Archiv für März 18th, 2010

B.Z., dpa  

Die Rotlicht-Bullen von Dannenberg

Manchmal reichen fünf Zeilen, um ein riesiges Fragezeichen über dem eigenen Kopf erscheinen zu lassen:

Bullen sahen rot DANNENBERG - Zwei Bullen sahen aus ihrem Transport-Anhänger eine rote Ampel, wurden wild und stürmten aus ihrem Gefährt. Vier Polizisten fingen sie ein. (dpa)

Dabei weiß doch jedes Grundschulkind, dass Rinder gar kein Rot sehen können und Stiere auch nicht auf die Farbe des Tuchs in der Hand des Toreros reagieren, sondern auf dessen Bewegungen. Warum sollten Bullen dann an einer roten Ampel (und zwar an einer bestimmten) durchdrehen?

Die Mini-Meldung, die heute in der “B.Z.” steht, ist die Kurzfassung der Remix einer dpa-Meldung (passenderweise aus den Ressorts “Tiere” und “Buntes”), die insgesamt ein bisschen weniger falsch ist:

Bei Rot rissen die Bullen aus

Dannenberg (dpa) – Sonst greifen Bullen bei Rot an – diese beiden Exemplare aus Niedersachsen rissen aus, als ihr Transportanhänger vor einer roten Ampel hielt: Die Zwölfzentner-Tiere brachen am Mittwoch in Dannenberg aus dem Gefährt einer Viehverwertungsfirma aus. Vier Beamte nahmen die Verfolgung auf und konnten zunächst eines der beiden Tiere einfangen. Der zweite Bulle erwies sich dagegen als störrisch. Auf einem Friedhof beendete ein Tierarzt den Ausflug mit einem Betäubungsschuss in den Bullenhintern. Als das Tier wieder erwachte, führten die Polizisten es in den Anhänger ab.

Der Halbsatz am Anfang ist natürlich Quatsch, aber immerhin stimmt hier, dass die Tiere die Chance nutzten, als der Transporter stehen blieb — so steht es nämlich auch in der Polizeimeldung.

Der dpa-Landesdienst Niedersachsen hat übrigens alles richtig gemacht und auf jeden Verweis in Richtung “rotes Tuch” verzichtet.

Mit Dank an Marcel T.

Bild  

Eine Schlagzeile fürs Lehrbuch

Pressekodex, Richtlinie 12.1:

In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.

“Bild”, 18. März 2010:
Das sind die Poker-Räuber

Netzeitung, Pechstein, Afghanistan

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Kopieren wird belohnt”
(blog.zeit.de/kulturkampf, Tina Klopp)
Tina Klopp über eine Studie zur Online-Berichterstattung verschiedener US-Medien, “von der New York Times über AFP bis zur Gadget-Seite Gizmodo”: “Von 121 Reportern investierten 100 ihre Energie einzig, um die gleiche Geschichte noch einmal zu erzählen, obwohl es ein Link zu der Ursprungs-Story auch getan hätte.”

2. “Der Niedergang der Netzeitung”
(meedia.de, Jens Schröder)
Die von einer Redaktion mit zwölf Journalisten auf Aggregationsbetrieb umgestellte “Netzeitung” findet nur noch etwa einen Viertel der vorherigen Aufmerksamkeit.

3. “Deutungskampf um Pechstein”
(ndr.de, Video, 6:45 Minuten, Sinje Stadtlich)
An einer Pressekonferenz erklären Mediziner, wie es zu den Blutwerten der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein kam. Die Journalisten stehen den komplizierten Fachausdrücken einigermassen ratlos gegenüber.

4. “6 Subtle Ways The News Media Disguises Bullshit As Fact”
(cracked.com, C. Coville, englisch)
Sechs journalistische Kniffe, um Fakten vorzutäuschen.

5. “The Top Ten Works of Journalism of the Decade”
(journalism.nyu.edu, englisch)
Online verlinkte Nominierungen für die zehn besten Werke im US-Journalismus der Jahre 2000 bis 2009.

6. “Sterben für Afghanistan”
(zdf.de, Video, 44:05 Minuten, Stefan Aust und Claus Richter)
Ein Film von Stefan Aust und Claus Richter, der die Situation von Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan zeigt und die Bemühungen der Politik, diese nicht als Krieg darzustellen. Siehe dazu auch “Sergej, das ist Krieg” (faz.net, Michael Hanfeld).