Archiv für Februar, 2011

Richard Gutjahr, Nickerchen, die Sonne

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Zwischen Abstumpfung und Aufklärung”
(timklimes.de)
Sollen drastische Kriegsbilder in den Medien gezeigt werden, weil sie Nachrichtenwert haben? Tim Klimes befasst sich mit dieser Frage anlässlich der Fotoausstellung “Kunduz, 4. September 2009” im Literaturhaus München.

2. “Wir müssen uns mehr mit Menschen unterhalten, und nicht mit Pressestellen”
(wasmitmedien.de, Daniel Fiene)
Daniel Fiene spricht mit Richard Gutjahr, der als freier Journalist aus Kairo berichtete. “Diejenigen, die keine Probleme damit hatten, dass gefilmt wurde, die haben sich sofort rund um diese Kameracrew aufgebaut und haben in die Kamera gebrüllt, haben irgendwie demonstrative Posen gerissen und dort also eigentlich ein völliges Zerrbild geliefert von dem, was wirklich los war. Deswegen kommt das im Fernsehen auch oft immer so aggressiv rüber. Denn, wenn die eine Kamera sehen, dann strömen die sofort drauf zu und ziehen da ihre Show ab.”

3. “BILD-Zeitung über Reutlinger Abgeordnete”
(tagblatt.de, Matthias Stelzer)
Im “Schwäbischen Tagblatt” dementiert FDP-Politiker Hagen Kluck, der über 30 Jahre für diese Zeitung arbeitete, eine “Bild”-Meldung, er habe im Landtag ein Nickerchen gemacht: “Alles Quatsch. Wenn ich schlafen will, mache ich das in einem der Klub-Sessel in der Lobby.”

4. “Die Sorgen eines Supermodels”
(swp.de, Dirk Hülser)
Eine Falschmeldung über Claudia Schiffer führt zu einer Gerichtsverhandlung um die Erstattung von 1034,11 Euro.

5. “Googles Sorgen mit einem gekränkten Autor”
(lawblog.de, Udo Vetter)
Auch Bastian Sick zieht vor Gericht. Gegen Google: “Wenig überraschend geht es im Verfahren des Buchautors Sick gegen Google um dessen Kernkompetenz: das geschriebene Wort. Genau gesagt um ein einziges Wort – ‘Satire’. Dieses Wort vermisste Sick, als er seinen Namen googelte”.

6. “Die Rückseite der Sonne”
(noemix.twoday.net)
“Welt Online” schreibt: “Erstmals in der Geschichte kann die Menschheit die gesamte Sonne beobachten.”

Bild  

Da ist die Tür!

Mit dem Verständnis von juristischen Themen (Menschenrechts-Chartas, Gesetze, Strafprozessordnungen) haben sie’s bei “Bild” nicht so. Was spätestens dann ein bisschen blöd wird, wenn die Zeitung über juristische Themen zu berichten versucht.

Heute sieht das Ergebnis so aus:

Kachelmann-Prozess: Richter wirft Alice Schwarzer aus dem Gerichtssaal.
Jörg Kachelmanns Strafverteidiger Johann Schwenn hatte bei der Zeugenaussage einen Sachverständigen gefragt, ob dessen Rechtsbeistand eine Empfehlung von Alice Schwarzer gewesen sei. Der Sachverständige hatte verneint und betont, keinen Kontakt mit der Feministin gehabt zu haben. Schwenn beantragte daraufhin die Vernehmung der “Bild”-Gerichtsreport-Praktikantin als Zeugin.

Oder, wie “Bild” es heute formuliert:

Dann wendet Schwenn sich triumphierend der Journalistin zu: “Das bedeutet, dass es mit der Beobachterrolle der Zeugin Schwarzer ein Ende hat.”

Nur Sekunden später fordert Richter Michael Seidling die “Emma”-Herausgeberin zum Gehen auf: “Frau Schwarzer, ich darf Sie bitten, den Saal zu verlassen, weil Sie als Zeugin in Betracht kommen.”

DER RICHTER WIRFT ALICE SCHWARZER AUS DEM SAAL!

Laut Strafprozessordnung darf sie nicht mehr im Zuschauerraum sitzen – bis über den Antrag von Schwenn entschieden ist.

Der letzte Satz ist richtig — und lässt die Empörung im vorherigen Satz und der Überschrift um so alberner wirken. Nach ihrer möglichen Zeugenaussage (bei der sie als Journalisten noch dazu vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen dürfte), dürfte Schwarzer dann wieder ganz normal im Zuschauerraum Platz nehmen.

Alice Schwarzer lässt sich von “Bild” mit den Worten zitieren, das Ziel von Kachelmanns Anwalt sei es, “alle Journalisten im Saal loswerden, die ihm nicht passen”.

Das mag sein. Aber dass man nicht unbedingt im Saal sein muss, um über den Prozess zu berichten, müsste Frau Schwarzer selbst doch am besten wissen.

Mit Dank an noir, spot, Robert W., Sebastian A. und Tim G.

Jugendreporterin im Zwielicht

Es ist ja immer alles noch schlimmer, als man glaubt.

Am Dienstag hatten wir berichtet, dass eine Jugendreporterin des Kölner “Express” eine Agenturmeldung gekürzt und die Handlung von der Uni Bremen an die Bochumer Uni verlegt hatte, um den Text dann unter ihrem eigenen Namen auf express.de zu veröffentlichen.

Doch das war, wie Eduard Zimmermann zu sagen pflegte, leider kein Einzelfall: Alle drei Artikel, die die junge Frau bisher auf express.de veröffentlicht hatte (einer davon auch im gedruckten “Express”), waren Plagiate.

Im Juli schrieb sie über den “tödlichen Trend ‘Binge-Drinking'” und formatierte dazu eine Pressemitteilung der DAK um. Das Ergebnis nannte sie ein “X-Scout-Interview” mit einem DAK-Experten.

Anfang Januar kürzte sie für eine Reportage über eine Hebamme, die junge Mütter betreut, einen ddp-Artikel, der fast exakt ein Jahr zuvor bei “FR Online” veröffentlicht worden war. Um den Bericht für die Jugendseite der Kölner Boulevardzeitung relevant zu machen, siedelte sie die Hebamme dazu kurzerhand von Offenbach nach Gummersbach um und machte die 22-jährige Mutter vier Jahre jünger.

Schon eine winzige Google-Suche nach der zitierten Uni-Mitarbeiterin bzw. der Hebamme hätte weitergeholfen: Das jeweils erste Suchergebnis verrät die tatsächliche Wirkungsstätte der Damen. Das sieht schon gefährlich danach aus, als ob die “Express”-Redaktion die Werke der jungen Reporter überhaupt nicht betreut.

Auf unsere Anfrage erklärte die Online-Redaktion des “Express”:

Wir entschuldigen uns für diesen bedauerlichen Vorfall und werden die Sache mit der jungen Teilnehmerin unserer X-SCOUTS-Aktion sowie dem zuständigen Redakteur besprechen.

Unsere Mitmach-Aktion läuft seit mehreren Jahren sehr erfolgreich: Junge Menschen bekommen die Möglichkeit, über ihre Themen zu berichten, Promis zu treffen und erste Erfahrungen in der journalistischen Arbeit zu sammeln. Es wäre schade, wenn durch diesen bisher einmaligen Vorfall andere X-SCOUTS unter einen Generalverdacht kämen. Sie können sicher sein, dass wir die Sache sehr ernst nehmen und auch mit den Teilnehmern der Aktion besprechen werden.

Alle drei Texte wurden anschließend bei express.de offline genommen.

Mit Dank auch an Richard S.

Du bist das Pflaster für meinen Kopf

Wenn es mal wieder schnell gehen muss, in der Bildstreckenproduktion bei “Spiegel Online”, schaltet sich beim flüchtigen Betexten irgendwelcher Fotos aus Ägypten schon mal die Plausibilitätsprüfung aus:

Das wäre ein arg poröses Pflaster.

In Wahrheit transportiert der Mann natürlich keine Munition, sondern versucht — ähnlich wie andere Demonstranten — seinen Kopf zu schützen. (“Spiegel Online” hat inzwischen aus dem “Pflasterstein” einen “Styroporblock” gemacht.)

Mit Dank an Torsten R. und MCalavera.

Mubarak, Schawinski, Liebigstraße 14

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Unsere Ägypten-Berichterstattung”
(blog.tagesschau.de, Kai Gniffke)
Kai Gniffke verteidigt sich gegen den Vorwurf, eine Rede von Husni Mubarak nicht spontan live übertragen zu haben: “Was würden wir denn machen, wenn Husni zwei Stunden lang Parolen absondert – draufbleiben, weil’s so toll ist? Unser Job als Journalisten ist es, zu bewerten, zu gewichten, auszuwählen und nicht einfach laufen zu lassen. ”

2. “Lamestream Media”
(notes.computernotizen.de, Torsten Kleinz)
Wer die Mubarak-Ansprache live sehen wollte, konnte das “mit einigen Minuten Verzögerung” auf Phoenix tun, hält Torsten Kleinz fest. “In diesen Tagen ist es so einfach zum Medienkritiker zu werden: jeder Fernsehsender, der nicht 24 Stunden am Tag vom Gemetzel in Kairo berichtet, ist ein Relikt vergangener Tage, versündigt sich am Erbe der friedlichen Revolution in der DDR, die wir nun am Bildschirm nochmal nacherleben wollen.”

3. “Die schwere Krise der Computerzeitschriften”
(meedia.de, Jens Schröder)
Im Vergleich zu 2009 weisen Computerzeitschriften 2010 weniger Auflage und Werbeumsätze aus.

4. “Bankrotterklärung des Schweizer Fernsehens”
(nzz.ch, Rainer Stadler)
Roger Schawinski erhält ab August eine Talkshow beim “Schweizer Fernsehen” – für Rainer Stadler “kein Zeichen von Aufbruchstimmung”. “Für die TV-Chefredaktion arbeiten beinahe 450 Personen. Unter ihnen war und ist kein Talent auszumachen, das eine Talkshow meistern könnte? Das kann nicht möglich sein.”

5. “Die Beleidigungen der twitternden Fußballer”
(zeit.de, Christian Spiller)
Twitter macht Profi-Fußballer menschlicher, findet Christian Spiller: “Eine euphorische Nachricht nach einem Sieg oder ein galliger Tweet nach einer Niederlage, schafft Nähe zwischen Spielern und Fans. Die Befindlichkeitsschnipsel unterscheiden sich dabei wohltuend von den glattgeschliffenen Statements, die sonst nur noch den Weg aus den Presseabteilungen der Vereine schaffen.”

6. “Meine Nachbarn, die Revolutionäre”
(berlinonline.de, Paul Linke)
Paul Linke, Anwohner der Liebigstraße 14 in Berlin, beschreibt seine Nachbarn, die angeblich kaum mehr tun, “als sich die Überwindung der Verhältnisse auf ihre Fahnen zu schreiben”: “Hier pflegt man seine Feindbilder so gründlich wie die eigene Existenz und beschwört eine Gefahr, die immer von außen kommt: die Gier der Immobilienmakler und Hausbesitzer, die Repression des Rechtsstaats, das Gedankengut der Rechten.”

Jay Khan’s doch noch

Beliebtheit wird offenbar seit einiger Zeit in der neuen Einheit “Fans bei Facebook” gemessen. Dementsprechend schlug das, was die Landau Media AG heute zu berichten hatte, ein wie eine Bombe:

Dschungel-Stars auf Facebook: Jay Khan verliert Online-Fangemeinde

Die öffentlich zur Schau gestellte Dschungelcamp-Affäre von Tariq Jay Khan mit Indira Weis hat der Popularität beider Sternchen im sozialen Netzwerk Facebook geschadet. Die Zahl der Jay Khan Fans stürzte von fast 7.300 auf 600 ab. Indira Weis belegt mit 2.905 Fans den undankbaren vierten Platz. (…) Selbst der mit dem Silbermedaillengewinn belohnte Thomas Rupprath erreicht nur rund 1.100 Fans (…)

Zahlreiche Online-Medien verbreiteten die Horrornachricht vom plötzlichen Facebook-Gesichtsverlust von Jay Khan munter weiter, darunter Bild.de (inzwischen gelöscht), taz.de, die Onlineauftritte von “Berliner Morgenpost” und “Augsburger Allgemeine”, Welt.de und viele andere.

Abgesehen davon, dass Thomas Rupprath nur Dritter wurde und deshalb wohl eher als “Bronzemedaillengewinner” bezeichnet werden darf, hat die Landau Media AG — laut eigener Auskunft einer der führenden Anbieter im Bereich Medienbeobachtung und Medienresonanz-Analysen in Deutschland — jedoch auch einen richtig groben Fehler begangen: Statt die Anzahl der Fans der offiziellen Facebook-Seite von Jay Khan an zwei verschiedenen Zeitpunkten zu messen, hat Landau Media die 7.300 Fans (Stand: 28. Januar) der offiziellen Seite mit den 617 Fans einer völlig anderen, inoffiziellen Jay-Khan-Fan-Seite (womöglich diese hier) verglichen.

Die offizielle Facebook-Seite des Sängers hat in Wirklichkeit überhaupt keine Verluste hinnehmen müssen. Im Gegenteil: Dank des Medienrummels von heute konnte Jay Khan die Zahl seiner Facebook-Anhänger sogar noch einmal kräftig erhöhen (Stand: 17.46 Uhr):

8076 Personen gefällt das

Immerhin express.de und mopo.de waren clever genug, selbst nachzuschauen. Sie schrieben beide:

Wir haben nachgeschaut und zwei Fanseiten von Jay Khan gefunden. Auf seiner offiziellen Seite hat er noch 7664 Fans. (Stand 2. Februar 2011, 12 Uhr).

Mit Dank an Rene W., Diana B., Kieler, Timo H., Anne, Moritz N. und Björn Sch.

Nachtrag, 22.40 Uhr: Die “Augsburger Allgemeine” hat sich Bild.de inzwischen angeschlossen und den Artikel über Jay Khans Facebook-Verluste ohne Erklärung gelöscht.

2. Nachtrag, 4. Februar: Morgenpost.de und Welt.de haben den ursprünglichen Artikel jeweils durch einen neuen mit dem Titel “Jay Khan hat mehr Facebook-Anhänger als gedacht” ersetzt, in dem der Fehler transparent erklärt ist. Auf Welt.de findet sich trotzdem noch eine falsche Version, die wohl automatisch aus der Printausgabe übernommen wurde.

3. Nachtrag, 4. Februar: Landau Media verteidigt sich in einer Fußnote folgendermaßen:

Die Fanpage-Seite von Tariq Jay Khan wurde zum Punkt der Auswertung offline gesetzt (28.01.2011) und erst am 01.02.2011 wieder online gestellt.

Das erklärt trotzdem nicht, warum Landau Media einfach ohne Hinweis einen Vergleich mit einer anderen Fan-Page durchgeführt hat.

4. Nachtrag, 4. Februar: Landau Media spricht in einem neuen Update, das dennoch mit dem Datum von gestern versehen ist, inzwischen von einer “Achterbahnfahrt für Jay Khan”. Dass Landau Media selbst Jay Khan durch einen Vergleich zweier verschiedener Fanseiten ohne Hinweis und die mitgelieferte, äußerst subjektive Begründung auf die “Achterbahnfahrt” geschickt hat, scheint aber immer noch nicht angekommen zu sein.

B.Z., Pädophilie, Scrollen

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Offener Brief an die Sportredaktion der BZ”
(fc-union-berlin.de, Dirk Zingler)
Dirk Zingler, Präsident des 1. FC Union Berlin, schreibt einen offenen Brief an die Sportredaktion der “B.Z.”: “Die von Ihnen verfasste Überschrift ‘Hertha freut sich auf Unions Torwart-Trottel’ lässt jeglichen Respekt vor der Würde anderer Menschen vermissen und ist für uns absolut inakzeptabel.”

2. “Wir sind nicht dabei gewesen”
(faz.net, Jochen Hieber)
Jochen Hieber hätte “die erste öffentliche Rede des ägyptischen Noch-Präsidenten seit dem Beginn der Demonstrationen” gerne live und simultan übersetzt im ZDF gesehen. “Mitreißendes, Ungeheuerliches passiert in der Welt, die jetzt Ägypten heißt – auch Kleber sprach von ‘einem Tag, der in den Geschichtsbüchern sein wird’ –, und man antwortet darauf mit dem pflichtgemäßen Füllen der normalen Nachrichten-Formate.”

3. “Scheiße man, die Zeitung stirbt!”
(contemporaryculture.de, Nils Meinzer)
Für Nils Meinzer mündet die Forderung der Verlage nach einem Leistungsschutzrecht in einem Zwei-Klassen-Internet: “Man müsste also eine Art ‘zweites Internet’ erfinden, für das man Lizenzen erwerben könnte. Dann bräuchte man noch einen juristisch-polizeilichen Überwachungsapparat, der aufpasst, dass das ‘unterprivilegierte Internet’ die Inhalte vom ‘upperclass Internet’ nicht stiehlt. Das Unterklasse-Internet dürfte nichteinmal – und hier kommen wir zu einer weiteren Forderung des Leistungstralalas – auf das Oberklasse-Internet hinweisen. Zumindest dürfen dabei keine Worte verwendet werden, die auch im Oberklasse-Internet Verwendung finden – es sei denn, man zahlt eine Hinweisgebühr.”

4. “Wie auch die taz früher Pädophilie bagatellisierte”
(blogs.taz.de/hausblog, Jan Feddersen)
Im Hausblog beschäftigt sich Jan Feddersen mit der historischen Rolle der “taz” bezüglich den Forderungen nach “Straffreiheit für Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern”.

5. “Niemand scrollt auf Webseiten”
(mademyday.de, Marc Hinse)
Marc Hinse verteidigt das Scrollen: “97% der Nutzer haben ein Mausrad (eigene Erhebung), auch auf Trackpads der modernen Laptops lässt es sich schneller scrollen als mühsam irgendwelche Paging-Links anzuklicken. Also lieber mal eine lange Seite, als Inhalte auf mehreren Seiten zu verteilen.”

6. “Über Skandale und den Untergang der Welt”
(zeit.de, Harald Martenstein)
Harald Martenstein kann sich nicht mehr aufregen: “Man wird nicht nur durch die vielen E-Mails überfordert, auch durch die dauernden Skandale. Es ist Burn-out. Man hat nicht genug Empathie für alles Erregende, über das man pausenlos informiert wird, man hat nicht genug Energie für alles Empörenswerte.”

Bild  

Leserreporter im Staatsdienst

Eine häufig gestellte Frage im Bezug auf exklusive (also: tatsächlich exklusive, nicht “exklusive”) Veröffentlichungen von “Bild” lautet: Wie kommen die immer an so was dran?


Beim Foto des mutmaßlichen Mörders eines zehnjährigen Grefrathers, das “Bild” heute fast lebensgroß wie eine Jagdtrophäe zeigt, hat die Polizei Mönchengladbach die Frage am Nachmittag beantwortet:

Bei dem in der heutigen Ausgabe einer Boulevard-Zeitung veröffentlichten Foto des ermittelten Tatverdächtigen Olaf H. handelt es sich um ein Polizeifoto.

Offensichtlich wurde das Foto von einem Polizeibeamten widerrechtlich an die Redaktion weitergereicht.

Eine Überprüfung habe ergeben, dass das Foto “zweifelsfrei” aus einer erkennungsdienstlichen Behandlung des Tatverdächtigen stamme und in einer polizeiinternen Datenbank abgespeichert war. Nun werde intern wegen Geheimnisverrats ermittelt.

“Bild” schreibt, der “Killer” habe Todesangst und sitze daher noch in einer Einzelzelle im Polizeipräsidium Mönchengladbach. Egal, wohin er demnächst verlegt wird: Seine Mithäftlinge werden dank “Bild” wissen, wen sie vor sich haben.

Bei Bild.de ist das Foto inzwischen verschwunden. Dafür hat es die Meldung über die internen Ermittlungen der Polizei via dpa-Ticker auf die Seite geschafft:

Fall Mirco: Polizei ermittelt in eigenen Reihen

Mit Dank an Dieter und Tobias W.

Bild  

“Sie werden bild.de bald nicht vermissen”

Lassen Sie uns kurz erläutern, warum wir Ihnen auf dem iPad BILD künftig nur noch als kostenpflichtige App anbieten.

Das ist ein vielversprechender Anfang. Man bekommt diesen Satz zur Antwort, wenn man bei Bild.de nachfragt, warum man von einem iPad aus — anders als zum Beispiel mit einem PC — die kostenlosen Inhalte von Bild.de nicht aufrufen kann. Die mutmaßliche Standardantwort geht so weiter:

Mit BILD HD ermöglichen wir Ihnen eine neue Art des Nachrichtenlesens, denn wir haben sämtliche Möglichkeiten des iPads ausgenutzt, um Ihnen unsere Inhalte auf komplett neuartige, innovative und unterhaltsame Art erlebbar zu machen. Für ein Premiumprodukt wie das iPad haben wir uns aufgrund der technischen Darstellungsmöglichkeiten klar für die Form einer kostenpflichtigen App entschieden und schränken den Zugriff auf eine kostenlosen Browservariante mit frei zugänglichen journalistischen Inhalten bewusst ein.

Allein im Internet herrscht nach wie vor eine gewisse Erwartungshaltung, dass sämtliche Informationen kostenlos zur Verfügung stehen müssen. Diese angenommene Selbstverständlichkeit ist aus unserer Sicht falsch und ein Irrweg. Attraktive Premiuminhalte sind weder in der analogen Printwelt noch in der digitalen Welt kostenlos verfügbar. Die Erstellung aktueller, exklusiver Inhalte kostet Geld und kann langfristig nur weiter gewährleistet werden, wenn Nutzer bereit sind, für diesen Mehrwert zu bezahlen.

Sie können BILD in vielen verschiedenen Formen lesen, als Zeitung, im Internet, auf Handys und Smartphones, auf Fernsehgeräten und jetzt auch erstmals auf einem Tablet-PC. Auf jeder Plattform und für jede Situation möchten wir Ihnen als Leser die möglichst beste Form bieten, unsere Geschichten zu erleben. Wir sind davon überzeugt, dass sie diese speziell für dieses Gerät entwickelte und aufbereitete Form von BILD schätzen und die normale Browserversion von bild.de schon bald nicht vermissen werden.

Wir würden uns freuen, wenn Sie unsere neue BILD App testen und sich überzeugen lassen.

Man könnte daraus schließen, dass es sich auch aus Sicht der Axel Springer AG bei Bild.de nicht um ein “attraktives Premiumangebot” handelt (jedenfalls dann nicht, wenn man es von einem PC aus aufruft), und wer würde dem widersprechen?

Der iPad-Nutzer, der sich bei Bild.de beschwert hatte, fragte noch nach:

Keineswegs habe ich die Erwartung, dass alle Inhalte im Netz frei sein müssten. Ganz im Gegenteil. Ich bin gerne bereit für gut recherchierte Geschichten auch Geld zu bezahlen. Das mache ich auch bei Musik, Filmen und anderem digitalen Content.

Was ich fordere ist nur Gleichberechtigung. Der selbe Content, den sie für den Normalo-Surfer FREI ins Netz stellen, ist für iPad User NICHT FREI verfügbar im Netz. Nur darum geht es.

Eine Antwort bekam er nicht mehr.

Mit Dank an Tobias N.

Wenigstens kein Bolzenschneider

In Berlin kam es am Wochenende am Rande von Demonstrationen gegen die bevorstehende Räumung eines besetzten Hauses zu gewalttätigen Eskalationen.

“Welt Online” würdigt die Ereignisse unter anderem mit einer 11-teiligen Klickstrecke. Mittendrin prangte dieses Foto:

Diese Bildunterschrift ist schlicht falsch: Zum einen sehen die “Schlagstöcke” nicht sonderlich massiv aus, der rechte scheint unten sogar abgeknickt zu sein. Zum anderen stehen die Demonstranten vor dem “St. Oberholz” am Rosenthaler Platz — und der liegt nicht mal mindestens auf dem Weg der Demonstration.

Das Foto zeigt eine Theatergruppe auf einer Demonstration, die einen Tag zuvor im Rahmen des “Entsichern-Kongress” gegen einen in Berlin abgehaltenen Polizeikongress stattgefunden hatte. Laut Veranstaltern sollte damit in satirischer Art und Weise das Thema Polizeigewalt dargestellt hat. Die “Schlagstöcke”, so berichten uns Augenzeugen, seien aus gepolstertem Material gewesen und wurden als Requisiten für die Aufführung verwendet.

“Welt Online” hat das Foto inzwischen aus der Bildergalerie entfernt.

PS: Überschriftenwitzerklärung.

Mit Dank an Juri S. und Lina.

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