Archiv für November, 2011

Kafkaösk

Es geschieht eher selten, dass die renommierte “Frankfurter Allgemeine Zeitung” ihre Artikel mit einem Ausruf eröffnet. Und doch stand es gestern so im Blatt:

Ha! Europa ist besser, als man zu unterstellen bereit ist. Das Unterfangen des ominösen Gehlen & Schulz Verlags, massiv fehlerhafte, EU-subventionierte Kafka-Bücher an Schulen zu verschenken, über das auch dieses Feuilleton berichtete, hat sich als Kunstaktion der österreichischen Gruppe “The Birdbase”zu erkennen gegeben. Zu Recht also hat die EU-Kommission auf Nachfrage die Förderung dementiert.

Nun klingt “Ha!” vielleicht ein bisschen zu sehr nach “Siehste, hab ich doch immer gesagt!”. Der geeignetere Einstieg in den Artikel wäre vielleicht eher ein “Ups!” gewesen, im Sinne von “Oh Gott, ist uns das peinlich. Hamse mal grad ein bisschen Staub zur Hand, in den wir uns kurz werfen könnten?”.

Doch von Anfang an:

Anfang November hatte die österreichische “Kronen Zeitung” über eine “Sprach-Entgleisung” berichtet:

Franz Kafka würde sich im Grabe umdrehen! Ein von der EU groß gefördertes Buch für 40 heimische Schulen bringt den Jugendlichen nicht “Das Schloss” des deutschsprachigen Schriftstellers näher, sondern bloß eine Aneinanderreihung absurder Rechtschreibfehler, zu denen der Verlag “Gehlen und Schulz” sogar noch steht.

Von einem “hohen Fremdschämpotenzial” beim Durchblättern der fehlerhaften Schullektüre schrieben die beiden Autoren der “Kronen Zeitung” und zitierten aus der Pressemitteilung des Verlages:

“Schuld daran ist ein Softwarefehler”, erklärt der Herausgeber Adrian Schulz. “Das wird es bei den nächsten Büchern nicht mehr geben.” Der EU war die Pannenserie offensichtlich völlig egal – gefördert wurde das Projekt mit einem sechsstelligen Betrag.

Sofort stieg auch die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” mit ein und schrieb unter der Überschrift “Kafkas Hinrichtung, von der EU gefördert”:

Zurzeit beglückt das Verlagshaus Gehlen und Schulz ungefragt Schulen im deutschsprachigen Raum mit einem Kafka-Geschenk: je einem Karton Gratisexemplare des Romans “Das Schloss”. Den nämlich hat der zu diesem Behuf gegründete Verlag in einer sagenhaften Zwei-Millionen-Auflage gedruckt, und zwar in einer vor Fehlern nur so strotzenden Ausgabe. Softwareprobleme seien dafür verantwortlich, heißt es.

Man kann der “FAZ” (anders als der “Kronen Zeitung”) nicht vorwerfen, sich nur auf die schriftlichen Erklärungen des Verlags verlassen zu haben:

Bislang sind etwa zweitausend Bücher an vierzig Schulen gelangt. Im Gespräch mit dieser Zeitung weist [Verleger] Adrian Schulz darauf hin, dass auch alle weiteren Exemplare verschickt würden: Gedruckt sei gedruckt. Die Fehler verleugne man nicht, sondern gehe sie “aggressiv” an. Schulz bestätigt die Finanzierung durch ein EU-Programm: Eine sechsstellige Summe sei geflossen. Eine Agentur in Brüssel habe den Kontakt vermittelt, nähere Angaben mache er dazu nicht. Man habe bei der Sache nicht schlecht verdient. “Das Schloss” sei einfach deshalb ausgewählt worden, weil es auf den Curricula stehe. Die Geldgeber hätten sich für die Auswahl nicht interessiert.

Die Pressestelle der Europäischen Kommission hat eine zügige Stellungnahme zugesagt, die aber dennoch auf sich warten lassen könne, “weil man da tief graben muss”. Wir warten mit Spannung, denn sollte sich die öffentliche Förderung bewahrheiten, hätten sich vor allem die Geldgeber blamiert.

Blöderweise hat die “FAZ” nicht mit dem Verleger Adrian Schulz gesprochen (bzw. dem “Verleger” in Anführungszeichen, wie die Zeitung selbst schreibt), sondern einem Mann, der sich als Verleger Adrian Schulz ausgegeben hat. Vom Verlag Gehlen & Schulz, den es nicht gibt.

Edition: Diese Reihe an neu verlegeten Klassikern ist das Herz von Gehlen und Schulz. Die Idee war es, die besten deutschsprachigen Klassiker, von Goethe bis Schiller, in einer neuen Edition zusammenzustellen.

Andererseits gibt es da ja eine schmucke Internetseite über die Klassiker-Edition von Gehlen & Schulz und es könnte ja gut sein, dass der bisher völlig unbekannte Verlag tatsächlich “zu diesem Behuf gegründet” wurde. Um festzustellen, dass der Verlag nicht existiert, hätten die Reporter der “FAZ” also schon ins österreichische Handelsregister schauen müssen.

Bemerkenswert ist aber auch die Tatsache, dass es der “FAZ” offenbar reichte, dass der Mann, den die Zeitung für einen Verleger hielt, behauptet hatte, EU-Fördergelder erhalten zu haben. “Eine Quelle ist keine Quelle”, lernt man in der Journalistenschule, “Da könnte ja jeder kommen”, würden Großmütter sagen. FAZ.net reichte die eine Quelle, um in der Dachzeile “Steuerverschwendung” anzuprangern.

Bild.de, bekannt für editionsphilologische Arbeiten, gab den entsetzten Bildungsbürger:

Gut, dass Franz Kafka das nicht mehr erleben muss.

Der österreichische Verlag “Gehlen und Schulz” brachte Kafkas Roman „Das Schloss“ heraus, verteilte ihn an 40 Schulen – doch das Buch strotzt vor Rechtschreibfehlern. Der Skandal: Es wurde großzügig mit EU-Geldern gefördert.

Nach neun Tagen hatte die “FAZ” dann endlich eine Antwort von EU-Seite vor, die mehr Fragen aufwarf, als sie beantwortete:

Sowohl Gabriele Imhoff von der Berliner Pressestelle der EU-Kommission als auch Dennis Abbott, Pressesprecher der Kommission für Bildung und Kultur, haben dieser Zeitung inzwischen mitgeteilt, dass man keine Hinweise auf eine Förderung des Projekts durch die EU-Kommission gefunden habe. Der Verleger hat auf dieses – wenngleich nicht definitive – Dementi nun mit einer Stellungnahme reagiert, die sprachlos macht: “Ich habe keine Ahnung, wer das jetzt finanziert hat – EU, Österreich, BMVIT, egal. Ich habe auch keine Ahnung, wie diese Tippfehler in das Buch gekommen sind.”

Und obwohl die Stellungnahme des angeblichen Verlegers immer grotesker wurde (“In Nordkorea ist bestimmt jeder Buchstabe dort, wo er sein soll. Das wäre doch das, was ihr wollt. Staatskonformer Mist, richtig buchstabiert.”), schöpfte die “FAZ” offenbar keinerlei Verdacht. Zumindest keinen an der Existenz des Verlags:

Zu klären bleibt neben allem haarsträubenden Amüsement gleichwohl, ob hier allein österreichische Mittel verbrannt wurden oder doch auch EU-Gelder.

Die “Kronen Zeitung” ist, wie man beim Topfschlagen sagen würde, ganz “heiß” dran, scheint die Spur aber nicht weiter verfolgen zu wollen:

Verliert dieser Verleger völlig den Bezug zur Realität, oder macht er sich über alle lustig? (…) Kenner der Szene sind erstaunt. Ein Insider: “Niemand kennt diesen Verlag. Man könnte fast glauben, es handle sich um ein Kunstprojekt.”

Inzwischen hatte die Geschichte auch boersenblatt.net erreicht, seines Zeichens Zentralorgan des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels:

Die “FAZ” hat nun recherchiert, dass das Buch, anders als vom Verlag angegeben, soweit bekannt ist, gar nicht durch EU-Gelder mitfinanziert wurde. Man habe keine Hinweise auf eine Förderung, hat die EU mitgeteilt.

Spätestens beim Börsenverein, dem Veranstalter der Frankfurter Buchmesse, hätte jemandem auffallen sollen, dass der Verlag nicht existiert.

Doch erste Zweifel traten erst zwei Tage später auf, als die österreichische “Presse” von einer erstaunlichen Entdeckung berichtete:

Nun dürfte es neuen Ärger geben Und zwar rechtlichen: Die ISBN, die im Buch angegeben wird, ist vom österreichischen Autor Thomas Glavinic abgeschrieben, dessen Roman “Lisa” unter der Nummer läuft. Nur die Prüfziffer am Ende der Nummer ist mit “0” anders als die von Glavinic mit “3”.

“Dabei handelt es sich um einen echten Betrüger. Die Nummer gehört dem Hanser Verlag”, sagt Mirjam Glaser von der deutschen ISBN-Stelle. Der Hanser Verlag selbst möchte nun die Adresse von “Gehlen & Schulz” ausfindig machen und auffordern, die Verwendung der Nummer zu unterlassen. Auch rechtliche Schritte hält der Verlag für nicht ausgeschlossen.

Es war also offensichtlich nicht damit zu rechnen, dass irgendjemand auf Medien- oder Buchhandelsseite in absehbarer Zeit durchschauen würde, was hier gespielt wurde — und das, obwohl das absichtsvolle Täuschen von Journalisten spätestens seit einigen Jahren zum Standardrepertoire von PR gehört. The BirdBase, die Erfinder von “Gehlen & Schulz”, “Adrian Schulz” und der “Klassiker-Edition” gingen also am Donnerstag von sich aus an die Öffentlichkeit:

Dahinter steht die Aktionsgruppe “The BirdBase”, die mit der ungewöhnlichen Aktion Kritik am schlechten Bildungssystem in Österreich üben wollte. “Wir wollen, dass über das Bildungs- und Schulsystem in Österreich gesprochen wird, wir wollen, dass ein Land wieder redet, denkt und nicht vor sich hin schweigt. Denn wenn sich nichts ändert, werden vielleicht in 20 Jahren solche Bücher der Normalfall sein”, schrieb die Gruppe gestern, Mittwoch, in einem E-Mail an die “Presse”.

boersenblatt.net berichtete über die neuerliche Entwicklung in dem Fall, die “FAZ” nutzte die Gelegenheit zu ihrem unpassend triumphalen “Ha!” und verschwand dann zwischen allen Wirklichkeitsebenen:

Vielleicht ist die ominöse Künstlergruppe auch nur eine Erfindung der EU, um sich elegant aus der Affäre zu ziehen?

Und die “Kronen Zeitung”, bei der alles angefangen hatte? Nun, die gibt sich weniger zerknirscht und mehr angepisst:

Sie haben alle gefoppt – und sind auch noch stolz darauf. Hinter dem Kafka- Buch mit den 1.850 Rechtschreibfehlern (siehe Infobox) steckt die Aktionsgruppe “The BirdBase”, die vor schlechter Bildung warnen will. Ziele hat die Clique aber keine.

Videospiele, Günter Wallraff, Terror

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Fehlerhaftes Buch: Mit Kafka die Medien getäuscht”
(diepresse.com, Eva Winroither)
Die Gruppe “The Birdbase” baut nach eigenen Angaben 1850 Rechtschreibefehler in das Buch “Das Schloss” von Franz Kafka ein, druckt davon 1000 Exemplare und verschickt es an Schulen und Medien (Video). Auf der Facebookseite der Gruppe werden Medien aufgelistet, die im Sinne der Aktion berichten, darunter faz.net, bild.de oder krone.at. Eine Sprecherin des Projekts: “Es gibt diese Auflage so nicht, es gibt auch keinen Verlag, keine weiteren Bücher und schon gar keine Fördermittel.”

2. “Perpetuiertes Stigma”
(stigma-videospiele.de)
Ein Blick in das Archiv von Spiegel.de zum Thema Videospiele: “Konkret werden von sieben gefundenen falschen Darstellungen drei in anderen Spiegel-Artikeln richtig wiedergegeben. Es wird beinahe der Eindruck erweckt, als ob man es dem Leser überlasse sich die ihm passende Wahrheit herauszusuchen.”

3. “Springer geht auf Bild-Kritiker Wallraff zu”
(sueddeutsche.de, Oliver Das Gupta)
Am Samstagabend sendet der WDR ab 23.30 Uhr “Die Günter Wallraff Nacht”. Zu Wort kommen soll auch der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner: “Laut WDR bedauert er, wie die Bild-Zeitung Mitte der 1970er Jahre mit Wallraff umgegangen ist.”

4. “Schöne Trottel”
(zeit.de, Matthias Daum)
Matthias Daum fragt nach den wirtschaftlichen Komponenten der “Petarden-Trottel”-Kampagne der Ringier-Boulevardzeitung “Blick”.

5. “Brauner Terror in Deutschland”
(tagesschau.de, Video, 29:11 Minuten)
Eine ARD-Sondersendung zur Mordserie an Kleinunternehmern. Siehe dazu auch die “Todesopfer rechter Gewalt 1990 – 2010” (zeit.de) und einige Gedanken “zur Ikonographie des Terrors” (security-informatics.de).

6. “Die Hartz-Maschine”
(ardmediathek.de, Video, 43:57 Minuten)
Eine Reportage von Rita Knobel-Ulrich über Geschäftszweige, die ihr Geld mit der Arbeitslosigkeit in Deutschland verdienen. Ab Minute 34 ein Besuch in den Niederlanden mit einem Blick auf die Situation dort.

Auf dem Boulevard wird schon Salz gestreut

So lag “Bild” gestern in Berlin am Kiosk:

So zeigt sich ein Berliner Abgeordneter im Internet

Im Inneren erklärte die Zeitung dann, wer der Abgeordnete ist (Simon Weiß von der Piratenpartei) und was er da auf dem Foto macht:

Ein junger Mann beugt sich über eine Linie weißes Pulver. An seine Nase hält er eine Papierrolle. Und deutet an, die weiße Substanz hochzuziehen als wäre es Kokain. Daneben steht ein Salzstreuer. Das Foto zeigt Pirat Simon Weiß (26), der im Abgeordnetenhaus sitzt. Er hat es über den Internetdienst Twitter veröffentlicht.

Bei Bild.de ging die Geschichte erst nach einer Drehung an der Meta-Schraube online und klang dann so:

Seine Idee: ein bisschen Drogen-Provokation. Wie originell!

Auf seinem Twitter-Account hat er ein neues Profilfoto eingestellt. Zu sehen: Simon Weiß, wie er seinen Kopf über eine Tischplatte beugt, mit der linken Hand hält er sich das linke Nasenloch zu, an das rechte Nasenloch drückt er eine Papierrolle, deutet an, eine helle Substanz hochzuziehen als wäre es Kokain. Links im Bild: ein Salzstreuer. Ha-ha!

Die Salz-Schnupf-Experten von Bild.de finden das offenbar nicht lustig:

Lustig hin, lustig her, Fakt ist: Der Landespolitiker täuscht eine Straftat vor.

Denn der Konsum von harten Drogen ist in Deutschland verboten!

Das stimmt so nicht: Der reine Konsum von Kokain ist in Deutschland nicht verboten, wohl aber der Besitz, die Herstellung oder der Handel (der Konsum ohne vorherigen Besitz ist natürlich ein wenig knifflig). Und unter “Vortäuschen einer Straftat” versteht man die Anzeige einer nicht begangenen Straftat wider besseres Wissen.

Simon Weiß zeigte sich angesichts der großen “Bild”-Geschichte über seine Person auf Twitter recht entspannt und wollte die Aktion als “privat betriebene Satire” verstanden wissen. Dem Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses, der bei Bild.de erklärt hatte, dass seines Erachtens “durch das Foto der Konsum von harten Drogen verharmlost wird”, warf Weiß vor, den “Stichwortgeber” für das “Hetzblatt” “Bild” zu “spielen”. Abschließend verwies er auf die Fotografin des Salzbildes, die “Bild” nach eigenen Angaben darauf hingewiesen hatte, dass die Zeitung das Foto nicht ohne weiteres hätte abdrucken dürfen.

Mit Dank an Brainfucker, Markus M. und Sebastian C.

Familien im Brennpunkt, Redezeit, Zitate

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Boah, voll krass: Brennpunkt Drehbuch”
(fernsehkritik.tv, Fernsehkritiker)
Das Drehbuch “Gutmütiger Teenie-Vater wird von dreister Ex-Freundin ausgenutzt” der RTL-Pseudo-Doku-Soap “Familien im Brennpunkt”.

2. “Begrenzte Redezeit für Frankreichs Politiker”
(wissen.dradio.de, Audio, 8:34 Minuten)
Die Behörde Conseil Superieur du l’Audiovisuel (CSA) wacht in Frankreich darüber, dass Regierung, Opposition und die restlichen Parteien am Radio und Fernsehen sekundengenau die ihnen zustehende Redezeit erhalten. “Wer grob und wiederholt gegen die Auflagen verstösst, zahlt oder verliert gar seine Sendelizenz.”

3. “Realitätsverlust in der PR-Branche”
(saschalobo.com)
Sascha Lobo schreibt über PR-Leute, die sich über das Desinteresse an ihrer Arbeit beklagen. “Statt nämlich zuzugeben, dass sie es nicht schaffen, Journalisten (und die Öffentlichkeit) für ihre Themen zu interessieren, klagen sie über ‘desinteressierte Journalisten’. Das ist Realitätsverdrehung, ja, Realitätsumdrehung der kontraproduktivsten Sorte.”

4. “Nazi-DVD – Mediengeschäft mit rechtem Terror”
(ndr.de, Video, 4:45 Minuten)
Nach Zapp-Informationen kaufte “Der Spiegel” das Bekennervideo der Mordserie an Kleinunternehmern exklusiv vom Antifaschistischen Pressearchiv. Inzwischen sind weitere Kopien aufgetaucht.

5. “Beziehung”
(el-futbol.de, Sidan)
Sidan denkt nach über das Verhältnis zwischen Deutschen und Türken.

6. “Citogenesis”
(xkcd.com, englisch)
Woher die Zitate kommen.

Bild  

Pleite-Griechen loben Hetz-Reporter

Paul Ronzheimer ist der “Pleite-Griechen”-Beauftragte von “Bild”. Er “gab den Pleite-Griechen die Drachmen zurück”, beklagte, dass griechische Medien “mächtig Stimmung gegen Berlin” machten, und wurde für seine Griechenland-Berichterstattung mit dem “Herbert Quandt Medien-Preis” ausgezeichnet.

Schon früh hatte Ronzheimer “die Anti-Stimmung vieler Griechen zu spüren” bekommen, aber jetzt ist alles anders:

Ich, der BILD-Reporter, bin seit Ausbruch der Krise vor fast zwei Jahren insgesamt mehrere Monate im Land unterwegs gewesen, schrieb Klartext über die Zustände. BILD wurde fast täglich zum Thema in den griechischen Medien, im populären TV-Talk von Tatiana Stefanidou (Marktanteil 20 %) war ich 45 Minuten lang Gast. Zu Beginn der Krise wurde BILD mit Hass überzogen – heute bekommen wir Zustimmung!

Es folgen sechs überwiegend positive Zuschriften, die Ronzheimer von Griechen bekommen hat.

Oder in den Worten von Paul Ronzheimer:

Lesen Sie, was die Pleite-Griechen jetzt dem BILD-Reporter schreiben.

Die Kommentatoren bei Bild.de waren offenbar nicht ganz so begeistert von Ronzheimers Arbeit:

bild ist das letzte schmierfinkenblatt! bild lügt, betrügt, betreibt propaganda, schürt ängste und stimmungen, erpresst, und... wahrscheinlich wurde falsch übersetzt, anders ist für mich, diese positive Beurteilung der "BILD", nicht ganz vorstellbar. Was liegt auf der Treppe und Lügt......? na klar die Bild. Ich lese den Spiegel,Bild, natürlich den Kicker , und Janes D... mehr... STOP-die dumme Propaganda gegen die Griechen ! Bild = Das größte Lügenblatt überhaupt. Populistisch, christlich, vernunftsbeleidigend!

Aber “Bild” wäre nicht “Bild”, wenn nicht auch beim Abfeiern der eigenen Arbeit noch etwas schief gegangen wäre:

"Krieg mit den Brandstiftern von BILD" lautete diese Schlagzeile

Das stimmte so offenbar nicht, wie Bild.de überraschend klarstellte:

"Die Propaganda von BILD wirkt nicht", heißt es in dieser Überschrift. Anmerkung der Red: Durch eine Bild-Verwechslung stand ursprünglich eine falsche Übersetzung "Krieg mit den Brandstiftern von BILD" unter dem Foto. Dieses Zitat kommt in einem anderen Text über die BILD-Berichterstattung vor.

Mehr zu Paul Ronzheimers TV-Auftritt:

Mit Dank auch an Dimitrios P., Tobias P., Stephan U. und Paul Z.

Döner, Leidenschaft, Abrüstung

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Alles Döner oder was?”
(hagalil.com, Ramona Ambs)
Ramona Ambs fragt sich, warum deutsche Medien die Mordserie gegen acht türkische und einen griechischen Kleinunternehmer “Döner-Morde” tauften. Siehe dazu auch die Herkunft des Worts Döner: “von türkisch: dönmek = sich drehend”.

2. “Gastarbeiter und Döner-Morde”
(dasnuf.de)
Keine Döner wurden getötet, sondern Menschen, bemerkt auch dasnuf: “Sprache beeinflusst das Denken und umgekehrt, das ist nicht erst seit George Orwell bekannt. Ich fände es schön, wenn man sich das von Zeit zu Zeit mal bewusst macht und auch einzelne Formulierungen prüft.”

3. “Nazis, Bild und Kinderschänder”
(hollow-willow.de, Maja Ilisch)
Auf Bild.de ist nachzulesen, wie Nazis im Netz angeblich erkannt werden können.

4. “Plädoyer für Abrüstung”
(medienspiegel.ch, Hanspeter Spörri)
Der “Blick” und die Petarden: Hanspeter Spörri plädiert für eine sprachliche Abrüstung und erinnert daran, dass Journalisten keine Richter, sondern Berichterstatter sind. “Wir haben zwar das Privileg, unserem Ärger auch einmal öffentlich Luft zu verschaffen. Aber wir tragen Verantwortung, haben sozusagen eine Fürsorgepflicht für diejenigen, deren Bild oder Name wir in die Öffentlichkeit tragen.”

5. “Schlüsselfaktor Leidenschaft”
(vocer.org, Sylvia Egli von Matt)
Sylvia Egli von Matt, Direktorin der Schweizer Journalistenschule MAZ, wirbt für Journalisten mit Leidenschaft: “In schwierigen, unsicheren Zeiten gilt eine Art Darwinismus. Überlebenschancen hat wohl nur, wer stark ist, wer die Leidenschaft, den absoluten Willen hat, Journalist, Journalistin zu sein und Strapazen auf sich zu nehmen.”

6. “The Express and the weather”
(tabloid-watch.blogspot.com, MacGuffin, englisch)

Bild, RTL  etc.

Kachelmann-Paparazzo verliert doppelt

Hier sehen wir Jörg Völkerling bei der Arbeit:

Der Mann ist Journalist und Fotograf. Hier sitzt er im Frühling 2011 in der Nähe der Wohnung von Jörg Kachelmann und wartet auf eine neue Gelegenheit, den Wetter-Moderator vor die Kamera zu bekommen.

Das ist ihm schon einmal auf spektakuläre Weise gelungen. Im April vergangenen Jahres hatte Völkerling von der “Bild am Sonntag” den Auftrag bekommen, den damaligen Untersuchungshäftling Kachelmann in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Mannheim zu zeigen. Er baute seine Foto- und Videoausrüstung in der Küche eines Gebäudes auf, das sich gegenüber der Justizvollzugsanstalt Mannheim befindet. Von dort aus gelang es ihm — bevor er erwischt und der Wohnung verwiesen wurde — Kachelmann beim Hofgang zu fotografieren. Die Aufnahmen wurden von “Bild”, Bild.de, RTL und dem Online-Auftritt des Schweizer “Blick” veröffentlicht.

Nun ist Völkerling ein Mensch, der durchaus anerkennt, dass es so etwas wie Persönlichkeitsrechte gibt. Er meint nicht, dass man einfach jeden fotografieren und die Bilder dann veröffentlichen darf. Das Foto von ihm im Auto, zum Beispiel, hätte Kachelmann nicht über Twitter verbreiten dürfen, meint er.

Das Bild von Kachelmann beim Hofgang hingegen sei zulässig, denn Kachelmann sei außerordentlich prominent und nehme öffentlich zu sozialen Problemen Stellung. Dass er sich als Häftling in einer Justizvollzugsanstalt befunden habe, sei ein Vorgang der Zeitgeschichte, der durch die Fotos dokumentiert werde. Die Bilder ermöglichten es dem Leser, sich über die Unterbringung Kachelmanns eine eigene Meinung zu bilden. Außerdem habe sich Kachelmann selbst hinterher öffentlich zu den Haftumständen geäußert — warum sollte man dann nicht Fotos, die diese Umstände dokumentieren, veröffentlichen dürfen?

Das Landgericht Köln widersprach Völkerlings Vorstellungen vom Persönlichkeitsrecht jetzt gleich doppelt: Er durfte Kachelmann nicht fotografieren. Kachelmann ihn schon.

Das Gericht urteilte, Kachelmann habe sich

in einem abgeschiedenen, jedenfalls der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Raum [befunden] und musste nicht damit rechnen, dass Lichtbilder von ihm angefertigt werden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger selbst durch seine Inhaftierung keine Möglichkeit hatte, sich weiter in einen privaten Raum zurückzuziehen. Vielmehr war er aufgrund der Umstände gezwungen, den Gefängnishof zu nutzen. (…) Dieser Bereich ist (…) als Rückzugsbereich anzusehen, der im Rahmen der Bildberichterstattung den Einblicken Dritter grundsätzlich zu entziehen ist, zumal auch der Nachrichtenwert der Lichtbilder von untergeordneter Bedeutung ist.

Das Gericht gab der Klage Kachelmanns statt, Völkerling die Verbreitung der Fotos, die ihn nach seiner Ansicht stigmatisierten und vorverurteilten, zu untersagen. Es bestätigte eine entsprechende einstweilige Verfügung (BILDblog berichtete).

Die Gegenklage, mit der Völkerling Kachelmann das Foto von sich verbieten lassen wollte, wies das Gericht hingegen zurück. Das Bild sei “von zeitgeschichtlichem Interesse”:

Der Umgang der Medien mit Prominenten, insbesondere die Art und Weise wie die Berichterstattung über Prominente und die Bebilderung derselben erfolgt, ist bereits grundsätzlich von gesellschaftlicher Relevanz und von öffentlichem Interesse, da der Umgang miteinander die gesellschaftlichen Grundlagen berührt. Dieses öffentliche Interesse ist im vorliegenden Fall zudem noch dadurch gesteigert, dass die Berichterstattung über den Kläger, das gegen diesen geführte Strafverfahren aber auch der Umgang der Medien hiermit, ein wesentliches Thema der Jahre 2010 und 2011 war und großen öffentlichen Widerhall gefunden hat. Die Öffentlichkeit hat daher ein Interesse daran zu erfahren, wie diese Berichterstattung zustande kommt. Der Beklagte, wenn auch selbst nicht bekannt, war in seiner Eigenschaft als Journalist und Fotograf – wie auch die Klage zeigt –  an dieser vielfach persönlichkeitsrechtsverletzenden (Bild-) Berichterstattung über den Kläger beteiligt. Dies und seine Arbeitsweise wird durch die streitgegenständliche zeitnah veröffentlichte Fotografie dokumentiert, die geeignet ist, einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung über die Umstände von Medienberichterstattung zu erbringen.

Völkerling, der keine Unterlassungserklärung unterschreiben wollte und gegen die einstweilige Verfügung Berufung eingelegt hatte, muss die Kosten des Verfahrens tragen.

Landgericht Köln, 28 O 225/11

Korrektur, 14:45 Uhr. Ursprünglich hatten wir Völkering statt Völkerling geschrieben.

Mainstream, Bambi, Welt Kompakt

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Der Sog der Masse”
(zeit.de, Harald Martenstein)
Harald Martenstein denkt ausführlich über den Mainstream nach: “In den fünfziger Jahren, in denen ich geboren wurde, dachte fast jeder, dass Deutschland die im Krieg verlorenen Ostgebiete auf keinen Fall aufgeben dürfe, dass Frauen nur in Ausnahmefällen arbeiten gehen sollten, dass Homosexualität eine Perversion sei, über die man am besten nicht spricht, dass es tausend wichtigere Dinge gebe als Umweltschutz. Heute denkt fast jeder in diesen Fragen ungefähr das Gegenteil. Auch ich denke das Gegenteil. (…) Jemand, der wirklich ein Querdenker ist, müsste heutzutage vielleicht für die Wiedereinführung der Monarchie eintreten. Er müsste an den heiligen Idealen der sozialen Gerechtigkeit, am Atomausstieg und an der Emanzipation zweifeln. Mit anderen Worten, er müsste bereit sein, sich vom Schwarm zu einem gefährlichen Irren stempeln zu lassen.”

2. “Post an Wagner”
(zuspieler.de, Sebastian Wenzel)
Sebastian Wenzel antwortet auf den Brief “Lieber Poker-Weltmeister” von Franz Josef Wagner.

3. “Medien nutzen Twitter immer noch als Linkschleuder”
(faz-community.faz.net, Holger Schmidt)
Eine Auswertung von Twitter-Konten deutscher Medienmarken: “Inzwischen gibt es Redakteure, die mehr Follower haben als ihre Medienhäuser, weil sie sich auf den Austausch mit den Nutzern einlassen.”

4. “Schafft den Bambi endlich ab!”
(haz.de, Imre Grimm)
Ein Plädoyer für die Abschaffung des Medienpreises Bambi: “Und der ‘Bambi’ ist nicht allein. Die ‘Goldene Kamera’ von Springers ‘Hörzu’, der ‘Deutsche Fernsehpreis’; sie alle wirken wie aus der Zeit gefallen, versackt in der Irrelevanz, doch man macht unverdrossen weiter, als sei für alle Zeiten 1988.”

5. “Ich glaube, der Tagesspiegel sucht demnächst nen neuen Layouter. :D”
(yfrog.com, Foto)

6. Werbung für “Welt Kompakt”
(katzundgoldt.de, Cartoon)

Lynchvorlage (2)

Im Juli hatte “Bild” groß über einen Mann berichtet, der ein siebenjähriges Mädchen in Thüringen sexuell missbraucht und getötet hatte. Im Rahmen ihrer Berichterstattung bezeichnete die Zeitung den geständigen mutmaßlichen Täter als “Schwein” und zitierte einen BKA-Beamten mit den Worten “Wenn er sich nicht selbst etwas antut, gäbe es im Knast genügend andere, die das gerne übernehmen würden.”

Wie um es den genügend Anderen im Knast einfacher zu machen, hatte “Bild” den Fall mit einem großen, unverfremdeten Foto des Mannes illustriert (BILDblog berichtete):

Das ist Mary-Janes Mörder: Er hat sie missbraucht, gewürgt und warf sie lebend in den Bach

Wir haben uns beim Deutschen Presserat über die Berichterstattung von “Bild” und Bild.de beschwert. Wie in solchen Fällen üblich nahm die Abteilung Verlagsrecht der Axel Springer AG dazu Stellung und erklärte unter anderem, es entspräche der ständigen Spruchpraxis des Deutschen Presserats, dass bei vorliegendem Geständnis auch identifizierend über Tatverdächtige berichtet werden dürfe. (Der Presserat merkt dazu an, dass sich das Justiziariat dabei “auf den einzigen Fall mit diesem Tenor” berufe.)

Die Bezeichnung “Schwein” drücke nach Ansicht der Axel Springer AG aus, was der “weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung” über den Mann und die ihm zur Last gelegten Taten denke. Wer das Vertrauen und die Unterlegenheit eines Kindes ausnutze, um es sexuell zu misshandeln und es dann qualvoll umzubringen, sei nach herrschender Ansicht als “Schwein” zu bezeichnen. Auch die Einordnung als “beruflich und privat ein ewiger Verlierer” sei zulässig, da der mutmaßliche Täter sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich sein Leben nicht “auf die Reihe” bekommen habe, wie der Verlag weiter ausführte.

Den Abdruck des Fotos rechtfertigten die Springer-Juristen so:

Schon die Tatsache, dass jemand ein siebenjähriges Mädchen sexuell misshandele und sie danach ermorde, sei so außergewöhnlich, dass damit eine Fotoveröffentlichung gegen den Willen des Abgebildeten gerechtfertigt sei. Ein Großteil der deutschen Tagespresse haben über den Fall Mary-Jane berichtet.

Auszüge aus dem Pressekodex:

Ziffer 8 – Persönlichkeitsrechte

Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden. Die Presse achtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

Richtlinie 8.1 – Nennung von Namen/Abbildungen

(1) Bei der Berichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren (s. auch Ziffer 13 des Pressekodex) veröffentlicht die Presse in der Regel keine Informationen in Wort und Bild, die eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen würden. Mit Rücksicht auf ihre Zukunft genießen Kinder und Jugendliche einen besonderen Schutz. Immer ist zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen. Sensationsbedürfnisse allein können ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht begründen.

Der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats ließ sich von dieser Begründung nicht beeindrucken und kam zu der Überzeugung, dass die Beiträge von “Bild” und Bild.de die Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten verletzten und damit gegen Ziffer 8 in Verbindung mit Richtlinie 8.1 (s. Kasten) des Pressekodex verstoße.

Die identifizierbare Abbildung des Täters ist aus Sicht des Beschwerdeausschusses “ethisch nicht vertretbar”. Ein Tatverdächtiger könne ausnahmsweise abgebildet werden, wenn dies im Interesse der Verbrechensaufklärung liege oder wenn das Verbrechen unter den Augen der Öffentlichkeit begangen werde. Eine solche Ausnahme sei im konkreten Fall aber nicht gegeben, “Bild” hätte auch ohne Abbildung der Person oder mit ausreichend unkenntlich gemachten Bildern umfassend über den Fall berichten können.

Einen Verstoß gegen Ziffer 1 des Pressekodex, die zur Achtung der Menschenwürde mahnt, konnte der Beschwerdeausschuss jedoch nicht feststellen. Durch die Verwendung der Bezeichnung “Schwein” werde deutlich, “dass die Tat von der Redaktion als Schweinerei verstanden werde”. Sie bringe mit “bildhafter Sprache” eine zulässige Bewertung zum Ausdruck.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Die letzten Ausführungen sind bemerkenswert, hatte der Presserat den Begriff “Schwein” (anders als etwa den Begriff “Bestie”) oder “Dreckschwein” doch bisher meist als Verletzung der Menschenwürde angesehen.

Insgesamt wertete der Beschwerdeausschuss den Verstoß gegen Ziffer 8 aber als so schwerwiegend, dass er eine “Missbilligung” aussprach (s. Kasten). Nach § 15 Beschwerdeordnung besteht zwar keine Pflicht, Missbilligungen zu veröffentlichen. Als Ausdruck fairer Berichterstattung “empfiehlt” der Beschwerdeausschuss jedoch die Veröffentlichung.

Wolfgang Niedecken erklagt sich Respekt (2)

Der nicht einmal halbherzige Versuch, die Privatsphäre von Wolfgang Niedecken und seiner Familie zu respektieren, hat “Bild” schon zwei Einstweilige Verfügungen eingebracht (BILDblog berichtete). Vergangenen Donnerstag kam eine dritte hinzu.

Die Anwälte des BAP-Sängers schreiben auf ihrer Internetseite, es sei Bild.de jetzt verboten …

  • ein Foto zu verbreiten, das Niedeckens Kinder bei einem Krankenhausbesuch zeige,
  • den angeblichen Verlauf eines Schlaganfalltests zu veröffentlichen: Bild.de hatte geschrieben, Niedecken habe auf die Bitte eines Arztes, die Wochentage aufzuzählen, einen Arm gehoben. Diese Behauptung sei laut Niedeckens Anwälten “frei erfunden”.
  • Details über die Krankenhausbehandlung Niedeckens zu verbreiten,
  • sowie Details zu geplanten Nachbehandlungen zu veröffentlichen.

Weiter heißt es, Wolfgang Niedecken und seine Familie bäten erneut darum, die von Bild.de verbreiteten Behauptungen, die zum Teil frei erfunden seien, nicht zu übernehmen.

Blättern:  1 2 3 4 ... 7