

Und natürlich macht es auch einen Unterschied, was für Fehler sich ein Medium so erlaubt — und wie es damit umgeht.

Wenn wir hier jetzt als schon gewissermaßen als Kronzeugen im Raum stehen, wollen wir Gericht und Auswärtigem Amt gerne eine kostenlose, offiziell subjektive Expertise angedeihen lassen:

Wenn bei uns Leserhinweise eingehen, dass auf vielen verschiedenen Nachrichtenportalen der gleiche haarsträubende Fehler zu lesen ist, wetten wir gerne auf dapd als Fehlerquelle. Häufig liegen wir richtig.

Nach unserem Eindruck hat man bei dpa erkannt, dass es wichtig ist, eigene Fehler zu korrigieren. Bei dapd sind wir uns da nicht so sicher.

Dass dapd jetzt einen solchen Unsinn als “Studie” in Auftrag gibt und ihn auch noch bedeutungshubernd öffentlich verbreitet, bestätigt den Eindruck, den wir von der Agentur haben.

Breivik, Mentor, Beef!

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Warum wir über Breivik berichten”
(zeit.de, Markus Horeld)
“Zeit Online” hat das Ausmaß der Kritik zur Berichterstattung über Anders Behring Breivik überrascht. Warum trotzdem berichtet werden muss, versucht Markus Horeld zu erklären. Breivik sei “kein einsamer Irrer, auch wenn Boulevardmedien ihn gerne so darstellen”. “Anders Behring Breivik ist kein typischer Attentäter. Er tötete sich nach seiner Tat nicht selbst. Er ließ sich festnehmen, weil er noch etwas vorhatte. Alles, was seither geschieht – die Auswertung seines ‘Manifests’, seine Auftritte vor Gericht, seine Aussagen dort, seine obskure Zeugenliste – all das ist Teil seines Planes. Gerade deshalb ist es Aufgabe der Medien, über Breivik und seine gefährlichen Motive aufzuklären – so wie es Aufgabe des Rechtsstaates ist, einen fairen Prozess zu garantieren.”

2. “Die BILD Galaxy S3 Katastrophe”
(netbooknews.de, Sascha)
Ein Bild.de-Artikel über ein neues Smartphone in der Analyse. Unter anderem wird behauptet, das südkoreanische Unternehmen Samsung komme aus Taiwan.

3. “Die Wahrheit hinter der Schlagzeile”
(woz.ch, Carlos Hanimann und Fabian Biasio)
Carlos Hanimann und Fabian Biasio besuchen die Familie von Mentor im Kosovo, dessen Bild auf einem Titelbild der “Weltwoche” ohne sein Wissen für breite Empörung gesorgt hatte. “Die ‘Weltwoche’ verwendete Mancinis Bild als Illustration für einen Artikel über kriminelle Roma in der Schweiz. Nur: Weder der abgelichtete Mentor (der laut Autor Philipp Gut als Symbol dafür stehe, ‘dass Roma-Banden ihre Kinder für kriminelle Zwecke missbrauchen’) noch dessen Familie haben den Kosovo je verlassen.” Siehe dazu auch ein Gespräch mit Carlos Hanimann (persoenlich.com, Benedict Neff).

4. “Wir müssen über Geld reden”
(faz.net, Malte Welding)
Malte Welding liefert einen Erfahrungsbericht über das Geldverdienen mit dem Schreiben in Blogs und Büchern. Und auch Kathrin Passig erzählt, wovon sie lebt (tagesspiegel.de).

5. “Montagsdemonstration: Beef! = Doof!”
(blog.dasmagazin.ch, Christian Seiler)
Christian Seiler liest die Zeitschrift “Beef!”: “Denn ‘Beef’ ist bei allen Qualitäten die jenseitigste Publikation seit dem ‘Playboy’, seit ‘FHM’ und anderen Idiotenzeitschriften, die immer noch glauben, Männer interessieren sich nur für Sex, Autos und Fussball. ‘Beef’ übersetzt dieses grundsätzliche Missverständnis in eine imaginierte Leidenschaft seiner Leser für Grillen, rohes Fleisch, Messer, Weinflaschen in Übergrößen und die Fähigkeit, ‘Frauen ins Bett zu kochen'”.

6. “Das Bild-ABC”
(schwindelfreiheit.wordpress.com, priesemann)