Archiv für Juni, 2011

Sexy Urlaubsfotos von Teenager-Mädchen

Menschen, die sexuelles Interesse an Minderjährigen zeigen, bezeichnet “Bild” als “Sex-Täter”. Männer, die sich tatsächlich an Minderjährigen vergriffen haben, nennt die Zeitung “Schwein”, “Dreckschwein” oder “Sex-Monster”.

Anders verhält es sich bei Menschen, die so etwas über Minderjährige schreiben:

Am Strand macht Aurora auch mindestens so eine gute Figur wie ihre Model-Mama. Das findet Michelle Hunziker wohl auch und lässt ihre Tochter für sexy (private) Urlaubsfotos posieren.

Die nennt Bild.de “Mitarbeiter”.

Aurora, die 14-jährige Tochter von TV-Moderatorin Michelle Hunziker, macht derzeit offenbar Strandurlaub mit ihrer Mutter. Und Bild.de schreibt:

Andere Teenies finden die Outfits ihrer Mütter oft nur peinlich! Michelle und Aurora wurden sogar im Partnerlook gesichtet: In knappen pinken Bikinis.

Und weil sich die Wenigsten vorstellen können, wie das so aussieht, wenn eine Frau und ein Mädchen knappe pinke Bikinis tragen, hat Bild.de eine kleine Bildergalerie zusammengestellt.

Im sexy Partnerlook: Michelle Hunziker und ihre Tochter Aurora haben Spaß am Strand von Formentera

Ganz schön heiß! Mama Michelle lässt Töchterchen Aurora für die Urlaubsfotos posieren

Wo ist eigentlich Stephanie zu Guttenberg, wenn man sie braucht?

Mit Dank an Timo W., Jan S. und Jan.

dapd  etc.

Hilfe!

Gestern Mittag vermeldete die Nachrichtenagentur dapd aufgeregt das “Aus für Notrufsäulen an deutschen Straßen bis Jahresende”. Wer bei dieser Überschrift angenommen hatte, die orangefarbenen Notrufsäulen entlang der Autobahnen (die ja durchaus als “deutsche Straßen” durchgehen dürften) würden – etwa bis Jahresende – verschwinden, wurde schon im ersten Satz eines besseren belehrt:

Alle Notrufsäulen an den deutschen Bundes-, Landes- und Kreisstraßen werden bis zum Jahresende abgebaut. Dies teilte die Björn-Steiger-Stiftung in Stuttgart auf Anfrage der Nachrichtenagentur dapd mit. (…)

Nicht betroffen vom beschlossenen Abbau sind die derzeit rund 16.000 Notrufsäulen an den deutschen Autobahnen, für die der Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) zuständig ist.

Aber auch das war offensichtlich nicht ganz richtig, denn dapd verschickte rund vier Stunden später eine “Berichtigung”. Dort hieß es nun:

Nur Baden-Württemberg behält Notrufsäulen

Was genau es bedeutet, wenn “nur Baden-Württemberg” die Notrufsäulen behält, erklärte dapd natürlich auch gerne:

Nur Baden-Württemberg behält Notrufsäulen an den Bundes-, Landes- und Kreisstraßen, in den anderen Bundesländern werden sie abgebaut. Das teilte die Björn-Steiger-Stiftung in Stuttgart auf Anfrage der Nachrichtenagentur dapd mit. Bundesweit gibt es den Angaben zufolge derzeit knapp 2.100 Säulen, davon allein rund 1.800 in Baden-Württemberg.

dapd hatte also herausgefunden, dass immerhin 14% der noch bestehenden Notrufsäulen an deutschen Bundes-, Landes- und Kreisstraßen abmontiert werden sollen — nämlich die außerhalb Baden-Württembergs. Die restlichen der ehemals rund 7.000 Notruftelefone sind nämlich seit der Einführung eines Handyortungssystem für die Leitstellen im Jahr 2006 sukzessive abgebaut worden, wie uns die Björn-Steiger-Stiftung auf Anfrage erklärte.

Nun würde man als Laie sagen: “Hmmmmm, das ist dann wohl eher keine Meldung! dapd war sich nur zu fein, den ursprünglichen Schwachsinn komplett zurückzuziehen.” Doch Profis denken da anders.

“Bild” bringt heute auf der Titelseite folgende Kurzmeldung, die sich offensichtlich auf eine der ersten dapd-Varianten beruft:

Notrufsäulen an Bundesstraßen werden abgeschafft

Stuttgart – Alle Notrufsäulen an den deutschen Bundes-, Landes- und Kreisstraßen werden bis zum Jahresende abgebaut. Das teilte die Björn-Steiger-Stiftung in Stuttgart mit. Die Notrufsäulen seien nicht mehr finanzierbar. Außerdem habe die heute selbstverständliche Handynutzung sowie die nun mögliche Ortung von Mobiltelefonen die Säulen zuletzt zunehmend überflüssig gemacht. Bundesweit gibt es noch rund 2000 Säulen. Nicht betroffen sind die rund 16000 Notrufsäulen an den Autobahnen.

Diese Quelle muss auch der “Tagesspiegel” benutzt haben:

Notrufsäulen an deutschen Straßen verschwinden bis Jahresende

Stuttgart – Für die Notrufsäulen an Bundes-, Landes- und Kreisstraßen kommt das Aus. Sie würden bis zum Jahresende abgebaut, teilte die Björn-Steiger-Stiftung mit. Die Säulen seien nicht mehr finanzierbar. Zudem seien sie durch die Handynutzung zunehmend überflüssig. Nicht betroffen sind die 16 000 Notrufsäulen an den Autobahnen. dapd

Die “Süddeutsche Zeitung” brachte einen längeren Artikel, der auf der ersten dapd-Meldung basierte und auch die Online-Medien haben die NichtGeschichte natürlich dankbar aufgenommen — wobei abendblatt.de eine wahre Meisterleistung geglückt ist: In dem Artikel, der mit den Worten “nur Baden-Württemberg behält Notrufsäulen” beginnt, zeigt sich ein ADAC-Experte vom “kompletten Aus für die Notrufsäulen an Bundes-, Landes- und Kreisstraßen” überrascht. Der dapd hatte das ADAC-Zitat aus seiner berichtigten Fassung herausgenommen, weil sich das “komplette Aus” als wenig haltbar erwiesen hatte.

Auch die dpa erweckt seit gestern den Eindruck, der seit fünf Jahren voranschreitende Abbau der Notrufsäulen sei eine Neuigkeit:

Aus für Notrufsäulen – Steiger Stiftung baut ab

Stuttgart (dpa) – Die Björn Steiger Stiftung baut ihre Notrufsäulen bundesweit nach und nach ab. Von den ursprünglich 7000 Säulen stehen noch 2095, davon gut 1800 in Baden-Württemberg, sagte eine Sprecherin der Stiftung am Mittwoch in Stuttgart. Die hohen Kosten für das Notrufsystem über die Säulen an Bundes-, Landes- und Kreisstraßen seien in Zeiten von Handys nicht mehr zu rechtfertigen, begründete sie die Entscheidung. Nicht betroffen sind die Säulen an Autobahnen. Sie werden vom Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) betrieben.

Mit großem Dank an Tobias.

Hinweis, 19.10 Uhr: In der ursprünglichen Fassung dieses Eintrags hatten wir geschrieben, die dpa-Meldung sei “immer noch völlig unkorrigiert”. Die dpa erklärte uns dazu, dass es an der Meldung “nichts zu korrigieren” gebe, da alle Fakten korrekt wiedergegeben würden.

DDR-Journalisten, Frauenfußball, WWF

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Das Panik-Orchester”
(freitag.de, Jakob Augstein)
Jakob Augstein beurteilt den rechtlichen Kampf der Printverlage gegen öffentlich-rechtliche Anstalten und Internetpublizisten. “Die Verlage können es sich leisten, gegen die Öffentlich-Rechtlichen zu Felde zu ziehen und beim Leistungsschutz widersprüchliche Forderungen zu stellen, weil sie die Meinungs- und Veröffentlichungsherrschaft innehaben. Es ist für die Politik kein Spaß, sich mit dem Kartell der großen Häuser anzulegen. Wer will Springer, Burda, Süddeutsche, FAZ, DuMont und die WAZ-Gruppe gegen sich haben?”

2. “Die Katastrophen-Profiteure”
(sueddeutsche.de, Katharina Riehl)
Live berichtende Onlinemedien und Nachrichtensender profitierten überdurchschnittlich von der Katastrophe in Japan. Nachrichtenmagazine dagegen nicht.

3. “Niemand beim WWF will ein Feigenblatt sein”
(nzz.ch, Marco Metzler)
Marco Metzler befragt Hans-Peter Fricker, CEO des WWF Schweiz, zum ARD-Dokumentarfilm “Der Pakt mit dem Panda”: “Die Dame, die im Film zu Wort kam, arbeitete erst seit wenigen Wochen in einer unteren Charge beim WWF und ist schon deshalb keine repräsentative Sprecherin. Leider hat der Filmemacher das Angebot des WWF Deutschland abgelehnt, mit der wirklich zuständigen Fachperson ein Interview zu führen.”

4. “DDR-Journalisten im Visier”
(neues-deutschland.de, Wilfried Neiße)
Das ehemalige Zentralorgan der SED, “Neues Deutschland”, nennt das Gutachten von Ariane Mohl, das sich mit “personellen und institutionellen Übergängen im Bereich der brandenburgischen Medienlandschaft” befasst (Auszüge hier), “bizarr”. “Man erfährt wenig über die wirklichen Umbruchverhältnisse nach 1990, aber alles über einen von Rachsucht und Mitleidlosigkeit geplagten Menschen.”

5. “Die DFL und ihre Macht über die Medien”
(ndr.de, Video, 7 Minuten)
Wie Grit Fischer und Stephanie Zietz aufzeigen, unterliegt die Berichterstattung über Fußball vielfältigen Restriktionen des Deutschen Fußballverbands DFL.

6. “Mein Problem mit Frauenfußball”
(novo-argumente.com, Matthias Heitmann)
Durch gezielte Regelveränderungen in den letzten Jahren sei der Fußball familienfreundlicher, friedlicher und weniger draufgängerisch gemacht worden, glaubt Matthias Heitmann. “Von der traditionellen Gewissheit, dass das Fußballstadion der einzige Ort sei, an dem Erwachsene nicht nur hemmungslos weinen, sondern auch das Wort ‘Wichser’ schreien können, so oft und so laut sie wollen, ohne die geringste Aufmerksamkeit zu erregen, wie es Nick Hornby in seinem Roman ‘Ballfieber’ liebevoll schildert, entfernen wir uns immer mehr.”

Weniger ist oft mehr

Zu den regelmäßigen Steuervereinfachungsvorschlägen des ehemaligen Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof kann man ja stehen wie man will. “Bild” und Bild.de beispielsweise brechen jedesmal in Jubelarien aus, wenn “Deutschlands klügster Steuerexperte” bzw. “einer der besten Köpfe für das Amt des Finanz- und Haushaltsministers” ein System fordert, bei dem die Steuererklärung auf einen Bierdeckel passt.

Die Reaktion von Bild.de auf Kirchhofs jüngsten Vorstoß ist daher wenig überraschend:

Das Kirchhof-Modell: Weniger Steuerlast für alle! BILD.de erklärt den Plan von Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof, über den plötzlich wieder alle reden
Er ist 68 Jahre alt, sehr klug – und war schon in der Versenkung verschwunden. Jetzt ist Ex-Verfassungsrichter Prof. Paul Kirchhof wieder da, stellte ein radikal vereinfachtes Steuersystem vor. (…)

Steuern zahlen soll wieder Spaß machen! Der Ehrliche soll nicht mehr der Dumme sein! Das soll kein Traum bleiben, sondern kann sofort Wirklichkeit werden, sagt Prof. Paul Kirchhof. (…)

• Das Allerwichtigste: Weniger Steuerlast für alle!

Wen genau Bild.de in der Überschrift mit “alle” meint, wird gegen Ende des Artikels deutlich:

Allerdings muss das Modell (…) dem Praxistest standhalten. Erste grobe Berechnungen deuten auf eine mögliche Mehrbelastung geringerer Einkommen hin.

• Demnach könnte ein Alleinstehender mit 2000 Euro Bruttoeinkommen/Monat im Kirchhof-Modell 291 Euro statt 229 Euro Steuern bezahlen.

• Wer 3000 Euro brutto im Monat verdient, könnte mit 541 Euro statt 494 Euro belastet werden. Bei 3500 Euro/Monat ist die Steuerbelastung mit rund 650 Euro in etwa gleich.

• Bei höheren Einkommen dürfte die Steuerlast dann deutlich sinken. Ein Single mit 5000 Brutto/Monat könnte fast 200 Euro pro Monat sparen.

Da ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung weniger als 3500 Euro brutto verdient, wäre damit immerhin geklärt, wen “Bild” und Bild.de meinen, wenn sie mal wieder Begriffe wie “Deutschland” oder “alle” verwenden: Besserverdienende.

Höhenflug durch Raum und Zeit

Irgendwann ist den Journalisten aufgefallen, dass Politik nichts ist, womit man die Leser begeistern kann: Trockene Sachfragen, lange Debatten und Ausschusssitzungen und viel zu wenig Tore.

Zur Hilfe kamen ihnen da die Meinungsforschungsinstitute, die der Politik die sportliche Komponente gaben, die ihr bisher fehlte: Die wöchentliche Tabelle in Form von Meinungsumfragen. Forsa etwa befragt jede Woche für die Illustrierte “Stern” und den TV-Sender RTL rund zweieinhalbtausend Wahlberechtigte, die Ergebnisse dieser Umfrage kann man dann – nach Verbreitung durch die Nachrichtenagenturen – quasi überall nachlesen.

Zum Beispiel bei “Welt Online”:

Wahltrend: Grüner Höhenflug vorbei – FDP bei fünf Prozent. Beim ihrem Sonderparteitag haben die Grünen einen Grundsatzkonflikt überstanden. Trotzdem verlieren sie in der Gunst der Wähler.

Nun könnte man einwenden, dass der “grüne Höhenflug” so vorbei noch nicht sein kann, wenn die Partei mit 24 potentiellen Prozenten immer noch vor der SPD (23) liegt. Oder dass die Partei womöglich nicht trotz des Sonderparteitags bei ihren treuen Wählern verloren hat, sondern deswegen — immerhin hatten die Grünen lange darüber gestritten, ob sie den Plänen der Bundesregierung zustimmen sollen, bis zum Jahr 2022 aus der Kernenergie auszusteigen.

Doch das wäre alles überflüssige Gedankenleistung.

“Welt Online” selbst schreibt:

Für den Wahltrend befragte Forsa vom 20. bis 24. Juni 2506 repräsentativ ausgesuchte Bundesbürger.

Der Sonderparteitag der Grünen fand aber erst am 25. Juni statt.

Und wenn Sie glauben, so etwas ähnliches schon mal bei uns gelesen zu haben: ja.

Deutsche Welle, Yogeshwar, Klotzek

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Deutsche Welle nutzt kundenkunde.de als ‘Inspiration'”
(kundenkunde.de, Peter Soltau)
Ein aktueller Beitrag von dw-world.de erinnert Peter Soltau an einen eigenen Text, den er im Mai 2010 veröffentlicht hatte.

2. “Experten fordern nach Fukushima Besinnung auf journalistische Grundtugenden”
(kas.de)
In der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung wurde eine Bilanz zur Fukushima-Berichterstattung gezogen. Dem Fernsehen attestierte Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar eine “miserable Rolle”, was bemerkenswert sei, denn anders als 1986 bei der Katastrophe von Tschernobyl sei zahlreiches aktuelles Bildmaterial vorhanden gewesen. Siehe dazu auch einen Bericht von pro-medienmagazin.de.

3. “‘Neon’-Gründer soll SZ-Magazin aufpolieren”
(dradio.de, Georg Gruber)
Georg Gruber porträtiert den neuen SZ-Magazin-Chefredakteur Timm Klotzek. “Um sich überhaupt nicht angreifbar zu machen, finde ich ist es wirklich wichtig, dass man Geld verdient mit seinem Titel und dass man sagt: diese Freiheit, Geld auszugeben für Recherchen, die erarbeitet man sich besser und ist nicht auf verlegerische Gönner angewiesen.”

4. “Ein Tag vorm Fernseher”
(katalogvonallem.wordpress.com, Florian Leu)
Nach sechs Jahren TV-Abstinenz verbringt Florian Leu einen Tag von 8 Uhr bis 20 Uhr vor dem Fernseher: “2 Stunden und 31 Minuten sitze ich erst hier, doch ich habe schon die halbe Welt gesehen: einen Zoowärter, der mit einer Giraffe redet, sprechende Katzen, Präsident Obama, die U-17-Nationalmannschaft, handverlesene Nazis, Rentner als Talkshow-Claqueure. Ich vermute: Fernsehsender haben Verträge mit Altersheimen geschlossen und teilen sich die Betreuung.”

5. “The Brain on Trial”
(theatlantic.com, David Eagleman, englisch)
Aussergewöhnliche kriminelle Taten werden von Boulevardmedien gerne zum Mysterium hochgeschrieben. In einzelnen Fällen sind die Ursachen banaler – es handelt sich um neurologische Gründe.

6. “10 Fragen an Yang Yanyi”
(de-cn.net)
Yang Yanyi, “Expertin für komparatistische musikpädagogische Forschung zu Deutschland und China”, erzählt, wie sie Deutschland und die Deutschen wahrnimmt.

Reinkarnation: Gesteinigter Hund war Ente

Die Geschichte könnte aus einem Monty-Python-Film stammen, stand aber in der halben Welt auf den Nachrichtenseiten. In der Version von “Spiegel Online” geht sie so:

Gericht verurteilt Hund zum Tod durch Steinigung. Ein Hund läuft in ein Justizgebäude und sorgt dort für Panik - dafür hat ein israelisches Rabbiner-Gericht das streunende Tier zum Tod durch Steinigung verurteilt. Ein Richter hielt den Störenfried offenbar für die Reinkarnation eines missliebigen Anwalts.

Sie können sie aber gerne auch auf den Internetseiten der “Süddeutschen Zeitung” (dort erstaunlicherweise im Ressort “Service”), der “B.Z.”, der “Rheinischen Post” oder des “Stern” nachlesen, falls Sie sie in den gedruckten Ausgaben von “Tagesspiegel”, “Bild”, “Express” oder “Hamburger Morgenpost” verpasst haben. Im Online-Auftritt der BBC war das Stück zeitweise einer der am häufigsten weiterverbreiteten Nachrichtentexte.

Den Experten vom “Berliner Kurier” war es sogar gelungen, ein Foto des Tieres zu bekommen (siehe rechts), obwohl es sich — so geht die Geschichte jedenfalls weiter — der Vollstreckung des Todesurteils durch Weglaufen entzogen hatte.

Die Geschichte ging vor allem dank der tatkräftigen Unterstützung durch die Nachrichtenagentur AFP um die Welt und löste teilweise anti-semitische Hassausbrüche aus. Und sie ist, Überraschung!, falsch. (Und der Hund auf dem Foto nur ein Symbolhund.) Die Wahrheit ist ein bisschen weniger spektakulär:

Ein Hund war ins Gerichtsgebäude gekommen.

Er ließ sich nicht ohne weiteres vertreiben.

Die Richter riefen den städtischen Hundefänger.

Schon in der Version, die die israelische Internetseite ynetnews.com veröffentlicht hatte und eine Quelle für viele der Falschmeldungen war, hatte ein Dementi gestanden. Entgegen der reißerischen Überschrift “Dog sentenced to death by stoning” behauptete der Artikel letztlich nur, dass die Richter spielende Kinder aufgefordert hätten, den Hund mit Steinen zu vertreiben. Die Nachrichtenagentur AFP ließ diesen Teil der Geschichte beim Weitererzählen der Einfachheit halber weg und weigert sich bis heute, ihren Fehler zu korrigieren.

Auch die Katholische Nachrichtenagentur KNA verbreitete die Story, schob vier Tage später aber immerhin eine Meldung “Rabbiner dementieren Bericht über Steinigung für einen Hund” nach. Die fand erstaunlicherweise nicht ganz so große Resonanz.

Viele internationale Medien haben die Falschmeldung inzwischen gelöscht, korrigiert oder sich entschuldigt. Deutschen Journalisten scheint das vergleichsweise egal zu sein.

Mit Dank auch an Arne P. und H.N.

Nachtrag / Korrektur, 17:55 Uhr. “Spiegel Online” hat die Meldung doch korrigiert, oder genauer: einen neuen Artikel mit dem Dementi veröffentlicht, den ursprünglichen Artikel aber aus irgendwelchen Gründen unverändert gelassen.

Miami Vize

Gary Foster, ein früherer Mitarbeiter des amerikanischen Finanzdienstleisters Citigroup, ist angeklagt, über 19 Millionen Dollar unterschlagen und auf sein eigenes Konto überwiesen zu haben. Vielleicht tröstet ihn da ja ein wenig, dass er von den deutschsprachigen Medien nachträglich ganz an die Spitze seiner Bank befördert wurde.

Ursprung der Falschmeldung dürfte dieser Bericht der Nachrichtenagentur “Reuters” sein:

Ex-Citi-Spitzenmanager soll Bank 19 Mio Dollar gestohlen haben

(…) Ein früherer Spitzenmanager der US-Bank Citigroup soll dem Geldhaus rund 19 Millionen Dollar gestohlen haben. Dem einstigen Citi-Vizepräsidenten Gary Foster werde vorgeworfen, zwischen Mai 2009 und Dezember 2010 das Geld von Citi-Konten auf seine eigenen umgeleitet zu haben, teilten die US-Anklagebehörden am Montag mit.

Zwar ist es korrekt, dass Foster den Titel “Vice President” – oder, um genau zu sein, “Assistant Vice President” – führte, aber das bedeutet noch lange nicht, dass der durch den deutschen Begriff Vizepräsident korrekt übersetzt ist. Im amerikanischen Firmen gibt es nämlich zahlreiche Vice Presidents (BILDblog berichtete), deren untere Ränge mit einem einfachen Abteilungsleiter vergleichbar sind. Ein dem deutschen Verständnis eines Vizepräsidenten entsprechender Senior Executive Vice President bzw. Deputy President steht bis zu sieben Stufen über dem ehemaligen Assistant Vice President Gary Foster:

  1. Senior Executive Vice President (SEVP) = Deputy President
  2. Executive Vice President (EVP)
  3. Group Vice President (GVP)
  4. Senior Vice President (SVP)
  5. Corporate Vice President (CVP) – First Grade Executive Officer (or VP of old type company)
  6. First Vice President (FVP)
  7. Vice President (VP)
  8. Assistant or Associate Vice President (AVP)

Und während Gary Foster von der “New York Times” korrekt als “midlevel accountant in Citigroup’s Long Island City back office” bezeichnet wird, beförderten ihn deutschsprachige Medien durchweg zum “Ex-Citigroup-Vize”, “Ex-Citi-Vize”, “ehemaligen Spitzenmanager”, zur “ehemaligen Führungskraft” oder gar zum “Ex-Citi-Spitzenmanager”. Einzig die “Financial Times Deutschland” ordnet Foster korrekt dem “mittleren Management” zu.

Mit Dank an Frank (danke auch für den tollen Reim).

Nachtrag, 18:03 Uhr: Tagesschau.de und “Spiegel Online” haben sich inzwischen korrigiert und weisen jeweils am Ende des Artikels transparent darauf hin. Bei “Spiegel Online” scheint sich die Korrektur aber hauptsächlich auf die Überschrift zu konzentrieren. Im Teaser und im Text ist immer noch die Rede von einem “früheren Spitzenmanager” und “einstigen Top-Manager”.

Nico Rosberg, Pink, Frankreich, Brandenburg

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Es gab eine gravierende Fehlinterpretation”
(nicorosberg.com)
Formel1-Rennfahrer Nico Rosberg stellt eine Abschrift eines Interviews online, das wegen einer Aussage zur Fußball-WM der Frauen für Aufregung gesorgt hatte.

2. “Important Note From P!nk”
(pinkspage.com, englisch)
US-Sängerin Pink schreibt über Paparazzi: “Why are celebrities/public figures having to seek restraining orders to keep strange grown men with still and video cameras from sitting perched outside of their children’s pre-schools and elementary schools, preying on little innocent kids? (…) To anyone out there that buys a magazine, or goes onto a website to look at pictures of other people’s children, may you at least think for a second about what you may inadvertently be supporting.”

3. “It’s not permission to be sloppy”
(guardian.co.uk, Frédéric Filloux, englisch)
Frédéric Filloux vergleicht journalistische Standards: “French journalists are not genetically worse than others. It’s their culture; they are simply poorly trained and managed.” Über die prekäre Situation von Journalisten in Frankreich berichtet auch die Sendung “Kontext” des Schweizer Radios (Audio, Margrit Hillmann, 27:30 Minuten).

4. “Bauchnabel”
(kontextwochenzeitung.de, Willi Germund)
In der Auslandsberichterstattung deutscher Medien gehe es immer weniger um das Ausland und immer mehr um Deutschland, beklagt Willi Germund.

5. “Einmal DDR-Blatt, immer DDR-Blatt?”
(moz.de, Dietrich Schröder)
Für die “Märkische Oderzeitung” bespricht Dietrich Schröder das Gutachten “Personelle und institutionelle Übergange im Bereich der brandenburgischen Medienlandschaft” von Ariane Mohl (öffentliche Diskussion der Enquete-Kommission des Brandenburger Landtags am 1. Juli). Der letzte Satz lautet: “Kein differenzierter Umgang mit der Geschichte.”

6. “Die Leiden des stöhnenden Porno-Beat”
(20min.ch, A. Hirschberg)
Ein auf YouTube vielfach verbreiteter Casting-Auftritt einer Pornovideo-Audio-Synchronisation belastet das Leben eines Ostschweizers schwer. Gegen die Aufnahme vorgehen kann er nicht, da er die Rechte daran abgetreten hat. “Wenn alle seine Geschichte kennen, wird er weniger interessant, glaubt er. Die Leute werden ihn dann endlich wieder in Ruhe lassen – vielleicht.”

Hier kommt die Gegendarstellung

Vor rund zwei Wochen brachte die “Berliner Zeitung” ein Porträt, das Antje Hildebrandt über Elton geschrieben hatte, “Deutschlands ältesten Show-Praktikanten”.

Darin hieß es über dessen mögliche Zukunft:

Gerade hat Stefan Raab seinen Praktikanten via Bild-Zeitung als Bewerber für die Nachfolge von Thomas Gottschalk bei “Wetten, dass..?” ins Spiel gebracht.

Dieser Satz musste jeden stutzig machen, der um das (schlechte) Verhältnis von Raab zu “Bild” weiß.

Wer auch um Stefan Raabs Hang zu Gegendarstellungen weiß, konnte also ahnen, was als nächstes passieren würde.

Heute war es dann endlich soweit:

Gegendarstellung

Die Berliner Zeitung veröffentlichte am 16.06.2011 den Artikel “Der Opel Corsa unter den Moderatoren”, in dem auch über mich berichtet wurde. In dem Artikel heißt es. “Gerade hat Stefan Raab seinen Praktikanten via Bild-Zeitung als Bewerber für die Nachfolge von Thomas Gottschalk bei “Wetten, dass..?” ins Spiel gebracht.” Dazu stelle ich fest, dass ich diese Empfehlung nur in meiner Sendung “TV Total” ausgesprochen habe. Köln, den 23.06.2011, Stefan Raab.

Stefan Raab hat recht. Die Redaktion.

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