Archiv für April 20th, 2008

medienlese – der Wochenrückblick

Bloghasser in der Schweiz, Kehrtwende beim Handelsblatt, Welt am Sonntag mit Aprilscherz.

Bruno Habegger vom PC Tipp schrieb eine Kolumne, “um wenigstens einmal im Leben im Medienlese-Blog erwähnt zu werden”. In einem surrealen Versuch, seine Leser zu verwirren mit Fenstern, die man fallen lässt, um sie anderen an die Wange zu klatschen (gemeint waren gecopypastete Meinungen), outete er sich als Bloghasser (obwohl es keine Rolle spiele, ob man Zeitungspapier oder Bildschirme mit Buchstabenmist bestreiche). Mit seiner Abneigung gegen dieses Medium war er nicht alleine. Auch Annina Haab (16) nannte sich blogophob, wie das slug-Blog kolportierte. Warum auch nicht: Ich halte es für rechtmässig, etwas nur seiner Form wegen zu hassen.
Read On…

Natascha Kampuschs Recht auf Privatsphäre

“Botschaft an die Medien: Das einzige, wovor die Presse mich verschonen soll, sind die ewigen Verleumdungen meiner selbst, die Fehlinterpretationen, die Besserwisserei und der mangelnde Respekt mir gegenüber.”
(Natascha Kampusch im August 2006)

Wie schon im letzten Sommer hat die Wiener Gratiszeitung “heute” nun abermals ihren mangelnden Respekt gegenüber Natascha Kampusch öffentlich gemacht und auf fünf Seiten “bislang unter Verschluss gehaltene Dokumente” veröffentlicht, die, um’s bei einer Formulierung der Nachrichtenagentur APA zu belassen, “sehr persönliche Details aus der Zeit von Kampuschs Gefangenschaft” beinhalten.

Nach der Veröffentlichung hat Kampuschs Anwalt rechtliche Schritte gegen “heute” angekündigt; die Wiener Staatsanwaltschaft ermittelt wegen “Verletzung des Amtsgeheimnisses”; und Kampusch selbst schreibt in einer Stellungnahme:

Ich bin entsetzt, dass diese vertraulichen Akten in die Öffentlichkeit gelangen konnten.

Der Satz stand gestern auch in “Bild” — nachdem “Bild” selbst ausführlichst aus den vertraulichen Akten zitiert und die “Akte Kampusch” sogar zur Titelschlagzeile gemacht hatte und nachdem “Bild” sich bereits tags zuvor nicht zu schade war für Fragen wie: “Wurde Natascha als Sex-Sklavin missbraucht?”

Aber auch das war ja schon im Sommer 2007 so — als Kampuschs Anwalt es für notwendig hielt, abermals darauf hinzuweisen, dass “auch Frau Kampusch (…) das Recht auf Privatsphäre” hat, in der “Medien wirklich nichts verloren” haben.

Die “Bild am Sonntag” hat sich heute übrigens für eine Kampusch-Doppelseite entschieden, aber zwischen psychologischen Ferndiagnosen, abwegigen Verdächtigungen, Überschriften wie “Wie freiwillig war der Sex mit ihrem Peiniger?” und “War Natascha schwanger?” für Kampuschs Empörung und ihr Recht auf Privatsphäre keinen Platz mehr gefunden.

Unschuld und andere Peinlichkeiten

Evelyn Holst, Mitte 50, ist Schriftstellerin und Journalistin, war Reporterin beim “stern”, hält sich durch Fahren auf dem Fitnessrad fit, hat immer eine Schachtel Pfefferminzpastillen aus der Apotheke dabei, arbeitet bis zu acht Stunden täglich und schreibt jeden Samstag eine Kolumne “nur für Frauen” in der “Bild”-Zeitung.

Gestern waren “Peinliche Promis” ihr Thema — und die Frage: “Wer denkt eigentlich an die Angehörigen?”

Anlass sind die Enthüllungen über die sexuellen Vorlieben und Praktiken des Automobilsport-Chefs Max Mosley, die seit einigen Wochen die halbe Welt kennt, und Evelyn Holst malt sich genüsslich aus, wie Mosleys Frau mit den Blicken ihrer Mitmenschen leben muss.

Aber Mosley ist nicht der einzige Prominente, dessen private “Schandtaten” von Zeitungen wie der, für die Frau Holst schreibt, öffentlich gemacht werden. Wer zählt noch zu den “peinlichen Promis”, die sie aufzählt?

Andreas Türck.

Jeder Andreas Türck hat Familie, die, als er unschuldig wegen Vergewaltigung vor Gericht stand, jeden Tag vor die Tür musste.

Den Satz muss man sich mehrmals durchlesen. Um danach vielleicht Frau Holst die Frage zu stellen, ob sie alle Menschen peinlich findet, die unschuldig vor Gericht stehen. Oder nur die, die von der “Bild”-Zeitung vorab für schuldig gesprochen werden.

Weiter in Frau Holsts “Bild”-Kolumne:

Auch was prominentes Liebesleben angeht, werden Angehörige ja nie vorher gefragt. Die Eltern von Carsten Thamm zum Beispiel. Was sagt Mami dazu, dass Udo Walz, 25 Jahre älter als er, jetzt zur Familie gehört? Okay, da hat man als Schwiegermutter immer die Haare schön, aber vermutlich hätte sie trotzdem lieber eine nette, blonde Schwiegertochter und viele Enkelkinder gehabt.

Auch die Mutter von Constantin Rothenburg war vermutlich nicht sooo happy, als ihr der 39 Jahre ältere Alfred Biolek als neuer Familienzuwachs vorgestellt wurde. Trotz seiner wunderbaren Königsberger Klopse, mein absolutes Lieblingsgericht.

Alles unter der Überschrift:

Peinliche Promis

Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen von Evelyn Holst.