Archiv für Dezember 18th, 2009

Bild  

Tiefschlagende Verbindung

“Bild” hat die Macht, kleine Themen ganz groß rauszubringen, mit Riesen-Schlagzeilen und einem tagelangen Trommelfeuer von Berichten. Aber manchmal versucht “Bild” auch, Themen ganz klein zu machen. Zum Beispiel wenn ein Discounter, mit dem die Zeitung gute Geschäfte macht, sich unangenehmen Vorwürfen ausgesetzt sieht. Oder ein Land, an dessen Seite “Bild” bedingungslos steht.

Vielleicht ist es manchmal aber auch noch banaler.

Eigentlich hält “Bild” die Klitschkos und ihre Boxwettkämpfe für ein gutes Thema. Als Vitali Klitschko Ende September im Staples Center in Los Angeles gegen den US-Amerikaner Chris Arreola seinen WM-Titel im Schwergewicht verteidigte, überschlug sich “Bild” – wie schon bei früheren Kämpfen der Klitschko-Brüder – im Vorfeld regelrecht mit der Berichterstattung.

Da wurde schon einen Monat vor dem Kampf von einem Treffen Klitschkos mit Ex-Weltmeister Mike Tyson berichtet, das “Knallhart-Training” begleitet, das Klitschko dann im Gespräch mit dem Blatt als die “härteste Vorbereitung” seiner Karriere bezeichnete. “Bild” druckte ein längeres Interview mit Klitschkos Trainer, berichtete vorab, welche Prominenten sich für den Kampf angesagt hatten, und wusste, dass Klitschkos Gegner beim Wiegen “wie ein Pfannkuchen” wirkte.

Dass Vitali Klitschko aber am vergangenen Samstag in Bern gegen Kevin Johnson kämpfte, hätte man als “Bild”-Leser fast nicht mitbekommen: Seit dem 24. Oktober fand keine nennenswerte Vorberichterstattung statt, am Kampftag selbst brachte die Zeitung eine vergleichsweise mickrige Meldung.

Warum?

Nun, am 12. Dezember fand nicht nur Vitali Klitschkos WM-Kampf statt, sondern auch die vom ZDF übertragene “Bild”-Spendengala “Ein Herz für Kinder”. “Bild” soll es den Klitschkos übel genommen haben, den Kampf auf denselben Tag gelegt zu haben, heißt es. Deshalb soll es eine “Bild”-interne Anordnung an die Sportredaktion gegeben haben, den Boxkampf, der als Konkurrenz zur eigenen Charity-Veranstaltung angesehen wurde, möglichst totzuschweigen.

Wir können nicht beweisen, dass das stimmt. Aber abgesehen von der merkwürdigen Funkstille vor dem Kampf spricht dafür auch, dass “Bild” nicht – wie sonst üblich – auf den Beginn der Sportübertragung bei RTL hinwies (in diesem Fall: 22.10 Uhr; die “Bild”-Gala im ZDF lief bis kurz nach 23 Uhr), sondern lediglich schrieb:

Kampfbeginn ca. 22.45 Uhr (RTL).

Seit Sonntag berichtet man in der “Bild”-Familie jetzt wieder über die Klitschkos.

Die Quoten für den Boxkampf waren übrigens auch fast ohne Vorberichterstattung von “Bild” hervorragend.

Draxler, Schweinegrippe, GZSZ

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Unglaublich, aber falsch”
(spiegel.de, Hendrik Ternieden)
Ein Artikel über den Hoax mit Beispielen wie Bluewater oder “Wilhelm” zu Guttenberg. Der Unterschied zwischen Fakt und Fiktion sollte “Aufgabe der journalistischen Medien sein, doch auch die stehen im Internetzeitalter unter erhöhtem Druck. Die Sorge, etwas zu verpassen, ist groß; die Freude über grelle Schlagzeilen und kuriose Geschichten oftmals noch größer, die saubere Recherche bleibt mitunter auf der Strecke.”

2. “Wenn Beleidigungen zum Beruf gehören”
(axel-springer-akademie.de/blog, Marc Lüttgemann)
“Bild”-Journalist Alfred Draxler äussert sich an einer Diskussion zum Thema Medien und Sport: “Robert Enke war nie Zielscheibe von kritischer Berichterstattung. Daher sehe ich keinen Zusammenhang zwischen den Medien und seinem Selbstmord”.

3. “Was ist bloss mit der Schweinegrippe passiert?”
(blog.patrickrohr.ch, Mirco Baumann)
Mirco Baumann hat den absoluten König unter den Schweinegrippejägern gefunden: “Die Minarett-Initiative. Sie hat es geschafft, das monatelang aktuelle Thema Schweinegrippe endgültig aus der Medienlandschaft zu verbannen.”

4. “Mag+, a concept video on the future of digital magazines”
(berglondon.com/blog, Video, 8:05 Minuten, englisch)
“Can we marry what’s best about magazines with the always connected, portable tablet e-readers sure to arrive in 2010?”

5. “Du hast einen langweiligen Beruf”
(dasmagazin.ch, Max Küng)
Journalist Max Küng muss sich von seinem Sohn sagen lassen, er habe einen langweiligen Beruf: “Er sagte, ich solle einen neuen Beruf lernen, einen spannenderen. ‘Was denn?’, fragte ich ihn. ‘Polizist’, sagte er. Ich fuhr beinahe in den Graben, der kein Graben war, sondern eine Hausmauer. Morgen gleich solle ich die Polizeischule anrufen und fragen, ob ich Polizist werden könne.”

6. “Mein erstes Mal GZSZ”
(technoarm.de, Martin Böttcher, mit Videos)
Eine Analyse eines Ausflugs der RTL-Soap “Gute Zeiten, schlechte Zeiten” in die Technoszene.