Archiv für Januar 31st, 2012

Jauch Beine Po

Da Bundespräsident Christian Wulff in den letzten Monaten herbe Imageverluste erleiden musste, dürfte Günther Jauch endgültig der unangefochtene Lieblingsschwiegersohn der Deutschen sein.

Insofern passt es gut, dass Bild.de die besorgte Schwiegermutter gibt und heute entsetzt meldet:

Nach Planking-Aktion bei "Wer wird Millionär" Jauch beweist, ich wiege sogar weniger als 78 Kilo! Und das bei einer Größe von über 1,90 Meter!

Das ist ja (k)ein dickes Ding!

Am Montagabend trat Günther Jauch (55) bei “Wer wird Millionär” den ultimativen Gewichtstest an, nachdem ein Kandidat in der letzten Sendung Jauchs Aussage angezweifelt hatte er wiege 78 Kilo. Vor einem Millionenpublikum krabbelte Jauch auf die Waage und überraschte mit deutlich weniger Gewicht auf den Rippen!

(…) der Moderator (…) zog die schnieken Schuhe aus, stakste auf die mitgebrachte Waage und überraschte mit einem mageren Ergebnis. Nix da 78 Kilo – sein Gewicht pendelte sich nicht ein und schwankte um magere 75,8 Kilogramm – inklusive Anzug und Wäsche! Das entspricht bei einer Größe von über 1,90 nur einem Bodymaß-Index von über 20 – Medizinisch bedenklich!

“Medizinisch bedenklich” ist nicht Jauchs Gewicht, sondern allenfalls der geistige Zustand der Redaktion von Bild.de. Zwar liegt Jauch tatsächlich bei einem Body-Mass-Index um die 20, doch das ist absolutes Normalgewicht für einen Mann seiner Größe. Immerhin liegen “normalgewichtige” Menschen bei Werten zwischen 18,5 und 25. Jauch dürfte bei seinem Gewicht sogar um die zwei Meter groß sein, ohne auch nur als “leicht untergewichtig” zu gelten — oder er dürfte mit seinen über 1,90 Meter Körpergröße ohne weiteres fünf Kilogramm weniger wiegen.

Aber wie schrieb schon die Entertainmentlegende Bild.de?

The show must go on, auch wenn man sich mal irrt

Mit Dank an Dennis M. und Jens.

Nachtrag, 1. Februar: In der gedruckten “Bild” ist die weltbewegende Nachricht über Günther Jauchs Gewicht heute schon etwas vorsichtiger als Frage formuliert. Außerdem hat der Moderator ein zusätzliches Kilogramm spendiert bekommen:

76, 8 Kilo bei 193 cm: Ist Günther Jauch zu dünn?

Und anstatt einfach zu behaupten, Jauchs Gewicht sei “medizinisch bedenklich”, hat “Bild” sogar einen richtigen Mediziner zu Wort kommen lassen:

Zu wenig für sein Alter? Sportarzt Dr. Roland Kretsch (Bochum): “Nein. Herr Jauch scheint mir gut trainiert. Wer viel schwimmt, Rad fährt und joggt, hält den Stoffwechsel unter Dampf. Körperlich ist er locker zehn Jahre jünger.”

Auch der Artikel auf Bild.de wurde ohne jeden Hinweis angepasst, die Worte “medizinisch bedenklich” entfernt.

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Die Toten auf der letzten Seite

Das Leben von Klatschreportern ist offenbar härter als bisher angenommen. Über manche Themen wollen diese … äh: “Journalisten” nämlich gar nicht schreiben, sie werden von unbekannten Mächten quasi dazu gezwungen. Und damit meinen wir noch nicht mal jene B- bis F-Prominenten, die dem Vernehmen nach immer wieder in den Redaktionen anrufen und fragen, ob man da nicht gemeinsam mal wieder “was machen” könnte.

Aber sprechen wir erst mal über diesen Brief an die “lieben Leser”:

Liebe Leser! Tote können sich nicht wehren! Deshalb berichtet Hollywoods Miet-Mann Nummer 1 erst JETZT hemmungslos aus seinem Bettkästchen. Sex-Sausen mit Cary Grant, Edith Piaf, König Edward VIII.! Und seine VIP-Kundschaft? Dreht sich vermutlich im Grabe um. Ihre Yvonne Beister und das Letzte-Seite-Team

Da hat also ein heute 88-jähriger Mann seine Memoiren geschrieben, in denen er behauptet, als Callboy mit Hollywood-Größen und anderer Prominenz geschlafen zu haben. Die angeblichen Kunden sind mittlerweile alle tot, weswegen sie sich, wie Yvonne Beister richtig bemerkt, vermutlich im Grabe umdrehen und sich nicht mehr gegen die Behauptungen wehren können.

Insofern muss es die um Diskretion und das Wohlergehen der VIPs besorgte Yvonne Beister schwer gewurmt haben, auf ihrer “letzten Seite” berichten zu müssen, wie “JETZT” “das dunkelste Geheimnis der Traumfabrik” gelüftet wird:

HOLLYWOODS ÄLTESTER CALLBOY PACKT AUS! Sex mit Cary Grant - Liebespiele mit Katharine Hepburn - Dreier mit König Edward VIII. und Wallis Simpson
Aber wahrscheinlich ging es ihr und ihrem “Letzte-Seite-Team” da wie den Toten: Sie konnten sich nicht wehren.

Bielefeld, Netzgemeinde, Schloss Bellevue

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Mythos Bielefeld”
(dradio.de, Audio, 54 Minuten)
Ursprünge, Muster und Folgen von Verschwörungstheorien (mp3 / Text / Text als PDF).

2. “Das Handelsblatt – der Boulevard-Troll”
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer reagiert auf einen Gastkommentar des Politikers Ansgar Heveling, der derzeit “die Netzgemeinde” anregt. “Der Abdruck des unfassbar dummen Textes von Heveling ist nichts anderes als der Versuch des Handelsblattes, die Klick-Zahlen nach oben zu treiben und einen leider absehbaren Shitstorm zu erschaffen.” Siehe dazu auch Lukas Heinser in “Es ist das Bildblog. Jemand muss es machen”: “Ich möchte mich nicht mehr über Dinge aufregen, die fünftklassige Politiker gesagt haben und die eh nie Gesetz werden. Diese ganze Empörungsmaschinerie, die dann aber trotzdem bei Twitter und den ganzen Blogs durchläuft, fand ich einfach zu anstrengend.”

3. “Kleiner Faktencheck”
(absolutobsolet.blogspot.com)
Fünf Fehler in einer Bildunterschrift eines Bild.de-Artikels über Achterbahnen entdeckt das Blog “absolut obsolet”.

4. “Der Schlosshund heult eins weiter”
(fastvoice.net, Wolfgang Messer)
Wolfgang Messer erklärt den Unterschied zwischen Schloss Bellevue und dem Bundespräsidialamt.

5. “Welcher Mann darf’s sein?”
(faz.net, Jörg Thomann)
Textbausteine für einen individuell gestalteten Beitrag zur aktuellen Geschlechterdebatte.

6. “Iran feiert, seit 20 Jahren kurz vor Fertigstellung von Atombombe zu stehen”
(der-postillon.com, Satire)