Archiv für Mai 10th, 2010

Diktatoren zum An- und Abschalten

Es sind einige steile Thesen und “überraschend anders” zu nennende Gedankengänge, die der Philosoph und Kulturwissenschaftler Bazon Brock da vergangene Woche im Interview mit FAZ.net ausplauderte:

Vor fünf Jahren wurden Sie für Ihren Vergleich von Internet und GULAG gescholten. Fühlen Sie sich von den Entwicklungen seitdem, etwa durch die sozialen Netzwerke, bestätigt?

Als wir das vor Jahren sagten, haben die Leute uns für verrückt erklärt. Wir waren vor Jahren viel weiter und haben gesagt, dass das, was die Lager der totalitär-faschistischen Regime, des stalinistischen oder des Hitler-Regimes waren, jetzt, als Weltlager, das Netz geworden ist. Und es ist extrem gefährlich geworden, dort überhaupt in die Akten zu kommen, auffindbar zu sein. Wir wissen, wie delikat der Datenmissbrauch ist, wie hoch die Erpressungsmöglichkeiten liegen, nicht nur von Kriminellen, sondern auch von den eigenen Regierungen und den eigenen Institutionen.

Wie gesagt: Steile Thesen und überraschend andere Gedankengänge, mit denen es Brock spontan ins Hitler-Blog unseres Kollegen Daniel Erk schaffte.

Wer das Interview am Donnerstag las, stieß allerdings auf eine Hitler- und Stalinfreie Fassung, wie Mario Sixtus erstaunt in seinem Blog feststellte:

Wir waren vor Jahren viel weiter und haben gesagt, dass das, was die Lager der totalitär-faschistischen Regime, jetzt, als Weltlager, das Netz geworden ist.

Sixtus’ Eintrag trat einige Diskussionen los, die wiederum dazu führten, dass die FAZ.net-Redaktion am Freitag die Ursprungsfassung wiederherstellte und den Artikel mit folgendem Hinweis versah:

Aufgrund vielfältiger Proteste gegen einen Nebensatz in diesem Interview (fünfte Frage, zweiter Satz: “des stralinistischen … waren”) haben wir die nicht-argumentationsrelevante Passage am 4. Mai entfernt und dabei den Fehler gemacht, dies nicht zu kennzeichnen. Der Blog von Mario Sixtus hat den Fehler aufgegriffen und damit eine Diskussion über die Notwendigkeit des Eingriffs ausgelöst, in der uns die Argumente dagegen überzeugt haben. Wir veröffentlichen das Interview daher wieder in der ursprünglichen Form. (7. Mai, 13.40 Uhr)

Wir wollten am Freitagnachmittag von FAZ.net wissen, warum überhaupt die “nicht-argumentationsrelevante Passage” noch nach der Veröffentlichung des Interviews entfernt worden sei, haben aber bisher keine Antwort erhalten.

Gerüchte, Kriegsreportagen, SRG

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Kobuk enttarnt ‘Österreichs’ faulsten Lehrer”
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Das Portal oe24.at zeigt mit Pfeil auf ein unkenntlich gemachtes Symbolbild eines Lehrers und schreibt dazu: “Das ist Österreichs faulster Lehrer”.

2. “Wie der Boulevard Gerüchte streut”
(11freunde.de, Alex Raack)
Ein paar Gedanken zu Schlagzeilen wie “Also doch” und “Was läuft da mit”: “Ganz krude wird es, wenn sich die Bild-Zeitung ganz offenherzig bei den Vielschreibern aus dem transfermarkt.de-Forum bedient, quasi der Großküche für Gerüchte. Schnell landen dann mal Wunschgedanken und Tagträume von meinungsfreudigen Fußball-Fans als brandheiße News auf der Online-Präsenz des Springer-Riesen.”

3. “Zehn Gründe, warum das Schreiben im Internet viel einfacher ist”
(magda.de, Wolfgang Michal)
Wolfgang Michal zählt zehn Gründe auf, warum Schreiben ohne Gatekeeper und Kürzungszwang, dafür mit Emotion, Aktualität, Links und Verbesserungsmöglichkeiten einfacher sein kann.

4. “Der Tod kam wie am Fließband”
(einestages.spiegel.de, Hans-Jörg Michaelsen)
Hans-Jörg Michaelsen über Ernie Pyle, der abseits der militärischen Führung über den Krieg schrieb. “Seine Reportagen wurden nicht nur in der Heimat, sondern auch in den vordersten Kampflinien gelesen. Sie erreichten die Soldaten per Feldpost aus der Heimat. Smarte Generäle sucht man in seinen Berichten vergebens. Stattdessen erwähnte Pyle die Namen und Heimatorte der einfachen Soldaten, für deren Eltern und Nachbarn war das eine Sensation. Man sprach wochenlang davon.”

5. “Leistungsschutzrecht für Presseverlage”
(irights.info)
Der Redaktion von iRights.info wurde ein Entwurf (PDF-Datei, 36 kb) eines möglichen Leistungsschutzrechts zugespielt, das einen “Formulierungsvorschlag der Presseverleger sowie Änderungsvorschläge der Gewerkschaften DJV und dju/ver.di” enthält. “Würde der Gesetzgeber diesen Forderungen Folge leisten, würde das unweigerlich zu einer nie da gewesenen Rechtsverwirrung führen und die Berichterstattung und Informationsvermittlung sowie -beschaffung in einer Weise beeinträchtigen, die bislang nur in Ansätzen absehbar ist.”

6. “Fernsehapparatschiks”
(sonntagszeitung.ch, Roger Schawinski)
Roger Schawinski kommentiert die anstehende Wahl eines neuen Generaldirektors der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG. “Wie wird es ausgehen? Niemand weiss es. Die SRG wird geführt wie der Vatikan. Oder der Kreml zu Sowjetzeiten. Ein Idealkandidat ist nicht in Sicht.”