Archiv für November, 2010

Bittere Halbwahrheiten

Dass Menschen aus anderen Ländern nicht etwa in die Kulturnation, sondern in den Wohlfahrtsstaat Deutschland einwandern wollen, ist für die Klientel von “Bild” alles andere als neu. Trotzdem – oder gerade deshalb – lieferte die Boulevardzeitung am Dienstag auf der Titelseite noch einmal die “bittere Wahrheit”:

Die bittere Wahrheit über Ausländer und Hartz IV

Und nochmal in groß:

Ausländer-Statistik: 90 Prozent der Libanesen kriegen Hartz IV

In der Tat haben es die drei “Bild”-Autoren geschafft, Zahlen der Bundesagentur für Arbeit mit denen des Statistischen Bundesamtes zu kombinieren und in eine Tabelle zu gießen. Haarklein listen sie auf, wie viele Menschen verschiedener Nationalitäten ohne deutschen Pass in Deutschland “arbeiten dürften” und trotzdem Sozialleistungen beziehen:

Sogar für einen Quellennachweis hat es gereicht:

Doch warum bestreiten so viele Libanesen in Deutschland ihren Lebensunterhalt nicht selbst, wenn sie doch nach amtlicher Statistik ausdrücklich arbeiten dürfen? Allwetter-Soziologe Christian Pfeiffer hat die passende Erklärung parat:

Woher kommen die großen Unterschiede?

Soziologe Prof. Christian Pfeiffer: Viele Libanesen etwa waren zu Beginn Asylbewerber und durften nicht arbeiten. Dieser Lebensstil hat sich von Generation zu Generation durchgesetzt. Das Bildungsniveau ist extrem niedrig, Kinder gelten als Einkommensquelle, gearbeitet wird höchstens schwarz. Gerade die Libanesen haben sich oft in dieser Armutslage eingerichtet.

Scheinbar um Ausgleich bemüht, hält “Bild” fest, dass Ausländer natürlich nicht faul seien und sogar sehr selten Arbeit ablehnen, die ihnen von der Arbeitsagentur angeboten wird. Doch wie passt das mit dem speziellen libanesischen Lebensstil zusammen? Dass Libanesen Kinder als Einkommensquelle ansehen, haben sie offenbar mit der Redaktion von “Bild” gemein. Denn wie man den amtlichen Statistiken ohne weiteres entnehmen kann, sind 6.541 (oder 17,7%) der amtlich erfassten Libanesen unter 15 Jahre alt — und dürfen daher alleine schon wegen der Schulpflicht nicht ihren Lebensunterhalt verdienen. Insgesamt sind 9.200 Libanesen als “nicht erwerbsfähig” registriert: zu jung, zu krank, zu alt für den Arbeitsmarkt.

In den ersten vier Jahren bekommen geduldete Ausländer allenfalls eine Arbeitsstelle, wenn sich kein Deutscher dafür findet. Nach Auskunft von Pro Asyl kommt diese Vorrangigkeitsprüfung in vielen Regionen Deutschlands einem “faktischen Arbeitsverbot” gleich. Sie mögen sich in Armut eingerichtet haben, sie mögen laut Ausländergesetz arbeiten “dürfen”, einem großen Teil von ihnen bleiben aber schlichtweg keine Möglichkeiten.

Das hätte “Bild” auch wissen müssen: Die Bundesagentur für Arbeit hatte für das Blatt eigens eine Sonderauswertung gemacht, in der die Gesamtzahl der Ausländer noch nach Erwerbsfähigen und nicht Erwerbsfähigen aufgeschlüsselt war — doch die Zeitung rechnete einfach mit der (natürlich höheren) Gesamtzahl weiter und liefert so eine sehr einseitige Statistik. An wirklichen Erklärungen scheint die Redaktion jedenfalls bedeutend weniger Interesse als an der riesigen Schlagzeile gehabt zu haben.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Sebnitz, Raketen, Denis Scheck

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Der Niederschlag von Sebnitz”
(zeit.de, Martin Machowecz)
Martin Machowecz besucht die Kleinstadt Sebnitz, die vor zehn Jahren Schlagzeilen wie “Kleiner Joseph – gegen 50 Neonazis hatte er keine Chance” oder “Ein Kind, ertränkt wie eine Katze” zu verarbeiten hatte. “Den Mord hatte es nie gegeben. Wahr ist: Der kleine Joseph, Sohn eines deutsch-irakischen Apotheker-Ehepaares, ertrank im Dr.-Petzold-Bad. Ursache war wohl ein Herzleiden.”

2. “Die Rakete, die keine war…”
(scienceblogs.de/planeten, Ludmila Carone)
Planetologin Ludmila Carone kommentiert die Aufregung von US-Fernsehsendern um einen angeblichen Raketenstart vor einigen Wochen. “Es wird ja ständig diese Kluft zwischen Wissenschaftlerinnen und normalen Menschen beklagt und immer so getan, dass sich die Wissenschaftlerinnen halt mehr anstrengen müssten. Aber mal ehrlich. Bei so einem Mist wie dieser falschen Raketen-Geschichte können wir uns anstrengen soviel wir wollen, wir haben von vornherein verloren.”

3. Interview mit Mina Ahadi
(jungle-world.com, Daniel Steinmaier)
Menschenrechtsaktivistin Mina Ahadi liefert Hintergründe zu den Mitte Oktober im Iran verhafteten Journalisten von “Bild am Sonntag”.

4. Interview mit Denis Scheck
(youtube.com, Video, 7:36 Minuten)
Literaturkritiker Denis Scheck liest 150 bis 180 Bücher pro Jahr und wird dafür “fürstlich bezahlt”.

5. “Geht’s noch???”
(fraufreitag.wordpress.com)
Lehrerin Frau Freitag liest antisemitische Kommentare ihrer Schülerinnen auf Facebook und greift ein. “Die sind doch keine kleinen Kinder mehr. Die sollen nächstes Jahr in die Welt gehen und Berufe erlernen.” Siehe auch den Folgebeitrag “Is alles nicht so einfach”.

6. “Herzattacke: 9-Live-Moderator erreicht Notrufzentrale nicht”
(der-postillon.com)

Stuttgart 42

Arno Luik ist der “Stuttgart 21"-Beauftragte beim “Stern”. Er hat zahlreiche Dokumente und geheime Akten zu dem umstrittenen Großprojekt öffentlich gemacht und dafür gestern den “Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen” des “Netzwerk Recherche” erhalten.

Vor der Preisverleihung hat Luik noch mal einen Artikel rausgehauen, für den er neue Quellen aufgetan hatte: Die “Betriebliche Aufgabenstellung zur Umsetzung der Konzeption Netz 21" (BAST) aus dem Jahr 2002. Darin sind alle geplanten Arbeiten rund um “Stuttgart 21" aufgelistet und mit Schätzwerten versehen. Die Bahn weigert sich, die Zahlen öffentlich zu machen, und nennt dafür einen guten Grund: Unternehmen, die sich im Rahmen einer Ausschreibung um Aufträge bewerben, könnten sich dann daran orientieren.

Arno Luik hat eine andere Erklärung, warum die Bahn das Dokument zurückhält:

Die BAST enthält brisante Zahlen

Warum wurden “BAST”-Zahlen verschwiegen?
Denn in dieser BAST aus dem Jahr 2002 heißt es in der Anlage 15, in der die “Kosten nach Jahresscheiben und Bereichen” aufgelistet sind, Stuttgart 21 werde 4, 203,0 Milliarden Euro kosten.

4,2030 Milliarden Euro. Das ist etwas mehr als die 4,0878 Milliarden Euro, die Bahnchef Grube diesen Juli verkündete. Ist es wahrscheinlich, dass heute S 21 billiger sein soll als vor acht Jahren? Wohl kaum.

Luik beantwortet sich seine Frage selbst — und ist offenbar doch falsch abgebogen: Die Deutsche Bahn veröffentlichte gestern Mittag eine Pressemitteilung, in der sie mit einer erschütternd banalen Erklärung aufwartet:

In der vom “stern” zitierten BAST (Betriebliche Aufgabenstellung) aus dem Jahr 2002 ist in einer Tabelle über die jährlichen Kosten für das Bahnprojekt Stuttgart 21 die Gesamtsumme von 4,2 Milliarden DM fälschlicherweise in “Euro” angegeben worden. Bei der Verwechslung der Währungsangabe handelt es sich um einen redaktionellen Fehler im Zusammenhang mit der Währungsumstellung von DM auf Euro im Jahr 2002.

Die Bahn wirft Luik vor allem vor, er hätte das Missverständnis mit einem einzigen Anruf in ihrer Pressestelle aufklären können. Die “vermeintliche Enthüllung” sei “nicht mehr als die Entdeckung eines Schreibfehlers”.

Als Reaktion auf die Erklärung durch die Bahn zog die Agentur dapd, die zunächst die Vorabmeldung des “stern” blind übernommen hatte, ihre entsprechende Meldung zurück und folgte stattdessen nun der Bahn-Interpretation.

Das wiederum brachte stern.de dazu, in einem weiteren Artikel zu schreiben:

Die Bahn hatte die Deutungshoheit zurück.

stern.de rechnet Euro- und DM-Beträge gegeneinander auf und scheint den Aussagen der Konzern-Pressestelle immer noch gründlich zu misstrauen:

Fehler und Umrechnungsmissverständnisse in Milliardenhöhe, acht Jahre lang unentdeckt im wichtigsten Planungsinstrument des größten Bauprojektes der Bahn AG. Darauf muss man erst mal kommen.

Arno Luik ließ sich von dapd mit den Worten zitieren:

Ich staune, wenn das ein Schreibfehler wäre.

Die Bahn will beim morgigen Schlichtungsgespräch, bei dem es auch um die BAST gehen soll, alle Unklarheiten beseitigen.

Mit Dank an Michael K.

Finanzjournalismus, Wein, Wash Echte

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Finanzjournalisten in der Grauzone”
(ndr.de, Video, 8:32 Minuten)
Ein Netzwerk von Finanzjournalisten empfiehlt Aktien, die direkt nach dem Börsengang abstürzen. Den Aufwärtstrend bis dahin nutzen sie selbst durch rechtzeitigen Kauf und Verkauf der gleichen Aktien mit Gewinn aus. “Nach diesem Muster soll das Netzwerk Aktienkurse von rund 20 Unternehmen manipuliert haben.”

2. Interview mit Bernd Gäbler
(dradio.de, Tobias Armbrüster)
Bernd Gäbler überrascht es nicht, dass die Medien auf die Terrorwarnungen widersprüchlich reagieren: “Die Medien stehen vor einer objektiven Schwierigkeit. Sie haben eine wolkige Lage. Der Innenminister sagt, es ist eine konkrete Gefahr, aber die Konkretion wird nicht ausgesprochen. Wie verhalten sie sich da? Natürlich widersprüchlich! Die meisten Medien mahnen zur Zurückhaltung, aber agieren selber aufgeregt.”

3. “Rechtsradikaler erschleicht Beckstein-Interview”
(sueddeutsche.de, Oliver Das Gupta)
Um ein Interview mit Günther Beckstein für die österreichische Zeitschrift “Die Aula” zu erhalten, gibt sich Michael Weber als Mitarbeiter des Anzeigenblatts “WochenSpiegel Sachsen” aus. “Auf seiner Homepage gibt sich der inzwischen 47 Jahre alte Eidgenosse als früherer Mitarbeiter der ‘Bild’-Zeitung aus. Bei ‘Bild’ kennt man den Mann nicht.”

4. “Freie Presse”
(weingutwein.de, Jochen Harder)
Jochen Harder wird von der “taz” nach einer Weinempfehlung gefragt: “Was lese ich eine Woche später in der TAZ als wörtliche Rede von Jochen Harder gänsegefüßelt? ‘…von tiefer, rubinroter Farbe präsentiert sich…hat eine feine Würze und die Note einer reifen Pflaume am Gaumen…mit leichtem Duft nach Lakritz und Veilchen…’ usw. – also der übliche Weinsprech. Nicht ein einziger Satz des Gedruckten stammt von mir.”

5. “Irish Daily Star on the deepening financial crisis”
(virtualeconomics.co.uk, englisch)
Auf der Titelseite der Boulevardzeitung “Irish Daily Star” werden Regierungsmitglieder als “Useless Gobshites” bezeichnet.

6. Interview mit Wash Echte
(fabian-soethof.de)
Fabian Soethof spricht mit dem Berliner Blogger Wash Echte: “Es geht nicht um eine Schublade, auch nicht um bestimmte Moden oder Wohnorte, sondern um die Beschreibung einer elitären, aber mehr noch herablassenden Haltung gegenüber dem vermeintlich Konformen. Eine Haltung, die sich aber, ohne dass es ihre Protagonisten gemerkt haben, schon lange selbst in einen Konformismus, oder wenn man so will, Mainstream, verabschiedet hat.”

Ahnungslose Sternenkrieger

Bei Christie’s wird morgen eine originale Darth-Vader-Maske versteigert.

Doch wer ist der Mann mit der merkwürdigen Montur? stern.de klärt in einer fünfteiligen Klickstrecke auf:

Von “Darth Vader” stammt auch einer der berühmtesten Sätze der Filmgeschichte: “Luke ich bin dein Vater”, haucht der Schurke, bevor sein Sohn Luke Skywalker ihn mit seinem Laserschwert für immer in die ewige Verdamnis der Galaxie schickt. Wer sich jetzt ärgert, das Ende der Trilogie verraten bekommen zu haben, ist selbst schuld. Wer “Star Wars” noch immer nicht gesehen hat, hat einen Meilenstein der Filmgeschichte verpasst.

Offenbar hat der Texter allerdings selbst einiges verpasst, als er die “Star Wars”-Filme gesehen hat: Das berühmte Zitat stammt aus “Das Imperium schlägt zurück”, dem zweiten Teil der alten “Star Wars”-Trilogie (und fünften Teil der Serie insgesamt), woraufhin sich Luke mit einem gewagten Sprung in die Tiefe rettet.

Im letzten Film, “Die Rückkehr der Jedi-Ritter”, versucht der Imperator, Luke Skywalker zu töten, woraufhin Darth Vader (bürgerlich: Anakin Skywalker) nach langem Zögern seinem Sohn zu Hilfe kommt. Vader wird dabei so schwer verletzt, dass er bald darauf in den Armen seines Sohne stirbt.

Mit Dank an Oliver Sch.

Nachtrag, 15.30 Uhr: Auf Wunsch zahlreicher Leser weisen wir natürlich gerne auch noch darauf hin, dass das berühmte Zitat komplett ohne Anrede auskommt und korrekt “Nein, ich bin Dein Vater!” lautet.

Berners-Lee, Business Report, Yassir

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Long Live the Web: A Call for Continued Open Standards and Neutrality”
(scientificamerican.com, Tim Berners-Lee, englisch)
Tim Berners-Lee warnt vor abgeschlossenen Welten im Web: “Some people may think that closed worlds are just fine. The worlds are easy to use and may seem to give those people what they want. But as we saw in the 1990s with the America Online dial-up information system that gave you a restricted subset of the Web, these closed, ‘walled gardens,’ no matter how pleasing, can never compete in diversity, richness and innovation with the mad, throbbing Web market outside their gates.”

2. “Zitieren, verlinken, Bilder veröffentlichen: Was ist erlaubt? Wo drohen Strafen?”
(kerstin-hoffmann.de)
Rechtsanwältin Anja Neubauer erklärt im Gespräch mit Kerstin Hoffmann, was erlaubt ist bei Urheber-, Zitier- und Bildrechten. “Grundsätzlich: Marken darf man verwenden! Dazu sind sie da. Viele denken, dass man dies überhaupt nicht dürfte.”

3. “Non, sagt Monsieur le Président”
(tagesspiegel.de, Anna Sauerbrey)
Frankreich: Steckt hinter den aus Redaktionen gestohlenen Computern der Inlandsgeheimdienst DCRI? “Sicher ist: Der DCRI hat in Sachen Bettencourt-Affäre wiederholt die Telefonrechnungen von Journalisten ausgewertet, um Informationslecks in Behörden und Regierung ausfindig zu machen – und damit gegen den Quellenschutz verstoßen, der seit Januar in Frankreich Gesetz ist.”

4. “Bald keine neuen redaktionellen Websites mehr?”
(andreasvongunten.com)
Andreas Von Gunten zweifelt an einer Meldung der Nachrichtenagentur SDA, die auf einem Business Report beruht. “Da ich natürlich nicht bereit bin, mehr als 4000 CHF auszugeben um zu verstehen, was an den Aussagen dran ist, belasse ich es damit, zu behaupten, dass da sehr wahrscheinlich Bullshit drin steht.”

5. Interview mit Yassir Ezarzar
(philibuster.de, Nadia Shehadeh)
Nadia Shehadeh spricht mit dem vor einem Jahr nach Marokko ausgewiesenen Musiker Yassir Ezarzar. “Ich bin hier mehr Ausländer als in Deutschland – wobei man als Ausländer hier meiner Meinung nach besser behandelt wird. Aber es gibt keine Infrastruktur, keine Arbeit – schwer krank werden ist hier gleichbedeutend mit sterben.”

6. “Angst-Quiz”
(wirhabenkeineangst.de, Magdalena Böttger)
“Erinnerst du dich noch an…?”

Bild  

114 Prozent aller Statistiken falsch interpretiert

Wenn in einer Umfrage 70 Prozent der befragten Ärzte angeben, dass sich Patienten häufig unnötig behandeln lassen, welche Schlussfolgerung kann man daraus nicht ziehen?

Die richtige falsche Antwort finden Sie heute groß unten auf der Seite 1 der “Bild”-Zeitung:

70 % aller Arzt-Besuche unnötig

Nachtrag, 11:10 Uhr. In späteren Druck-Ausgaben ist die Überschrift geändert. Nun heißt es bloß: “Zu viele Arzt-Besuche unnötig”.

Mit Dank an Micky!

Karl-Theodor I.

Bild.de liegt in einem Artikel über ein Filmporträt über die Familie Guttenberg, das gestern im Ersten lief, knapp daneben:

Gestern Abend lief die ARD-Doku-Reihe “Deutsche Dynastien” an. Teil 1: „Die Guttenbergs”.

Tatsächlich war “Deutsche Dynastien – Die Guttenbergs” nach den Thyssens (8.11.) und den Oetkers (15.11.) bereits der dritte und letzte Teil der Serie.

Aber vielleicht hat sich der Autor einfach nicht vorstellen können, dass Karl-Theodor, wenn auch nur dieses eine Mal, nicht Nummer 1 sein könnte:

Sie sind DAS Glamour-Paar der Politik-Szene in Deutschland – Karl Theodor zu Guttenberg und seine Frau Stephanie. (…)

Haltung und Verantwortungsbewusstsein  – das sind laut Vater Enoch DIE prägenden Charakterzüge der Guttenbergs. (…)

So wurde Karl-Theodor zu Guttenberg zu einem der besten Redner in der deutschen Politik. Und das politische Talent hat er wohl vom Großvater. (…)

“Trotz seines Aussehens, trotz seines finanziellen Hintergrundes erzeugt er keinen Neid. Da ist was ganz besonders in Deutschland. Wenn heute einer Geld hat und gut aussieht, erzeugt er meistens Neid bei anderen Menschen”, sagt die Adels-Expertin Stephanie von Pfuel. (…)

Guttenberg hingegen weckt Begeisterung wo immer er auftritt. (…)

Wird er womöglich Kanzler?
Wer den Film gesehen hat, bekommt den Eindruck: Hier will einer auf dem Teppich und seinen Überzeugungen treu bleiben.

Mit Dank an Jochen N.

Schlechte Aussichten für die Schwarzer-Kasse

Am 16. Oktober erschien in “Bild” diese Richtigstellung (BILDblog berichtete):

Berichtigung: Anders als in BILD am 15.10.2010 berichtet, hat Jörg Kachelmanns Verteidigung das mutmaßliche Opfer nicht als Stalkerin bezeichnet und auch nicht verlauten lassen, der Moderator kenne es gar nicht.

Diese Berichtigung erfolgte möglicherweise nicht ganz freiwillig: Kachelmanns Medienanwalt Ralf Höcker hatte die Autorin des Artikels, die “Bild”-Praktikantin Alice Schwarzer, persönlich abgemahnt. Bild.de hat die beanstandete Stelle (freiwillig, wie Höcker betont) aus dem Artikel entfernt, Schwarzer gab eine Unterlassungserklärung ab, in der sie erklärt hatte, die Behauptung nicht weiter zu verbreiten.

Doch der Text blieb unverändert an zwei anderen Stellen stehen: in Schwarzers Blog und auf emma.de. Weil Schwarzer somit gegen die Unterlassungserklärung verstieß, wurde eine Vertragsstrafe fällig — 5.001 Euro, wie der “Spiegel” berichtet.

Alice Schwarzer änderte die Formulierung von “Die Verteidigung behauptete …” in “Zunächst hieß es …” , doch das reichte nach Ansicht des Kölner Landgerichts nicht aus. ​Es ​erließ ​deshalb ​zwei ​weitere ​Einstweilige ​Verfügungen, ​diesmal ​gegen ​die ​EMMA-Frauenverlags ​GmbH ​und ​den damaligen ​Inhaber ​der ​Domains ​emma.de ​und ​aliceschwarzer.de, der auch heute noch die beiden Internetauftritte betreut. Zudem verlangte Kachelmanns Verteidigung von Schwarzer eine weitere Vertragsstrafe von 20.000 Euro, da die zuvor verhängten 5.001 Euro “wohl nicht abschreckend genug gewesen seien”.

Hinzu kam ein älterer Artikel, der die angegriffene Behauptung über Kachelmanns Verteidigung im Kern enthielt. Da Alice Schwarzer eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte, hätte sie auch Sorge tragen müssen, dass sie diese Behauptung nirgendwo mehr verbreitet. Doch auch nach der Abgabe einer Abschlusserklärung blieb einer der Texte auf aliceschwarzer.de unverändert, weswegen Kachelmanns Verteidiger die Vertragsstrafenforderung “wegen besonders penetranter Uneinsichtigkeit” am vergangenen Freitag noch einmal um 50.000 Euro auf insgesamt 75.001 Euro erhöhte. Hinzu kommen die Anwalts- und Gerichtskosten für die verlorenen Verfügungsverfahren.

Außerdem laufen vor dem Landgericht Köln noch zwei Ordnungsgeldverfahren gegen Schwarzer, da sie gegen die Einstweiligen Verfügungen des Gerichts verstoßen habe.

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