Archiv für April, 2011

Fast-Zusammenstoß mit der Realität

Ob Flugzeug oder Hubschrauber — wann immer in luftiger Höhe etwas schief geht, haben “Bild” und Bild.de eine passende Schlagzeile parat. Besonders, wenn ein Prominenter eine Rolle spielt. Und so bedachte Bild.de am Mittwoch einen Zwischenfall, bei dem ein Flugzeug mit Michelle Obama an Bord zu einem Ausweichmanöver veranlasst worden war, gleich mit zwei Schlagzeilen:

Zuerst, um 7.18 Uhr:

Beinahe-Zusammenstoß mit Militärtransporter! Michelle Obama entkommt Flugzeug-Katastrophe Schon wieder ein Fluglotsenfehler?

Dann noch einmal um 13.57 Uhr:

‘Michelle

Und tatsächlich hat die US-Flugaufsicht FAA einen Vorfall bestätigt, bei dem die Flugzeuge allerdings “zu keinem Zeitpunkt” in Gefahr gewesen seien. Immerhin war Michelle Obama wirklich an Bord — was ja sonst nicht zwingend erforderlich ist, um Beinahe-Katastrophen “knapp” zu entgehen.

Doch was war jetzt eigentlich los?

Sehr spät aber noch rechtzeitig bemerkten die Piloten, dass ein Militärtransporter (Typ C-17) der landenden Obama-Maschine in die Quere kommen könnte. Der Transporter wollte starten, es war jedoch nicht klar, ob er dies rechtzeitig schaffen würde. Zeitweise waren die beiden Maschinen nur 4,5 Kilometer voneinander entfernt! Vorgeschrieben sind aber mindestens 8 Kilometer, um gefährliche Turbulenzen zu vermeiden.

Wie ein am Boden stehendes Flugzeug Turbulenzen verursachen soll, die eine kilometerweit entfernte Boeing 737 in Schwierigkeiten bringen, erscheint rätselhaft. Die Auflösung ist jedoch einfach: offenbar hat Bild.de Start- und Landebahn verwechselt. Nach dem Bericht der “Washington Post”, auf die sich Bild.de bezieht, wollte der Militärtransporter nicht etwa starten, sondern setzte kurz vor der Regierungs-Maschine zur Landung an.

Die Flugzeuge drohten zu keinem Zeitpunkt in der Luft zu kollidieren. Sehr wohl bestand aber die Möglichkeit, dass die Boeing 737 in Turbulenzen geraten könnte, die von dem voranfliegenden Militärflugzeug verursacht worden waren. Damit auch die Landebahn sicher geräumt war, musste die Maschine mit Michelle Obama an Bord lediglich eine Warteschleife drehen.

Grund für die Verwechslung ist wahrscheinlich eine Meldung der Nachrichtenagentur AFP, die bereits um 2.11 Uhr gemeldet hatte:

Beim Landeanflug bemerkten die Fluglotsen in Andrews den Berichten zufolge, dass die Boeing einem Militärtransporter in die Quere kommen könnte, der im Begriff war zu starten. Sie fürchteten, die Militärmaschine würde nicht rechtzeitig abheben, und wiesen die Präsidentenmaschine an, eine Extrarunde zu drehen. Der Tower am Armeestützpunkt wies die Verantwortung für den Fehler einem zivilen Fluglotsen in der Region Washington zu.

Von AFP hat wohl auch sueddeutsche.de die Verwechslung übernommen:

Obamas Pilot hatte bereits zum Anflug auf die Andrews Air Force Base angesetzt, als die Fluglotsen des Stützpunktes bemerkten, dass die Boeing einem Militärtransporter vom Typ C-17 in die Quere kommen könnte, der im Begriff war zu starten. Da Gefahr bestand, das Militärflugzeug könnte nicht rechtzeitig abheben, wiesen sie die Präsidentenmaschine an, eine Extrarunde zu drehen.

Mit Dank an Hans E., Markus S. und Till G.

Zukunst

Für die folgende Lektüre empfiehlt sich die Titelmusik von “Akte X” als Soundtrack.

Es ist ein ungewöhnlicher Ort für Prophezeiungen, die denen des Nostradamus gleichen. Und doch: Beim letztjährigen Wettbewerb “Jugend creativ” der Volksbanken und Raiffeisenbanken hat die damals 16-jährige Monja aus Hünfeld ein “nahezu hellseherisches” Bild gemalt, auf dem sie die Katastrophen in Japan vorausgesehen hat!

So berichtet zumindest die “Fuldaer Zeitung”:

"Da saß der Schock erstmal tief" Überschwemmungen, Erdbeben, Tsunamis, Atomkrise - das sind die modernen Geißeln der Menschheit. In nahezu hellseherischer Fähigkeit hat die 17-jährige Monja die aktuellen Katastrophen der Welt bereits vor einem Jahr auf einem Bild vorausgesehen

Und natürlich sprang auch “Bild”, das Fachjournal für alles Mysteriöse, sofort auf den Zug auf:

Unheimlich Schülerin (17) malte Japan-Unglück vor einem Jahr! Auf dem Bild zu sehen: Die Tsunami-Welle trifft ein Atomkraftwerk (oben rechts)

Ganz Clevere könnten die Mystery-Stimmung jetzt natürlich mit kritischen Fragen kaputtmachen: Warum sind denn da Eisbären? Ist damit das frühe Ableben von Knut gemeint? Was sollen die toten Bäume und der Tornado? Was hat der Sturm links oben im Bild mit Japan zu tun? Und warum sehen die Menschen so gar nicht japanisch aus?

Die Antwort auf diese Fragen hat einen so geringen Mystery-Faktor, dass Sie den Soundtrack jetzt besser stoppen: Der Titel des Wettbewerbs lautete nämlich “Mach dir ein Bild vom Klima” und genau das ist der Grund, warum auch die anderen Bilder im Wettbewerb ziemlich apokalyptisch wirken.

Bei der “Fuldaer Zeitung” ist das eigentlich bekannt:

[Monja G.] habe damals versucht, für den Wettbewerb mit dem Thema “Klima” möglichst viele entsprechende Probleme in der Illustration unterzubringen. Sie habe sich damals an die Tsunami-Wellen von 2004 erinnert, und von der Tschernobyl-Katastrophe hat sie viel gehört (…)

Dennoch schreibt die Autorin nur einen Absatz später, als hätte es das Rahmenthema des Wettbewerbs nie gegeben und als wäre Monja gerade einmal sieben Jahre alt gewesen als sie das Bild anfertigte:

Monjas Bild ist erschreckend, beklemmend (…). Keine hübsche Blumenwiese, keine freundliche Sonne am hellblauen Himmel, die die Erde in einen paradiesischen Zustand taucht, keine friedliche Naturwelt waren dargestellt, wie so oft der Fall in dieser Altersklasse. Statt dessen: beängstigende Wirklichkeit.

Immerhin dient die ganze künstliche Aufregung einem guten Zweck:

Damit Monja ihr Werk behalten kann, will die VR-Bank Faksimiles in A3-Größe, also Nachdrucke, erstellen. Diese sollen für eine Spende ab zehn Euro abgegeben werden.

Die Spendenbereitschaft würde vermutlich deutlich ansteigen, wenn sich Monja in Zukunft auf Lottozahlen spezialisiert und dabei am besten nicht immer alle 49 dafür in Frage kommenden Zahlen malt.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

GEZ, Focus, Tripolis

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wie die Medien ticken”
(kontextwochenzeitung.de, Rainer Nübel)
Rainer Nübel beschreibt das Affirmationsprinzip, dem viele Leser folgen: “Bestätigt das Medium durch Berichte oder Kommentare meine eigene Position, ist es gut und seriös – stellt es meine eigene Sichtweise in Frage, negiert oder karikiert sie sogar, dann ist es schlecht und ein Paradebeispiel für den inhaltlichen Verfall der Presse.” Weiter konstatiert Nübel einen die Glaubwürdigkeit untergrabenden Mangel an Transparenz bei den Medien.

2. “Gefangene Gaddafis – mit Swimming Pool und türkischem Bad”
(welt.de, Alfred Hackensberger)
Journalisten in Tripolis stehen unter Hausarrest, schreibt Alfred Hackensberger: “Die organisierten Ausflüge sind immer an Regime-Jubelveranstaltungen gekoppelt. Wie aus dem Nichts tauchen Gaddafi-Anhänger auf, die mit Postern und Fahnen ein aufdringliches Spektakel inszenieren.”

3. “Aphrodites Fingerzeig”
(tagesspiegel.de, Gerd Höhler und Sonja Pohlmann)
Wegen der “Focus”-Titelgeschichte “Betrüger in der Euro-Familie” reichen sechs Griechen Strafanzeige gegen Herausgeber Helmut Markwort ein: “Gegen ihn sowie neun Redakteure und Mitarbeiter des Magazins ermittelt die griechische Staatsanwaltschaft wegen Verleumdung, übler Nachrede und Verunglimpfung der Symbole des griechischen Staates.”

4. “Der Pressekodex – nur ein stumpfes Schwert im Kampf um eine faire Berichterstattung?”
(mediensalat.info, Ralf Marder)
Wie Boulevardmedien über einen in Berlin festgenommenen Fussballspieler aus der 3. Liga berichten.

5. “Personen, Posen, Prominente”
(journalist.de, Anna-Kristine Wipper)
Fotos: Was ist presserechtlich erlaubt und was nicht?

6. “Die fetten Jahre sind nicht vorbei”
(faz.net, Michael Hanfeld)
Nach Ansicht von Geschäftsführer Hans Buchholz benötigt die Gebühreneinzugszentrale GEZ mit dem vereinfachten Gebühreneinzug ab 2013 rund vierhundert neue Mitarbeiter.

Testfahrt mit geschlossenen Augen

Der Heide-Park Soltau ist um eine Fahrattraktion reicher und lädt Promis und Presse zur Jungfernfahrt mit der “Krake” ein. Während es Jimi Blue Ochsenknecht noch in die erste Reihe geschafft hat, muss “Bild am Sonntag”-Autor Timo Friedmann sich mit einem Platz weiter hinten begnügen.

Von einem V-Bügel in den Sitz gepresst überstand unser Reporter gestern die Jungfernfahrt auf dem Dive Coaster im Heidepark Soltau, den er ab sofort Heidenangstpark Soltau nennt.

Aus der zweiten Reihe stammt dann auch sein selbstreflexiver Erfahrungsbericht. Ganze vier von fünf Absätzen verwendet er erst einmal darauf, den Leser wissen zu lassen, was für ein Angsthase er eigentlich ist:

Die Beine baumeln halt- und willenlos in der Luft, neben mir schreit ein Mensch, doch ich kann ihm nicht helfen, ein v-förmiger Bügel presst mich in die Schalensitze. Der Wagen setzt sich in Bewegung. Er wird in 42 Meter Höhe gezogen, von einer Vorrichtung, für die vielleicht der verliebte Arbeiter zuständig war. Wer weiß?

Immer wieder fragt er sich, was wohl bei nachlässiger Arbeit alles passieren könnte. Der eigentliche “Erfahrungsbericht” spielt sich dann auf wenigen Zeilen ab:

Denn jetzt geht es runter. 42 Meter! Freier Fall! Fast senkrecht! Dem Wasser entgegen! Hinein ins Maul der Krake! Durch ein Schiffswrack hindurch. Unter Wasser, wohlgemerkt. Nach dem Wiederauftauchen werden wir durch einen Looping geschleudert, der aber kaum jemandem noch Adrenalin einflößen kann.

Vor lauter Panik scheint Friedmann bei diesem Teil der Fahrt die Augen geschlossen gehabt zu haben. So muss ihm entgangen sein, dass die Fahrt mitnichten in das Maul der Krake oder durch ein Schiffswrack hindurch führt.

Die Bahn fährt lediglich an dem Krakenmaul und dem Schiffswrack vorbei, wie uns Klaus Müller, Pressesprecher des Heide-Parks, versichert. Auch die Fahrt unter Wasser finde so nicht statt. Ein Teil der Schienen läge nahe der Wasseroberfläche und eine Fontäne werde ausgelöst. “Nass wird dabei aber kein Fahrgast”, sagt Müller. Letztlich ende die Fahrt auch nicht mit einem ganzen Looping, sondern mit einer sogenannten Immelmann-Kehre. Nach einem halben Looping aufwärts fährt die Bahn eine Schraube abwärts.

Auch auf themeparkreview.com gibt es eine Reihe von Bildern vom Eröffnungstag, die Müllers Aussagen bestätigen und Friedmanns Erlebnis ein kleines bisschen in Frage stellen.

Mit Dank an Philip L. und Andreas L.

Volontäre, Neues Deutschland, Kate Middleton

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “ZDF: Mit diesen Zwei twittert man besser”
(gutjahr.biz, Richard Gutjahr)
Die Twitter-Konten @zdfonline und @zdfneo wurden nicht von offizieller Seite initiiert und geführt, sondern von zwei Mittzwanzigern aus Schwäbisch Hall und Heilbronn. Inzwischen haben die beiden einen Arbeitsvertrag erhalten.

2. “Wie die Süddeutsche ihre Volontäre rekrutiert”
(meedia.de, Henning Ohlsen)
Wer kein abgeschlossenes Studium vorweisen kann, hat keine Chancen, bei der “Süddeutschen Zeitung” Volontär zu werden. “Abgeschlossenes Studium muss sein, am liebsten Master-Abschluss.” Ausserdem wird erwartet, dass bereits Praktika bei Print- und Online-Medien absolviert wurden.

3. “Jetzt sprechen die Schleichwerber”
(blogs.taz.de/rechercheblog, Sebastian Heiser)
“Das Neue Deutschland druckt häufiger Artikel gegen Bezahlung als bisher bekannt. Die Zeitung räumte in einem Artikel ein, bei der von der taz aufgedeckten Praxis handele es sich keinesfalls um eine Ausnahme.”

4. “Der reine Sportfotograf wird in der Masse nicht mehr wahrgenommen”
(direkter-freistoss.de, René Martens)
René Martens spricht mit Sportfotograf Lutz Bongarts: “Ich habe die Zeit noch erlebt, als es keine Werbebanden gab. Die Fotografen konnten sich am Spielfeld überall frei bewegen, auch rund um die Trainerbänke. Man konnte sich auch ganz flach auf den Boden legen. Das geht heute aufgrund der hohen Werbebanden nicht mehr.”

5. “Ja, sicher!”
(20min.ch, obi)
Das US-Klatschmagazin “Star” vermeldet nun schon zum zweiten Mal eine angebliche Schwangerschaft von Kate Middleton.

6. “Springer-Verlag gibt zu, dass es sich bei ‘Bild’ um Satirezeitung handelt”
(der-postillon.com, Satire)

Deutschland sucht die Superheuchler

Heute erklärt “Bild” auf der Titelseite, es gebe “Ärger um Schreyl”: Ärger um SchreylMarco Schreyl, Moderator von “Deutschland sucht den Superstar”, reiße “seit Wochen” “eine schmuddelige Zote nach der anderen” und habe in der Show vom vergangenen Samstag einen “neuen Tiefpunkt” erreicht.

Schreyl hält die zwei Glückskugeln von Sarah Engels wie zwei Hoden in der Hand, sagt bewusst zweideutig: “Damit gehe ich immer besonders vorsichtig um.”

Zur Bestätigung des behaupteten “Ärgers” reißt “Bild” ein paar Sätze aus einem Artikel des Mediendienstes DWDL.de über Homosexuelle im deutschen Fernsehen aus dem Kontext, wodurch der Tenor des Artikels so klingt, als seien gar nicht Schreyls Sprüche das eigentliche Problem für Sven Kuschel und Daniel Cremer, sondern dessen sexuelle Orientierung.

“Bild” nutzt sogar die Gelegenheit, endlich mal wieder Michelle Hunziker ins Gespräch zu bringen, für deren Rückkehr zu “DSDS” die Zeitung seit mehr als fünf Jahren unermüdlich kämpft.

Was die “Bild”-Redaktion sonst so von schmuddeligen Zoten und bewussten Zweideutigkeiten hält, kann man dann heute bei Bild.de (anhand eines alten Fotos) bewundern:

Schräger Pokal: Seit diesem Kuss ist Golf-Star Cristie in aller Munde...

Mit Dank auch an Roman S., Arne M. und Marc.

Niveau ist keine Hautcreme

“Brigitte Woman”, das “Magazin für Frauen über 40”, widmet sich in seiner aktuellen Ausgabe einer ganz besonderen Farbe:

Ein Blau geht um die Welt. Die Welt ist bunt. Aber es gibt da ein blaues Kosmetikprodukt, das findet man in nahezu jedem Land der Erde — und an den merkwürdigsten Plätzen. Eine Geschichte in Bildern.

Ein “blaues Kosmetikprodukt”, also. Oder auch eine “bekannte Kosmetikmarke”, die mehr als 500 Produkte herstellt, “die alle den blau-weißen Markennamen tragen”.

Die Fotostrecke ist nicht als “Anzeige” oder “Sonderveröffentlichung” gekennzeichnet und trägt auch sonst keine Kennzeichnung, hinter der man einen Euphemismus für einen bezahlten Inhalt vermuten könnte. Sie wird vollständig als redaktioneller Inhalt präsentiert und auch im Inhaltsverzeichnis wie andere Beiträge angekündigt — als “Nivea-Blau: Eine Farbe reist um die Welt” auf Seite 40.

Auf acht Seiten zeigt die vermeintlich redaktionelle Fotostrecke zum Thema Blau Nivea-Werbungen und -Produkte aus aller Welt:

Drei der Fotos stammen direkt aus der Pressestelle des Kosmetikkonzerns Beiersdorf.

PS: Am Ende der Fotostrecke weist die Redaktion von “Brigitte Woman” darauf hin, dass die geneigte Leserin im Internet “noch mehr blaue Infos und viele Tipps zur Hautpflege” finden könne. Dieser “große Pflegecoach für schöne Haut” auf brigitte.de ist “powered by Nivea”, was man aber wohl auch nicht mit Werbung verwechseln darf, denn zwischen “Wellness-Tipps” und “entspannenden Bade-Ritualen” gibt es tatsächlich noch die eine oder andere Anzeige, die auch als solche gekennzeichnet ist:

Der große Pflegecoach für schöne Haut

Mit Dank an Birgit H.

Louis van Gaal, Holger Kreymeier, Hugh Grant

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Tsunami? Interessiert doch keinen mehr!”
(tokyofotosushi.wordpress.com, Fritz Schumann)
Nikki Tsukamoto Kininmonth hat Journalisten in Japan begleitet: “Sie waren respektvoll den Leuten gegenüber und fragten mich oft, wie sie sich korrekt verhalten sollten. Manchmal hat ihre Suche nach großen Geschichten mich in unangenehme Situationen gebracht. Fragen wie ‘Wo sind hier die meisten Leute umgekommen?’ – während nach wie vor tausende vermisst sind oder Totenscheine von trauernden Angehörigen ausgefüllt werden.”

2. “Abschiedsinterview”
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
“tz”-Reporter Jan Janssen verfolgt während einer Woche den Fußballtrainer Louis van Gaal und führt darüber Protokoll: “Gehen sie weg! Sie verfolgen mich! Das ist unglaublich! Ich werde keinen Kommentar geben.”

3. “Fernsehen als verpasste Chance”
(dctp.tv, Video, 33:07 Minuten)
Philip Banse befragt Holger Kreymeier zu seiner Arbeit auf Fernsehkritik.tv. Zur Sprache kommen unter anderem sein früherer Job beim NDR, die GEZ, Call-In-Gewinnspiele und die Rückmeldungen der Zuschauer.

4. “Das Märchen vom Marktwert”
(taz.de, René Martens)
Die Produktion öffentlich-rechtlicher Talkshows wie “Anne Will”, “Beckmann” oder “Hart aber fair” wird von privaten Firmen geleistet. “Die ARD lagert die Produktion an Firmen aus, an denen die Moderatoren beteiligt sind. Sie zahlt im Rahmen eines Zwei- oder Dreijahresvertrags eine fixe Summe für Produktionskosten, Redaktion und Moderation. Das Moderatorenhonorar betrage dabei bis zu 20.000 Euro pro Sendung, sagt Heiko Hilker, Rundfunkratsmitglied beim MDR.”

5. “The bugger, bugged”
(newstatesman.com, Hugh Grant, englisch)
Schauspieler Hugh Grant zeichnet heimlich ein Gespräch mit einem Ex-Paparazzo der in Abhörskandale verstrickten britischen Boulevardzeitung “News of the World” auf.

6. “Hilfe, die Stockmenschen leben unter uns! Wie BILD.de seine Leser für stockdumm verkauft”
(mediensalat.info, Ralf Marder)
Stockmenschen? Stockmänner? Stockwesen? Ralf Marder über den Bild.de-Mystery-Artikel “US-Rentner filmt angeblich Stockmenschen aus dem All”.

Und “Lukas” ist Podolski, ja?

Es ist ein “ungewöhnliches” Projekt, so das “Hamburger Abendblatt”: Zwei Journalisten haben das Neue Testament als Magazin an die Kioske gebracht.

Am Anfang war ein Word-Dokument, bestehend aus dem Neuen Testament, wie es Kirchgänger und Schüler kennen, die den Religionsunterricht besuchen: den vier Evangelien (Lothar, Markus, Lukas, Johannes), der Apostelgeschichte, den Paulinischen Briefen, den Katholischen Briefen und der Offenbarung des Johannes.

Lothar, natürlich. Oder, wie die Christen etwas ehrfurchtsvoller sagen: Herr Matthäus.

Mit Dank an Tim W.

Nachtrag, 20.40 Uhr. In der Online-Version hat das “Abendblatt” den Lothar jetzt unauffällig durch einen Matthäus ersetzt.

2. Nachtrag, 18. April: Das “Abendblatt” bittet heute “aufrichtig um Entschuldigung” und erklärt, wie es zu der Panne kommen konnte:

Autor Thomas Andre [hatte] während des Schreibens einen Scherz einbaute, von dem er dachte, dass er niemals ins Blatt gelangen würde. Gelangte er aber.

Eine Entführung ist kein Mord

Ein Italiener, der seit längerem im Gazastreifen lebte, ist dort entführt und tot aufgefunden worden.

Bild.de versucht, die Tat historisch einzuordnen:

Der Mord an dem Italiener ist der erste Mord an einem Ausländer im Gazastreifen seit vier Jahren.

Damals, im März 2007, wurde der BBC-Reporter Allan Jonston ebenfalls von Salafisten verschleppt. Er kam nach 114 Tagen frei …

Und wenn Sie sich jetzt fragen, warum ein entführter, aber wieder freigelassener Journalist als Beispiel für einen “Mord an einem Ausländer” herhalten soll: Bild.de hat sich beim Aufmotzen einer dpa-Formulierung schlicht verrannt.

Die Nachrichtenagentur hatte vorher noch gemeldet:

Die Entführung Arrigonis war die erste eines Ausländers im Gazastreifen seit der Machtübernahme der Hamas vor knapp vier Jahren. Im März 2007 war der BBC-Reporter Allan Jonston in dem Palästinensergebiet ebenfalls von Salafisten verschleppt worden und erst nach 114 Tagen wieder freigekommen.

Und auch dieser Text enthält noch zwei kleine Fehler: “Allan Jonston” heißt eigentlich Alan Johnston.

Mit Dank an Jan H.

Nachtrag, 16.03 Uhr: Während die dpa eine Korrekturfassung mit dem richtigen Namen verschickt hat, hat Bild.de die beiden Absätze einfach aus dem Artikel entfernt.

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