Archiv für Februar 27th, 2009

Also, was diese Behörden bloß immer haben…

Es ist ungewöhnlich freundlich von der “Bild”-Zeitung, dass sie heute (direkt neben die nebenstehende Frage) ein großes Foto aus der Küche eines Berliner Restaurants abdruckt, in der alles pikobello aussieht. Und das, obwohl dort doch Berliner Lebensmittelkontrolleure “u.a. Rattenbefall, verdreckte Küchengeräte und faulige Lebensmittel” festgestellt haben wollen – weshalb das Restaurant von einer “Berliner Behörde” am Montag zusammen mit weiteren gastronomischen Betrieben “an den Internet-Pranger” gestellt werde:

Nach BILD-Informationen soll das [Restaurant] auf der Ekel-Liste stehen.

Woher “Bild” ihre “Informationen” hat, wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass die “Berliner Zeitung” bereits einen Tag vor “Bild” über die geplante (und umstrittene) Negativ-Liste der Pankower Veterinär- und Lebensmittelaufsicht und über den Rattenbefall in obigem Restaurant berichtete, den die Behörde dort offenbar erst vor gut einer Woche festgestellt hatte. In der “Berliner Zeitung” hieß es dazu:

Das Restaurant musste kurzzeitig schließen. Jetzt hat es wieder geöffnet.

Diese (letztlich vielleicht erfreuliche, aber nicht unerhebliche) Info sucht man in “Bild” vergeblich.

Mit Dank auch an Stefan K.

Hier schwimmt ein Monster durch den Blätterwald

Kuala Lumpur - Wir blicken durch die Kamera eines Überwachungshelikopters auf den Fluss Rajang auf der Insel Borneo (Malaysia). Was wir darin sehen, versetzt die Flussanwohner in panische Angst: Hier schwimmt eine über 30 Meter lange Schlange! Oder ist dies eine Fälschung?

Selbst, wenn “Bild” die Antwort auf die Frage “Schwimmt hier ein Monster durch den Urwald?” (Nein, natürlich nicht!) schuldig bleibt:

Auch der Rest des “Bild”-Artikels vom vergangenen Freitag zeugt von einer gewissen Rechercheunlust bei “Bild”.

Denn laut Urheber des Fotos (über das in den vergangenen Tagen beileibe nicht nur bei “Bild” spekuliert wurde) zeigt es nicht den malayischen Fluss Rajang, sondern den Kongo. Veröffentlicht wurde es zudem bereits 2002* – und zwar auf einer Website, über die “Bild” und Bild.de in den vergangenen Jahren schon häufiger berichtet hatten. Dann allerdings nannte man bei “Bild” die Betreiber der Website meist:

Die Grafikexperten von worth1000.com…

Die Photoshop-Künstler von worth1000.com…

Die Bildmonteure von worth1000.com…

Andernorts (bzw. hier, aber auch hier und hier) findet sich das “Monster”-Foto daher auch unter der Überschrift:

"Die verrücktesten Photoshop-Bilder"

*) Veröffentlicht wurde die mittelmäßige Fotomontage (die “Bild” in schlechter Qualität und ohne Quellenangabe zeigte) auf worth1000.com am 25.2.2002 im Rahmen eines “advanced photoshop contest” zu “Tieren, die angeblich existieren”.

Mit Dank auch an die Hinweisgeber.

Hyper Hyper!

Wir unterbrechen das BILDblog für einen kleinen Exkurs in den Grenzbereich zwischen nützlichem und unnützem Wissen:

Wussten Sie, dass das Wort “hypoallergen” eigentlich gar kein medizinischer Begriff ist?

“Hypoallergen” ist eine Zusammensetzung aus dem griechischstämmigen Präfix hypo- (“unter”, “darunter”) und dem griechischstämmigen Wort Allergen (ein Stoff, der allergische Reaktionen hervorruft). Geprägt wurde “hypoallergen” offenbar in einer Werbekampagne für Kosmetikartikel in den 50er Jahren.

Inzwischen werden Produkte aus so ziemlich allen Bereichen mit dem Merkmal “hypoallergen” gekennzeichnet – von Babynahrung über Hygieneartikel bis zur Kleidung. Sogar bestimmte Katzen- oder Hunderassen gelten als “hypoallergen”, was man spätestens weiß, seitdem bekannt ist, dass der US-Präsident Barack Obama seinen Töchtern einen Hund versprochen hat, und dass der “hypoallergen” sein solle, weil eine seiner Töchter Allergikerin sei. Dabei scheint übrigens wissenschaftlich noch nicht mal geklärt zu sein, ob es überhaupt so etwas wie “hypoallergene” Hunderassen gibt.

Aus medizinischer oder wissenschaftlicher Sicht hat das Wort “hypoallergen” jedenfalls keine Bedeutung. Es gibt nicht mal einen anerkannten Standard dafür, was “hypoallergen” ist. So kann ein mit “hypoallergen” gekennzeichnetes Produkt durchaus allergische Reaktionen hervorrufen, denn jeder reagiert nunmal auf etwas anderes allergisch.

Und damit zurück zum BILDblog:

Die “Bild”-Zeitung berichtet heute, dass die US-amerikanische Präsidentenfamilie sich für einen Portugiesischen Wasserhund als “First Dog” entschieden habe, weil das Fell dieser Rasse “sehr verträglich für Allergiker” sei. “Bild” schreibt:

"Fachbegriff für solche Hunde: hyperallergen."

Das wird zwar gerne mal verwechselt, ist aber Quatsch. Einen hyperallergenen Hund wollen die Obamas bestimmt nicht haben.

Mit Dank an Stefan K. für den sachdienlichen Hinweis.

Debatte über die Zukunft der Zeitung

1. Alle Medien sind Internetmedien
(vorwaerts.de, Thierry Chervel)
Thierry Chervel macht darauf aufmerksam, dass sämtliche Medieninhalte digital vorhanden und damit auch Online-Inhalte sind. Medienbeobachter preisen dennoch gerne die Langsamkeit der ausgedruckten Zeitungen als Vorteil: “Ausgerechnet der Journalismus, der Inbegriff zynischer Rasanz, rühmt sich seiner Langsamkeit. Dahinter steckt weniger die Suche nach Erkenntnis als der Phantomschmerz der verlorenen Torwächterfunktion: Seit es das Netz gibt, braucht die Öffentlichkeit nicht mehr die Filter der Medien, um sich zu artikulieren – für die Demokratie eine Bereicherung, für die Journalisten ein Verlust der Priesterfunktion.”

2. “Den Bannwald der Demokratie schützen”
(nzz.ch, Norbert Neininger)
“Der Ruf nach Artenschutz” (Zitat aus dem erstverlinkten Text) erschallt sogleich. Norbert Neininger fragt sich, ob “wir (auch staatliche) Massnahmen veranlassen” müssen, die den “Bannwald der Demokratie” am Leben erhalten. Dazu stellt er einen Katalog zusammen, der die Printpresse entlasten könnte, so zum Beispiel eine “Verbilligung der Zeitungszustellung”, die “Abschaffung der Mehrwertsteuer für Medienerzeugnisse” und einen “Rabattverzicht bei staatlichen oder öffentlichrechtlichen Kampagnen”.

3. 8 Thesen von Tim Renner
(carta.info, Robin Meyer-Lucht)
Tim Renner stellt acht Thesen zur Zukunft der Journalismusindustrie zusammen. These 2: “Kein Zweig der Medienindustrie sollte den Fehler machen, die Vorteile der analogen Medienträger zu überschätzen. Dies hat die Musikindustrie getan. Und dem gleichen Irrtum erliegen derzeit noch Zeitungs- und Buchindustrie.”

Read On…