Archiv für Januar, 2012

E-Mail und die Journalisten

Weil die Wahlkreismitarbeiterin einer Bundestagsabgeordneten eine E-Mail “an alle” geschickt hatte und ihre zahlreichen Kollegen darauf “an alle” geantwortet haben, ging der Mailserver des Bundestags gestern zwischendurch in die Knie.

Bild.de illustriert den Vorfall mit diesem Bild:

Das ist sicher eine andere E-Mail, die sich Kanzlerin Merkel und Fraktionschef Kauder hier angucken. Lustig scheint sie aber allemal ...

Also gut, dann illustriert Bild.de eben nicht den Vorfall.

Aber wenn man Bild.de Glauben schenken darf (was man erfahrungsgemäß besser nicht tut), zeigt das Foto sowieso nicht die Kanzlerin beim E-Mail-Lesen, sondern in einer ganz anderen Situation.

Bild.de zeigte das Foto im vergangenen November nämlich schon einmal:

Der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder und Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag im Bundestag

Zu sehen war darauf nach eigenen Angaben das hier:

Wie BILD.de erfuhr, zeigte Merkel Kauder auch ganz stolz, welche APPs sie alle hat.

Zum Beispiel eine Spracherkennungs-App. Die verwandelt gesprochene Sprache in schriftlichen Text.

Das probierten die Beiden aus. Es führte aber zu “kuriosen Ergebnissen”.

Merkel und Kauder kringelten sich vor Lachen.

In Wahrheit zeigt das Foto natürlich Merkel und Kauder beim Betrachten von Bild.de und die Kanzlerin sagt gerade: “Guck mal, was die wieder unter unser Foto geschrieben haben!”

Mit Dank an Matthew L.

Korrektur, 11.45 Uhr: In der ursprünglichen Fassung dieses Artikels hatten wir geschrieben, die Verursacherin der E-Mail-Welle sei eine Mitarbeiterin des Deutschen Bundestags gewesen. In Wahrheit ist sie Wahlkreismitarbeiterin einer Grünen-Abgeordneten.

ESM, Superhirn, Sexualstraftäter

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Ex-Sicherungsverwahrte: von den Medien gehetzt?”
(ndr.de, Video, 6:25 Minuten)
Boulevardzeitungen jagen den entlassenen und neu in Hamburg-Jenfeld wohnhaften Sexualstraftäter Hans-Peter W.: “Ein perfides Wechselspiel zwischen Anwohnerangst und Medienberichten.”

2. “Falsches Tortenstückchen”
(begleitschreiben.net, Gregor Keuschnig)
Die ARD-Tagesschau stellt die Beteiligung Deutsch­lands am Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM in einer Grafik falsch dar.

3. “Rangliste der Pressefreiheit 2011”
(reporter-ohne-grenzen.de)
Den ersten Platz teilen sich Finnland und Norwegen, Österreich ist auf Platz 5, die Schweiz auf Platz 8, Deutschland gemeinsam mit Jamaika und Zypern auf Platz 16. Am wenigsten Pressefreiheit können Menschen in China, Iran, Syrien, Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea für sich beanspruchen (Pressemitteilung).

4. “Tricks beim Superhirn (ZDF)”
(youtube.com, Video, 7:45 Minuten, 16. Januar 2012)
Was auf Fernsehkritik.tv schon am 10. Januar zu erfahren war, berichtet nun auch “Spiegel Online”. In der ZDF-Sendung “Deutschlands Superhirn” behauptete ein Lehrer, erkennen zu können, welche aus einem Orchester herausgenommenen Musiker fehlten. “Warum verschweigt uns Jörg Pilawa, dass neben der Herausnahme der Musiker sich die Noten der anderen Spieler ändern?”

5. “Wulff schickte Weihnachtspost”
(taz.de, Felix Dachsel)
Die Pressestelle des Axel-Springer-Verlags schickt der taz-Redaktion haufenweise Informationen zur Causa Wulff. Felix Dachsel fragt: “Ist das nun ein Beitrag zur Transparenz in der Mailbox-Affäre oder eher Stoff für das legendäre ‘Handbuch des nutzlosen Wissens’?”

6. “Der Tag, an dem nichts wirklich passiert ist”
(marinaslied.de)
Marina Weisband kommentiert die Reaktion von Medien auf ihre Ankündigung, “aller Wahrscheinlichkeit nach nicht für eine zweite Amtsperiode als Bundesvorstand der Piratenpartei zu kandidieren”.

dapd  

Auf halber Flamme

In Los Angeles steht zur Zeit ein Deutscher vor Gericht, dem vorgeworfen wird, in Hollywood zahlreiche Brände gelegt zu haben. Insgesamt werden ihm inzwischen 49 Feuer (anfangs nur 37) angelastet, weswegen die Justiz nun in 100 Punkten Anklage (felony charges) gegen ihn erhebt. Zumindest berichten das die Nachrichtenagenturen AFP und dpa sowie die “LA Times”.

Einzig der Nachrichtenagentur dapd scheint der Unterschied zwischen der Anzahl der Anklagepunkte und der Anzahl der gelegten Feuer nicht so ganz klar zu sein. Am Dienstag um 19:24 Uhr meldete sie:

Neue Vorwürfe gegen mutmaßlichen deutschen Brandstifter – 24-Jähriger soll insgesamt 100 Feuer gelegt haben

Los Angeles (dapd). Ein in den USA wegen Brandstiftung in 37 Fällen angeklagter Deutscher wird sich wegen weiterer Feuer verantworten müssen. Dem 24-Jährigen würden weitere 63 Brände zur Last gelegt, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Los Angeles am Dienstag. Damit wirft ihm die Anklage Brandstiftungen in insgesamt 100 Fällen vor.

Obwohl der mutmaßliche Brandstifter in Wirklichkeit “nur” 49 Feuer gelegt haben soll, haben zahlreiche Medien wie etwa Bild.de, “Spiegel Online” und “RP Online” den Inhalt dieser Meldung übernommen.

Neue Meldung, neues Glück? Denkste. In einer aktuelleren Mitteilung, die heute um 1:21 Uhr veröffentlicht wurde, zeigt sich dapd noch verwirrter. Diesmal heißt es:

Ein in den USA wegen Brandstiftung in 100 Fällen angeklagter Deutscher hat sich vor einem Gericht in Los Angeles für nicht schuldig erklärt. (…) Zuvor hatte die Anklage dem 24-jährigen Harry B. weitere Brände zur Last gelegt, nachdem zunächst lediglich von 49 Feuern die Rede gewesen war.

Das ist so natürlich auch nicht richtig. Es bleibt dabei, dass dem Deutschen insgesamt 49 Brandstiftungen vorgeworfen werden — nachdem zunächst lediglich von 37 Feuern die Rede war. Dennoch wurde die zweite dpad-Falschmeldung im Onlineauftritt der “Mitteldeutschen Zeitung” und auf nh24.de veröffentlicht.

Doch damit nicht genug. Ebenfalls heute um 11:03 Uhr versuchte sich dapd an einer dritten Meldung. :

(…) hatte die Anklage weitere Vorwürfe gegen den 24-jährigen Harry B. erhoben. Insgesamt umfasst die Anklageschrift nun 100 Punkte, darunter Brandstiftung und Besitz von brennbarem Material. Zuvor war der Angeklagte lediglich für 49 Feuer verantwortlich gemacht worden.

Zwar hat dapd nun verstanden, dass die Anklageschrift 100 Punkte umfasst, und erklärt sogar, dass auch der Besitz von brennbarem Material strafbar ist, der letzte Satz zeigt jedoch wieder deutlich, dass dapd immer noch von 100 gelegten Bränden ausgeht — ein Fehler, der jetzt natürlich genau so beispielsweise im Online-Auftritt des “Hamburger Abendblattes” steht.

Wir wünschen viel Glück beim vierten Anlauf.

Mit Dank an Horst P.

Hawaii Fünf-Null

Es ist eine große Überraschung, die die “Hamburger Morgenpost” da in ihrer Online-Ausgabe verkündet:

"The-Guardian"-Ranking: St. Pauli ist lebenswerter als Hawaii. "Berlin ist langweilig", so befand die britische Tageszeitung "The Guardian". Jetzt ist Hamburg - genauer gesagt St. Pauli - dran! Der alternative Stadtteil mit dem Schmuddel-Image steht beim "Guardian"-Redakteur Tom Dyckhoff ganz hoch im Kurs. Deshalb wählte die Redaktion das Hamburger Viertel auf den zweiten Platz der fünf lebenswertesten Orte weltweit - vor Maui, Istanbul und Teneriffa!

Eine Überraschung wohl vor allem für Tom Dyckhoff und den “Guardian”, denn die Liste, die mopo.de dankenswerterweise direkt verlinkt hat, ist eben genau kein Ranking mit Ordnungszahlen, sondern lediglich eine (recht subjektive) Liste der “fünf besten Orte, an denen man auf der Welt leben kann”. St. Pauli ist einer dieser fünf Orte, aber dass er an zweiter Stelle steht, bedeutet nicht zwangsläufig, dass es dort lebenswerter ist als an der Nordküste von Maui, die danach gelobt wird.

Die dpa hat das zum Beispiel richtig verstanden.

Mit Dank an Philip H.

Nachtrag, 26. Januar: mopo.de hat den Artikel überarbeitet: Die Überschrift lautet nun “St. Pauli ist so geil wie Hawaii” und der Text wurde auch an die Realität angepasst.

Bild  

School’s Out

Vor zwei Wochen hat “Bild” ihren Lesern ein Buch ans Herz gelegt:

Tatort Klassenzimmer: Eine Schülerin klagt an. Muslimische Machos schikanieren die christliche Minderheit. "Mono-Kulti" hat "Multi-Kulti" abgelöst. Und die deutschen Lehrer schweigen hilflos.

In vier Folgen zitiert “Bild” die Abiturientin und Jung-Autorin Viviane Cismak damit, dass es kein Schweinefleisch in der Schul-Cafeteria gegeben habe, dass man auf dem Schulhof als “Schlampe” beschimpft wurde, wenn man als 18-Jährige einen Freund hatte, dass die Qualität des Unterrichts an ihrem Gymnasium “noch einmal erheblich” nachließ, wenn die muslimischen Mitschüler im Fastenmonat Ramadan ausgehungert in der Schule saßen und dass Hartz-IV-Empfänger bei Studienfahrten ins Ausland Zuschüsse erhielten.

Wie ist das, wenn mehr als 80 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund haben? Abiturientin Viviane Cismak (20) beschreibt in “Schulfrust” den Alltag an einem Kreuzberger Gymnasium. BILD druckt Auszüge.

“Auszüge” trifft es ganz gut: Drei Viertel Stimmungsmache gegen Menschen mit Migrationshintergrund, ein Viertel gegen Hartz-IV-Empfänger — die perfekte Mischung für “Bild”. Die erhofften Reaktionen der Leser ließen auch nicht lange auf sich warten, wie “Bild” schon am Tag nach der Veröffentlichung des ersten Teils dokumentierte:

Zu: Tatort Klassenzimmer. Das ist der Fluch des Multikulti, auch wenn es viele Politiker nicht wahrhaben wollen. Spricht man Türken auf diese Probleme an, werden sie einfach abgestritten. Von anderen Glaubensrichtungen verlangen Muslime Toleranz, aber sie selbst sind intolerant. Volker Sch. Großen Respekt vor dieser Schülerin. Ich hoffe nur, sie überlebt, dass sie die Wahrheit sagt. Die Verantwortlichen werden wieder Ausreden finden oder die Schülerin in die rechte Ecke stellen. Holger H. Sehr, sehr gut. Es wird Zeit, die Wahrheit auf den Tisch zu bringen. Mein Sohn ist in einem katholischen Kindergarten, in dem keine christlichen Feste mehr gefeiert werden, aus Rücksicht auf die moslemischen Kinder. In der Klasse meiner Tochter hängt eine türkische Flagge. Wie weit soll das noch gehen? Oliver-Peter H. Es wird langsam Zeit, dass sich unsere Politiker, allen voran die Multikulti-Grünen und die Gabriel-SPD, Gedanken über ein Gesetz zum Schutz der Deutschen ohne Migrationshintergrund machen. Thilo Sarrazin hat doch recht! Ralf Sch. Endlich wagt eine deutsche Zeitung, über die Realität in Deutschland zu berichten! Bernd Sch.

Doch wer gleich loszog, um sich “Schulfrust” zu kaufen und auf eine junge Thiletta Sarrazin gehofft hatte, dürfte von der Lektüre ziemlich enttäuscht worden sein: Von den zehn Kapiteln des Buches handelt gerade eines davon, dass “Sexismus und Chauvinismus [in der Schule] toleriert und mit kulturrelativistischen Theorien erklärt” werde, ein weiteres davon, dass “Kinder von Geringverdienern schlechte Chancen auf eine gute Ausbildung haben”.

Insgesamt geht es in dem Buch eher darum, dass Cismak aus eigenen schlechten Erfahrungen eine Kritik an Lehrern und am Bildungssystem ableitet, die mal berechtigt, mal unberechtigt erscheint. Alle Punkte, die sie aufführt, haben durchaus mediale Aufmerksamkeit verdient — und auch bekommen, als diverse Medien bei Veröffentlichung über das Buch berichteten. Im vergangenen September.

So lange hat es gedauert, bis “Bild” sich des Themas annahm und es als Steinbruch für die eigenen Skandalgeschichten benutzte. Nicht funktionierendes “Multikulti” ist eben immer ein Thema für “Bild”, wohingegen nicht eingehaltene Lehrpläne, willkürliche Notengebung und undurchdachte Schulreformen zwar ein Problem für Millionen Schüler sein mögen, aber kein Thema für diese Boulevardzeitung.

Vor mehr als einer Woche haben wir dem Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, bei dem “Schulfrust” erschienen ist, eine E-Mail mit mehreren Fragen geschrieben. Unter anderem wollten wir wissen, ob die Schwerpunkt-Setzung von “Bild” im Vorfeld klar gewesen sei und was Verlag und Autorin von der Darstellung in “Bild” halten. Wir haben, trotz nochmaliger Nachfrage, keine Antwort erhalten.

Mit Dank an Christopher und Stitch.

Black Box, Lehrerin, Strickjacke

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Das Edeka-‘Costa Concordia’-Paradoxon”
(fastvoice.net, Wolfgang Messer)
Wolfgang Messer prüft die Kritik an einer Werbebeilage, die im Netz “teils schadenfrohe und hämische, teils empörte Berichte und Kommentare” hervorrief. “Als im Lauf des Samstags das Ausmaß der Schiffskatastrophe vom Freitag, den 13., deutlich wurde, hätte Edeka selbst beim besten Willen keine Möglichkeit mehr gehabt, die Auslieferung der Werbebeilage noch zu stoppen.”

2. “Voll fett”
(klatschkritik.blog.de, Antje Tiefenthal)
Antje Tiefenthal hegt einen Verdacht: “In diesem Jahr wird es kaum noch eine Berichterstattung über Christine Neubauer geben, ohne das ‘Weight Watchers’ genannt wird.”

3. “Das Apfelkuchen-Prinzip”
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Sascha Lobo macht Wirtschaft, Politik und Medien darauf aufmerksam, dass das Zeitalter der Black Box vorbei ist. “Politik und Wirtschaft sind anfälliger für den Druck der Öffentlichkeit und beginnen oft widerwillig und zum Teil inszeniert, aber spürbar, sich ständig in die Karten schauen zu lassen, ihre Prozesse transparenter zu gestalten. In vielen Medien aber scheint es kaum denkbar, die eigenen Schaffensprozesse konsequent sichtbar zu machen, wo es gefahrlos möglich wäre.”

4. “The Mystery of the Misunderstood Molester”
(andrewhammel.typepad.com, englisch)
Andrew Hammel beleuchtet die wiederkehrende Figur des unverstandenen Belästigers im “Tatort”. “Recently, at a lecture about crime fiction in Germany, I met a man who had written some scripts for German TV, and who complained of the heavy interference by editors, who frequently returned scripts with suggestions intended to make them more politically-correct. Evidently, the German cultural elite believes that ordinary Germans have a dangerously low opinion of convicted child molesters, and that this is an important problem that must be remedied by public education.”

5. “Darum ist das so. Like, really?”
(feigenblatt-magazin.de, Theresa)
Theresa widmet sich einigen Artikeln über die Beziehung zwischen Frauen und Männern, die sie kürzlich gelesen hat und meint damit “diese übertriebene Häufung von grandios generalisierenden Heulsusenartikeln, mit denen wir momentan überschwemmt werden”. “Was habt ihr eigentlich alle mit euren Strickjacken? Wir haben Januar, verdammt!”

6. “Die Lehrerin – ZDF Spielfilm”
(fraufreitag.wordpress.com)
Lehrerin Frau Freitag hält den ZDF-Film “Die Lehrerin”, ein Drama zum Thema Amoklauf, aus verschiedenen Gründen für unglaubwürdig. “Sorry, aber warum geht ihr nicht einfach mal in eine normale Schule rein und guckt euch um. Oder fragt mal Lehrer und Lehrerinnen, wie die so sind. So wie sie bei euch dargestellt werden nämlich nicht.”

Bild  

Quelle: Andere Zeitung

Wenn “Bild” Fotos von Opfern oder Tätern druckt, kommt oft die Frage auf, woher sie das jetzt wieder haben. Manchmal lautet die Antwort schlicht “aus dem Internet”, manchmal lässt sie sich einigermaßen klar mit “aus Polizeikreisen” umreißen und manchmal — ja, manchmal bedient sich “Bild” auch einfach bei anderen Medien.

Ein sogenanntes Trennungsdrama bebilderte die Zeitung gestern mit dem großformatigen, unverfremdeten Foto eines Polizisten, der erst seine Tochter und anschließend sich selbst erschossen hatte:

Polizist erschießt Tochter (8) mit Dienstpistole

Es ist nicht so, dass “Bild” verschwiegen hätte, woher dieses Foto kam:

Foto: Trierischer Volksfreund

Nur der Weg, wie es zu “Bild” kam, ist ein steiler: “Bild” hatte das Foto, das vor einiger Zeit bei einer anderen Gelegenheit entstanden war, auf der Internetseite des “Trierischen Volksfreund” entdeckt und beim Fotografen nachgefragt, ob sie es verwenden dürfte. Die Redaktion des “Volksfreund” erklärte uns gegenüber, sie habe dies abgelehnt, was “Bild” am Telefon zunächst auch akzeptiert habe. Das Foto erschien am Montag trotzdem in “Bild”.

Der “Volksfreund” wies heute am Rande eines Artikels über den Fall auf das Vergehen von “Bild” hin:

Die Bildzeitung hatte den Fall des Trierer Kommissars groß aufgemacht und dabei ein bei anderer Gelegenheit entstandenes Bild des Täters aus volksfreund.de verwendet – widerrechtlich und ohne Genehmigung des TV.

Die Chefredaktion des “Volksfreund” erklärte uns auf Anfrage, dies sei nicht das erste Mal, dass sich “Bild” oder andere Boulevardmedien auf diese Weise Fotos beschafft hätten. Die Zeitung werde daher juristisch gegen “Bild” vorgehen.

Sie wird sich dabei auf das sogenannte Urheberrecht berufen, auf das die Axel Springer AG, die “Bild” herausgibt, sonst so viel Wert legt.

Mit Dank an Lars W.

Bonz, Paul Bonz

Paul Ronzheimer ist der “Pleite-Griechen”-Beauftragte von “Bild”. Er “gab den Pleite-Griechen die Drachmen zurück”, beklagte, dass griechische Medien “mächtig Stimmung gegen Berlin” machten, und wurde für seine Griechenland-Berichterstattung mit dem “Herbert Quandt Medien-Preis” ausgezeichnet. Im vergangenen November war er im griechischen Fernsehen zu Gast und bekam dafür nach eigenen Angaben viel Zuspruch von den “Pleite-Griechen”.

Bei Bild.de scheint Ronzheimer nicht ganz so beliebt zu sein wie in Griechenland. Offenbar gibt es dort sogar jemanden, der dem jungen Starreporter seine oft herablassende Hetze gegen die “Pleite-Griechen” übel nimmt:

Schlagersänger, Unternehmer, Sport- und Show-Stars Griechenlands: Steuersünder-Liste macht Europa fassungslos. Von Paul Bonzheimer.

Zufall dürfte das kaum sein — immerhin passiert das nicht zum ersten Mal:

Pleitegriechen wollen Akropolis vermieten. Von Paul Bonzheimer.

Mit Dank auch an Dimitrios P.

Nachtrag, 14.40 Uhr: Das ging schnell: Paul Bonzheimer heißt jetzt in beiden Artikeln Ronzheimer.

RTL, Markencheck, Oberlehrer

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Ein in sich abgeschlossener Mikrokosmos”
(ad-sinistram.blogspot.com, Roberto J. De Lapuente)
RTL sei ein Mikrokosmos, “der rund um die Uhr, quer durchs Programm, in jeder Sparte erhalten bleibt”, findet Roberto J. De Lapuente. “Die Welt des RTL Television ist ein Hort seltsamer Gestalten, die Frauen suchen oder wahlweise Schwiegertöchter, in denen Restaurants getestet und verspottet werden, in der nachmittäglich Laiendarsteller die Drehbücher laienhafter Autoren abspulen, in der auf Aufmerksamkeit abgerichtete Gecken Journalisten sein dürfen, in der Banalität Dokumentation oder Bericht heißt.”

2. “Bringt es unser Land voran, wenn wir immer das Negative darstellen?”
(dradio.de, Friedbert Meurer)
Am 11. Januar kritisierte der FDP-Abgeordnete Joachim Günther die Medien (PDF-Datei). Nun erklärt er sich in einem Interview und schätzt die Rückmeldungen darauf ein: “Ich würde sagen, ungefähr, wenn ich das so grob einschätze, 25 Prozent sind negativ, sie sagen, ich soll nach Russland gehen, da gibt es ähnliche Presseverhältnisse, wie ich sie fordere. Aber 75 Prozent sind positiv, sie beglückwünschen mich, sie sagen, das ist längst überfällig, sie bedanken sich.”

3. “ARD erklärt Funktionsweise von Marken wie H&M, McDonald’s und Lidl”
(absatzwirtschaft.de, Roland Karle)
Roland Karle bespricht die ARD-Reihe Markencheck: “Rezensenten kritisieren an dem Format, dass es die Infotainment-Masche der privaten Sender kopiere. Aber taugt das wirklich zum Vorwurf? Schließlich beweist die anhaltende Berichterstattung über den schlingernden Euro, wankende Finanzmärkte und ängstigende Schuldenkrise, dass Wirtschaft ein zentrales Thema geworden ist, aber das Publikum oft nur Bahnhof versteht.”

4. “Die Richter und ihre Henker”
(zeit.de, Andreas Maurer)
Filmbesprechungen setzen sich heute oft nach einer eingängigen Formel zusammen, glaubt Andreas Maurer: “Eingangsbemerkung über Gott, die Welt und/oder sich selbst + Inhaltszusammenfassung + Allgemeinplätze über Schauspieler, Dialoge und/oder Action + Gesamtbewertung.”

5. “Wie @Der_Oberlehrer Twitterern wie @SpiegelOnline Rechtschreibung beibringt”
(140z.de)
Das Twitter-Konto @Der_Oberlehrer: “Der Oberlehrer ist also nur eine Maschine, die von irgendjemandem programmiert worden ist. Und die müsste sich doch eigentlich austricksen lassen – sie kann ja schließlich nicht mitdenken.”

6. “An Express year”
(bibliophylax.tumblr.com, englisch)
Bibliophylax wertet die Titelschlagzeilen des “Daily Express” 2011 aus und gruppiert sie nach Themengebieten.

Costa Concordia, Roger Köppel, arte

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Der Katastrophenplaner”
(wahrheitueberwahrheit.blogspot.com)
Nach der Havarie des Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia stellt Thomas eine Mediencheckliste für Katastrophen zusammen. Zur Berichterstattung über das Unglück siehe auch das in der Zeitschrift “Profil” beschriebene Abendmenu des Restaurants “Porta Via” in Giglio (noemix.twoday.net) und diese Kritik der Sendung “Beckmann” (sueddeutsche.de).

2. “Neue Leichtigkeit oder Niveauverlust?”
(medien-monitor.com, Samuel Acker)
Änderungen im Programm von arte beunruhigen den Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm, Thomas Frickel. “Der öffentlich-rechtliche Sender finanziert sich zu fast 100 Prozent über die Rundfunkgebühren. Doch nach den internen Dokumenten zur Programmreform zu urteilen, schielt ARTE trotzdem auf den Mainstream.”

3. “Auf Angriff gebürstet”
(faz.net, Philip Plickert)
Ein Porträt von Roger Köppel, Verleger und Chefredakteur der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift “Weltwoche”. “Für seine Leser repräsentiert sie die besten Seiten der Schweiz. Für viele Intellektuelle ist sie ein rotes Tuch. Manche hassen Köppel. ‘Ist ein Journalist nicht links, muss er entweder krank, gekauft, ferngesteuert oder auf andere Weise defekt sein’, sagt er ironisch.”

4. “Auf BILD.de sind alle Grünen gleich”
(mediensalat.info, Ralf Marder)
“Grüne nennen Wulff ‘Lügner'”, schreibt Bild.de in einem Teaser – im Artikel ist aber nur von einem, Stefan Wenzel, die Rede.

5. “Grandioser Technikjournalismus aus den 30er-Jahren”
(viermann.info, Konstantin Zurawski)
Ein Video (youtube.com, 9:31 Minuten) erklärt das Differentialgetriebe. Für Konstantin Zurawski ist es ein Paradebeispiel, wie Technik einfach erklärt werden kann. “Es folgt ein Schritt nach dem anderen. Man hätte auch ein fertiges Differentialgetriebe zeigen und anhand von allerlei Pfeilen und Bewegungsanimationen die Funktionsweise erklären können. Das aber hätte den Zuschauer nicht dort abgeholt, wo er ist: Bei Wissen Null.”

6. “kapitän geht, präsident bleibt”
(spreeblick.com)
Ein Gedicht von Ingo Neumayer.

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