Archiv für Juni, 2009

Presserabatte, Münkler, Zimmermann

1. “Ist der Journalismus am Ende?”

(carta.info, Robert G. Picard)

Robert G. Picard mit einem aus seinem Blog “The Media Business” übersetzten Beitrag: “Journalismus ist kein Geschäftsmodell, keine Arbeitsstelle, kein Unternehmen, keine Branche, keine Medienart und kein Distributionssystem. Im Kern ist Journalismus eine Aktivität.”

2. “Herfried Münkler kämpft gegen das Internet”

(netzpolitik.org, markus)

Markus Beckedahl analysiert auf eine Kolumne des in Berlin lehrenden Politikprofessors Herfried Münkler in der Frankfurter Rundschau: “Hilfe. Sowas drucken Qualitätsmedien im Jahre 2009! Und da wundern sich Verlage, dass junge und gebildete Menschen sich keine Zeitungen mehr kaufen?”

3. “Presserabatte: Wie Journalisten um Prozente feilschen”

(ndr.de, Video, 11:25 Minuten)

“Ein günstiger Flug, ein ermäßigtes Auto, ein Computerschnäppchen – als Journalist zahlt man meist weniger als andere. Ohne großen Aufwand. Ganz einfach, weil sich Unternehmen positive Berichte erhoffen.”

4. Interview mit Albert P. Stäheli

(handelszeitung.ch, Gret Heer)

Der CEO der NZZ-Gruppe hat Sparmassnahmen eingeleitet, dennoch schreibt das Unternehmen Verluste. Er denkt nun über Einnahmen aus dem Internet nach. Die allgemeinen News sollen kostenlos bleiben: “Bei Finanzdienstleistungen, spezifischen Wirtschaftsthemen und Kommentaren von exzellenten Autoren ist eine Veränderung aber denkbar.”

5. Interview mit Russell Crowe

(morgenpost.de, Rüdiger Sturm)

Schauspieler Russell Crowe wäre gerne Journalist geworden. Allerdings: “Die Medien sind völlig zynisch geworden. Da nimmt man ein Stück Nichtigkeit und bläst es so auf, dass es in den freien Platz neben der Anzeige auf Seite fünf passt. Und die Generation, die damit aufwuchs, kann schon nicht mehr Unsinn von Wahrheit unterscheiden. Ich bin noch in einer Zeit groß geworden, wo bestimmte Zeitungen als unerschütterliche Vermittler von Fakten galten, aber das hat sich leider geändert.”

6. “Leiser Ruf nach dem Staat”

(weltwoche.ch, Kurt W. Zimmermann)

Kurt W. Zimmermann versucht das Kunststück, sich für “indirekte Beihilfen” des Staats an die etablierten Verlage auszusprechen und gleichzeitig dem Leser zu vermitteln, dass er eigentlich eine gegenteilige Haltung hat: “Wir haben an dieser Stelle immer liberale Positionen vertreten. Wir sind gewiss keine Etatisten. Aber wir wissen, dass die Medien vor wüsten Zeiten stehen. Sie brauchen Unterstützung vom Staat.”

Bild  

Der Superserienmilchbubigangster

Man muss vermuten, dass diesem Mann so ziemlich alles egal war: Er nahm beim Überwinden des “messerscharfen Stacheldrahts” erhebliche Verletzungen in Kauf und hinterließ sichtbare Blutspuren. Danach sprang er von einem Dach, das zwischen sechs und sieben Meter hoch war — “schwere Verletzungen”, so heißt es, hätten hier die Folge sein können.

Lyes B., ein 26jähriger Algerier, nahm das alles in Kauf, ganz offensichtlich um seine Abschiebung aus Deutschland zu verhindern. Denn die stand unmittelbar bevor, B. befand sich bereits in Abschiebehaft in Frankfurt und sollte am kommenden Mittwoch ins Flugzeug gesteckt werden, um Deutschland zu verlassen. Sorgen muss sich die Bevölkerung indes nicht machen: B. gilt laut Angaben des hessischen Justizministeriums als “nicht gefährlich”; es handle sich bei ihm nicht um einen “klassischen Kriminellen”, wie es in der “Frankfurter Rundschau” heißt. Abgeschoben werden sollte er insbesondere wegen Verstößen gegen das Ausländerrecht.

Ausländer und Ausbrecher zugleich — und dann soll der Mensch harmlos sein? Völlig unmöglich, und außerdem auch keine wirklich knackige Geschichte, dachte man sich anscheinend bei “Bild”.

Und so, liebe Leser, macht man dann aus dem wenig spektakulären Abschiebehäftling eine wirkliche “Bild”-Geschichte.

Schritt 1: Abschiebehäftling klingt fad und passt in keine Überschrift. Abschiebehäftling flieht aus Abschiebehaft, das will ja nun auch wirklich kein Mensch lesen. Konstruieren Sie deshalb Gegensätze und Superlative und fügen alles in einer einprägsamen Zeile zusammen. Beispielsweise so:

Milchbubi floh aus Super-Knast

Schritt 2: Der “Bild”-Leser mag sich wahlweise bei der Lektüre seines Blattes aufregen, entrüsten und auch mal ein wenig gruseln. Sorgen Sie also bitte dafür, dass aus langweiligen Abschiebehäftlingen irgendetwas wird, was ein wenig zum Fürchten ist. Man könnte ihn beispielsweise als “Serien-Verbrecher” titulieren, müsste aber, nur um ganz sicherzugehen, auch darauf hinweisen, dass er eine Gefahr für die Bevölkerung darstellt. Ein schöner Vorschlag wäre beispielsweise das hier:

Im Polizei-PC ist er als „Gewalttäter” und Serien-Verbrecher gespeichert. Zuletzt war die Bevölkerung sicher vor ihm – schließlich saß dieser Gangster seit 2 Wochen im Knast!

Und wenn Ihnen danach der Rest der Geschichte wirklich ein wenig unspektakulär gerät, macht nichts, die Message ist nach den ersten zwei Absätzen und der Überschrift angekommen: Als Milchbubi getarnter ausländischer Seriengangster  trickst kompletten Superknast aus, du liebe Güte — wenn das mal kein Grund zum Gruseln ist.

Mit Dank an Volkmar D.!

Einzelne negative Schlagzeilen

Letzten Freitag war der SPD-Mann Björn Böhning für “Bild” der “Verlierer des Tages”. Er hatte sich gegen die geplante Einrichtung von Internetsperren gegen Kinderpornographie ausgesprochen, weil diese nur “Sichtblenden” seien, die Inhalte aber nach wie vor verfügbar (BILDblog berichtete).

So gesehen ist es wohl nur konsequent, dass “Bild” heute die Frau zur “Gewinnerin” macht, die das Gesetz zu den Internetsperren vorangetrieben hat: Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, von ihren Gegnern auch als “Zensursula” bezeichnet.

Sie kämpft mit Verve für den Schutz unserer Kinder: Familienministerin Ursula von der Leyen (50, CDU) forderte seit Langem ein Gesetz, das den Zugang zu Kinderporno-Seiten im Internet erschwert. Jetzt hat sich die Koalition auf einen Gesetzentwurf geeinigt. Geplant sind u. a. Stoppschilder, die vor einschlägigen Websites warnen.

BILD meint: Frauenpower!

Kritiker der Internetsperren werfen der SPD vor, vor CDU/CSU und “Bild” “eingeknickt” zu sein:

Jetzt kann man, wenn man pervers veranlagt ist, seine Phantasie mit den Wörtern: “Bild”, “Kampagne”, “SPD” und “Kinderpornographie” spielen lassen, und hat ein ungefähres Bild dessen, wovor den Genossen graust. Das gegen Böhning, war nur ein kleiner Stupser.

Der SPD-Internetexperte Jörg Tauss wandte sich gestern in einem offenen Brief an seine Fraktionskollegen, in dem er unter anderem schrieb:

Wir sollten mehr Sorge um unseren Ruf [im Internet] haben, als vor einzelnen negativen Schlagzeilen in der BILD.

Schon heute kann Tauss am eigenen Leib die Wirkung negativer Schlagzeilen in “Bild” überprüfen:

Politiker unter Kinderporno-Verdacht sorgt für Zoff in SPD: Jörg Tauss wehrt sich gegen Internet-Sperre. Der Abgeordnete verlangt namentliche Abstimmung im Parlament

Im März war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft wegen des Besitzes von Kinderpornographie gegen Tauss ermittelt. Der begründete den Besitz (auch im “‘Bild’-Verhör”) damit, er habe sich ein eigenes Bild von der Szene und ihren Verbreitungswegen machen wollen. “Zeit Online” berichtete erst heute wieder über seinen Fall.

Der gleiche Paul Ronzheimer, der Tauss Ende März für “Bild” interviewt hatte, schreibt heute:

Dieses Thema lässt ihn einfach nicht los… Der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss wehrt sich plötzlich wieder massiv gegen die geplante Kinderporno-Sperre im Internet – und das, obwohl die Staatsanwaltschaft gegen ihn noch immer wegen Kinderporno-Verdacht ermittelt.

Dabei ist die Formulierung “plötzlich wieder” ziemlicher Quatsch: Tauss war schon früh ein Kritiker der geplanten Internetsperren und hat diese auch im Mai kritisiert.

Das Wörtchen “obwohl” hingegen ist mehr als perfide — wie auch der Rest des Artikels:

Tauss und die Internetsperre – das Thema bewegt ihn seit Langem. Die Vorwürfe, selbst kinderpornografisches Material besessen zu haben, beendeten aber von einem Tag auf den anderen seine politische Karriere. Obwohl er seine Unschuld beteuert, die Kontakte in die Szene mit der Recherchetätigkeit als Abgeordneter begründete, zog er seine erneute Kandidatur für die Bundestagswahlen zurück. Der Druck aus der Partei war zu groß geworden. Vor dem Hintergrund der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die immer noch andauern, hielt sich Tauss zurück. BIS JETZT!

Trotz der aktuellen Berichterstattung gibt sich Tauss entspannt. So twitterte er am heutigen Nachmittag:

hatte nettes Gespraech mit BILD;) Man muss wissen:Die #Zensursula Berichterst.der Union,Krogmann,ist mit dem stv.BILD-Chef verheiratet:)
(Tauss bezieht sich dabei auf die CDU-Abgeordnete Martina Krogmann, die Ehefrau des stellvertretenden “Bild”-Chefredakteurs Alfred Draxler)

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Bei Bohlen werden selbst billige Nacktfotos teuer

Die bekannte Zeitschrift “Viel Spaß” (M.I.G./Burda) muss 40.000 Euro an Dieter Bohlen zahlen, weil sie vor fast zwei Jahren in großer Aufmachung Nacktfotos von ihm und seiner Freundin zeigte, auf denen nur die Intimbereiche mit Laubblättern übermalt worden waren. Dass das Zeigen der Fotos keine gute Idee war, hätte die “Viel Spaß”-Redaktion sich aber auch irgendwie denken können.

Schließlich hatte die Berliner Boulevardzeitung “B.Z.” (Axel Springer) dieselben Fotos bereits wenige Wochen zuvor ähnlich groß hergezeigt — allerdings mit kleinen Sonnensymbolen statt Laubblättern:

BILDblog vom 20.6.2007:

“Nach unseren Informationen erfuhr Bohlen schon vor der Veröffentlichung, dass Nacktfotos von ihm und seiner Freundin gemacht worden waren und in ‘Bild’ erscheinen sollten. Und so gingen beim Verlag Axel Springer zwei vorbeugende einstweilige Verfügungen von Bohlens Anwalt ein, die ‘Bild’ den Abdruck der Fotos gerichtlich untersagten (…). Und tatsächlich veröffentlichte ‘Bild’ die Nacktfotos nicht. Stattdessen landeten sie beim ‘Bild’-Schwesterblatt ‘B.Z.’ (…).”

Und zwei Tage später berichtete “Bild” (damals bereits erstaunlich gut informiert, siehe Kasten):

[Bohlen] ließ die Veröffentlichung der Fotos verbieten und sogar Schmerzensgeld verlangen.

Die Veröffentlichung der Bohlen-Fotos in “Viel Spaß” hielt das Landgericht Hamburg nun für eine schwere Persönlichkeitsverletzung und einen Eingriff in die Intimsphäre des Klägers, zumal sich der Leser (trotz Feigenblatt) anhand des “zu erkennenden Schattenwurfs eine konkrete Vorstellung in Bezug auf das Genital des Klägers machen kann”.

*) Anders als andernorts behauptet und weiterverbreitet, betrifft das Urteil (AZ: 324 O 951/08) nicht die “B.Z.”. Nach unseren Informationen waren Bohlens Anwälte gegen die “B.Z.” bereits vor geraumer Zeit vorgegangen — ähnlich erfolgreich übrigens wie jetzt gegen “Viel Spaß”.

Twittersuche, Augstein, Medienkaffee

1. “Das Internet rettet die ARD”

(axel-springer-akademie.de, Thomas Wanhoff)

Thomas Wanhoff fragt sich, warum die ordentlich akkreditierten Journalisten in Teheran bei YouTube klauen: “Was ich nicht verstehe ist, warum die ARD nicht einen eigenen Mann mit Handy oder Minicam auf die Strasse schickt – vielleicht nicht gerade einen Ausländer, sondern einen Iraner. Der kann heimlich filmen und die ARD hat die Bildrechte.”

2. Interview mit Jakob Augstein

(planet-interview.de, Jakob Buhre und Felix Kubach)

Jakob Augstein, Verleger des Freitag, grenzt sich politisch ab: “Also, die Typen, die im Ernst finden, dass der Kapitalismus morgen abgeschafft werden muss, notfalls mit Gewalt, die werden wir verlieren. Weil sie irgendwann merken werden, dass diese Zeitung kein Rote Front-Kämpferverein ist, sondern wir uns hier auch mit Quittenlimonade von Bionade beschäftigen. Die Leute gehen dann wahrscheinlich zur ‘Roten Fahne’ zurück und das ist ehrlich gesagt auch gut so.”

3. Media Coffee in München

(youtube.com, Video, 5:31 Minuten)

Hans Werner Kilz, Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, glaubt weiterhin an Papier: “Also wenn die Zeitungen mal gestorben sind, dann wird der erfolgreichste Unternehmer der sein, der sie sofort wiedererfindet. Das Medium ist gar nicht tot zu kriegen – weil es so praktisch ist.”

4. “Medienpolitisches Manifest”

(schweizerpresse.ch, PDF-Datei)

Der Schweizer Verlegerverband hat ein Manifest geschrieben, in dem medienpolitische Massnahmen gefordert werden. Darunter die Befreiung der Mehrwertsteuer, Steuerabzug für Zeitungs- und Zeitschriftenabos, Vertriebsförderung, Werbefreiheit, Urheberrechtsschutz und Schutz vor staatlicher Konkurrenz, inkl. einer Eingrenzung der Aktivitäten der SRG.

5. “Twitter Search in Plain English”

(youtube.com, Video, 3:37 Minuten)

Redakteur und keine Ahnung, wie man bei Twitter sucht? Dem kann abgeholfen werden mit einer kostenlosen und leicht verständlichen Anleitung.

6. “S’beschte wo’s je hets gits”

(nzz.ch, Daniel Gerny)

“Youtube-Video [youtube.com, Video, 8 Sekunden] wird zum Sprachkult auf Pausenplätzen”

B.Z.  

Wir lassen uns das Zündeln nicht verbieten

Nehmen wir mal an, in Berlin würde es brennen. In Kreuzberg stünde ein Baugerüst in Flammen — und nicht mal zwei Stunden später würde ein Auto in Wilmersdorf in Flammen aufgehen.

Nehmen wir des Weiteren mal an, die Polizei würde Ihnen die folgenden Einschätzungen zu der Geschichte durchgeben: Das brennende Baugerüst könnte entweder durch Brandstiftung ins Brennen geraten sein, es könnte aber auch genauso gut ein technischer Defekt gewesen sein. Im Falle des brennenden Autos müsse man wohl von einer politisch motivierten Tat ausgehen, was man aber noch exakt überprüfen müsse. Und nehmen wir schließlich noch an, die Polizei bezeichnet die Täter Ihnen gegenüber als “Unbekannte”.

Wäre es in diesem Fall nicht völlig naheliegend, wenn man daraus die folgende Überschrift machen würde:

Brandanschläge: Linksautonome zündeln weiter. In der Nacht zum Montag haben Unbekannte ein Auto angesteckt. Auch ein Baugerüst brannte ab.

Nicht? Dann sollten Sie besser nicht bei der B.Z. arbeiten…

Mit Dank an Hanno B.!

Bankhofer, Becker, Stuckrad-Barre, taz

1. “Eine Liebeserklärung an die Zeitung”

(welt.de, Benjamin von Stuckrad-Barre)

Benjamin von Stuckrad-Barre analysiert in der Welt am Sonntag, wie alles ins Internet drängt. Die “schlecht getarnten Anbahnungsversuche”, mit denen Zeitungen ihre Leser ins Internet locken, hätten “auch immer etwas von Aufdenstrichgehen; man hört die Lockrufe von Peepshow-Türstehern: ‘Hereinspaziert – gucken kostet nix!'”.

2. “Der vorinstallierte Zensor”

(faz.net, Till Fähnders)

Alle in China produzierten sowie importierten Computer müssen ab dem 1. Juli das Filterprogramm “Grüner Damm” installiert haben: “Offiziell soll die Software dem Kinderschutz dienen und Pornographie oder Gewaltdarstellungen, aber offenbar auch Inhalte zum Thema Homosexualität blockieren.”

3. “Die Melissen-Masche”

(sueddeutsche.de, Marcus Anhäuser)

“Der selbsternannte Medizin-Experte Hademar Bankhofer hat über Jahre verdeckt die Produkte der Klosterfrau-Gruppe angepriesen. Eine klare Verbrauchertäuschung, sagen Kritiker.”

4. “Die taz, Bascha Mika und die Propaganda der Systemmedien”

(mein-parteibuch.com)

Ein taz-Leser fragt sich, wie die taz ein kritisches Zeitungsprojekt bleiben könnte, wenn die Chefredakteurin schon am Morgen “Mainstream-Medien” konsumiere: “Also im Klartext: taz-Chefredakteurin Bascha Mika zieht sich morgens eine volle Dröhnung verlogener Systempropaganda rein und geht dann in die taz, um für ‘eine kritische Öffentlichkeit’ zu sorgen, wie es im Redaktionsstatut der taz heißt.”

5. “Boris Becker und Braut fallen bei den St. Moritzern durch”

(nzz.ch, Ruth Spitzenpfeil)

Die NZZ berichtet von “hässlichen Szenen” anlässlich der Hochzeit von Boris Becker und Lilly Kerssenberg. Grund dafür ist der Exklusiv-Vertrag mit RTL: “Dutzende von Securitas-Wächtern verwehren mit Schirmen jeden Blick auf die Frischvermählten. ‘Schämt euch, schämt euch!’, ertönt es im Chor. Doch das Mercedes-280SE-Cabrio aus den sechziger Jahren kommt nicht schnell genug weg mit dem Brautpaar. Die Fotografen stürzen sich darauf, werden brutal weggezerrt.”

6. “US-Blogger schielt auf blick.ch”

(blick.ch, mky)

Zitatehren mal andersrum. Blick Online sieht sich veranlasst, seinen Lesern mitzuteilen, dass der US-Blogger Perez Hilton einen Tweet abgesondert hat, in dem er blick.ch verlinkt.

Stern  etc.

Die Opferfotos und die rechtsfreien Zonen

Zum Beispiel war unter den deutschen Passagieren, die in der vergangenen Woche mit einem Airbus im Atlantik abgestürzt sind, auch ein Assistenzarzt der Uniklinik Heidelberg. Das war für die Medien praktisch, denn die Klinik hat eine Homepage, auf der auch Fotos der Mitarbeiter stehen, da mussten sich die Journalisten nur bedienen und hatten sofort ein Bild, mit dem sie ihre Berichte illustrieren konnten.

Nein, sagt die Kliniksprecherin auf Anfrage von BILDblog, genehmigt habe das Krankenhaus die Verwendung seines Fotos nicht. Es habe niemand überhaupt eine Genehmigung erfragt.

* * *

Sechs große Hamburger Verlage haben in der vergangenen Woche die Bundesregierung aufgefordert, das Urheberrecht im Internet zu verschärfen. “Im Internet darf es keine rechtsfreien Zonen geben”, erklärten die Verlage von “Bild”, “Spiegel”, “Zeit”, “InTouch”, “Für Sie” und “Stern”. “Ungenehmigte Nutzung fremden geistigen Eigentums muss verboten bleiben.”

* * *

Der “Stern” weigert sich im Zusammenhang mit dem Amoklauf von Winnenden konsequent, Fragen nach der Herkunft der von ihm gezeigten Privatfotos der Opfer zu beantworten. In seiner aktuellen Ausgabe zeigt er fast jedes der über 100 Opfer des Flugzeugabsturzes im Bild. Bei den meisten fehlt der sonst übliche Hinweis auf die Quelle.

Auf eine Anfrage von BILDblog bei den Redaktionsleitern von stern.de, Frank Thomsen und Ralf Klassen, ob sie für eine ähnlich angelegte stern.de-Bildergalerie Einwilligungen der Urheber oder Angehörigen eingeholt haben, antworteten sie: nicht. 

Journalistische-Todsünden-Experten unter sich

Man kann die Empörung von Bild.de förmlich mit Händen greifen:

Neues Tuschel-Thema: der CSU-Chef und seine Ex-Geliebte - Taz bringt Seehofer mit neuen Gerüchten in Verruf

“Seehofers Geliebte erneut schwanger?” fragt die Taz in ihrer heutigen Ausgabe. Und: “Das ungeklärte Privatleben des CSU-Chefs verärgert viele Parteifreunde”.

Einen Beleg für Seehofers angebliches Doppelleben bleibt die links-alternative Tageszeitung allerdings schuldig.

Eigentlich eine journalistische Todsünde – dreht die Taz jetzt total durch?

Ja, verdammte Axt, die “taz” muss tatsächlich des Wahnsinns sein, wenn sie solche Sachen schreibt:

Bald hörte man in Berlin von CSU-Leuten: “Die sind noch zusammen.” In den letzten Wochen kam noch ein Detail dazu: “Die beiden bekommen ein zweites Kind.” […]

Am Tag, als das Gerücht den Weg in manche Blätter fand, feiern die Katholiken in Bayern das Fest Fronleichnam mit Prozessionen.

Fronleichnam war gestern. Und wer würde da schon Gerüchte über ein “angebliches Doppelleben” verbreiten?

"Bunte" spekuliert über Liebes-Comeback mit Ex-Geliebter

Also: Wer, außer “Bild” unter Berufung auf die “Bunte”? Denn die Klatsch-Illustrierte ist offensichtlich auch total durchgedreht, als sie schrieb:

In Berlin und München überschlugen sich vergangene Woche die Gerüchte: Anette Fröhlich sei angeblich zum zweiten Mal schwanger vom CSU-Vorsitzenden, hieß es. Sogar anonyme Briefe mit dieser Behauptung wurden an mehrere Redaktionen verschickt.

Einar Koch hat sich gestern wirklich bemüht, in keinem Moment den Eindruck zu erwecken, er mache sich die vielen angeblichen Details aus dem Privatleben Horst Seehofers zu eigen, die er für “Bild” aus der “Bunten” abschrieb. Er führte sogar aus:

Nach BILD-Informationen lässt die Rechtsanwältin wegen der Veröffentlichung der Kinderfotos rechtliche Schritte gegen die Münchner Illustrierte prüfen.

Die Juristen in der Münchner Staatskanzlei hatten zeitweilig erwogen, die Auslieferung der Illustrierten wegen der Kinderfotos in letzter Minute gerichtlich stoppen zu lassen.

Der selbe Einar Koch hat übrigens für die heutige “Bild” ein Interview mit Horst Seehofer geführt:

BILD: Herr Seehofer, die “Bunte” spekuliert über ein angebliches Liebes-Comeback mit Anette Fröhlich, der Mutter Ihrer unehelichen Tochter Anna-Felicia. Was sagen Sie zu den Spekulationen?

Horst Seehofer: Dazu äußere ich mich generell nicht mehr.

BILD: Dann zur Politik: Mit dem CSU-Erfolg bei der Europawahl haben Sie Ihre Feuertaufe als Parteichef bestanden. Was ist das nächste Etappenziel?

Und das war’s dann mit dem knallharten Kreuzverhör unter der Überschrift:

Herr Seehofer, was sagen Sie zu den Gerüchten um ihre Ex-Geliebte?

“Bild” und Bild.de können sich jetzt entspannt zurücklehnen und ganz geschickt über Bande spielen: Während man die Schwangerschafts-Gerüchte heute bequem der “taz” in die Schuhe schieben kann (obwohl sie als erstes von der “Bunten” veröffentlicht wurden), plapperte man gestern fröhlich nach, was andere woanders erzählt hatten:

RTL fragte in seiner Morgensendung bei Tanja May, “BUNTE”-Chefreporterin und Autorin des Berichts, nach: Sie lässt keine Zweifel aufkommen. Auf dem einen Foto sei die kleine Anna-Felicia zu sehen, “die Kleine schlendert da raus, die Händchen in den Hoschentaschen, als wenn sie da jeden Tag rausmarschiert.” […]

Laut “Bunte” sollen beide in der Nacht vom 1. auf den 2. Mai in Seehofers Ein-Zimmer-Wohnung den 35. Geburtstag von Anette Fröhlich am 1. Mai “gefeiert” haben. Die Fotos sollen also das immer noch sehr enge Verhältnis der beiden belegen!

Für Tanja May sind die Fotos der letzte Beweis, “okay, die beiden sind nach wie vor ein Paar”.

PS: Als “Bild” vor zweieinhalb Jahren exklusiv über die Schwangerschaft von Seehofers Geliebter berichtete (s.a. BILDblog vom 16. und 17. Januar 2007), hatte die Zeitung einen ähnlich schwachen “Beleg für Seehofers angebliches Doppelleben”, wie sie ihn jetzt der “taz” vorwirft:

Wie BILD zuverlässig erfuhr, wird Seehofer noch einmal Vater. Seine junge heimliche Geliebte erwartet in Berlin ein Kind von ihm.

Mit Dank auch an die vielen Hinweisgeber!

Bild  

Wer ist schon gegen Kinderporno-Gegner?

Für die “Bild”-Leser war der Kampf gegen Kinderpornographie im Internet schon am 26. März so gut wie gewonnen: Die Bundesregierung habe beschlossen, sie zu sperren, berichtete das Blatt.

“Geht es der Kinderporno-Mafia im Internet jetzt endlich an den Kragen?”, fragte “Bild” damals euphorisch. Dabei zielt der Gesetzentwurf der Bundesregierung [PDF] gar nicht auf den Kragen der Kinderporno-Mafia. Es geht in ihm nämlich nicht darum, die Inhalte aus dem Netz zu entfernen oder gar gegen die Urheber vorzugehen, sondern nur, den Zugang zu ihnen zu erschweren. Die Sperre besteht aus einem “Stopp”-Schild, das relativ leicht zu umgehen ist.

Für die Leser von “Bild” war also, wie gesagt, der Kampf gegen Kinderpornographie im Internet schon am 26. März so gut wie gewonnen. Entsprechend eindeutig dürfte ihr Urteil über den Mann ausfallen, den “Bild” ihnen heute als “Verlierer” des Tages vorstellt:

Der Sprecher der SPD-Linken, Björn Böhning (31), will den Gesetzentwurf der Großen Koalition zur Sperrung von Kinderporno-Seiten im Internet zu Fall bringen. Der Entwurf sieht vor, dass solche Websites durch Stoppschilder gekennzeichnet werden. Wer sie trotzdem aufruft, wird strafrechtlich verfolgt. Für Böhning ist das laut “Spiegel Online” nur “Alibi-Politik”.

BILD meint: Stoppt Böhning!

Es gibt nicht viele Möglichkeiten, das zu interpretieren. “Bild” erweckt den Eindruck, Böhning sei dagegen, Kinderpornographie zu bekämpfen. Das ist ein politisch potentiell tödlicher Eindruck, und er ist falsch.

Der Antrag, den Böhning und andere auf dem SPD-Bundesparteitag am Sonntag stellen, trägt die Überschrift “Löschen statt Sperren: Kinderpornographie wirksam bekämpfen, Internetzensur verhindern!” Darin heißt es unter anderem:

Ein direktes Vorgehen gegen die Inhalte-Anbieter wäre möglich und nachhaltiger als der Polizei Scheuklappen anzulegen. [… Die Initative der Bundesfamilienministerin] dient als bequemer Vorwand, um auch in Zukunft das mühsamere Löschen kinderpornografischer Inhalte aus dem Netz und das damit verbundene internationale Ermitteln der Täter zu vermeiden und von der bisherigen Tatenlosigkeit ablenken zu können.

Es geht also nicht um die Frage, ob Kinderpornographie bekämpft werden soll, sondern darum, wie dies am besten gelingt.

Aber kein Wunder, dass “Bild” so heftig und unfair auf Böhnings Vorstoß reagiert. Schließlich ist “Alibi-Politik” ihre ganz besondere Spezialität.

Korrektur, 19:10 Uhr. Ursprünglich hatten wir “Bild” vorgeworfen, in dem Artikel Ende März fälschlicherweise behauptet zu haben, dass das “Stopp”-Zeichen nur zu sehen bekommt, “wer aus Deutschland auf kinderpornografische Seiten im Ausland zugreift” — dabei könne es auch Seiten aus Deutschland betreffen. Doch “Bild” hatte zum damaligen Zeitpunkt Recht: Der Arbeitsentwurf [PDF] bezog sich damals noch ausdrücklich auf die Sperrung ausländischer Seiten.

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