Archiv für Juni, 2011

Presserat missbilligt Nutella-Geschmiere

(Diese Geschichte lag ein bisschen bei uns rum, ist aber immer noch gut.)

Anfang März erschien in der “Bild”-Zeitung ein erstaunlicher Hinweis “In eigener Sache”:

Am 08.01.2011 hatten wir im Rahmen eines Interviews mit Mats Hummels dessen Tätigkeit als Werbepartner und das von ihm beworbene Produkt in unangemessener Weise betont. Wir bedauern dies.

Das ist eine erstaunlich treffende Beschreibung für das “Nutella-Frühstück”, zu dem sich “Bild” Anfang Januar mit dem Dortmunder Bundesliga-Spieler Mats Hummels getroffen hatte. Der Brotaufstrich war in Wort und Bild groß in Szene gesetzt:

Die Bild.de-Version des Artikels ist Anfang März ebenfalls durch Hinweis “In eigener Sache” ersetzt worden.

Was war passiert? Nun, es könnte etwas damit zu tun haben, dass BILDblog sich beim Presserat über die Werbegeschichte beschwert hatte. Im Lauf des Verfahrens bekommt dann immer das Medium Gelegenheit zu Stellungnahme, und in diesem Fall fiel sie für “Bild”-Verhältnisse ungewöhnlich aus:

Die Rechtsabteilung der Axel Springer AG räumte ein, einen Fehler gemacht zu haben. Der Presserat fasst ihre Erklärung so zusammen:

Zwar sei der Begriff der sogenannten “Nutella-Boys” (…) in Sportkreisen und auch anderen Medien inzwischen allgemein verbreitet. (…) Dennoch hätte die penetrante Nennung des Produktnamens in BILD-(Ruhr) keineswegs erfolgen dürfen. Die Chefredaktion habe den Artikel umgehend moniert und mit den Kollegen besprochen. Leider sei zu diesem Zeitpunkt der Artikel bereits von BILD-Online übernommen worden.

Der Presserat sah in dem “Nutella-Interview” klar Schleichwerbung, wertete die Erklärung “in eigener Sache” aber zugunsten der Zeitung und sprach deshalb keine “Rüge”, sondern nur eine “Missbilligung” aus.

AOL, Tagesschau-App, Konflikte

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “AOL Hell: An AOL Content Slave Speaks Out”
(thefastertimes.com, Oliver Miller, englisch)
Ein eindrücklicher Bericht aus der AOL-Klickfabrik, in der es ganz egal geworden ist, was in einem Artikel steht, solange alles andere stimmt: “When it comes to an article, what AOL cares about is the title, and the ‘keywords’ that will make the article more likely to show up among the top results on Google. You type phrases into ‘Google Trends,’ and it suggests the most popular combination of words associated with that topic. You then stick those words into your title and first paragraphs. Rinse, wash, and repeat.” Siehe dazu auch diesen Artikel auf t3n.de. Hintergründe zum “eighth degree, black belt idiot” auf techcrunch.com.

2. “The Schlong Goodbye”
(thedailyshow.com, Video, englisch, 4 Minuten)
Wie US-TV-Sender reagieren, als Nancy Pelosi bei einer Pressekonferenz gleich zu Beginn klarstellt, dass sie nicht über den aufgrund einer Sexaffäre zurückgetretenen Abgeordneten Anthony Weiner, sondern über Jobs, Medicare und die Mittelklasse reden wird.

3. “Die Tagesschau-App und das Märchen von der Wettbewerbsverzerrung”
(claushesseling.de)
Claus Hesseling hält die Klage verschiedener deutscher Zeitungsverlage gegen die App von tagesschau.de für einen schlechten Witz. “Vielleicht dämmert es auch bald den Verlagsmanagern: Aktuelle Nachrichten wird es immer immer immer frei und kostenlos im Netz geben. Egal ob auf tagesschau.de, Twitter oder anderen Quellen.”

4. “Ha-haaaaaaaaa”
(katjakullmann.de)
“Soeben ereilt mich ein überaus dringender Anruf. Ein berühmtes People-Magazin aus München war dran: Man habe gehört, dass ich komplett pleite sei und kaum noch zu essen habe – ob man bitte schnell eine Homestory machen könne (‘mit Fotos’) – und ob und wann denn mein neues Buch eigentlich erscheine.”

5. “BILD gefällt mir nicht!”
(duesteregrenze.wordpress.com, Stefan Grenz)
Stefan Grenz schreibt über “Bild”: “Solange Journalisten anderer Medien BILD zitieren, solange machen sie sich mitschuldig am Erfolg von BILD.”

6. “Wie deutsche Medien Konflikte klassifizieren”
(graphitti-blog.de, katja)

Bild  

Wer stoppt diesen Irrsinn?

Die Geschichte kennt mittlerweile jeder Opa: Als sie via Facebook zu ihrer Geburtstagsfeier einladen wollte, legte die damals 15-jährige Thessa aus Hamburg versehentlich eine “öffentliche Veranstaltung” an — und mehr als 14.000 Leute sagten zu. Obwohl ich Facebook recht intensiv nutze, hätte ich von der Einladung womöglich nie etwas mitbekommen, bis die Medien anfingen, darüber zu berichten. Und diese Berichte wiederum Verbreitung bei Facebook fanden.

Letztlich kamen rund 1.600 Besucher nach Hamburg-Bramfeld, wo ein privater Sicherheitsdienst, rund 100 Polizisten inklusive Reiterstaffel und etliche Kamerateams auf sie warteten. Es kam zu Sachbeschädigungen, elf Personen mussten in Polizeigewahrsam. Der Pressesprecher der Hamburger Polizei sagte dem NDR-Medienmagazin “Zapp”, die Polizei gehe davon aus, dass die intensive Medienberichterstattung “das Ganze etwas angeheizt” habe.

Seit diesem Vorfall zirkulieren angeblich vermehrt (absichtliche) Einladungen zu unangemeldeten Großveranstaltungen in sozialen Netzwerken — und die Medien, die nichts aus ihrer Handlangerschaft gelernt haben, trommeln fröhlich weiter dafür.

Das hässliche Gesicht von Facebook. Wer stoppt diesen Irrsinn?

So berichtete “Bild” in NRW gestern über den “Irrsinn”, der sich in Wuppertal ereignet hatte, als am vergangenen Freitag rund 800 Menschen zu einer per Facebook angekündigten Flashmobparty im Stadtteil Ronsdorf aufliefen. Direkt nach der Bilanz der Polizei (“41 Festnahmen, 16 Verletzte”), schreibt “Bild” bedeutungsschwer:

Und die nächste Party ist im Internet schon ausgerufen.

Und nicht nur im Internet, denn “Bild” nennt das genaue Datum, die genaue Uhrzeit und den genauen Ort für die geplante Party, sowie sicherheitshalber auch noch den Titel, unter dem man die Veranstaltung bei Facebook finden kann. Statt der 900 User, von denen “Bild” gestern schrieb, haben derzeit schon mehr als 1.600 ihr Kommen angekündigt.

Eine Sprecherin der Stadt Wuppertal bezeichnete die mediale Berichterstattung im Vorfeld als “kontraproduktiv”. Die Medien, zu denen nicht nur “Bild”, sondern auch Radio- und Fernsehstationen gehörten, würden “indirekt extreme Werbung” für die Veranstaltung machen, eine “zurückhaltendere Berichterstattung wäre wünschenswert”.

Doch auch heute berichtet “Bild” in der NRW-Ausgabe über die “Facebook-Party-Randale” in Wuppertal und zeigt dabei einen Screenshot von der Veranstaltungsseite auf Facebook, damit auch der dümmste User sichergehen kann, dass er nicht bei der falschen geplanten (inzwischen von der Stadt untersagten) Party zusagt.

Und wer nicht den weiten Weg nach Wuppertal auf sich nehmen will, für den hat “Bild” noch andere … äh: Veranstaltungstipps. Für zwei weitere geplante Flashmobs (von denen einer tendenziell eher harmlos ist) in Gelsenkirchen und Marl nennt die Zeitung die Termine und die genauen Veranstaltungsorte.

Spiegel Online, Blödmaschinen, Griechen

6 vor 9

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1. “Spiel, Spaß, Spannung, ‘Spiegel Online'”
(stefan-niggemeier.de)
“Spiegel Online” wünscht sich von den Ereignissen, dass sie spannend sind. “Vielleicht hätten sie beim ZDF, sobald sie ahnten, dass die Intendanten-Wahl so glatt über die Bühne gehen würde, wenigstens das Fernsehballett einladen können oder gefährliche Tiere oder Lady Gaga, und zwar am besten ohne Anlass, damit ‘Spiegel Online’ aufgeregt ‘Überraschung bei der Intendantenwahl’ titeln könnte.”

2. “Ihr könnt nach Hause fahr’n”
(11freunde.de, Dominik Drutschmann)
Auf Antrag werden die anwesenden Journalisten von der Jahreshauptversammlung des Fußballvereins Schalke 04 ausgeschlossen. Bleiben darf nur, wer Mitglied des Vereins ist.

3. “Print Bam Bino für die Kunden von morgen”
(welt.de, Marc Reichwein)
Mit Titeln wie “Dein Spiegel”, “Geolino” oder “mare Ahoi” betreiben Printverlage eine Aktivinvestition in die Lese-Sozialisiation von Kindern. “Wer eine ganze Kindheit & Jugend weitgehend printmedienabstinent war, wird sich den regelmäßigen Konsum von Zeitungen und Zeitschriften wohl auch als Erwachsener kaum noch angewöhnen.”

4. “Der letzte Dreck”
(dradio.de, Ariadne von Schirach)
Ariadne von Schirach entdeckt in den 780 Seiten von “Blödmaschinen. Die Fabrikation der Stupidität” von Markus Metz und Georg Seeßlen “brillante Analyse, polemische Anklage und undifferenziertes Geraune”. “Die obszöne Totalität einer blödmaschinenenvermittelten Wirklichkeit führt bei Metz und Seeßlen zu einem ebenfalls obszönen Exzess an Kritik.”

5. “Jon Stewart Eviscerates Fox News On Fox News”
(gothamist.com, Video, 24:11 Minuten, englisch)
Jon Stewart zu Besuch bei Chris Wallace von “Fox News Sunday”. Sie sprechen über das Fox-News-Motto “Fair & Balanced”, über die Agenda von Medien, über die Aufmerksamkeit im Fall Anthony Weiner.

6. “Das griechische Volk ist unschuldig”
(zeit.de, Zacharias Zacharakis)
Griechenland: Zacharias Zacharakis stellt fest, dass nicht die einfachen Leute, sondern die Elite für die Schuldenkrise verantwortlich ist. “Die Griechen fühlen sich betrogen von den Eliten des Landes, die am stärksten von dem weitverbreiteten System der Korruption profitiert haben. Ganz am Ende dieser Nahrungskette standen immer die einfachen Leute, die für Arztbesuche, für Behördengänge, dafür, dass ihre Angelegenheiten überhaupt erledigt wurden, in das korrupte System einzahlen mussten, auch wenn es sich oft um geringe Beträge handelte. Profitiert haben davon Beamte, Ärzte, Notare, Anwälte, die dieses Geld nahmen und davon Ferienhäuser und Autos kauften.”

Der Abrechnung zweiter Teil

Vorletzten Donnerstag erschien in der “Zeit” ein Interview mit Jörg Kachelmann. “Bild” veröffentlichte am darauf folgenden Tag die knackigsten Zitate und warb dafür auf Bild.de mit dem irreführenden Satz:

Die ganze Abrechnung lesen Sie heute in BILD – die bekommen Sie entweder gedruckt am Kiosk oder bei iKIOSK zum Download.

Die “Zeit” ging juristisch dagegen vor, Bild.de gab eine Unterlassungserklärung ab (BILDblog berichtete).

Vergangenen Donnerstag erschien im Klatschmagazin “Bunte” ein Interview mit der Ex-Geliebten Jörg Kachelmanns, die ihn vor Gericht der Vergewaltigung bezichtigt hatte. Bild.de veröffentlichte schon am Vortag die knackigsten Zitate und zeigte dabei auch diesen Teaser:

Kachelmann rechnet brutal ab! — Die ganze Abrechnung in BILD

Das war – vorsichtig gesagt – blöd, denn damit verstieß Bild.de gegen die Unterlassungersklärung, die “Bild Digital” gegenüber der “Zeit” abgegeben hatte. Die “Zeit” fordert deshalb jetzt eine Vertragsstrafe von “Bild Digital” ein, zu deren Höhe sie sich auf unsere Anfrage hin nicht äußern wollte.

Ein Sprecher der Axel Springer AG erklärte gegenüber dem “Spiegel”, die erneute Veröffentlichung des Teasers sei “eine Verkettung unglücklicher Umstände und ein individueller Fehler in der Redaktion” gewesen. Inzwischen ist der Teaser auf Bild.de verschwunden.

Mit Dank auch an Tom Z.

Der letzte Flug ging später

Am 25. Juli 2000 endete die Ära der Concorde mit dem schrecklichen Absturz am Pariser Flughafen Charles de Gaulle. Der Überschalljet fing kurz nach dem Start Feuer und stürzte ab. 113 Menschen fanden den Tod, 109 in der Maschine und vier am Boden. Seit diesem Unfall starteten keine Concorde-Flüge mehr.

Mit diesen stimmungsvollen Sätzen beginnt ein Artikel über die neue Überschallflugzeug-Studie des EADS-Konzerns auf der Website des “Hamburger Abendblatts”.

Doch sie sind falsch: Nach dem Absturz vom 25. Juli 2000 wurden zunächst für 15 Monate alle Concorde-Flüge ausgesetzt. Nach technischen Nachbesserungen nahmen British Airways und Air France den Linienbetrieb im Herbst 2001 wieder auf. Wegen gestiegener Wartungskosten und gesunkenem Passagierinteresse (auch in Folge der Anschläge vom 11. September 2001) entschieden beide Airlines im Jahr 2003, ihre Concordes außer Dienst zu stellen. Der letzte Passagierflug einer Concorde fand am 24. Oktober 2003 von New York nach London statt.

Mit Dank an Jens D.

Kachelmann, Kriegsfotografie, Korrektheit

6 vor 9

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1. “Diese Welt braucht Journalisten mehr denn je”
(dw-world.de, Sandra Petersmann)
Joel Simon vom “Committee to Protect Journalists” mag Personen, die Journalismus betreiben, nicht mehr voneinander abgrenzen: “Einfach gesagt sind Journalisten dazu da, Informationen zu sammeln und zu verbreiten, die für die Öffentlichkeit von Bedeutung sind. Es gibt professionelle Journalisten, die das machen, und es gibt Menschen, die das als Bürger machen.”

2. “So haben uns die Griechen reingelegt”
(ruhrbarone.de, Michael Voregger)
Michael Voregger stimmt es nachdenklich, dass die Jury des Herbert-Quandt-Preises sich für “Bild”-Autoren entschieden hat (BILDblog berichtete), das werfe “kein gutes Licht auf den Wirtschaftsjournalismus im Lande”. Er kritisiert auch öffentlich-rechtliche Nachrichtenformate: “Die Redaktionen orientieren sich am Mainstream, regierungsnahe Positionen werden kommentarlos übernommen und kritische Experten tauchen nicht auf. Das Unwort des letzten Jahres ‘alternativlos’ bekommt hier eine ganz neue Bedeutung.”

3. “In eigener Sache: Neuer Umgang mit Leser-Kommentaren”
(blog.handelsblatt.com/handelsblog, Olaf Storbeck)
Olaf Storbeck ändert den Umgang mit Leser-Kommentaren: “Um ein gewisses Grundniveau der Diskussion zu gewährleisten, werde ich daher tumbe nationalistische und per se Euro-feindliche Kommentare nicht mehr freischalten – zum Beispiel solche, die Nazi-Deutsch enthalten (‘Finanzknechtschaft’), die Geschichte verdrehen (‘Muss erst wieder ein Krieg gegen Deutschland geführt werden?’) oder darüber räsonniert wird, ‘wie ein nachgewiesener Maßen intelligentes Volk wie die Deutschen sich derart ausnutzen lassen kann’. Das gleiche gilt für Verschwörungstheorien jeder Art.”

4. “Früher herrschten die Gewalttäter, heute herrschen die Wohl-Täter”
(heise.de/tp, Eren Güvercin)
Eren Güvercin spricht mit Maternus Millett über politische Korrektheit. “Die politische Korrektheit als das ‘absolut Gute’ hat das gesellschaftliche Klima bereits so weit polarisiert und vergiftet, dass auch eine kritische Diskussion des ‘absolut Guten’ – also des Versagens der Bildungs- und Integrationspolitik, der selektiven Toleranz Straftaten von Immigranten gegenüber, der bedingungslosen Sozialleistungen für alle – kaum noch möglich ist. Folglich können alle, die provokante Kritik anmelden, sehr leicht moralische Empörung auslösen und sich als Rebellen gegen das neue, linke, permissive Establishment und als ‘Opfer von Repression’ darstellen.”

5. “The shot that nearly killed me: War photographers – a special report”
(guardian.co.uk, englisch)
Kriegsfotografen kommentieren die Entstehung einzelner Fotos. Vorsicht, einige Bilder sind sehr drastisch.

6. “Lächerlicher Wahnsinn”
(weltwoche.ch, Roger Köppel)
Jörg Kachelmann gewährt nach dem Gespräch in der “Zeit” auch der “Weltwoche” ein sehr ausführliches Interview: “Die heuchlerischen Aufrufe der Medien, dass ich nun doch aus taktischen Gründen demütigst zu schweigen und zu verschwinden hätte, sind der Versuch, deren menschenverachtende Vorverurteilung möglichst schnell vergessen zu machen. Nun wollen gerade die mein Schweigen, die sich vorher als die willfährigsten Sprachrohre der lügenden Staatsanwaltschaft Mannheim geriert haben: Springer, Burda, Stern, Süddeutsche.” Interviewer Roger Köppel betont, dass für das Interview kein Geld bezahlt wurde.

Pussi Galore

Früher gab es in den Medien die sogenannte Saure-Gurken-Zeit, in der wenig passierte, aber die Zeitungen und Nachrichtensendungen trotzdem irgendwie gefüllt werden mussten. Manche Leute sagen, in Zeiten des Internets gäbe es keine Saure-Gurken-Zeit, weil immer irgendwas los sei. Andere sagen, es sei immer Saure-Gurken-Zeit, weil das Internet ja ständig mit irgendwas gefüllt werden müsste.

Vergangene Woche versuchten express.de und mopo.de, die Online-Ableger der Boulevardzeitungen “Kölner Express” und “Hamburger Morgenpost” aus dem Verlagshaus DuMont Schauberg, das Internet mit “Lustigen Sprachpannen” zu füllen. Dafür mussten sie nicht viel tun, als ein paar Bilder aus einem neuen Buch in eine Bildergalerie zu packen, die die Leser durchklicken können.

Und das sieht dann so aus:

Lustige Sprachpannen:
Noch eine Portion "Megapussi" gefällig? Schon gewusst: In Finnland gibt es Erdnussflips mit dem Namen "Megapussi!". Und das ist nur eine von unzähligen Sprachpannen, die Urlaubern unterwegs begegnen. Ein neues Buch sammelt die lustigsten Sprachpannen aus aller Welt.

Und in der Klickstrecke heißt es:

Obwohl die Finnen doch angeblich so gut Englisch sprechen, scheint der Markenname “Megapussi!” für Erdnuss-Flips bis jetzt noch niemandem aufzustoßen.

Egal, wie schlecht das Englisch der Finnen sein mag, es ist immer noch besser als das Finnisch von express.de und mopo.de. “Pussi” ist nämlich das finnische Wort für “Tasche” (oder eben “Tüte”) und eine “Megapussi” ist eine sehr große Tasche/Tüte mit Erdnuss-Flips, Chips oder ähnlichem.

Das Wort “Megapåse”, das klein darunter steht, ist übrigens Schwedisch für “Mega-Tasche”, der Markenname der abgebildeten Erdnuss-Flips lautet “Jumbo Juusto”.

Freuen Sie sich also schon darauf, wenn die Sprachwissenschaftler von express.de und mopo.de herausfinden, wie sich Japaner am Telefon melden.

Mit Dank an Moritz G.

Bild  

Quelle: Rechtsfreier Raum

Ein junger Mann aus Duisburg, der sich über das Internet Zugriff auf die privaten Computer von Stars wie Lady Gaga, Justin Timberlake und Mariah Carey verschafft hatte, und sein Komplize standen gestern vor dem Duisburger Landgericht.

Die beiden Männer, die “Bild” wegen ihres geringen Alters “Bubi-Hacker” nennt, hatten sich unveröffentlichte Songs und private Fotos der Prominenten beschafft und teilweise teuer verkauft, die Sängerin Ke$ha damit auch erpresst. Dafür wurden die beiden zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Doch wie bebildert eine Zeitung wie “Bild” einen Artikel über zwei Kriminelle, die “sogar Nacktfotos geklaut” haben?

Natürlich mit einem geklauten Nacktfoto:

Dieses Privatfoto klauten die Bubi-Hacker von Teenie-Rockstar Kesha.

Bauer gegen Spiesser, Wired, Katastrophenjournalismus

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die wollen uns fertigmachen”
(journalist.de)
Frank Haring hat die Jugendzeitschrift “Spiesser” von einer Dresdner Schülerzeitung zu einem ernsthaften Konkurrenten der “Bravo” ausgebaut. Die Verlage streiten um Werbung und Auflage. “Haring ist es immer gelungen, den Spiesser als Magazin engagierter Schüler zu positionieren. Dazu trug viele Jahre auch der von ihm mit initiierte Jugendbildungsverein Sachsen bei, der zahlreiche Veranstaltungen mit dem Spiesser organisierte. Redakteure gaben Workshops, Vereinsleute organisierten Anzeigen. Es war für Außenstehende ein ziemliches Durcheinander. Kommerziell? Ehrenamtlich? Schwer zu durchschauen. Inzwischen ist der Verein aufgelöst.”

2. wired
(wirres.net, Felix Schwenzel)
“ich mochte die wired immer sehr. leider konnte ich sie mir wegen des astronomischen kiosk-preises nicht regelmässig kaufen.” Trotz seiner Begeisterung für die amerikanische Zeitschrift “wired” ist Felix Schwenzel vor dem Start einer deutschen Testausgabe als Beilage der “GQ” skeptisch. “leidenschaft sieht anders aus. die lust ein regelmässiges, geiles heft zu machen, mit grossen themen, steilen thesen, grossartigen autoren scheint schon im keim durch das von thomas knüwer sonst immer so leidenschaftlich kritisierte kissenpupser-bürokratie-dickicht von grossverlagen erstickt zu werden.”

3. Ich mach’ mir die Welt widdewidde wie sie mir gefällt
(katrinschuster.de, Katrin Schuster)
Das Bekenntnis einer ZEIT-Autorin, ihre Tochter “Germanys next Top-Model” sehen zu lassen, weil diese als selbstbewusste Mittelstandstochter eh keinen Schaden nehmen werde, stößt auf Widerspruch bei der freien Journalistin Katrin Schuster: “Genau darüber scheint sie sich im Grunde zu freuen. Schließlich sichern einzig solche Aufstiegsblockaden ihrer Tochter auch weiterhin die „besten Chancen“, ebenfalls Mittelschicht zu werden. Die Chance also, auch später zu denjenigen zu gehören, die sich stets so köstlich amüsieren, wenn wieder einmal ein paar „Friseurinnen, Hauptschülerinnen und Töchter von Migranten“ verzweifelt versuchen, sich nach oben casten zu lassen, und daran wieder einmal scheitern, weil: falsche Gene, Pech gehabt.”

4. Falsche Bruchrechnung
(juedische-allgemeine.de, Fabian Wolff)
Der unreflektierte Gebrauch des Wortes “Halbjude” in der “WAZ” stößt Fabian Wolff übel auf: “»Halbjude« gehört für mich in dieselbe Kategorie wie »Sonderbehandlung«, »Arbeit macht frei« oder »Jedem das Seine«. Nur dass diese Begriffe mittlerweile tabu sind. Beim »Halbjuden« ist so viel Sensibilität nicht vorhanden. ” Die WAZ-Redaktion entschuldigt sich.

5. Katastrophenjournalismus
(dradio.de/dkultur, Arno Orzessek)
“Was in den Tagen seit dem 11. März im Nordosten Japans geschah, erfuhr die Welt per Live-Ticker, im Internet, und durch Presse, Radio und Fernsehen. Es sind Medien, die das Publikum informieren. Und es sind die Medien, die damit die politische Willensbildung entscheidend mitprägen.”

6. Eine einfache Wahl
(faz.net, Michael Hanfeld)
Zur anstehenden Wahl des ZDF-Intendanten fasst Michael Hanfeld die Lage zusammen: “Thomas Bellut hat also längst gezeigt, dass er eine gute Wahl ist, er steht für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der keine Grenzen kennt, und genauso will ihn die Mehrheit der Parteipolitiker in diesem Lande, weil sie glaubt, so ihren Einfluss zu wahren. Und da holt die Zurechnung Thomas Bellut wieder ein, wie jeden anderen Intendanten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Eine Alternative hätten wir nur gerne einmal wenigstens gesehen.”

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