Archiv für März, 2011

Sheen sein allein reicht nicht

Für diese Fehleinschätzung von Bild.de gibt es zwei Lösungswege:

Jetzt hat die Polizei durchgegriffen! Sie hat die Kinder von Charlie Sheen (45, "Apocalypse Now") aus seiner sündigen Hollywood-Villa geholt!

Der Schauspieler wurde unter anderem durch das Kriegsdrama "Apocalypse Now" zum Hollywood-Star

Entweder sie haben Charlie mit seinem Vater Martin Sheen verwechselt, der tatsächlich in “Apocalypse Now” mitgespielt hat, oder sie haben “Apocalypse Now” mit “Platoon” verwechselt, jenem Kriegsfilm, durch den Charlie Sheen unter anderem berühmt geworden ist.

Die erste Stelle hat Bild.de inzwischen korrigiert, die zweite in der Klickstrecke nicht.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Nachtrag, 4. März: In der Klickstrecke erklärt Bild.de jetzt, Charlie Sheen sei durch “Platoon” zum Star geworden.

Das Khan doch nicht wahr sein!

Wenn eine Geschichte zu schön klingt, um wahr zu sein, dann stehen die Chancen hoch, dass sie schlichtweg nicht wahr ist.

Die Geschichte, wonach Karl-Theodor zu Guttenberg die letzten Worte seiner Rücktrittsrede ohne Quellenangabe aus dem Film “Star Trek II — Der Zorn des Khan” abgeschrieben haben soll, war dementsprechend auch nicht wahr. Der Journalist Daniel Bröckerhoff hat in seinem Blog dokumentiert, wie sich die Falschmeldung vor allem via Twitter verbreitete und es dort bis in den Twitter-Account der “taz” schaffte (die den Fehler inzwischen irgendwie eingestanden hat).

Das alleine wäre schon peinlich genug, aber wenn die Causa Guttenberg eines gezeigt hat, dann: es geht immer noch peinlicher — und mindestens eine MetaEbene ist immer drin.

Die “Hamburger Morgenpost”, einschlägig aufgefallen bei ihrer ungekennzeichneten Weiterverwendung von Twitter-Witzen, veröffentlichte gestern die Kolumne “Moin Moin”, in der David Siems folgende Behauptung aufstellte:

Gute Laune bekam ich aber gestern Abend wieder, als ich “Star Trek II” sah: “Ich war immer bereit zu kämpfen, aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht”, sagt der Klingone Khan. Häh? Karl-Theodor konnte es einfach nicht lassen …

Ergänzend dazu, dass Siems den besagten Satz im Film gar nicht gehört haben kann, ist Khan auch kein Klingone, sondern ein genetisch verbesserter Mensch.

Mit Dank an M.K.

Die Gerüchteküchenprofis

Die Website der Schweizer Gratiszeitung “20 min” zeigt eindrucksvoll, wie man Gerüchte in Umlauf bringt. Auch solche, die es bisher noch gar nicht gegeben hat:
Gerüchte, einzelne Fans würden Anzeige gegen die Securitys erstatten, wollte niemand bestätigen. Bisher gab es auch keine solchen.

Mit Dank an Christoph W.

Nachtrag, 12.30 Uhr: Unser Leser Simon K. hat eine plausible Erklärung für den merkwürdig erscheinenden Nachsatz gefunden: Das Demonstrativpronomen “solchen” bezieht sich demnach nicht auf die Gerüchte, sondern auf die Anzeigen. Insofern hätte 20min.ch nur unglücklich formuliert.

Bild, Olympia 2018, Wolfgang Nadvornik

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Zu Guttenbergs Beziehungen zur Springer-Presse”
(ndr.de, Video, 5:49 Minuten)
Die Beziehungen der “Bild”-Mitarbeiter Kai Diekmann, Nikolaus Blome und Anna von Bayern zu Karl-Theodor zu Guttenberg.

2. “Guttenberg und die Bild-Zeitung”
(fr-online.de, Ulrike Simon)
Für Ulrike Simon entscheidend ist Chefredakteur Kai Diekmann: “Anders als andere Zeitungen, in denen Chefredakteure ihren Redakteuren und Ressortleitern Freiheiten lassen, funktioniert Bild nach dem Flaschenhals-Prinzip: Alles muss durch das Büro des Chefredakteurs, Bild ist das Produkt von Kai Diekmann. Bild ist Diekmann.”

3. “Das Augenzwinkern der BILD”
(wwwagner.tv, Jörg Wagner, Video, 1:39 Minuten)
Medienjournalist Jörg Wagner fragt den Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, wie die “Bild”-Anzeige mit dem Brief von Judith Holofernes in der “taz” mit dem Ruf nach einem Leistungsschutzrecht zu vereinen ist.

4. “Bei Olympia unkritisch”
(taz.de, Sebastian Kemnitzer)
Die Kandidatur von München für die Olympischen Winterspiele 2018 und die Journalisten. “Aktuell werden die rund 150 Journalisten, die wegen des Besuchs der IOC-Evaluierungskommission nach München gekommen sind, bestens von der Bewerbungsgesellschaft betreut. Im Pressezentrum mangelt es an nichts, das Rahmenprogramm mit diversen Abendveranstaltungen erhöht den Wohlfühlfaktor.”

5. “Moderator Nadvornik: Angeblicher Haftbefehl”
(sueddeutsche.de, C. Rost u. P. Crone)
Die “Abendzeitung” meldet fälschlicherweise, es sei ein Haftbefehl gegen Fernsehmoderator Wolfgang Nadvornik erlassen worden.

6. “Von Gefahren bei der Wohnungssuche, oder: Wie man mit Betrügern Spaß haben kann”
(lastknightnik.wordpress.com)

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Genie In A Bottle

Die Sängerin Christina Aguilera wurde am Dienstag in Hollywood weitgehend orientierungslos von der Polizei aufgegriffen und wegen Trinkens in der Öffentlichkeit verhaftet.

Für Bild.de ist es:

Der tiefe Fall der Christina Aguilera

Oder wie es “Bild”-Hollywood-Korrespondent Norbert Körzdörfer ausdrückt:

Der Tag nach dem Oscar ist der schönste Tag im Jahr. Für Paparazzi. Die Stars sind wie du und ich und lassen sich gehen. Pop-Sirene Christina Aguilera (30) wird beschwipst im Auto verhaftet.

Die drucken nicht alles ab

In den vergangenen Tagen wurde gelegentlich über die Art und Weise des korrekten Zitierens diskutiert.

Bild.de macht eigentlich nichts falsch:

Auch die "Süddeutsche Zeitung" spekuliert über eine mögliche Wiederauferstehung. "Es ist absehbar, dass Guttenberg für einen eher großen Teil der Bevölkerung in ein paar Wochen jener Mann sein wird, der sich der Verantwortung gestellt hat. Er wird populär bleiben, und an die Dissertation werden nur die ewigen Nörgler erinnern (...) Und bis 2013, wenn man in Bayern und im Bund wählt, vergehen ja noch Jahre der Läuterung", heißt es im aktuellen SZ-Kommentar.

Die Quelle ist angegeben (wenn auch nicht verlinkt), Auslassungen im Zitat sind mit Punkten kenntlich gemacht.

Und doch ist interessant, was Bild.de da beim Zitieren weggelassen hat:

Es ist absehbar, dass er für einen eher großen Teil der Bevölkerung in ein paar Wochen jener Mann sein wird, der sich der Verantwortung gestellt hat. Er wird populär bleiben, und an die Dissertation werden nur die ewigen Nörgler erinnern. Er selbst wird ein Buch schreiben, vielleicht über “Politik in der Erregungsgesellschaft”. Bild wird es abdrucken. Man wird eine Debatte führen über Köhler, Sarrazin und jetzt auch noch Guttenberg. Und bis 2013, wenn man in Bayern und im Bund wählt, vergehen ja noch Jahre der Läuterung.

(Hervorhebung von uns.)

Mit Dank an Christian.

Gunnar Schupelius, Mütter, Lady Di

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Offener Brief als Werbeträger”
(telemedicus.info, Jan Wesselmann)
Darf “Bild” in der “taz” mit dem Brief von Judith Holofernes werben? “BILD ist mit dieser Anzeige nicht auf der sicheren Seite. Zu bedenken ist jedoch: Rechtliche Maßnahmen liefern nicht immer den gewünschten Erfolg.”

2. “Mein Ärger: Gunnar Schupelius geht”
(laurencethio.de, Lukas Bischofberger und Laurence Thio)
Gunnar Schupelius verlässt die “B.Z.”, für die er sich während fünf Jahren täglich über alltägliche Dinge ärgerte. “Hört man ihm länger zu, dann stößt man schnell auf den Kern all seiner Kolumnen: Schupelius sehnt sich nach Ordnung – alles, auch die Banalitäten des Alltags müssen bei ihm geregelt werden.”

3. “Mütter in der Gefahrenzone”
(blog.tagesanzeiger.ch/mamablog, Michèle Binswanger)
Michèle Binswanger denkt über Journalistinnen in Kriegsgebieten nach, die auch Mütter sind.

4. “Zündende Idee”
(sueddeutsche.de, Katharina Riehl)
Die Plagiatsdiskussion zum aktuellen “Spiegel”-Titelbild (BILDblog berichtete): Der “Spiegel” erklärt in einem Brief an Gürsoy Dogtas, “das Modell sei nach einer Idee der Redaktion aus 14.000 Streichhölzern aufgebaut und fotografiert worden”. “Es handle sich offenbar um eine ‘Doppelschöpfung’, man habe die gleiche ‘zündende Idee’ gehabt.”

5. “Medien und der Fall Guttenberg: Ohne Internet geht’s nicht mehr”
(neunetz.com, Marcel Weiß)
Für Marcel Weiß haben zwei Gründe zum Rücktritt des Verteidigungsministers geführt: “1. Ohne Guttenplag wäre Guttenberg nicht gegangen. 2. Ohne das Feuerwerk der klassischen Medien von FAZ bis Spiegel wäre Guttenberg nicht gegangen.”

6. “Der Verteidigungsminister der Herzen”
(novo-argumente.com, Joachim Mathieu)
Joachim Mathieu zieht einen Vergleich zwischen Karl-Theodor zu Guttenberg und “Lady Di”, Diana Spencer.

EU-Irrtum

Die “B.Z.” titelt heute groß auf Seite 1:

Nach dem EU-Urteil zur Sicherungsverwahrung: 1. Berliner Extrem-Straftäter entlassen.

Und der “Berliner Kurier” sekundiert:

Berlin wirft Mörder aus dem Knast — Ein EU-Gericht holt ihn aus dem Gefängnis, er soll an einem geheimen Ort gebracht werden

Nein.

Nein, nein und nochmals nein. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist und bleibt kein “EU-Gericht” und kann daher auch kein “EU-Urteil” fällen.

Aber das ist für Journalisten bekanntlich nicht so leicht zu verstehen.

Mit Dank an Martin Sch. und Jens.

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Verteidiger ohne Minister

Das ging dann jetzt doch irgendwie überraschend schnell:

Guttenberg Rücktritt: "Ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht"

Neben vielen anderen Guttenberg-Fans dürfte vor allem Nikolaus Blome enttäuscht sein, der Leiter des “Bild”-Hauptstadtbüros und in der vergangenen Woche gleich in mehreren Talkshows als Fürsprecher des damaligen Ministers zu Gast. Denn wer stellt jetzt am Freitag sein neues Buch vor?

Einladung zur Buchvorstellung am 4. März 2011. Der Pantheon Verlag und die Alfred Herrhausen Gesellschaft der Deutschen Bank laden Sie herzlich ein zur Präsentation des Buches von Nikolaus Blome
"Der kleine Wählerhasser. Was Politiker wirklich über die Bürger denken“ Mit Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, MdB, Bundesminister der Verteidigung, und Nikolaus Blome, Leiter des Hauptstadt-Korrespondentenbüros der Bild-Zeitung

Mit Dank an Bastian B.

Nachtrag 20.40 Uhr: Die geplante Veranstaltung am Freitag fällt aus.

Barbara Zehnpfennig, Tom Schimmeck, taz

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Mich empört das öffentliche Klima: zu meinen, dass Plagiate Bagatellen sind”
(blog.uni-passau.de, Steffen Becker)
Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig, die Teile eines von ihr geschriebenen FAZ-Artikels in der Einführung der Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg verwendet sah, über den daraus entstandenen “Medienrummel”: “Ich habe schnell gemerkt, dass die Journalisten vor allem Emotionen von mir haben wollten. Die habe ich ihnen nicht geliefert, worauf sie begannen, sie dazu zu erfinden.”

2. “jetzt-Kosmos, Bild und Judith Holofernes”
(jetzt.sueddeutsche.de, Alf Frommer)
Unter dem Nutzernamen “synthie_und_roma” schrieb Alf Frommer eine fiktive Antwort auf den Text von Judith Holofernes, die vorgab, von der Werbeagentur Jung von Matt zu stammen (BILDblog berichtete): “Niemals hätte ich geglaubt, irgendjemand könnte denken, dass wäre echt.”

3. “Instantprominente allüberall”
(jungewelt.de, Reinhard Jellen)
Tom Schimmeck spricht mit Reinhard Jellen über den Zustand des Journalismus in Deutschland. “Es gibt Zeitschriften in Deutschland, besonders im Reise- und Autogewerbe, so scheint es mir, die vor lauter Deals gar nicht mehr zum Journalismus kommen.”

4. “Unsere finanzielle Abhängigkeit”
(blogs.taz.de/hausblog, Sebastian Heiser)
Die “taz” zeigt im Hausblog Kuchengrafiken, auf denen Einnahmen und Ausgaben der Zeitung zu sehen sind. Und beantwortet die Frage, ob die “taz” mit Werbung nicht die “Botschaft des Bösen” unter ihren Lesern verbreite: “Wenn unsere Leser also ohnehin überall mit Werbung konfrontiert sind und gelernt haben, damit umzugehen: Warum sollten wir dann darauf verzichten, sie abzudrucken?”

5. “Deutschlands schwachsinnigste Meinung(en)”
(mediensalat.beeplog.de, fremdenlegionaer)
Auf Bild.de kann man noch bis Mitte März abstimmen, wie die am 23. Februar ausgetragene Partie zwischen Inter Mailand und dem FC Bayern München ausgeht.

6. “Eine Person in Fußnoten”
(faz.net, Marcus Jauer)
Marcus Jauer setzt das öffentliche Bild von Karl-Theodor zu Guttenberg aus 84 in deutschen Publikationen gefundenen Stellen zusammen.

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